Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialabgabe. Rücknahme fehlerhaften Bemessungsbescheids wegen unrichtiger Angaben. Kunstbegriff des KSVG. Abgrenzung Kunsthandwerk/künstlerische Leistungen. Werbefotografie
Leitsatz (redaktionell)
1. § 27 Abs. 1a KSVG enthält eine Sonderregelung gegenüber den Vorschriften des SGB X über die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte. Ein Abgabebescheid darf also mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen werden, wenn die Meldung nach § 27 Abs. 1 KSVG unrichtige Angaben enthält.
2. Bei der Zuordnung zum Zweck der Abgabenerhebung nach dem KSVG ist nicht die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten, sondern maßgebend ist, in welchem Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichen Umfeld die einzelnen Leistungen erbracht werden: Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum Künstler im Sinn des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird. Andererseits ist bei Berufstätigkeiten, die nach dem gesetzgeberischen Willen den künstlerischen zuzuordnen sind, nicht entscheidend, ob im Einzelfall (z.B. wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Auftragsdurchführung verbleibt. Die Zweckgebundenheit der Produkte (Gebrauchsgegenstände, Werbung) steht ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen.
3. Der gesamte Bereich der “kreativen Werbefotografie” ist nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KSVG als bildende Kunst im Sinn des KSVG einzustufen, ohne dass es auf den konkreten Auftragsgegenstand ankommt.
Normenkette
KSVG §§ 2, 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, S. 2, § 25 Abs. 1 S. 1, § 27; SGB X § 45 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 10.06.2003) |
SG Itzehoe (Urteil vom 16.08.2001) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 2003 geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Künstlersozialabgabe für die Jahre 1993 bis 1998 in Höhe von 687.312,64 DM. Sie vertreibt im Versandhandel Artikel an gewerbliche Abnehmer, die diese ihren Kunden als Werbegeschenke überlassen. Über ihr Warenangebot lässt die Klägerin Kataloge herstellen, in denen die Gegenstände farbig abgebildet, zum Teil arrangiert und mit einer zusätzlichen Beschreibung sowie einer Preisangabe versehen werden. Die Hauptkataloge haben einen Umfang von über 400 Seiten und werden dreimal jährlich aufgelegt. Zur Herstellung der Kataloge unterhält die Klägerin eine besondere Abteilung “Werbung” mit angestellten Grafikern und kaufmännischen Angestellten. Zur Anfertigung der Fotografien bedient sie sich selbstständiger Fotografen. Teilweise werden auch selbstständige Layouter zur Erstellung der Entwürfe herangezogen.
Mit Bescheid vom 15. September 1997 nahm die Rechtsvorgängerin der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Künstlersozialkasse die Klägerin für die Jahre 1992 bis 1996 in Höhe von insgesamt 55.750,76 DM für die Bereiche Wort und bildende Kunst in Anspruch, wobei sie die Meldungen der Klägerin zu Grunde legte; mit Bescheid vom 19. März 1998 setzte sie die Abgabe für das Jahr 1997 auf 120.278,93 DM fest. Nach einer Betriebsprüfung, bei der festgestellt wurde, dass die Klägerin insbesondere Entgelte an selbstständige Fotografen und Layouter nicht gemeldet hatte, setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Künstlersozialabgabe der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juni 1999 für die Jahre 1993 bis 1998 nunmehr auf insgesamt 687.312,64 DM fest. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, bei den von ihr in Anspruch genommenen Fotografen und Layoutern habe es sich nicht um selbstständige Künstler gehandelt, weil sie wegen der genauen Vorgaben keinerlei Gestaltungsspielraum besessen hätten, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2000).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. August 2001). Es hat die Tätigkeiten der von der Klägerin in Anspruch genommenen Fotografen und Layouter als künstlerischer Natur eingestuft, und zwar ohne Rücksicht auf den im Einzelfall bestehenden Gestaltungsspielraum und die Qualität der Arbeiten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Leiterin der Grafikabteilung der Klägerin als Zeugin vernommen, das angefochtene Urteil geändert und die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 10. Juni 2003). