Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 29.10.1976)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1976 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit seit dem 6. August 1975. Die Beteiligten streiten darüber, ob die vorangegangene Beschäftigung des Klägers geringfügig (kurzzeitig) iS des § 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) war.

Der Kläger studierte seit April 1970 Rechtswissenschaften. Mitte Mai 1976 meldete er sich zur ersten juristischen Staatsprüfung. Bis Ende November 1976 war der Kläger noch bei der Universität Hamburg immatrikuliert.

In der Zeit vom Februar 1973 bis Juni 1975 erteilte der Kläger neben seinem Studium als Lehrer im Angestelltenverhältnis an der Realschule II in I. Englisch- und Geschichtsunterricht. Er bezog ein festes Monatsarbeitsentgelt in Höhe von 504,00 DM bei einer regelmäßigen Unterrichtszeit von wöchentlich 12 Stunden. Beiträge an die Beklagte wurden nicht entrichtet. Nachdem der Arbeitsvertrag des Klägers nicht verlängert worden war, meldete der Kläger sich am 6. August 1975 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alhi. Er machte geltend, daß abgesehen von der Korrektur der Klassenarbeiten allein zur Vorbereitung einer Unterrichtsstunde eine Zeitstunde benötigt werde. Darüber hinaus bestehe Anwesenheitspflicht bei Konferenzen. Klassenfahrten allein erbrächten schon 240 Arbeitsstunden pro Jahr. Der Kläger erklärte sich zur Übernahme einer Ganztagsarbeit bereit, falls es sich um eine seiner bisherigen Qualifikation entsprechende zumutbare Tätigkeit handele. Für die Zukunft gab er an, als Lehrer für Rechtskunde tätig werden zu wollen.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alhi ab (Bescheide vom 3. Oktober 1975 und vom 24. November 1975; Widerspruchsbescheid vom 25. November 1975). Die Beschäftigung des Klägers bei der Realschule II in Itzehoe sei geringfügig gewesen. Hierbei sei die Vor- und Nacharbeitszeit bereits berücksichtigt. Darüber hinaus sei der Kläger nicht Arbeitnehmer, weil er eine Stellung im Staatsdienst anstrebe.

Der Kläger hat beim Sozialgericht (SG) Itzehoe eine Bescheinigung des Direktors der Realschule II in Itzehoe vom 30. Dezember 1975 vorgelegt, mit der dem Kläger bestätigt wird, daß er in der Zeit vom 1. Februar 1973 bis 19. Juni 1975 eine faktische Arbeitszeit von über 20 Stunden pro Woche gehabt habe, weil er die Unterrichtsstunden habe vor- und nachbereiten müssen sowie zur Vorbereitung und Auswertung von Klassenarbeiten und zur Teilnahme an Konferenzen verpflichtet gewesen sei. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 29. März 1976 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29. Oktober 1976 die Berufung zurückgewiesen und im wesentlichen dazu ausgeführt:

