Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. Amtsermittlungsrüge
Orientierungssatz
1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 = BSGE 2, 81; BSG vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 = BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG).
2. Die Beschränkung der Amtsermittlungsrüge kann nicht über den Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG vom 31.7.2019 - B 13 R 263/18 B - juris RdNr 11 mwN).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 128 Abs. 2, §§ 103, 62; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 08.10.2020; Aktenzeichen S 11 KR 438/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.06.2021; Aktenzeichen L 5 KR 188/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Jahre 2017 und 2018 sowie die Zeit vom 1.1. bis zum 18.3.2019.
Der Kläger unterlag mit Unterbrechungen seit 1.1.1984 der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer. Zum 1.6.2008 meldete er der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die Abgabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen an seine 1935 geborene Mutter. Die gegen seine Wiederaufnahme (wegen Zweifeln an der tatsächlichen Abgabe) in das Unternehmerverzeichnis gerichtete Klage blieb zuletzt vor dem LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.8.2019 - L 3 U 126/16) erfolglos. Die beklagte Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse setzte Beiträge für die Zeit ab 1.1.2017 fest (Bescheide vom 4.1.2017, 4.1.2018, 3.1.2019; Widerspruchsbescheide vom 31.5.2017, 30.5.2018, 14.2.2019).
Die dagegen gerichteten Klagen hat das SG Koblenz zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter Auswertung der Feststellungen des LSG im Urteil vom 29.8.2019 (L 3 U 126/16) abgewiesen (Urteil vom 8.10.2020). Die Berufung ist erfolglos geblieben (LSG Urteil vom 17.6.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, das wiederholte Vorbringen des Klägers, er habe in maßgeblichem Umfang Flächen an seine Mutter abgegeben, sei nicht glaubhaft. Er sei bei der Beklagten versichert und habe Beiträge zu entrichten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Der Senat berücksichtigt lediglich die Ausführungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten in dessen Schriftsatz vom 20.9.2021. Die danach an das Gericht per Fax übersandten handschriftlichen Äußerungen des Klägers persönlich genügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil insoweit der auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG geltende Vertretungszwang (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG) bei der notwendigen Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) nicht beachtet worden ist. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat für diese Ausführungen die Verantwortung nicht übernommen (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 7).
2. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung hat der Kläger nicht dargetan. Er lässt ausführen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, ohne eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufzuwerfen und deren über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung, Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit aufzuzeigen (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Sein Vortrag erschöpft sich insofern im Wesentlichen darin, auf die Bewirtschaftung durch die Mutter hinzuweisen und die Entscheidung des LSG kurz wiederzugeben.
3. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass der Kläger prozessordnungsgemäße Beweisanträge nicht nur gestellt, sondern auch bis zuletzt aufrechterhalten hätte, ist nicht dargetan. Im Gegenteil führt der Kläger aus, er habe die notwendigen Beweismittel nicht explizit benennen müssen, ohne diese Rechtsauffassung jedoch anhand der einschlägigen Normen (§ 160 Abs 2 Nr 3, § 103, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 373 ZPO) zu begründen.
Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2, § 62 SGG) liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26; BVerfG Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Zu diesen Voraussetzungen hat der Kläger ebenfalls nicht hinreichend vorgetragen. Sein Vortrag beschränkt sich auf die Rüge, das Gericht hätte von Amts wegen seinen Vortrag mit geeigneten Mitteln prüfen müssen und es habe ohne Weiteres die Mutter befragen können. Damit macht er in der Sache wiederum die fehlende Amtsermittlung durch das LSG geltend. Die Beschränkung der Amtsermittlungsrüge kann jedoch nicht über den Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2019 - B 13 R 263/18 B - juris RdNr 11 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15073844 |