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass den beauftragten Fotografen auf Grund der bis ins Einzelne gehenden Vorgaben der Klägerin jegliche Möglichkeit fehle, bei der Erstellung der Lichtbilder eigenschöpferisch tätig zu werden. Das Fehlen der eigenschöpferischen Tätigkeit folge schon aus dem Umstand, dass die überwiegende Zahl der Objekte lediglich bildhaft dargestellt werde ohne jegliches Arrangement, allein mit einer mehr oder weniger kurzen Beschreibung und Preisangabe. Aber auch soweit Gegenstände abgebildet würden in der Weise, dass ihre Anwendung gezeigt oder sie in einer bestimmten Umgebung präsentiert würden, übersteige die eigenschöpferische Leistung des Fotografen nicht das Niveau des Handwerklichen. Die Tätigkeit gehe nicht über eine optimale Ausleuchtung und fototechnische Aufbereitung der digitalen Aufnahmen hinaus. Soweit im Einzelfall im Rahmen der mehrere tausend Objekte umfassenden Kataloge von einer künstlerischen Qualität der angefertigten Aufnahmen gesprochen werden müsse, könne dies nicht zur Abgabepflicht der Klägerin führen, weil im Rahmen einer Typisierung des Tätigkeitsfeldes festzustellen sei, dass der handwerkliche Anteil den künstlerischen bei jedem Fotografen eindeutig überwiege. Die Herstellung der Werbefotografien sei auch keine publizistische Tätigkeit, weil es sich nicht um das Abbilden von Personen, Gegenständen oder Vorgängen der Zeitgeschichte mit tagesaktueller Bedeutung handele, sondern um das Abbilden von Gegenständen ohne aktuellen Anlass und ohne Nachrichtenwert.
Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung der §§ 1, 2, 25 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Für die Einordnung der Werbefotografen als Künstler iS von § 2 KSVG spreche zunächst die ausdrückliche Erwähnung der Werbefotografen in § 2 Abs 2 Nr 7 der Verordnung zur Durchführung des KSVG vom 23. Mai 1984 (KSVGDV), die bis zum 30. Juni 2001 gegolten habe. Die Verordnung könne zur Interpretation der vom Gesetz erfassten Bereiche der Kunst und Publizistik herangezogen werden. Entsprechendes gelte für die Tätigkeit eines Layouters, die für das Berufsfeld des Grafik-Designs typisch sei. Bezüglich der Lichtbilder sei wie im Urheberrecht zu differenzieren. Nur für die unter den einfachen Lichtbildschutz nach § 72 Urheberrechtsgesetz (UrhG) fallenden Fotos, die sich auf eine technisch einwandfreie Wiedergabe von Objekten beschränkten, wie etwa Aufnahmen der Bestände von Gemäldegalerien, entfalle eine Abgabepflicht. Fotos, die Werbezwecke erfüllen sollen, gingen aber darüber hinaus. Für die Einbeziehung von Werbefotografien in die Abgabepflicht spreche auch, dass das Gesetz Werbung betreibende Unternehmen als grundsätzlich abgabepflichtig aufzähle; solche Unternehmen zögen aber typischerweise selbstständige Werbefotografen für ihre Unternehmenszwecke heran. Die vom LSG vorgenommene konkrete Bewertung des “eigenschöpferischen Spielraums” der Fotografen oder Layouter sei nicht praktikabel. Der Zielsetzung des KSVG entspreche ein formaler, an der Typologie der Ausübungsformen orientierter Kunstbegriff, sodass es genügen müsse, wenn die Fotografen und Layouter zu Werbezwecken eingesetzt würden. Weil Werbefotografie immer Auftragsfotografie sei, sei der dem Fotografen verbleibende Gestaltungsspielraum immer mehr oder weniger eingeengt. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dass die Fotografen als Publizisten eingeordnet werden müssten, weil das für Werbezwecke hergestellte Bildmaterial veröffentlicht werde. Zur Publizistik gehöre grundsätzlich jede Tätigkeit zur textlichen oder bildlichen Gestaltung von Massenkommunikationsmitteln. Den einzelnen Bildern komme insofern ein Informationswert zu, als sie die Kunden über die Angebote der Klägerin informierten. Wenn technischen Dokumentationen, Betriebs- und Bedienungsanleitungen ein Informations- und Dokumentationswert zugesprochen werde, könne er Verkaufskatalogen nicht abgesprochen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2001 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Unrecht geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten halten der rechtlichen Prüfung stand.
