Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 11.03.2019; Aktenzeichen S 51 R 1242/16 WA) |
LSG Hamburg (Beschluss vom 31.07.2020; Aktenzeichen L 3 BA 28/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 31. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer (der Rechtsvorgängerin) der Klägerin in der Zeit vom 1.4.2010 bis 30.11.2013.
Der Beigeladene wurde mit Wirkung vom 1.4.2010 zum Geschäftsführer der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin bestellt. Er hielt 12,5 vH der Anteile an ihr. Die Beschlüsse der Gesellschafter wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, für bestimmte Geschäfte, darunter die Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern bedurfte es einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Auf den Statusfeststellungsantrag des Beigeladenen stellte die Beklagte ab 1.4.2010 die Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung fest (Bescheid vom 17.7.2013, Widerspruchsbescheid vom 15.1.2014). Die dagegen gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hamburg vom 11.3.2019, Beschluss des LSG Hamburg vom 31.7.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Beigeladene habe aufgrund seiner Gesellschafterstellung keine hinreichende Rechtsmacht, um die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder Weisungen an sich zu verhindern. Seine "unechte" Sperrminorität vermöge die für eine selbstständige Tätigkeit notwendige Rechtsmacht nicht zu vermitteln. Die Verknüpfung der persönlichen wirtschaftlichen Situation des Beigeladenen mit derjenigen der Klägerin, insbesondere durch Übernahme von Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Klägerin sowie der Gewährung eines Darlehens an die Klägerin, ändere daran nichts.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Stellt es ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV dar und handelt es sich um die Übernahme eines Unternehmerrisikos, wenn ein Geschäftsführer und (Mit-)Gesellschafter sich gegenüber Vertragspartner/n der Gesellschaft freiwillig für deren Rückgriffsansprüche gegenüber der eigenen Gesellschaft verbürgt, auf deren Entstehen er durch seine eigene unternehmerische Tätigkeit Einfluss hat?"
Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der jüngeren Rechtsprechung des BSG zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern fehlt. Insbesondere setzt die Klägerin sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des Senats auseinander, nach der die Übernahme von Bürgschaften durch einen Minderheitsgesellschafter ohne umfassende Sperrminorität lediglich eine wirtschaftliche Einflussnahme erlaubt, nicht aber die notwendige Rechtsmacht vermittelt, um die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können (vgl BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 16).
Die Klägerin wirft weiterhin auf Seite 5 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Vermittelt eine Regelung im Gesellschaftsvertrag, die dem betroffenen Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität partiell für seinen Geschäftsbereich innerhalb der Gesellschaft einräumt (seine Sonderrechte), die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht?"
Auch insoweit setzt sich die Klägerin nicht hinreichend mit der umfangreichen, zum Großteil bereits vom LSG zitierten Rechtsprechung des Senats zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH auseinander, nach der nur eine umfassende Sperrminorität eine ausreichende Rechtsmacht vermittelt, um Weisungen an sich zu verhindern und eine auf einzelne Bereiche beschränkte Sperrminorität nicht ausreicht (stRspr, zuletzt BSG Urteile vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 16; B 12 KR 21/19 R - BSGE 129, 106 = SozR 4-2400 § 7 Nr 45, RdNr 16; B 12 R 9/19 R - juris RdNr 14; BSG Urteile vom 12.5.2020 - B 12 R 5/18 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - juris RdNr 14; B 12 R 11/19 R - juris RdNr 15). Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich hervor.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin will aus dem Urteil des BSG vom 11.11.2015 (B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28) den Rechtssatz ableiten, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffene Stimmrechtsvereinbarungen unter Mitgesellschaftern bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelt, beachtlich seien, soweit sie unter Stimmrechtsinhabern zustande gekommen seien. Die Klägerin zitiert hierbei jedoch nicht wörtlich, sondern nimmt eine Zusammenfassung nach eigener Rechtsdeutung vor, die sich aus der zuvor wiedergegebenen Textpassage des Urteils so nicht erschließt. Die Klägerin legt auch zudem nicht dar, ob es sich insoweit um entscheidungserhebliche - tragende - Ausführungen handelt.
Soweit die Klägerin aus dem Beschluss des LSG zitiert, legt dieses - seiner Rechtsauffassung nach - dasselbe Urteil des BSG vom 11.11.2015 zugrunde. Auf diese Weise zeigt die Klägerin weder sich widersprechende Rechtssätze auf noch legt sie dar, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG in Frage gestellt hätte. Wenn die Klägerin meint, dass das LSG die Vorgaben des BSG falsch angewandt oder verstanden haben sollte, rügt sie letztlich die Unrichtigkeit der Entscheidung. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
Soweit die Klägerin mit der Divergenzrüge sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend macht, inwieweit Stimmrechtsvereinbarungen für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern beachtlich seien, ist die Beschwerde ebenfalls unzulässig. Insofern hätte sich die Klägerin mit der Rechtsprechung des Senats zu Stimmrechtsvollmachten auseinandersetzen müssen (vgl zB BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - BSGE 129, 254 = SozR 4-2400 § 7 Nr 46, RdNr 28 ff mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 161 Abs 1, § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456168 |