Der Kläger sei vor Beginn seiner Arbeitslosigkeit nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt gewesen. Auch bei Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeit, die für die Erteilung von Unterricht erforderlich gewesen sei, habe die Tätigkeit des Klägers nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich in Anspruch genommen. Entsprechend der in Übereinstimmung mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein (Erlasse des Kultusministers vom 2. Oktober 1969 – X 12 b – 11/9082 – und 12. Januar 1971 – X 18 b – 11/9082 – betreffend Beitragspflicht der nicht vollbeschäftigten Lehrkräfte, Nachrichtenblatt des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein 1969 S 266 und 1971 S 21) und den Spitzenverbänden ua der Krankenkassen (Die Beiträge 1963 S 15 f) geübten Praxis sei die gem § 102 Abs. 2 Nr. 1 AFG zu berücksichtigende Vor- und Nacharbeit einer Lehrkraft derart zu berechnen, daß die Pflichtstundenzahl der hauptamtlichen Lehrkräfte mit 20 multipliziert werde und durch die Zahl der regelmäßigen Arbeitsstunden im öffentlichen Dienst (1975 = 40 Stunden) zu dividieren sei. Da durch Erlaß des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein (11. Juli 1969 – X 12 b – 11/3930 –, Nachrichtenblatt des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein 1969 S 178) im Jahre 1975 für Lehrer an Realschulen 27 Pflichtstunden vorgeschrieben gewesen seien, ergebe sich für diese im Hinblick auf die Frage der Geringfügigkeit eine umgerechnete Arbeitszeitgrenze von 13,5 Stunden (für Vor- und Nacharbeit). Der Kläger habe aber lediglich 12 Stunden wöchentlich unterrichtet. Auch bei Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeit habe er nur 18 Stunden gearbeitet und damit nicht die Geringfügigkeitsgrenze von 20 Stunden erreicht. Als maßgebend für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung unter Berücksichtigung der zu ihrer Ausübung notwendigen Vor- und Nacharbeit geringfügig gewesen sei, könnten nicht die persönlichen Verhältnisse und Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnen Beschäftigten angesehen werden. Die erforderliche Arbeitszeit sei vielmehr unter Zugrundelegung von Durchschnitts- und Erfahrungswerten im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 102 AFG. Die Frage der Dauer der erforderlichen Vor- und Nacharbeiten könne nicht schematisch festgelegt werden. In welchem Umfange eine Lehrkraft an Realschulen Vor- und Nacharbeiten leiste, hänge von den verschiedensten Umständen ab, darunter dem Unterrichtsfach und der Klassenstufe, in der unterrichtet werde. Nicht zu unterschätzen sei schließlich der Zeitaufwand für Konferenzen, Elternabende und Rücksprachen mit einzelnen Erziehungsberechtigten. Solche Konferenzen und Elternabende zögen sich oft stundenlang hin, seien unumgänglich und erforderten, insbesondere vor Versetzungen, eine erhebliche Konzentration. Eine formelhafte Feststellung der Vor- und Nacharbeiten gehe am wirklichen Leben völlig vorbei. So werde sich zB ein Lehrer für Sport kaum auf den Unterricht vorbereiten, habe auch keine Klassenarbeiten zu korrigieren, während etwa ein Deutschlehrer bei der Durchsicht eines deutschen Aufsatzes höchste Konzentration aufbringen müsse bei über durchschnittlichem Zeitaufwand. Ähnlich dürfte es sich bei Fremdsprachen verhalten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 29. März 1976 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alhi ab 6. August 1975 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halt das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Ob dem Kläger für die Zeit seit dem 6. August 1975 ein Anspruch auf Alhi zusteht, ist aufgrund der vom LSG festgestellten Tatsachen noch nicht zu entscheiden. Anspruch auf Alhi hat (§ 134 Abs. 1 AFG), wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und Alhi beantragt hat. Weiter wird vorausgesetzt, daß der Arbeitslose keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, bedürftig ist und innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, entweder Alg bezogen hat oder mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Außer Betracht bleiben Beschäftigungen, die geringfügig sind (§ 102 AFG). Das LSG hat den Anspruch des Klägers bereits verneint, weil er nicht mindestens 10 Wochen mehr als nur geringfügig beschäftigt gewesen sei. Es hat daher die anderen Tatbestandsmerkmale nicht zu prüfen brauchen und in Bezug auf sie auch keine Tatsachenfeststellungen getroffen.

Ob der Kläger jedoch tatsächlich nicht mehr als geringfügig beschäftigt gewesen ist, ist den Feststellungen des LSG nicht abschließend zu entnehmen.

Anzuwenden ist § 102 AFG idF, die er durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) erhalten hatte. Geringfügig ist danach eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs. 1 Satz 1 AFG). Davon abweichend gilt eine Beschäftigung nicht als geringfügig, wenn sie zwar auf nicht mindestens 20 Stunden wöchentlich beschränkt ist, aber zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mehr als 20 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt (§ 102 Abs. 2 Nr. 1 AFG). Bestehen vertragliche Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit, so ist ihnen zu entnehmen, ob die Beschäftigung geringfügig ist. Das ist beim Kläger nicht uneingeschränkt der Fall gewesen. Wohl war die Zeit durch den Arbeitsvertrag festgelegt, in der der Kläger Unterricht zu erteilen hatte. Wie das LSG festgestellt hat, gehörte jedoch zur Arbeit des Klägers auch die Vor- und Nacharbeit und die sonstigen Arbeiten, die mit der Tätigkeit eines Lehrers notwendigerweise verbunden sind, also zB Teilnahme an Lehrerkonferenzen, Rücksprache mit Erziehungsberechtigten, Klassenfahrten usw. Die Beurteilungsgrundlage, wie lange der Kläger wöchentlich beschäftigt war, ist demnach der „Natur der Sache”, dh der Art. und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung zu entnehmen. Es kommt darauf an, ob bei normalem Ablauf der Ereignisse unter üblichen Arbeitsbedingungen ein durchschnittlich begabter Ausführender mit durchschnittlicher Fertigkeit weniger als 20 Arbeitsstunden wöchentlich benötigt (Urteil des Senats vom 30. Mai 1978 – 7 RAr 48/77 –; Weber/Paul, Kommentar zum AFG RdNr. 9; Schoenefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 102, RdNr. 5). Es ist also ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend sind die Grenzen, die sich ungeachtet subjektiver Gesichtspunkte, wie zB des Arbeitstempos des Ausführenden, allein aus Art. und Wesen der Beschäftigung objektiv ergeben (Schoenefelder/Kranz/Wanka aaO).