Dies gilt zunächst insoweit, als die Beklagte die Künstlersozialabgabe für die Jahre 1993 bis 1997 nachträglich erhöht hat. Durch Art 23 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) ist mit Wirkung ab 1. Januar 1998 in § 27 KSVG ein Abs 1a eingefügt worden, der eine Sonderregelung gegenüber den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) über die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte enthält. Nach dieser Sonderregelung darf ein Abgabebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen werden, wenn die Meldung nach § 27 Abs 1 KSVG unrichtige Angaben enthält. Diese Fassung des Gesetzes ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung des KSVG und anderer Gesetze (2. KSVGÄndG) vom 13. Juni 2001 (BGBl I 1027) dahingehend geändert worden, dass der Abgabebescheid unter diesen Voraussetzungen zurückgenommen wird, dem Wortlaut nach also kein Ermessensspielraum der Künstlersozialkasse besteht. Da es sich um eine Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung handelt, ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns anhand der zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide bestehenden Gesetzeslage zu prüfen (vgl BSGE 61, 203 = SozR 4100 § 186a Nr 21, st Rspr). Maßgebend ist also § 27 KSVG idF vom 16. Dezember 1997. Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide, soweit sie frühere Bescheide änderten – also mit Ausnahme des Jahres 1998 – zu Recht auf diese Vorschrift gestützt. Die Meldungen der Klägerin, die Grundlage für die Bescheide der Beklagten über die Abgabenhöhe in den Jahren 1993 bis 1997 waren, enthielten insofern unrichtige Angaben, als die Klägerin in großem Umfange Honorare nicht angegeben hatte, die sie an selbstständige Fotografen und Layouter gezahlt hatte. Der Umfang dieser Honorare, den die Beklagte auf Grund einer Betriebsprüfung festgestellt hat, ist von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen worden. Im Rahmen der Anhörung über das Ergebnis der Betriebsprüfung sind ihr die Abweichungen von den früheren Berechnungsgrundlagen im Einzelnen erläutert und detaillierte Zahlenaufstellungen überreicht worden. Die Klägerin hat dagegen einzig eingewandt, das Rechenwerk der Beklagten sei insofern unzutreffend, als es die an selbstständige Fotografen und Layouter gezahlten Honorare einbezogen habe. Mit ihrer auf eine vollständige Aufhebung des Bescheides vom 28. Juni 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2000 gerichteten Anfechtungsklage will sie erreichen, dass die früheren Abgabebescheide der Beklagten weiterhin bestehen bleiben, weil die ihnen zu Grunde liegenden Meldungen zutreffend gewesen seien. Die Beteiligten streiten also über die Vollständigkeit und damit die Richtigkeit der Meldung über die abgabepflichtigen Honorare, bei der die Klägerin Entgelte an selbstständige Fotografen und Layouter ausgenommen hat.
Diese sind aber auch auf der Grundlage der vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen als Entgelte für künstlerische Werke oder Leistungen iS von § 25 Abs 1 Satz 1 KSVG einzuordnen. Die Beklagte war deshalb berechtigt, ihre vorangegangenen Abgabebescheide zu Lasten der Klägerin zu ändern. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (“darf”) stand der Künstlersozialkasse seinerzeit noch ein Ermessen zu, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Der Rücknahmebescheid lässt aber iVm dem Widerspruchsbescheid insoweit Ermessensfehler nicht erkennen. Die Beklagte hat ihren Ermessensspielraum erkannt und bewusst davon in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie die zu niedrig festgesetzte Abgabe nachfordert. Gesichtspunkte, zu Gunsten der Klägerin davon ganz oder teilweise abzusehen, sind von der Klägerin außer dem Bestreiten ihrer Abgabepflicht nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Die gegenwärtige Gesetzesfassung lässt für Ermessenerwägungen überhaupt keinen Raum mehr.
