Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 10.11.2022; Aktenzeichen S 15 R 2419/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.11.2023; Aktenzeichen L 13 R 3282/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte lehnte den Antrag des 1963 geborenen Klägers auf die begehrte Rente nach medizinischen Ermittlungen ab(Bescheid vom 10.12.2019; Widerspruchsbescheid vom 25.8.2020) . Das SG hat aktuelle Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte und ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie ein neuropsychologisches Zusatzgutachten eingeholt. Mit Gerichtsbescheid vom 10.11.2022 hat es die Klage abgewiesen. Das LSG hat den Kläger ua mit Verfügung vom 11.5.2023 darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Mit Beschluss vom 2.10.2023 hat es ein Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Berichterstatter und im Anschluss die Berufung zurückgewiesen(Urteil vom 21.11.2023) . Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Rente seien nicht erfüllt. Der Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen habe es nicht bedurft.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG erhoben. Er macht Verfahrensmängel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Der Kläger macht zunächst geltend, das LSG sei bei Erlass seines Urteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen( § 547 Nr 1 ZPO iVm§ 202 Satz 1 SGG ) , weil ein wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter bei der Entscheidung mitgewirkt habe. Das Ablehnungsgesuch sei zuvor zu Unrecht abgewiesen worden. Der abgelehnte Richter habe keine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende dienstliche Äußerung abgegeben. Dies führe dazu, dass auch das Ablehnungsgesuch nicht ordnungsgemäß bearbeitet worden sei. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.
Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs kann grundsätzlich nur dann als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden, wenn die Rüge darauf gestützt wird, die Entscheidung beruhe auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen oder die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs deute darauf hin, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie desArt 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe(stRspr; vgl uaBSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 101/22 B - juris RdNr 8 mwN) . Diese Voraussetzungen legt der Kläger nicht hinreichend dar. Er versäumt es bereits, auf die näheren Umstände des Ablehnungsgesuchs einzugehen. Ebenso wenig setzt er sich inhaltlich mit dem Beschluss des LSG vom 2.10.2023 auseinander. Dass es aus seiner Sicht an einer hinreichenden dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters nach § 202 SGG iVm § 44 Abs 3 ZPO gefehlt habe, ist nicht ausreichend. Ihr Fehlen ist im Übrigen dann unschädlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt eindeutig feststeht(vglBSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 SB 74/21 B - juris RdNr 18 mwN) . Eine Äußerung des abgelehnten Richters ist nämlich grundsätzlich nur zu Tatsachenfragen erforderlich(vglBSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 10 ;BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 12 mwN) . Welche konkreten Äußerungen vor diesem Hintergrund von dem abgelehnten Richter hätten erwartet werden können, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
2. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung von § 103 Satz 1 SGG hinreichend bezeichnet. Macht ein Beteiligter einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr; vglBSG Beschluss vom 26.9.2023 - B 5 R 106/23 B - juris RdNr 5 mwN) .
Der Kläger zeigt bereits nicht auf, dass er beim LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat. Er bezieht sich auf sein Vorbringen zum Chronic Fatigue-Syndrom (CFS) und seinen mit Schriftsatz vom 17.11.2023 gestellten sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhaltenen Antrag, ein Sachverständigengutachten auf neuro-immunologischem Fachgebiet einzuholen. Das bloße Verlangen, einen Sachverständigen einer bestimmten Fachrichtung zu hören, ist zur Begründung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags nicht ausreichend. Dies gilt auch dann, wenn auf dem medizinischen Fachgebiet kein Gutachten von Amts wegen vorliegt(vgl zBBSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 8 f) . Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss benennen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte(vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 403 ZPO ) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden soll(vglBSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 5 R 21/22 B - juris RdNr 7 ) . Im Rentenstreitverfahren muss er sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Es darf dabei nicht nur auf eine Diagnosestellung ankommen, vielmehr muss der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden(vgl zBBSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 8 mwN) . Ein zur Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nur ein solcher sein, der das Beweisthema konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll(vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 18a mwN) . Dazu gehört die Bestimmung, zu welchen konkreten Tatsachen eine (ggf erneute) Aufklärung durch einen Arzt welcher Fachrichtung eingeholt werden sollte(BSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 8 mwN) . Der Kläger zeigt nicht auf, einen solchen Beweisantrag gestellt zu haben. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, unter welchem Aspekt eine Begutachtung auf neuro-immunologischem Fachgebiet voraussichtlich rentenrechtlich relevante Einschränkungen seines Leistungsvermögens ergebe, die über die bereits vom SG angenommenen qualitativen Leistungseinschränkungen hinausgehen würden.
Dementsprechend wird in der Beschwerdebegründung auch nicht hinreichend aufgezeigt, dass das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte gedrängt fühlen müssen(vgl zu diesem Erfordernis zBBSG Beschluss vom 11.1.2024 - B 2 U 17/23 B - juris RdNr 11 mwN) . Der Kläger setzt sich insbesondere nicht mit der Argumentation des LSG auseinander, dass unabhängig von einer möglichen Diagnose eines CFS sich nach den überzeugenden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen hieraus keine rentenrelevanten Leistungseinschränkungen feststellen lassen.
Soweit der Kläger im Übrigen moniert, das LSG habe zu Unrecht angenommen, dass der Sachverhalt umfassend aufgeklärt sei und die Sachverständigen mit nachvollziehbarer Begründung und nach sorgfältiger Begutachtung von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers ausgegangen seien, wendet er sich - im Kern - gegen die Beweiswürdigung des LSG(vgl§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) . Damit kann er jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein eine Revisionszulassung nicht erreichen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16373464 |