Daraus, daß § 102 Abs. 1 Satz 1 AFG es auf die „Natur der Sache” abstellt und daß dies auch die Maßgeblichkeit der durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Folge hat, folgt andererseits, daß die individuellen Besonderheiten der von dem Arbeitnehmer auszuführenden Arbeiten zu berücksichtigen sind. Generalisiert wird nicht „die Sache”, sondern die Fähigkeit des Ausführenden. Das bedeutet, daß es nicht auf die individuellen Fähigkeiten des betreffenden Arbeitnehmers ankommt, sondern auf durchschnittliche Fähigkeiten, daß aber andererseits nicht von einer abstrakten, generalisierten Arbeit auszugehen ist, sondern von der Arbeit, zu deren Ausführung sich gerade dieser Arbeitnehmer verpflichtet hat. Bei gleichartigen Verpflichtungen und gleichartigen Aufgaben läßt sich aus Gründen der Praktibilität allerdings der Zeitaufwand generalisieren, aber nur soweit wirklich für die gesamte Breite dieser Tätigkeiten – wenigstens im allgemeinen und in der Regel – Gemeinsamkeiten bestehen. Zu Recht rügt daher die Revision, daß die Geringfügigkeitsgrenze nicht in dem Sinne schematisch bestimmt werden darf, daß etwa bei einem Lehrer davon abgesehen wird, welchen Unterricht er zu erteilen hat. Es kann in der Tat hinsichtlich der erforderlichen Vor- und Nacharbeit einen erheblichen Unterschied machen, ob der betreffende Lehrer Sport oder Deutsch zu unterrichten hatte. Das LSG hat die Vor- und Nacharbeit, die von dem Kläger zu erbringen war, aufgrund von Erlassen des Landeskultusministeriums errechnet, wobei es davon ausgegangen ist, daß im öffentlichen Dienst 1975 generell die 40-Stunden-Woche gegolten habe. Hinsichtlich der Tatsachenfeststellung können Erlasse eines Kultusministeriums Hinweise geben, wieviel Zeit von einem Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst bei einer bestimmten Arbeit geleistet werden. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich aber, daß das LSG die von ihm herangezogenen Erlasse nicht als Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung in tatsächlicher Hinsicht verwendet hat, sondern von der bindenden Geltung der Erlasse ausgegangen ist. Es handelt sich daher insoweit auch nicht um eine Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht nach § 163 SGG gebunden ist. Erlasse eines Kultusministeriums vermögen dem Tatsachengericht die eigene Tatsachenfeststellung nicht abzunehmen, die zur Anwendung des Gesetzes, hier des § 102 AFG, erforderlich ist. Erlasse, also Verwaltungsvorschriften, sind auch nicht in der Lage, auslegend den Inhalt eines gesetzlichen Begriffes, also etwa der geringfügigen Beschäftigung iS des § 102 AFG, normativ festzulegen.

Das LSG wird demgemäß entsprechend den vorstehenden Ausführungen Feststellungen zum zeitlichen Umfang der vom Kläger in seiner Tätigkeit in der Realschule II in I. zu erbringenden Arbeitsleistung zu treffen haben.

Voraussetzung eines Anspruchs auf Alhi ist auch, daß der Arbeitslose keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§ 134 Abs. 1 Nr. 2 AFG).

Wenn die Beschäftigung des Klägers nicht geringfügig gewesen sein sollte, so hätte der Kläger möglicherweise in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden, da er als Angestellter gegen Entgelt beschäftigt war und die Befreiung des § 169 Nr. 6 AFG (geringfügige Beschäftigung) bei ihm nicht vorgelegen hätte. Seinem Anspruch auf Alhi stünde also möglicherweise entgegen, daß er einen Anspruch auf Alg hätte, während sein Anspruch auf Alg daran scheitern könnte, daß er keinen Antrag auf Alg gestellt hätte (§ 100 AFG).