Für das Jahr 1998 hat die Beklagte die Künstlersozialabgabe erstmals und zutreffend festgesetzt. Gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 KSVG idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) sind Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Die Änderung durch das 2. KSVGÄndG vom 13. Juni 2001 (BGBl I 1027) ist hier ebenfalls noch nicht anzuwenden; im Übrigen ist diese Gesetzesänderung für die hier streitige Rechtsfrage auch nicht einschlägig. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht und bindend gemäß § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG (wiederum idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, die durch das 2. KSVGÄndG in hier ebenfalls nicht relevanter Weise abgeändert worden ist) herangezogen, weil sie für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreibt, die nach Art und Umfang der Tätigkeit der in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 7 KSVG genannten Werbeunternehmen entspricht und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt. Dies gilt unabhängig von der Einordnung der hier streitigen Fotografen und Layouter und wird von der Klägerin auch insoweit anerkannt, als sie Beiträge für die Bereiche bildende Kunst und Wort entsprechend ihren Meldungen entrichtet hat. Aber auch die an selbstständige Fotografen und Layouter entrichteten Entgelte sind im Rahmen des zur Abgabepflicht führenden Unternehmenszwecks für künstlerische Werke oder Leistungen gezahlt worden, sodass sie der Abgabepflicht unterliegen.
Sowohl die von der Klägerin in Anspruch genommenen Fotografen als auch die Layouter verfügen über einen Gestaltungsspielraum, der zur Einordnung ihrer Werke oder Leistungen als künstlerisch ausreicht. Auch das LSG hat trotz der im Einzelfall bei der Katalogerstellung durch die Klägerin vorgegebenen Weisungen einen Gestaltungsspielraum der Auftragnehmer nicht gänzlich verneint, sondern die Verneinung der Abgabepflicht damit begründet, dass der schöpferische Gestaltungsspielraum der Auftragnehmer ganz überwiegend nicht über das hinausgegangen sei, was auch mit einer handwerklichen Berufsausübung notwendigerweise verbunden sei. Dieser rechtlichen Betrachtungsweise ist nicht zu folgen. Es ist zwar zutreffend, dass Handwerker, deren Berufsausübung nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch gestalterische Fähigkeiten voraussetzt, wie es zB bei vielen so genannten Kunsthandwerken der Fall ist, nicht schon deswegen als Künstler iS des KSVG einzuordnen sind; dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn sie den Rahmen des rein Handwerklichen verlassen und beispielsweise eine Gestaltungshöhe erreichen, die über das normale handwerkliche Niveau deutlich hinausragt. Dies ist aber nicht die einzige Fallgestaltung, bei der aus einer handwerklichen Berufsausübung eine künstlerische werden kann. Eine künstlerische Berufsausübung kann auch dadurch eintreten, dass handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen der Werbung erbracht werden, ohne dass dem ein besonderes künstlerisches Niveau zu eigen sein müsste.
Das ergibt sich allerdings weder aus der Aufzählung der Werbefotografen in der KSVGDV noch aus Vorschriften des Urheberrechts, wie die Beklagte vorträgt. Der Senat hat dazu mit Urteil vom 12. November 2003 – B 3 KR 8/03 R – Folgendes ausgeführt:
“Maßgebend ist allein der Künstlerbegriff des Gesetzes. Nach § 2 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das KSVG hat damit eine an der Typologie der Ausübungsformen orientierte Einteilung in Kunstgattungen vorgenommen, den Kunstbegriff aber materiell nicht definiert. Dieser ist vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 12 – Unterhaltungsshow – und BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 – Musikinstrumentenbauer –; zum Kunstbegriff des Art 5 GG: BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG: BT-Drucks 9/26, S 18 zu § 2; BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Fotografie kann sowohl eindeutig künstlerischer Natur sein als auch in handwerklicher Form ausgeübt werden. Sie ist sowohl Unterrichtsfach an Kunsthochschulen als auch Gegenstand einer staatlich geregelten Ausbildung für einen Handwerksberuf. Damit weist sie Gemeinsamkeiten mit anderen beruflichen Tätigkeiten auf, die sowohl in handwerklicher (vgl BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 – Musikinstrumentenbauer; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 8 – Feintäschner; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 14 – Restaurator) als auch in künstlerischer Form ausgeübt werden können. Bei der Zuordnung zum Zwecke der Abgabenerhebung nach dem KSVG hat es der Senat stets abgelehnt, die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten, sondern als maßgebend angesehen, in welchem Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichem Umfeld die einzelnen Leistungen erbracht werden: Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum Künstler im Sinne des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird. Andererseits hat der Senat bei Berufstätigkeiten, die nach dem gesetzgeberischen Willen den künstlerischen zuzuordnen sind, nicht als entscheidend angesehen, ob im Einzelfall (zB wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Auftragsdurchführung verbleibt (vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 – Industriedesigner). Die Zweckgebundenheit der Produkte (Gebrauchsgegenstände, Werbung) steht ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen.
