Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der als Rechtsanwalt selbstständig tätige Kläger den Erlass, hilfsweise die Niederschlagung von Beitragsansprüchen. Nachdem das Jobcenter B. die vorläufige Bewilligung von Alg II wieder aufgehoben hatte, stellte die "Techniker Krankenkasse - Fachzentrum Mitgliedschaft/Beiträge" fest, dass der Kläger vom 1.2. bis zum 31.7.2016 in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig sowie in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig versichert sei und sich die monatliche Beitragsschuld auf insgesamt 170,34 Euro belaufe. Ein Erlass oder eine Niederschlagung sei derzeit nicht möglich (Bescheid vom 25.4.2016; Widerspruchsbescheid vom 21.7.2016). Das SG Köln hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2016). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klagen seien unzulässig und jedenfalls auch unbegründet. Hinsichtlich des begehrten Erlasses fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da die Verfahren gegen das Jobcenter noch nicht abgeschlossen seien und damit die endgültige Beitragsschuld noch nicht feststehe. In Bezug auf die beantragte Niederschlagung mangele es an einem angreifbaren Verwaltungsakt (Beschluss vom 7.2.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hat folgende Fragen aufgeworfen:
"Ist das Gericht zur Führung eines Rechtsgesprächs in einer mündlichen Verhandlung verpflichtet? Gilt also die in der ZPO-Reform nachdrücklich hervorgehobene und ausdrücklich auch auf die rechtlichen Gesichtspunkte erweiterte Erörterungspflicht (BT-DrS. 34/3750 S. 52 f. und BT-DrS. 14/4722 S. 77 f.) auch für die Sozialgerichtsbarkeit?
Ist die Ablehnung eines Niederschlagungsantrags (§ 76 Abs. 2 SGB-IV) gegenüber einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung durch diese die behördliche Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung und ist sie daher ein Verwaltungsakt?
Kann bei ALG-II-Beziehern denkfehlerfrei unterstellt werden, dass Vollstreckungsversuche erfolgreich sein werden, obwohl nach der gesetzlichen Systematik des SGB-II deren Einkommen offensichtlich unter der Pfändungsfreigrenze liegt und auch kein pfändbares Vermögen vorliegt?"
Hinsichtlich der zuerst aufgeworfenen Frage ist die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend aufgezeigt worden. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, dh sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 und BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17) oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Bei der insoweit gebotenen Aufarbeitung der rechtlichen Problematik (BSG Beschluss vom 2.9.2008 - B 2 U 196/07 B - Juris RdNr 5) hat sich die Beschwerde mit dem fraglichen Gesetz, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialen auseinanderzusetzen (vgl BSG Beschluss vom 20.6.2013 - B 5 R 462/12 B - BeckRS 2013, 70651 RdNr 10). Daran fehlt es hier.
Das BSG hat bereits mit Beschluss vom 11.12.1957 (8 RH 17/57 - SozR Nr 21 zu § 103 SGG) entschieden, dass § 139 ZPO für das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Anwendung findet. Der Kläger stellt lediglich die Fortgeltung dieser Rechtsprechung auch nach der Neufassung des § 139 ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl I 1887) infrage, legt die Gründe hierfür aber nicht hinreichend dar. Hierzu hat insbesondere deshalb Veranlassung bestanden, weil bereits nach § 139 Abs 1 S 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 12.9.1950 (BGBl I 455, 533) der Vorsitzende des Gerichts das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zu erörtern hatte und die Neufassung weitgehend dem bisherigen Recht entspricht; mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses sollte davon abgesehen werden, den Gerichten inhaltlich engere oder detailliertere Vorgaben als das bisherige Recht zu machen (vgl BT-Drucks 14/4722 S 77 zu Nr 20 ≪§ 139≫). Weshalb gleichwohl eine neue Gesetzeslage entstanden und deshalb die Rechtsprechung des BSG nicht mehr einschlägig sein soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
Mit der zweiten Frage nach dem Vorliegen eines Verwaltungsakts ist schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall gefragt worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 20.6.2013 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
In Bezug auf die zuletzt aufgeworfene Frage mangelt es an einer gebotenen Darlegung zu deren Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist nur eine Rechtsfrage, die gerade für die zu entscheidende Klage entscheidungserheblich ist. Der Kläger hätte daher aufzeigen müssen, inwieweit es für den Ausgang des auf Erlass und Niederschlagung gerichteten Verfahrens lediglich auf die Zeit des Bezugs von Alg II ankommen soll.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Unabhängig davon, ob der Kläger sich widersprechende Rechtssätze mit Blick auf die Urteile des BSG vom 29.4.2015 (B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9), 6.5.2009 (B 6 KA 7/08 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 9), 8.5.2007 (B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3) und 29.10.1991 (13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1) aufgezeigt hat, ist jedenfalls nicht dargelegt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
3. Ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet.
a) Soweit der Kläger die Ablehnung des Rechtsschutzbedürfnisses gerügt hat, ist die Rechtsanwendung, nicht aber die Vorgehensweise auf dem Weg zum Urteil (vgl BSG Beschluss vom 7.5.2014 - B 12 KR 30/12 B - Juris RdNr 3 mwN) beanstandet worden.
b) Auch die Rüge des Klägers, das LSG habe sein Vorbringen nicht berücksichtigt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) sowie ein faires Verfahren verletzt, ist nicht hinreichend aufgezeigt worden. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Prozessgericht hat jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12335600 |