Der Senat ist in einer Entscheidung vom 22. Februar 1961 (– 7 RAr 95/57 –, SozR Nr. 7 zu § 177 AVAVG aF) allerdings davon ausgegangen, daß in der Regel der Antrag eines Arbeitslosen auf Arbeitslosenunterstützung (Alg) auch den Antrag auf Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alhi) mitenthalte. Er hat das aus dem Grundsatz hergeleitet, daß der weitergehende Antrag den geringeren Antrag einschließe. Dieser allgemeine Grundsatz kann zwar nicht herangezogen werden, wenn der Antrag auf das Geringere geht.

Der Antrag auf Alhi oder Alg stellt jedoch eine Willenserklärung dar, die der Auslegung fähig und bedürftig ist. Nach § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Im allgemeinen wird die Situation des Arbeitslosen es mit sich bringen, daß er, wenn er die Beklagte um Hilfe angeht, die Leistung, und zwar die weitestgehende Leistung zu erhalten wünscht, die er in der Lage, die er der Beklagten schildert, zu erhalten vermag. Die Bediensteten der Beklagten werden dann dem Antragsteller denjenigen Antragsvordruck zur Ausfüllung überlassen, den der Arbeitslose sinnvoller- und zweckmäßigerweise zur Förderung des durch den Antrag in Gang gekommenen Verfahrens einzubringen hat. Im vorliegenden Falle hat der Kläger zwar eindeutig den Vordruck für den Alhi-Antrag und nicht für den Antrag auf Alg benutzt. Aus den Umständen des Falles kann sich aber ergeben, daß er damit den Antrag auf jede Lohnersatzleistung, also möglicherweise auch auf das Alg, stellen wollte, die ihm zustehen konnte. Allerdings kann es im Einzelfall auch anders gewesen sein, so daß es sich insoweit um eine Tatfrage handelt, die vom LSG zu prüfen ist.

Ein Anspruch auf Alhi oder Alg könnte nicht daran scheitern, daß der Kläger in Zukunft eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst anstrebt. Abgesehen davon, daß auch im öffentlichen Dienst Angestellte und Arbeiter tätig sind, wäre es nicht schädlich, wenn er in Zukunft als Beamter angestellt zu werden wünschte. Maßgebend ist allein, ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Antragstellung eine abhängige Beschäftigung anstrebt (BSG 41, 229; BSG SozR 4100 § 101 Nr. 1). Der Arbeitsvermittlung steht in subjektiver Hinsicht zur Verfügung, wer bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann (§ 103 Abs. 1 Nr. 2 AFG).

Allerdings bedarf die subjektive Verfügbarkeit des Klägers im vorliegenden Fall deshalb einer besonderen Prüfung in tatsächlicher Hinsicht, weil der Kläger angegeben hat, zur Übernahme einer Ganztagsarbeit bereit zu sein, „falls es sich um eine seiner bisherigen Qualifikation entsprechenden zumutbaren Tätigkeit” handele. Verfügbar ist nach § 103 Abs. 1 Nr. 2 AFG nur, wer bereit ist, „jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann”. Wie der Senat in den Urteilen vom 22. Juni 1977 – 7 RAr 131/75 – und 30. Mai 1978 – 7 RAr 32/77 – ausgeführt hat, hat die Beklagte zwar jeden Arbeitssuchenden auf einen möglichst günstigen Arbeitsplatz zu vermitteln. Unabhängig davon muß der Arbeitslose aber bereit sein, ggf auch einen anderen Arbeitsplatz anzunehmen. Wenn der Kläger sich – ggf nach Belehrung – dazu nicht bereit gezeigt haben sollte, wäre er nicht verfügbar gewesen.

Geprüft werden muß ferner, ob der Anspruch des Klägers auf Grund des § 118 Abs. 2 AFG ruht. Nach dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, in welcher der Arbeitslose als ordentlicher Studierender eine Hochschule oder eine sonstige der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienende Schule besucht. Voraussetzung ist zunächst einmal, daß der Studierende die Hochschule tatsächlich besucht hat und nicht lediglich immatrikuliert war (Urteil des Senats vom 21. März 1978 – 7 RAr 98/76 –). Wie der Senat in diesem Urteil weiter ausgeführt hat, ist § 118 Abs. 2 AFG verfassungskonform dahin auszulegen, daß er die gesetzliche Vermutung dafür aufstellt, daß ein ordentlich Studierender durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach § 103 AFG nicht zur Verfügung steht mit der Folge, daß sein Anspruch auf Alg ruht. Der einzelne Antragsteller kann diese Vermutung widerlegen, indem er die Tatsache seiner gleichwohl vorhandenen Verfügbarkeit iS des § 103 AFG darlegt und beweist.

Zum Zwecke der weiteren Prüfung in tatsächlicher Hinsicht ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926280

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge