Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren B 4 AS 191/22 BH bis B 4 AS 195/22 BH werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 113 Abs 1 SGG); führend ist das Verfahren mit dem Aktenzeichen B 4 AS 191/22 BH.
Die Anträge des Klägers, ihm zur Durchführung der Verfahren der Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. September 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.
Die Anträge auf Bestellung eines besonderen Vertreters werden abgelehnt.
Die Beschwerden des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den vorgenannten Entscheidungen werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, sind auch die Anträge auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel darin liegt, dass das LSG in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden hat. Das LSG hat den Kläger - im Wege öffentlicher Zustellung, weil sein Aufenthaltsort unbekannt war (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 185 Nr 1 ZPO) - ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann. Dies ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend (vgl BSG vom 26.5.2014 - B 12 KR 67/13 B - juris RdNr 7; BSG vom 4.3.2020 - B 3 KR 5/19 BH - juris RdNr 10).
Auch ist nicht zu beanstanden, dass das LSG dem Kläger entgegengehalten hat, dass dieser bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens keine aktuelle ladungsfähige Anschrift mitgeteilt hat. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens die Angabe der Anschrift des Rechtsuchenden voraus (BSG vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 4 mwN; BFH vom 10.3.2022 - VII B 174/20 - juris RdNr 14). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG [Kammer] vom 2.2.1996 - 1 BvR 2211/94 - juris RdNr 2). Adressänderungen während des Rechtsstreits hat der Kläger unverzüglich mitzuteilen (BSG vom 29.11.2022 - B 11 AL 21/22 B - juris RdNr 9 f). Ein häufiger Wechsel der Unterkunft enthebt den Betroffenen nicht von dieser Obliegenheit. Ausnahmen vom Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift können nur dann gemacht werden, wenn dem Betroffenen dies aus schwerwiegenden beachtenswerten Gründen unzumutbar (BSG vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 8) oder aufgrund Obdachlosigkeit unmöglich ist (BVerwG vom 14.2.2012 - 9 B 79.11 ua - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr 24 = juris RdNr 11 mwN). Dass eine solche Ausnahmekonstellation vorliegt, hat das LSG - ebenso ein anderer Senat desselben Gerichts (Hessisches LSG vom 27.4.2022 - L 4 SO 296/19 - juris RdNr 33 ff) - mit ausführlicher Begründung verneint. Bei der im PKH-Verfahren durchzuführenden summarischen Prüfung bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Annahme des LSG fehlsam wäre. Insbesondere enthält das Vorbringen des Klägers hierzu keinerlei substantiierten Vortrag. Die bloße Behauptung, obdachlos gewesen zu sein, reicht nicht aus. Die vom Kläger dem BSG vorgelegte Verlängerung der Kostenübernahmezusage der Stadt für eine Notübernachtungsstätte deutet im Übrigen eher darauf hin, dass der Kläger über eine ladungsfähige Anschrift verfügte; diese hat er auch im vorliegenden Verfahren beim BSG angegeben. Unter dieser Adresse sind gerichtliche Zustellungen nach Maßgabe von § 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 178 Abs 1 Nr 3, § 181 ZPO möglich. Der Senat hat auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass gerichtliche Mitteilungen den Kläger dort erreichen.
Ob die fehlende Mitteilung der Anschrift im vorliegenden Fall dazu führt, dass - so das LSG - die Berufungen selbst unzulässig waren oder lediglich die Klagen (vgl im letzteren Sinne BSG vom 31.5.2017 - B 5 R 29/16 BH - juris RdNr 13, 16 unter Hinweis auf BGH vom 9.12.1987 - IVb ZR 4/87 - BGHZ 102, 332 ff), kann dahinstehen. Denn auch bei Zulässigkeit der Berufungen, könnten Revisionen des Klägers allenfalls dazu führen, dass der Senat den Tenor der Berufungsentscheidungen dahingehend abändert, dass die Berufungen zurückgewiesen - statt verworfen - werden. Die klageabweisenden Entscheidungen des SG hätten hierdurch in gleicher Weise Bestand. Die Entscheidung durch Prozessurteil statt Sachurteil, die grundsätzlich einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG darstellen kann, wirkt sich daher im vorliegenden Fall nicht zulasten des Klägers aus. In einer solchen Konstellation kommt die Gewährung von PKH nicht in Betracht, weil es nicht Aufgabe des PKH-Verfahrens ist, einen lediglich vorübergehenden Erfolg im (Zwischen-)Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde herbeizuführen (BSG vom 31.5.2017 - B 5 R 29/16 BH - juris RdNr 16; vgl auch BSG vom 2.2.2023 - B 5 R 60/22 BH - juris RdNr 9). PKH ist nicht zu bewilligen, wenn - wie hier - klar auf der Hand liegt, dass der Kläger letztlich nicht dasjenige erreichen kann, was er mit dem Prozess in der Hauptsache anstrebt; denn PKH soll es einem Bedürftigen nicht ermöglichen, Verfahren durchzuführen, welche im Ergebnis nicht zu seinen Gunsten ausgehen können, die also ein verständiger Rechtsuchender nicht auf eigene Kosten führen würde (BSG vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 mwN; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160a RdNr 49).
2. Die Anträge auf Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG bleiben erfolglos, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.
3. Die vom Kläger persönlich beim BSG sinngemäß erhobenen Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den vorgenannten Entscheidungen des LSG sind schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften des § 73 Abs 4 SGG über den Vertretungszwang beim BSG entsprechen. Auf diese Zulässigkeitsvoraussetzung hat das LSG den Kläger in den Rechtsmittelbelehrungen seiner Entscheidungen ausdrücklich hingewiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Söhngen |
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B. Schmidt |
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Burkiczak |
Fundstellen
Dokument-Index HI15858445 |