Bei der Fotografie ist es für ihre Einordnung als künstlerisch sogar entscheidend, dass sie zu Werbezwecken erfolgt. Für diese Auslegung spricht bereits der Katalog der typischen kunstvermarktenden Unternehmen in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG, der unter Nr 7 die Werbung betreibenden Unternehmen erfasst. Für die bildliche Gestaltung von Werbung und Marketing ziehen Werbeagenturen und Public-Relations-Büros vielfach selbstständige Grafiker, Werbefotografen und Designer heran (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 101 und 104). Die Einbeziehung der Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter lässt darauf schließen, dass gerade die von diesen typischerweise herangezogenen “kreativen” Selbstständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit “bildende Kunst Schaffenden” bezeichnet worden ist.
Dass dies tatsächlich auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, folgt aus den Materialien zum KSVG, wonach ausdrücklich alle Berufsgruppen als künstlerisch angesehen werden, die im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführt sind. Dort sind in der Berufsgruppe “Fotodesigner” künstlerische Fotografen, Lichtbildner, Kameramänner und Werbefotografen genannt (BT-Drucks 7/3071, S 7). Der gesamte Bereich der “kreativen Werbefotografie” ist damit als bildende Kunst im Sinne des KSVG einzustufen, ohne dass es auf den konkreten Auftragsgegenstand ankommt.
Die von der Klägerin (Einfügung: des damaligen Verfahrens) in den Vordergrund gestellte Abgrenzung der von ihr praktizierten, durch enge Vorgaben der Kunden gekennzeichnete Art der Werbefotografie von der “künstlerischen Fotografie”, wie sie im Urteil des Senats vom 24. Juni 1998 – B 3 KR 11/97 R (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 11) – zur Tätigkeit der Gemäldefotografie für ein Kunstdia-Archiv definiert worden ist, übersieht, dass die Berufsgattung der Werbefotografie vom Gesetzgeber pauschal dem Bereich der bildenden Kunst iS des § 2 KSVG zugeordnet worden ist. Sie berücksichtigt nicht, dass die Berufsgattung der Werbefotografie neben die Berufsgattung der (zweckfreien) künstlerischen Fotografie zu stellen ist und aus der Verneinung dieser noch nicht folgt, dass es sich um eine handwerkliche Ausübung handelt. Die Werbefotografie kann je nach der Art des Auftrags und des geforderten Ergebnisses zwar einen eigenschöpferischen künstlerischen Ausdruck haben, der derjenigen der künstlerischen Fotografie im engeren Sinne nahe kommt; der Gestaltungsspielraum kann aber auch stark eingeschränkt sein, ohne dass die Einordnung als “bildende Kunst” iS des § 2 KSVG in Frage zu stellen ist. Allein der bei der Erstellung der Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu dienen, bewirkt, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue Ablichtung eines Bildobjekts beschränken darf, sondern bemüht sein muss, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen. Wenn dem Auftraggeber eine Anzahl von Aufnahmen desselben Motivs zur Auswahl überlassen wird, besagt dies nur, dass der Auftraggeber das Bild auswählen kann, das aus seiner Sicht sein Angebot für den Kunden am vorteilhaftesten präsentiert, nicht aber, dass es darum ginge, die handwerklich gelungenste Aufnahme herauszusuchen. Letzteres könnte ohne Weiteres dem Fotografen selbst als Fachmann überlassen werden. Die Vielzahl der Aufnahmen eines Motivs bestätigt somit, dass es viele Möglichkeiten gibt, ein Objekt handwerklich einwandfrei abzulichten, und dass es einer geschmacklich-ästhetischen Entscheidung bedarf, welches die beste Form der Ablichtung ist. Diese Entscheidung muss zunächst vom Fotografen getroffen werden, was nicht ausschließt, dass er seinem Auftraggeber mehrere Varianten zur Auswahl überlässt. Darin liegt der Unterschied zur bloßen Ablichtung von Gemälden für Archivzwecke, die sich in einer möglichst originalgetreuen Wiedergabe, also der Erfüllung einer handwerklich-technischen Vorgabe, erschöpft.
Die Ausbildung eines Werbefotografen als Fotografenhandwerker steht der Einstufung als “bildender Künstler” iS des § 2 KSVG ebenfalls nicht entgegen, weil er als Werbefotograf das rein handwerkliche Berufsfeld verlässt. Werbefotografen sind damit Pressefotografen vergleichbar, die ebenfalls unabhängig von ihrer Ausbildung und der künstlerischen Qualität ihrer Bilder allein deshalb – als Publizisten – von § 2 KSVG erfasst werden, weil ihre Tätigkeit einem bestimmten Zweck dient (Pressefotografie, Bildjournalismus, Bildberichterstattung), der vom Berufsfeld des Fotografenhandwerks nicht umfasst wird (BSGE 78, 118 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2). Soweit Layouter im Rahmen der Katalogherstellung herangezogen werden, gilt Entsprechendes wie für Fotografen. Insbesondere die Tatsache, dass Layouter den Handwerkerberuf des Schriftsetzers weitgehend ersetzt haben, steht ihrer Einordnung als Künstler nicht entgegen, wenn sie im Rahmen der Werbung tätig werden.”
Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass auch Werbefotografie Kunst iS des KSVG sein kann, will dies aber im Einzelfall von der künstlerischen Ausdruckskraft des Fotografen und seiner Bilder abhängig machen. Dies liefe darauf hinaus, dass zunächst der zuständige Verwaltungsangehörige der Künstlersozialkasse den künstlerischen Wert von Werbefotografien beurteilen und in einer Form begründen müsste, die letztlich auch einer gerichtlichen Beurteilung Stand halten könnte. Damit wären alle am Entscheidungsprozess Beteiligten überfordert; das nötige Maß an Rechtssicherheit ließe sich so nicht erreichen. Gerade deshalb hat es der Senat stets abgelehnt, die Einordnung von Werken oder Leistungen im Einzelfall von der Beurteilung durch Amtswalter oder auch Sachverständige abhängig zu machen, sondern als entscheidend angesehen, ob sich die Zuordnung zu einem künstlerischen Beruf aus dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte, aus einer Tradition, Verkehrsanschauung oder zumindest aus einem Konsens aller am “Kunstgeschehen” Beteiligter herleiten lässt (BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 8; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 9 – Catcher).
Wenn der Gesetzgeber nach den vorstehenden Ausführungen Werbefotografen den künstlerischen Berufen zugeordnet hat, kann es auf die künstlerische Qualität im Einzelfall nicht mehr ankommen. Soweit von der Klägerin im Übrigen existenzgefährdende Belastungen für den Versandhandel durch die Künstlersozialabgabe ins Feld geführt werden, ist dies nicht näher dargelegt worden; es würde sich bei gesetzmäßigem Verwaltungsvollzug gegen die Künstlersozialabgabepflicht als solche richten, deren Verfassungsmäßigkeit aber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1) nicht wieder zweifelhaft geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seiner hier noch anwendbaren, bis zum 1. Januar 2002 gültigen alten Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I 2144).
Fundstellen
Haufe-Index 1151065 |
SGb 2005, 168 |
GuS 2004, 63 |