Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.12.2017; Aktenzeichen L 22 R 588/16) |
SG Berlin (Entscheidung vom 16.06.2016; Aktenzeichen S 32 R 3163/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde an das BSG gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.12.2017. Darin hatte es das LSG abgelehnt, die Beklagte auf einen Überprüfungsantrag der Klägerin hin zur Neufeststellung einer "Rente unter Berücksichtigung von je 36 Monaten Pflichtbeiträgen für die Kindererziehungszeiten für die 1984, 1985 und 1987 geborenen Kinder" zu verurteilen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im og Urteil ist unzulässig. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
1. Die Beschwerde der Klägerin verfehlt die Zulässigkeitsanforderungen, indem sie zu deren Begründung ausführt, das Urteil des LSG beruhe "auf einer Verletzung eines verfassungsrechtlich geschützten Gleichheitsgrundsatzes" und dass die "Begründung hinsichtlich der Nichtzulassung der Revision … nicht überzeugen" könne. Denn allein die hierin liegende Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
2. Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 S 3 SGG, soweit sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits beruft.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN).
Anders als danach notwendig versäumt es die Klägerin bereits, eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - zu formulieren (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Sie benennt nicht einmal eine konkrete Norm, auf die sich eine solche Rechtsfrage beziehen könnte. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Unabhängig hiervon erfüllt die Beschwerdebegründung die Darlegungsanforderungen ebenfalls nicht, sofern die Klägerin mit ihrer Grundsatzrüge die - vermeintliche - Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für ihre vor 1992 geborenen Kinder bei der Berechnung ihrer Rente rügen will. Denn in einem solchen Fall darf sich die Beschwerdebegründung nicht - wie vorliegend - auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl Senatsbeschluss vom 11.5.2010 - B 13 R 589/09 B - Juris RdNr 16 ≪zu Art 3 Abs 1 GG≫). Entsprechende Darlegungen, die vorliegend zB auch auf die vom LSG ausführlich zitierte Rechtsprechung des BVerfG hätten eingehen müssen, fehlen vollständig.
3. Schließlich genügt die Beschwerdebegründung den Zulässigkeitsanforderungen auch nicht, wenn sich die Klägerin zumindest sinngemäß auf den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels beruft, weil das LSG nicht das Ruhen des Verfahrens angeordnet habe.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Die Klägerin hat entgegen diesen Anforderungen nicht dargelegt, dass alle nach § 202 SGG iVm § 251 ZPO notwendigen Voraussetzungen für eine Anordnung des Ruhens durch das Gericht vorlagen, insbesondere auch ein entsprechender Antrag auch der Beklagten. Darüber hinaus kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden, inwiefern das Urteil des LSG - inhaltlich - auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen könnte.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12037946 |