Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Juli 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die (Neu-)Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle von bisher 40. Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 20.7.2023 verneint, weil eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse seit Erlass des bestandskräftigen Bescheids vom 16.1.2009 nicht festzustellen sei. Der Beklagte habe zwar mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.2.2020 als weiteren Einzel-GdB von 20 eine "Minderbelastbarkeit der Füße bei Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits und Gicht, Knorpelschäden beider Kniegelenke" berücksichtigt. Dies wirke sich aber nicht auf die Höhe des Gesamt-GdB aus. Der Sachverständige H habe in seinem Gutachten vom 4.12.2020 keine relevante Bewegungseinschränkung bestätigen können und hinsichtlich der Hände bis auf eine Teilversteifung des fünften Fingers links, die bereits mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt sei, keine relevanten Einschränkungen festgestellt.
Weitere Ermittlungen seien mangels objektiver Befunde und fehlender Mitwirkung des Klägers nicht zu veranlassen. Vielmehr sei bei den Gesundheitsstörungen eher eine Verbesserung eingetreten. Der von dem Beklagten 2009 angenommene Einzel-GdB von 20 für den Tinnitus sei nach dem HNO-ärztlichen Gutachten von S vom 11.3.2017 im Verfahren L 3 SB 235/15 nur noch mit 10 zu bewerten. Der "offene" Ductus arteriosus Botalli (vorgeburtliche Gefäßverbindung zwischen der Hauptschlagader und Lungenarterie) sei erfolgreich geschlossen worden und rechtfertige nach dem Gutachten des N vom 14.12.2013 zum Verfahren L 3 SB 175/13 nur noch einen Einzel-GdB von 10, sodass mangels internistisch-kardiologischer Behandlung des Klägers der von dem Beklagten angesetzte Einzel-GdB von 20 eher schwach sei.
Das von dem Beklagten mit einem Einzel-GdB von 20 bewertete hyperreagible Bronchialsystem habe der Kläger im Rahmen der Untersuchungssituation bei H nicht thematisiert. Insbesondere habe er keine entsprechenden Beschwerden geäußert. Zudem sei weder eine aktuelle Behandlung erfolgt noch lägen diesbezüglich aktuelle Befunde vor. Dies gelte auch hinsichtlich der "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Skoliose und degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden". Der Orthopäde K habe mit Gutachten vom 15.12.2018 zum Verfahren S 17 SB 194/18 keine Skoliose festgestellt. Die degenerativen Veränderungen an allen drei Wirbelsäulenabschnitten habe er mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dieser GdB entspreche nach den gutachterlichen Ausführungen von H auch dem von ihm erhobenen Befund. Der von dem Beklagten für die Gesundheitsstörungen "Somatisierungsstörung, seelische Störung, Polyneuropathie, Schwindel" angesetzte Einzel-GdB von 20 sei nach den Feststellungen von H nicht gerechtfertigt. Die Somatisierungsstörung sei allenfalls gering ausgeprägt und werde nicht behandelt. Die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten fünf Einzel-GdB von jeweils 20 führten nicht zu einem Gesamt-GdB von 50, weil diese in der Mehrzahl "schwach" seien und es deshalb im Fall des Klägers nicht gerechtfertigt sei, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Kläger hat mit einem beim BSG am 10.8.2023 eingegangenen Schreiben vom 9.8.2023 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Das Urteil basiere auf Gutachten, die älter als fünf Jahre seien. Nach der gutachterlichen Untersuchung bei H habe es eine weitere Verschlimmerung gegeben. Er brauche zeitweise Krücken.
II
Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung allein in Betracht kommende zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt.
Das ist hier unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers insbesondere auch in seinem Schreiben vom 9.8.2023 und des weiteren Akteninhalts nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Rechtsfragen stellen sich im Fall des Klägers nicht. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. In der angefochtenen Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen worden.
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Solche im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde relevanten Verfahrensmängel hat der Kläger nicht benannt; sie sind nach Durchsicht der Akten auch nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Beweisantrag des Klägers vor, den dieser an das LSG bis zum Ende der mündlichen Verhandlung gerichtet haben könnte. Entsprechend verhält es sich mit einer möglichen Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Mit dieser kann ein Beteiligter nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen. Eine solche Rügemöglichkeit ist hier nicht ersichtlich. Zum einen ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung am 20.7.2023 erschienen. Das LSG durfte in seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil es ihn in der Ladung darauf hingewiesen hatte, dass auch im Fall seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs 1 Satz 2 SGG). Zum anderen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm im Gerichtsverfahren eingereichten Schreiben vom LSG als Teil des Akteninhalts nicht zur Kenntnis genommen worden sind.
Sofern der Kläger mit seinem Hinweis, er brauche zeitweise Krücken, rügen wollte, dass das LSG die bei ihm bestehenden Funktionseinschränkungen nicht ausreichend bewertet habe, wendet er sich mit diesem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz, was im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zulässig ist. Denn in einem solchen Verfahren kann die Richtigkeit der Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nicht überprüft werden.
Soweit der Kläger meint, das LSG habe sich bei seiner Entscheidungsfindung auf zu alte Sachverständigengutachten gestützt, weil weitere Verschlimmerungen seines Gesundheitszustands eingetreten seien, ist nicht ersichtlich, worauf eine potentiell entscheidungserhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands substantiiert gestützt werden könnte (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 SB 74/21 B - juris RdNr 11). Der Kläger hat trotz ausdrücklicher Aufforderung des LSG mit Schreiben vom 14.3.2023 weder aktuelle Befunde vorgelegt noch ihn aktuell behandelnde Ärzte oder Einrichtungen benannt, von denen das LSG neue Berichte hätte einholen können. Wenn der Kläger im Übrigen kritisiert, dass das LSG dem Gutachten des Sachverständigen H vom 4.12.2020 gefolgt ist, wendet er sich abermals gegen die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG), womit er - wie oben bereits erwähnt - im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht durchdringen kann. Sofern der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des Berufungsgerichts in seinem Einzelfall rügen wollte, kann er auch insoweit keine Revisionszulassung erreichen (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 18.4.2019 - B 9 SB 2/19 BH - juris RdNr 8 mwN).
Aufgrund der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI16079269 |