Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 20.03.2023; Aktenzeichen L 7 R 141/20)

SG Lübeck (Entscheidung vom 08.10.2020; Aktenzeichen S 48 R 171/17)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. März 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Das LSG hat im Urteil vom 20.3.2023 einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung verneint und dessen Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 8.10.2020 zurückgewiesen. Das Urteil des LSG ist dem Kläger am 11.7.2023 zugestellt worden.

Mit Telefax vom 11.8.2023 hat der Kläger beim BSG Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil beantragt. Dabei hat er auch den Vordruck zur Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt. In dieser am 11.8.2023 unterzeichneten Erklärung hat er angegeben, Mitglied sowohl des VdK als auch der Gewerkschaft verdi zu sein. Anstelle aller Angaben zu Einnahmen, Zahlungsverpflichtungen und Vermögensgegenständen in den Abschnitten E bis J des PKH-Vordrucks hat der Kläger auf den Bezug von SGB II-Leistungen (Bürgergeld) verwiesen und den Bescheid des Jobcenters vom 17.12.2022 über diese Leistung im Zeitraum Januar bis September 2023 beigefügt. Auf die Aufforderung im gerichtlichen Schreiben vom 15.8.2023, Nachweise dafür vorzulegen, dass eine Prozessvertretung durch den VdK oder gewerkschaftlicher Rechtsschutz nicht zu erlangen sei, hat der Kläger nicht reagiert.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 4 ZPO, Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014, BGBl I 34) innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Revisionsgericht eingereicht werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 5 R 30/16 R - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.4.2022 - B 5 R 23/22 BH - juris RdNr 3, jeweils mwN). Der Kläger ist diesen Anforderungen, auf die im LSG-Urteil (Umdruck S 13) zutreffend hingewiesen worden ist, nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Damit hat die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg iS von § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO, weil auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt Wiedereinsetzung in die bereits abgelaufene Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht bewilligt werden könnte.

Zwar hat der Kläger am letzten Tag der Rechtsmittelfrist mit einem um 17.44 Uhr abgesandten Telefax PKH beantragt und zugleich auch den von ihm unterzeichneten PKH-Vordruck übermittelt. Dieser Vordruck enthält jedoch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers keinerlei Angaben und ist deshalb offenkundig unzureichend ausgefüllt. Soweit der Kläger auf den von ihm beigefügten Bescheid zum Bürgergeld ab Januar 2023 verweist, kann das die erforderlichen Angaben nicht ersetzen. In dem - fett gedruckten - Ausfüllhinweis vor Abschnitt E des PKH-Vordrucks ist ausdrücklich vermerkt, dass die Abschnitte E bis J nicht ausgefüllt werden müssen, wenn "laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe)" bezogen werden und der aktuelle Bescheid einschließlich des Berechnungsbogens vollständig beigefügt wird. Diese Ausnahme vom Erfordernis, den PKH-Vordruck vollständig auszufüllen, gilt schon nach dem Wortlaut des genannten Hinweises für den Fall des Bezugs von SGB II-Leistungen nicht (vgl auch BSG Beschluss vom 21.11.2019 - B 5 R 231/19 B - juris RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 21.4.2022 - B 5 R 3/22 BH - juris RdNr 4). Der Kläger hat damit innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht alles ihm Zumutbare unternommen, um PKH zu erlangen.

Hinzu kommt, dass der Kläger angegeben hat, Mitglied im VdK und in der Gewerkschaft verdi zu sein. Beide Organisationen gewähren im Rahmen der Mitgliedschaft auch Rechtsschutz in Verfahren vor dem BSG (zur Vertretungsbefugnis vgl § 73 Abs 4 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 2 Nr 5 bis 9 SGG). Das Mitglied eines Sozialverbands oder einer Gewerkschaft muss deshalb zunächst seine satzungsmäßigen Rechte auf eine entsprechende Prozessvertretung ausschöpfen. PKH kann erst dann bewilligt werden, wenn die zur Prozessvertretung vor dem BSG befugte Organisation tatsächlich keinen Rechtsschutz gewährt oder wenn im Einzelfall die Inanspruchnahme des Verbandsrechtsschutzes unzumutbar ist (vgl BSG Beschluss vom 7.1.2016 - B 13 R 260/13 B - juris RdNr 5 mwN). Der Kläger hat trotz einer entsprechenden Aufforderung nicht geltend gemacht, dass er Rechtsschutz vom VdK oder von der Gewerkschaft nicht erlangen könne oder dies für ihn unzumutbar sei.

Die Bewilligung von PKH kommt nach alledem nicht in Betracht. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO) ist damit ausgeschlossen.

Düring

Hahn

Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16025702

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge