Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Absenkung des Bemessungssatzes nach § 2 Abs 2 S 2 BEEG idF vom 9.12.2010. Geltung auch für laufende Leistungsfälle. Konsolidierung des Haushalts. Reduzierung von Sozialausgaben. Schuldenbremse. Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Gesetzesauslegung. Grundsätze des intertemporalen Rechts. unechte Rückwirkung. Rechtssicherheit. Vertrauensschutz. Grundrechte. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Absenkung des Leistungssatzes für die Berechnung des Elterngelds von 67 auf 65 Prozent durch das am 1.1.2011 in Kraft getretene Haushaltsbegleitgesetz 2011 erfasst auch laufende Leistungsfälle und verstößt insoweit nicht gegen das Grundgesetz.
Orientierungssatz
1. Die Gesetzesänderung stellt eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 dar.
2. Dem Gesetzgeber steht bei der Konsolidierung des Haushalts durch die Reduzierung von Sozialausgaben vor dem Hintergrund der sogenannten Schuldenbremse (Art 109 Abs 3 GG, Art 115 Abs 2 GG iVm Art 143d Abs 1 S 1, 2 und 6 GG) eine weite Gestaltungsfreiheit zu.
3. Der im Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsgleitgesetz 2011 (juris: HBeglG 2011) zutage getretene Wille des Gesetzgebers, dass die Regelung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG idF vom 9.12.2010 ab ihrem Inkrafttreten auch laufende Leistungsfälle erfassen soll, lässt eine analoge Anwendung des § 27 BEEG nicht zu.
4. Die Grundsätze des intertemporalen Rechts sind nicht geeignet, ein durch Auslegung des sozialrechtlichen Leistungsgesetzes gefundenes, eindeutiges Ergebnis zu seinem Geltungszeitraum umzukehren.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2010-12-09, § 27; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; HBeglG Art. 14 Nr. 2 Buchst. b; HBeglG 2011 Art. 14 Nr. 2 Buchst. b; HBeglG Art. 24 Abs. 2; HBeglG 2011 Art. 24 Abs. 2; GG Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2, Art. 143d Abs. 1 Sätze 1-2, 6, Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Die beklagte Stadt bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.2010 Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat ihres am 2010 geborenen Sohnes L Wegen der Anrechnung des bis zum 6.12.2010 bezogenen Mutterschaftsgeldes nebst Arbeitgeberzuschlag betrug der Auszahlungsbetrag für die ersten zwei Lebensmonate (28.9. bis 27.11.2010) 0,00 Euro und für den dritten Lebensmonat (28.11. bis 27.12.2010) 913,89 Euro; für den vierten bis zwölften Lebensmonat errechnete die Beklagte einen Betrag von jeweils 1305,56 Euro. Der Bemessung legte sie in dem Zeitraum August 2009 bis Juli 2010 durchschnittlich erzielte monatliche Nettoeinkünfte von 1948,59 Euro zugrunde. Mit Bescheid vom 27.12.2010 hob die Beklagte die Bewilligung des Elterngeldes gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X ab dem fünften Lebensmonat (also ab dem 28.1.2011) mit folgender Begründung teilweise auf: Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) sei insoweit eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, als § 2 Abs 2 BEEG mit Wirkung vom 1.1.2011 geändert worden sei. Nach dem neu eingefügten Satz 2 dieser Regelung sinke bei einem vorgeburtlichen monatlichen Durchschnittseinkommen von mehr als 1200 Euro der Bemessungssatz von 67 % auf bis zu 65 %. Auf Grund dessen stellte die Beklagte die Höhe des Elterngeldes der Klägerin für die Zeit vom 28.1.2011 bis 27.9.2011 auf monatlich 1266,58 Euro neu fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.3.2011).
Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat die Klage mit Urteil vom 9.12.2011 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) zurückgewiesen worden (Urteil vom 9.3.2012). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung des Elterngeldes mit Wirkung ab dem 28.1.2011 teilweise nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X aufgehoben und die monatlichen Leistungen um 38,98 Euro herabgesetzt, weil in den der Elterngeldbewilligung zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Bewilligung des Elterngeldes für eine Dauer von zehn Monaten stelle einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, da dadurch für eine Dauer von zehn Monaten wiederholend Elterngeld pro Monat gewährt worden sei.
Die wesentliche Änderung sei durch das zum 1.1.2011 in Kraft getretene HBeglG 2011 und den damit geänderten § 2 Abs 2 BEEG erfolgt. Da das maßgebliche Einkommen der Klägerin im Bemessungszeitraum den in § 2 Abs 2 S 2 BEEG genannten Grenzwert von 1200 Euro überschritten habe, wirke sich die vorgesehene Leistungsminderung auf ihren Anspruch aus. Diese Regelung gelte auch für laufende Leistungsfälle, da der Gesetzgeber die Anwendung der Norm auch auf Verhältnisse habe erstrecken wollen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetzesbestimmung Bestand gehabt hätten. Zwar seien nach dem Versicherungs- oder Leistungsfallprinzip Entstehung und Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten habe. Dies gelte jedoch nur, soweit nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß - etwa entsprechend dem so genannten Geltungszeitraumprinzip - etwas anderes bestimme. Zwar sei weder Art 24 HBeglG 2011 noch § 2 Abs 2 S 2 BEEG zu entnehmen, ob die Anwendung auf zukünftig entstehende Leistungsansprüche beschränkt sein solle. Bei nicht eindeutiger Gesetzeslage sei jedoch insbesondere aus dem Zweck der Bestimmung, wie er in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck komme, auf den Wirkungszeitraum zu schließen. Aus dem Gang der Gesetzesberatungen ergebe sich, dass § 2 Abs 2 S 2 BEEG nach dem Willen des Gesetzgebers auch laufende Leistungsfälle erfassen solle. Daher bleibe für die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung etwa der Stichtagsregelung des § 27 BEEG kein Raum, da die für einen Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelungslücke fehle.
Die Einführung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG ohne Beschränkung auf zukünftige Leistungsfälle verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot des Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG. Die eingefügte Regelung entfalte eine so genannte unechte Rückwirkung, die unter Berücksichtigung der Schranke des Rechts- und Sozialstaatsprinzips iS des Art 20 GG nur innerhalb sachlicher Grenzen zulässig sei, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergäben. Mit dem HBeglG 2011 habe der Gesetzgeber die Konsolidierung des Haushaltes angestrebt und eine Haushaltsentlastung für die kommunale Ebene im Jahr 2011 in Höhe von 45 Millionen (Mio) Euro, in den Jahren 2012 und 2013 in Höhe von je 47 Mio Euro und im Jahr 2014 in Höhe von 37 Mio Euro erwartet. Diesem Ziel, auf einen verfassungsmäßigen Haushalt hinzuwirken, gebühre der Vorrang gegenüber dem Vertrauen der Klägerin in den unveränderten Fortbestand ihres Elterngeldanspruchs. Die eingetretene Kürzung um 38,98 Euro monatlich habe keine solche Bedeutung für die Klägerin, dass sie sich unverhältnismäßig auf ihre Lebensverhältnisse auswirken oder die bewilligte Leistung nachhaltig entwerten könne. Daher liege ebenso wenig ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 S 1 GG vor.
Schließlich verstoße die Regelung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die mit der Gesetzesänderung bezweckte Besserstellung Geringverdienender finde ihre Rechtfertigung darin, dass diese im Hinblick auf ihre mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Anforderungen an die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder stärker betroffen seien als besserverdienende Eltern. Infolgedessen sei die Stärkung der Bezieher niedriger Einkommen vor der Geburt als legitimes Anliegen des Gesetzgebers, das er im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums bei der Gewährung entsprechender Leistungen besitze, anzuerkennen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 48 Abs 1 S 1 SGB X, des Art 14 Nr 2 Buchst b und Art 24 Abs 2 HBeglG 2011, des Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG sowie des Art 14 Abs 1 S 1 GG. Hierzu führt sie im Wesentlichen aus:
Bei der Bewilligung von Elterngeld für die Dauer von zehn Monaten handele es sich bereits nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da sich diese Bewilligung auf den gesamten infrage kommenden Leistungszeitraum beziehe. Ferner sei die durch das HBeglG 2011 erfolgte Änderung des § 2 Abs 2 BEEG nur auf Elterngeldansprüche anwendbar, die ab 1.1.2011 entstanden seien, nicht dagegen auf laufende Leistungsfälle. In dem HBeglG 2011 sei keine Regelung zum zeitlichen Anwendungsbereich der Gesetzesänderung enthalten. Es sei daher auf die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts abzustellen, wonach dasjenige Recht maßgeblich sei, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses gegolten habe. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich nichts anderes. Der Anspruch auf Elterngeld entstehe mit der Geburt des Kindes, nicht mit dem Eintritt des jeweiligen Lebensmonats. Nach dem Leistungsfallprinzip sei daher für ihren Anspruch das Recht des Jahres 2010 entscheidend. Spätere Änderungen könnten diesen Anspruch nicht beeinträchtigen. Jedenfalls aber sei im Wege der Analogie in die Neuregelung eine mit § 27 BEEG (idF des Gesetzes vom 5.12.2006) vergleichbare Stichtagsregelung hinein zu interpretieren, da eine ungewollte Regelungslücke bestehe. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum HBeglG 2011 habe der Gesetzgeber dessen Auswirkungen auf bestehende Bewilligungen verkannt. Zwar habe der Bundesrat die Einführung einer Stichtagsregelung gefordert, Bundesregierung und Bundestag hätten sich jedoch mit dieser Forderung nicht mehr auseinander gesetzt und sich daher nicht ausdrücklich gegen eine Stichtagsregelung entschieden.
Zudem verstoße die Entscheidung des LSG gegen das Rückwirkungsverbot, da das LSG den zu ihren Gunsten bestehenden Vertrauensschutz nicht hinreichend berücksichtigt habe. Da durch den ursprünglichen Bewilligungsbescheid bereits der gesamte Leistungssachverhalt geregelt gewesen sei, habe der Gesetzgeber in einen der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt eingegriffen, so dass eine echte Rückwirkung vorliege. Zumindest aber sei darin eine unechte Rückwirkung zu sehen. Das Gebot der Rechtssicherheit und der daraus folgende Vertrauensschutz seien höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen an der Konsolidierung des Bundeshaushaltes. Die Kürzung des Elterngeldanspruchs um monatlich 38,98 Euro sei im Verhältnis zum Elterngeldanspruch von ca 1300 Euro zu betrachten. Auch dürfe nicht das Einsparpotenzial von jährlich ca 40 bis 45 Mio Euro berücksichtigt werden, sondern es müssten die Einsparungen im Falle einer Stichtagsregelung per 1.1.2011 gegenüber den Einsparungen ohne eine solche Regelung verglichen werden. Durch den Verzicht auf eine Stichtagsregelung könne nur ein sehr viel geringerer Betrag eingespart werden. Schließlich liege ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 S 1 GG vor, da die Minderung des Elterngeldanspruchs unter keine Geringfügigkeitsgrenze falle.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. März 2012 und des Sozialgerichts Dortmund vom 9. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Einer Sachentscheidung des erkennenden Senats stehen keine prozessualen Hindernisse entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Insbesondere ist die Berufung auf Grund ihrer Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht statthaft. Es handelt sich um eine isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG). Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 27.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2011. Der Bescheid vom 27.12.2010 hat die durch Bescheid vom 22.11.2010 erfolgte Elterngeldbewilligung für den fünften bis zwölften Lebensmonat teilweise aufgehoben und der Klägerin Elterngeld für diesen Zeitraum in geringerer Höhe zuerkannt. Das Begehren der Klägerin ist darauf gerichtet, Elterngeld in der ursprünglich gewährten Höhe zu erhalten. Dieses Ziel erreicht sie bereits mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Eine darüber hinausgehende, auf Zahlung des Differenzbetrages gerichtete Leistungsklage ist nicht erforderlich, weil der Bescheid vom 22.11.2010 eine entsprechende Elterngeldbewilligung enthält.
Die Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Auf der Grundlage seiner insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Beklagte war befugt, die ursprünglich bewilligte Höhe des Elterngeldes herabzusetzen. Der Bescheid vom 27.12.2010 ist revisionsgerichtlich weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.
1. Zwar hat es die Beklagte versäumt, die Klägerin vor Erlass des Verwaltungsaktes nach § 24 Abs 1 SGB X anzuhören; dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X).
Vor Erlass des in die Rechte der Klägerin eingreifenden Verwaltungsaktes hätte diese nach § 24 Abs 1 SGB X angehört werden müssen. Die Ausnahme nach § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X greift nicht ein, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Verwaltungsakt das Elterngeld nicht geänderten Einkommensverhältnissen angepasst hat; vielmehr gründet die teilweise Aufhebung auf einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse.
Das Unterlassen der vorherigen Anhörung ist allerdings nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X unbeachtlich, weil die Anhörung der Klägerin nachgeholt worden ist. Die Beklagte hat der Klägerin in dem angefochtenen Bescheid vom 27.12.2010 die entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt, auf die sie die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Elterngeldbewilligung gestützt hat. Dadurch hatte die Klägerin die Gelegenheit, sich dazu sachgerecht zu äußern (vgl hierzu Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 41 RdNr 15 mwN). Diese Möglichkeit hat die Klägerin durch Einlegung und Begründung des Widerspruches durch ihren Prozessbevoll-mächtigten wahrgenommen. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.3.2011 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von der Klägerin vorgebrachten Einwände gegen die teilweise Aufhebung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen hat.
2. Die Beklagte hat die Neufeststellung des Elterngeldanspruchs der Klägerin zutreffend auf § 48 SGB X gestützt. Nach Abs 1 S 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
a) Die Bewilligung von Elterngeld durch den Bescheid vom 22.11.2010 stellt entgegen der Ansicht der Klägerin einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar (vgl ebenso Brandenburg in jurisPK-SGB X, Stand 1.12.2012, § 48 RdNr 51). Ein solcher Verwaltungsakt liegt vor, wenn eine durch Verwaltungsakt getroffene Regelung in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen erzeugt (BSG Urteil vom 30.1.1985 - 1 RJ 2/84 - BSGE 58, 27, 28 = SozR 1300 § 44 Nr 16 S 28; Brandenburg in jurisPK-SGB X, Stand 1.12.2012, § 48 RdNr 51), dh wenn der Verwaltungsakt sich nicht nur in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (BSG Urteil vom 28.9.1999 - B 2 U 32/98 R - BSGE 84, 281, 288 = SozR 3-2200 § 605 Nr 1 S 8 f). Die rechtliche Wirkung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung erstreckt sich daher über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus auf eine gewisse zeitliche Dauer (BSG Urteil vom 29.6.1994 - 1 RK 45/93 - BSGE 74, 287, 289 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 67). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Charakterisierung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung irrelevant, dass im Elterngeldrecht die Leistungen regelmäßig mit einem Bewilligungsbescheid für den gesamten Bezugszeitraum festgestellt werden. Die Bewilligung von Elterngeld beschränkt sich nicht nur auf die Gewährung und Auszahlung eines einmaligen Geldbetrages, sondern bezieht sich stets auf einen Zeitraum von mindestens zwei bis höchstens zwölf Monaten (vgl § 4 Abs 3 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, BGBl I 61) bzw ausnahmsweise von 14 Monaten (vgl § 4 Abs 3 S 3 BEEG). So bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.2010 Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes.
b) Durch das HBeglG 2011 ist in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass der ursprünglichen Elterngeldbewilligung vom 22.11.2010 vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld hat sich zunächst nach dem BEEG idF vom 28.3.2009 (BGBl I 634) gerichtet. Für die hier allein streitige Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin ist § 2 BEEG maßgebend. Nach dessen Abs 1 S 1 wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Hinsichtlich des maßgeblichen Bemessungssatzes stellt § 2 Abs 2 BEEG idF vom 28.3.2009 fest, dass sich dieser in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1000 Euro war, von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 % erhöht.
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Dieser Bestimmung ist durch Art 14 Nr 2 Buchst b HBeglG 2011 folgender Satz angefügt worden: |
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In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 %. |
Nach Art 24 Abs 2 HBeglG 2011 ist diese Änderung am 1.1.2011 in Kraft getreten, also nach dem Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 22.11.2010. Dieser ist nämlich am 23.11.2010 abgesandt und damit am 26.11.2010 wirksam geworden (vgl § 37 Abs 2 S 1, § 39 Abs 1 S 1 SGB X).
c) Diese Rechtsänderung ist für den Elterngeldanspruch der Klägerin wesentlich gewesen.
aa) Zunächst wird der Anspruch der Klägerin vom Inhalt der neuen Regelung erfasst, weil ihr durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen vor der Geburt des Kindes nach den bindenden Feststellungen des LSG 1948,59 Euro betrug. Nach § 2 Abs 2 S 2 BEEG ist in diesem Fall für die Höhe des Elterngeldes nicht mehr der Bemessungssatz von 67 %, sondern derjenige von 65 % maßgeblich. Dies führt zu einer geringeren Höhe des Elterngeldes. Nach den nunmehr vorliegenden rechtlichen Verhältnissen hätte der Bewilligungsbescheid vom 22.11.2010 der Höhe nach nicht mehr ergehen dürfen (vgl Waschull in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 48 RdNr 31 mwN).
bb) Die Klägerin ist nicht bereits deshalb von der Anwendung des neuen Rechts ausgenommen, weil dieses erst nach Ablauf ihres Elterngeldbezuges in Kraft getreten wäre (vgl dazu zB BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 23 mwN). Denn sie stand am 1.1.2011 noch im Leistungsbezug.
cc) Die Neuregelung würde sich ohne Weiteres ab dem fünften Lebensmonat des Kindes (also ab dem 28.1.2011) auf den Elterngeldanspruch der Klägerin auswirken, wenn die Leistung Monat für Monat jeweils neu bewilligt worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr umfasst die Elterngeldbewilligung vom 22.11.2010 alle zwölf Lebensmonate. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs 2 S 1 BEEG, wonach das Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt wird. Diese Vorschrift regelt zwar auch die Entstehung monatlicher Zahlungsansprüche (vgl BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38); daraus folgt jedoch keine Notwendigkeit einer gesonderten Bewilligung für jeden einzelnen Lebensmonat.
dd) Der Elterngeldanspruch der Klägerin wird vom zeitlichen Geltungsbereich des HBeglG 2011 erfasst. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
aaa) Dem Wortlaut des HBeglG 2011 ist nicht zu entnehmen, ob § 2 Abs 2 S 2 BEEG auf laufende Leistungsfälle anzuwenden ist. Art 24 Abs 2 HBeglG 2011 regelt lediglich den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Eine Übergangsregelung fehlt.
bbb) Deutliche Auslegungshinweise sind den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens forderte der Bundesrat, das Inkrafttreten der Änderungen zum BEEG im Interesse der Eltern und der mit dem Vollzug befassten Länder mit einer Stichtagsregelung für Neufälle zu verbinden. Mit einer solchen Stichtags-regelung - abhängig von dem Geburtstag des Kindes - solle eine Übergangsregelung geschaffen werden, die den Eingriff in laufende Fälle vermeide. Dadurch werde den Belangen der Vollzugsstellen und der Akzeptanz der anstehenden Rechtsänderungen bei den Eltern Rechnung getragen und gewährleistet, dass das Elterngeld weiterhin als eine erfolgreiche, bürgernahe Familienleistung in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Bei einem unmittelbaren Inkrafttreten zum 1.1.2011 müssten hingegen die betroffenen Fälle mit hohem Aufwand ermittelt und Änderungsbescheide erlassen werden. In einer Vielzahl von Fällen werde es zu Überzahlungen und entsprechenden Rückforderungen kommen. Es sei mit einer großen Anzahl von Widerspruchsfällen, ggf anschließenden Klageverfahren sowie mit erheblichem Unverständnis für die komplexe Konstellation in der Öffentlichkeit zu rechnen (BR-Drucks 532/10 S 6 f).
Die Bundesregierung, die den ursprünglichen Gesetzentwurf eingebracht hatte (BT-Drucks 17/3030), lehnte den Vorschlag einer solchen Stichtagsregelung ab. Eine derartige Regelung stünde ua nicht im Einklang mit den Haushaltserfordernissen, die sich insbesondere aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Neuverschuldung ergäben. Das Anliegen, eine Übergangsregelung für die Änderungen zum BEEG zu schaffen, hätten die Länder bereits im Rahmen der Anhörung zum HBeglG 2011 vorgebracht. Die von den gesetzlichen Änderungen Betroffenen seien durch den Kabinettsbeschluss bereits grundsätzlich informiert. Die Bundesregierung werde sich bemühen, mit den Ländern eine Umsetzung mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand herbeizuführen (BT-Drucks 17/3361 S 4). Auf dieser Basis nahm der Bundestag den Entwurf des HBeglG 2011 mit Bezug auf die Änderung des § 2 Abs 2 BEEG am 28.10.2010 unverändert an (BR-Drucks 680/10 S 19). Da der Bundesrat in seiner Sitzung am 26.11.2010 weder den Vermittlungsausschuss anrief noch die Zustimmungs-bedürftigkeit des HBeglG 2011 feststellte (Plenarprotokoll 877 S 456 A und B; BR-Drucks 680/10 ≪Beschluss≫), wurde dieses Gesetz am 9.12.2010 ausgefertigt und am 14.12.2010 verkündet (BGBl I 1885).
Dieser Ablauf lässt deutlich erkennen, dass sich die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren mit ihren Vorstellungen durchgesetzt hat. Soweit die Klägerin annimmt, der Gesetzgeber habe sich nicht ausdrücklich gegen eine Stichtagsregelung ausgesprochen, verkennt sie, dass die Bundesregierung in ihrer zitierten Stellungnahme auf den Vorschlag des Bundesrates zur Schaffung einer Stichtagsregelung Bezug genommen und diesen abgelehnt hat. Die Frage des zeitlichen Anwendungsbereiches der Änderung des § 2 Abs 2 BEEG war damit Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens; sie ist in der Weise beantwortet worden, dass die Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten auch laufende Leistungsfälle erfassen solle. Diesem gesetzgeberischen Willen steht der Wortlaut von Art 14 Nr 2 Buchst b, Art 24 Abs 2 HBeglG 2011 nicht entgegen, zumal er zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 2 Abs 2 S 2 BEEG keine Regelung enthält. Unter diesen Umständen liegt auch keine planwidrige Regelungs- bzw Gesetzeslücke (vgl zum Vorliegen einer Gesetzeslücke iS einer planwidrigen Unvollständigkeit BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 9 V 7/98 R - BSGE 83, 68, 70 f = SozR 3-1500 § 84 Nr 2 S 4, jeweils mwN) vor, die Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte analoge Anwendung einer mit der Vorschrift des § 27 BEEG vergleichbaren Stichtagsregelung wäre.
ccc) Eine Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Rechts führt zu keiner anderen Beurteilung.
Werden materielle Anspruchsvoraussetzungen eines sozialrechtlichen Leistungsgesetzes geändert, gilt grundsätzlich das so genannte Versicherungs- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl BSG Urteil vom 26.11.1991 - 1/3 RK 25/90 - BSGE 70, 31, 34 = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 S 3 f, jeweils mwN; Urteil vom 29.10.1992 - 9b RAr 7/92 - BSGE 71, 202, 208 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 S 14, jeweils mwN; Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 20; Urteil vom 27.8.2008 - B 11 AL 11/07 R - SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13 mwN; Urteil vom 24.3.2009 - B 8 SO 34/07 R - SozR 4-5910 § 111 Nr 1 RdNr 9; Urteil vom 22.6.2010 - B 1 KR 29/09 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 14; ebenso Kopp, SGb 1993, 593, 595 f: Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung des neuen Rechts sowie Grundsatz des tempus regit actum).
Das Leistungsfall- bzw Versicherungsfallprinzip ist nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt. Dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (vgl BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 10 AL 7/97 R - SozR 3-4100 § 141e Nr 3 S 11; ebenso eine sofortige Anwendung neuen Rechts bejahend Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, jeweils RdNr 27; Kopp, SGb 1993, 593, 597). Im Bereich des SGB III wendet das BSG unter Berufung auf das einschlägige Übergangsrecht und die Gesetzesbegründung (vgl BSG Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R - BSGE 87, 262, 263 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1 S 3; Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 136/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 32 mwN) das so genannte Geltungszeitraumprinzip an, wonach neues Recht immer schon (aber auch noch) einen Sachverhalt erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen (vgl BSG Urteil vom 6.2.2003 - B 7 AL 72/01 R - SozR 4-4100 § 119 Nr 1 RdNr 7 mwN; Urteil vom 27.8.2008 - B 11 AL 11/07 R - SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 48/07 R - SozR 4-4300 § 158 Nr 4 RdNr 13; Urteil vom 6.5.2009 - B 11 AL 10/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 19 RdNr 14; vgl zu diesem Grundsatz Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand März 2010, vor §§ 422 ff RdNr 2 ff; Brandts in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, vor §§ 422 ff RdNr 6 f).
Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht auszulegen ist (vgl BSG Urteil vom 28.4.2004 - B 2 U 12/03 R - SozR 4-2700 § 70 Nr 1 RdNr 13). Dementsprechend sind diese Grundsätze nicht geeignet, ein eindeutiges Auslegungsergebnis - wie im vorliegenden Fall - umzukehren.
ddd) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des HBeglG 2011 für eine Anwendung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG auf laufende Leistungsfälle. Dieser bestand darin, zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte - sowohl im Hinblick auf die Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes als auch die "Schuldenbremse" der Art 109 Abs 3, Art 115 Abs 2 GG - Staatsausgaben einzusparen (vgl BT-Drucks 17/3030 S 1). Hierbei könne - so die Begründung zum Gesetzentwurf - auch der Bereich der Familienleistungen nicht ausgespart werden (BT-Drucks 17/3030 S 47). Dieser Gesetzeszweck legt es nahe, die Herabsetzung des Bemessungssatzes für das Elterngeld ab dem Inkrafttreten des § 2 Abs 2 S 2 BEEG auch auf laufende Leistungsfälle anzuwenden (ebenso Dau, jurisPR-SozR 24/2011, Anm 4). Denn nur so konnte das beabsichtigte Sparziel erreicht werden (vgl dazu BT-Drucks 17/3030 S 27).
d) Damit sind im Falle der Klägerin die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 1 SGB X für eine teilweise Aufhebung der Elterngeldbewilligung mit Wirkung für die Zukunft (also ab Beginn des fünften Lebensmonats des Kindes am 28.1.2011) gegeben gewesen (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.1997 - 13 RJ 23/96 - BSGE 80, 186, 196 = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 12 f).
3. Auf dieser rechtlichen Grundlage hat die Beklagte die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes ab dem fünften Lebensmonat des Kindes zutreffend festgestellt. Sie ist hierbei von dem von ihr ermittelten monatlichen Bemessungseinkommen von 1948,59 Euro ausgegangen und hat mit dem Bemessungssatz von 65 % eine monatliche Leistung in Höhe von 1266,58 Euro errechnet.
4. Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt (vgl Art 100 Abs 1 GG), dass die Anwendung des § 2 Abs 2 S 2 BEEG im vorliegenden Fall Grundrechte der Klägerin verletzt.
a) Nach Art 14 Abs 1 GG geschützte Eigentumsrechte sind durch die Herabsetzung des Bemessungssatzes nicht betroffen. Der Anspruch auf Elterngeld begründet für den Berechtigten keine Eigentums- oder eigentumsähnlichen Rechte, da er nicht auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Berechtigten beruht (vgl zu dieser Voraussetzung BVerfG Urteil vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272, 301 ff = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 126 f). Die Ausgaben für das Elterngeld trägt der Bund (§ 12 Abs 2 BEEG) aus allgemeinen Steuermitteln (vgl ebenso zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 101 ff = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 30 ff; vgl zum Kindergeld BSG Urteil vom 22.1.1986 - 10 RKg 20/84 - SozR 5870 § 10 Nr 8 S 12; ebenso zum Elterngeld Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, vor §§ 1-14 BEEG RdNr 12).
b) Ebenso wenig verstößt die Geltung der Absenkung des Bemessungssatzes auch für laufende Leistungsfälle gegen die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hierin keine echte Rückwirkung bzw keine Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Denn eine solche ist nur anzunehmen, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (vgl BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 45 mwN). Art 14 Nr 2 Buchst b HBeglG 2011, der am 14.12.2010 verkündet worden ist (BGBl I 1885), hat den Anspruch auf Elterngeld in früheren, bereits vollständig abgeschlossenen Zeiträumen unberührt gelassen. Diese Regelung wirkt sich lediglich auf Elterngeldansprüche für Lebensmonate nach seiner Verkündung aus (vgl Art 24 Abs 2 HBeglG 2011). Die Klägerin knüpft für ihre Wertung unzutreffend an den Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 22.11.2010 an. Sie übersieht, dass der Anspruch auf Elterngeld nicht bereits durch das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und die Bewilligung der Elterngeldleistungen abgeschlossen bzw erfüllt ist, sondern erst durch die Zahlung sämtlicher Monatsbeträge.
Die Änderung des BEEG hat allerdings eine unechte Rückwirkung bzw eine tatbestandliche Rückanknüpfung, soweit sie auch für laufende Leistungsfälle gilt. Eine solche liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl BVerfG Urteil vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272, 309 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 132; Beschluss vom 13.5.1986 - 1 BvL 55/83 - BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78 S 260; Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263; Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua - BVerfGE 123, 186, 257 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 212) bzw wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl BVerfG Beschluss vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 242; Beschluss vom 3.12.1997 - 2 BvR 882/97 - BVerfGE 97, 67, 78 f; Beschluss vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17, 37 f; Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133, 181). Der Klägerin war Elterngeld für den Zeitraum vom 28.11.2010 bis 27.9.2011 bewilligt worden; in diese Rechtsposition greift § 2 Abs 2 S 2 BEEG idF des HBeglG 2011 mit Wirkung vom 1.1.2011 und damit ab Beginn des nächsten Lebensmonats am 28.1.2011 ein.
Die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar. Verfassungsrechtliche Grenzen ergeben sich für sie allerdings aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit. Für den Bürger bedeutet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz. Daher ist ein Gesetz mit unechter Rückwirkung ausnahmsweise unzulässig, wenn es einen Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (BVerfG Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 - BVerfGE 68, 287, 307). Darüber hinaus muss das Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung schutzwürdiger sein als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (vgl zu diesen beiden kumulativen Voraussetzungen Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 20 RdNr 74 mwN). Dies ist anzunehmen, wenn bei der gebotenen Interessenabwägung das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen überwiegt (BVerfG Beschluss vom 24.3.1998 - 1 BvL 6/92 - BVerfGE 97, 378, 389 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 34; Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263; Beschluss vom 14.3.2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 11 - zur zeitlichen Anspruchsbegrenzung der originären Arbeitslosenhilfe; BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, jeweils RdNr 30). Eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und dem Vertrauensschutz des Einzelnen hat der Gesetzgeber vor allem dann zu treffen, wenn die finanzielle Lage des Staates Einsparungen von Staatsausgaben notwendig macht. Er hat insoweit die Prioritäten zu setzen und eine politische Entscheidung zu treffen (BSG Urteil vom 22.1.1986 - 10 RKg 20/84 - SozR 5870 § 10 Nr 8 S 11). Dabei steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung (vgl BVerfG Beschluss vom 10.4.1984 - 2 BvL 19/82 - BVerfGE 67, 1, 15; Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256, 359 f). Danach wird der Grundsatz des Vertrauensschutzes durch die auf den Elterngeldanspruch der Klägerin anwendbare Änderung des § 2 Abs 2 BEEG nicht verletzt.
Die Zulässigkeit der Absenkung des Bemessungssatzes des Elterngeldes ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes am 2010 mit dieser Änderung hätte sicher rechnen müssen. Zwar gibt es keinen generellen Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften (vgl BVerfG Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1681/94 ua - BVerfGE 103, 271, 287). Das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts wird jedoch in der Regel solange geschützt, bis der Bundestag ein änderndes Gesetz beschließt (vgl BVerfG Beschluss vom 22.6.1971 - 2 BvL 6/70 - BVerfGE 31, 222, 227 mwN). Demnach ist ein Vertrauensschutz der Klägerin in den Fortbestand des alten Rechts frühestens am 28.10.2010 (Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 17/68, S 7279; Beschluss des Bundesrates vom 26.11.2010, BR-Drucks 680/10 ≪Beschluss≫) entfallen.
Gegenüber dem Bestandsinteresse der Klägerin überwiegt jedoch das vom Gesetzgeber verfolgte Anliegen zum Wohl der Allgemeinheit.
Das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der Regelung des § 2 Abs 2 BEEG ist nicht sehr hoch einzuschätzen. Allgemein ist ein Vertrauen in staatliches Handeln insoweit nicht geschützt, als es darauf gerichtet ist, dass insbesondere Leistungen der gewährenden Staatstätigkeit - also finanzielle Leistungen, denen keine finanziellen Leistungen des Bürgers an den Staat vorausgegangen sind - grundsätzlich und in gleicher Höhe weiter gewährt werden (vgl BSG Urteil vom 22.1.1986 - 10 RKg 20/84 - SozR 5870 § 10 Nr 8 S 11). Zunächst bestand die Rechtslage, die geändert wurde, erst seit dem 1.1.2007; es wurde also kein seit langer Zeit bestehendes Recht (vgl zu diesem Gesichtspunkt BVerfG Beschluss vom 14.3.2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 11) geändert. Es geht hier demnach nicht um den unveränderten Fortbestand einer über viele Jahre gewährten Rechtsposition (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.3.1998 - 1 BvL 6/92 - BVerfGE 97, 378, 389 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 34). Darüber hinaus zeichnete sich die Absenkung der Leistungshöhe des Elterngeldes schon frühzeitig ab. Der Beschluss des so genannten Konsolidierungspakets, das die Änderung der Bemessung des Elterngeldes bereits umfasst hatte, ist im Rahmen der Kabinettsklausur der Bundesregierung am 6. und 7.6.2010 gefasst worden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist am 3.9.2010 an den Bundesrat (BR-Drucks 532/10) und am 27.9.2010 an den Bundestag (BT-Drucks 17/3030) übersandt worden.
Ferner kann ein Elternteil Elterngeld insgesamt nur für zwölf bzw in Ausnahmefällen für 14 Monate beziehen. Die Klägerin erhielt wegen der Anrechnung des Bezugs von Mutterschaftsgeld Elterngeld für zehn Monate, von denen acht von der Absenkung des Bemessungssatzes betroffen sind. Überdies ist der monatliche Elterngeldanspruch der Klägerin lediglich um 38,98 Euro, also um ca 3 %, reduziert worden. Angesichts dieser geringen Höhe kann die im Gesetzgebungsverfahren getroffene Einschätzung, die Auswirkungen der Absenkung der Ersatzrate seien moderat (vgl BT-Drucks 17/3030 S 47), noch nachvollzogen werden (vgl LSG NRW Urteil vom 11.11.2011 - L 13 EG 41/11 - Juris RdNr 31 sowie Urteil vom 6.5.2013 - L 13 EG 5/13 - Juris RdNr 25; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.4.2012 - L 2 EG 2/12 - Juris RdNr 34; ebenso Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, Stand 9/2011, § 2 BEEG RdNr 35; grundsätzlich zustimmend, wenn auch mit Bedenken: Stellung-nahme des Deutschen Vereins zum Gesetzentwurf des HBeglG 2011, NDV 2010, 477).
Auf der anderen Seite verfolgte der Gesetzgeber mit der Reduzierung der Sozialausgaben eine Konsolidierung des Haushalts und damit wichtige Gemeinwohlinteressen. Ihm stand dabei eine weite Gestaltungsfreiheit auch im Hinblick darauf zu, dass er mit Blick auf die erstmals für das Haushaltsjahr 2011 geltende so genannte Schuldenbremse (Art 109 Abs 3, Art 115 Abs 2 GG iVm Art 143d Abs 1 S 1 und 2 sowie S 6 GG idF des Gesetzes vom 29.7.2009 ≪BGBl I 2248≫) eine nach seiner Einschätzung unvertretbar hohe Neuverschuldung vermeiden wollte. Das Ziel der Sanierung der Staatsfinanzen durch Einsparungen auf der Ausgabenseite ist eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zu Gunsten des Staatsganzen (BVerfG Beschluss vom 14.3.2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10 f mwN). Soweit das LSG allerdings in diesem Zusammenhang auf die beabsichtigte Haushaltsentlastung für die kommunale Ebene in Höhe von jährlich 37 Mio bis 47 Mio Euro Bezug nimmt (vgl BT-Drucks 17/3361 S 1), sind diese Zahlen für die Änderung des BEEG nicht aussagekräftig. Denn die Ausgaben für das Elterngeld trägt nicht die kommunale Ebene, sondern der Bund (§ 12 Abs 2 BEEG). Die für den Bund erwartete Haushaltsentlastung beim Elterngeld allein durch die Absenkung der Ersatzquote sowie durch die Nichtberücksichtigung bestimmter Einnahmen (vgl die weiteren Änderungen in § 2 BEEG durch das HBeglG 2011) betrug nach den Gesetzesmaterialien in den Jahren 2011 bis 2014 jeweils 155 Mio Euro (vgl BT-Drucks 17/3030 S 27) und überstieg damit die von dem LSG zugrunde gelegten Beträge um ein Vielfaches. Gerade um bereits im Haushaltsjahr 2011, in dem nach Art 143d Abs 1 S 6 GG mit dem Abbau des bestehenden Defizits begonnen werden sollte, eine hohe Haushaltsentlastung zu erreichen, war es erforderlich, die Änderung des § 2 Abs 2 BEEG ohne Übergangsregelung in Kraft treten und damit auch für laufende Leistungsfälle eingreifen zu lassen.
Vor dem Hintergrund der Bedeutung des vom Gesetzgeber mit dem HBeglG 2011 verfolgten Zieles sowie unter Abwägung dieses Anliegens mit der verhältnismäßig geringen Absenkung der Höhe des Elterngeldes um ca 3 % erachtet der Senat es für zumutbar, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der laufenden Leistungsfälle auf eine Übergangsregelung verzichtet hat.
c) Schließlich liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (iVm Art 6 Abs 1 GG) vor.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschlüsse vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN und vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 f mwN = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1).
Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschlüsse vom 8.10.1991 - 1 BvL 50/86 - BVerfGE 84, 348, 359 mwN; vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436; stRspr). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfG Urteile vom 20.12.1966 - 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63 - BVerfGE 21, 12, 26; Beschluss vom 7.5.1968 - 1 BvR 420/64 - BVerfGE 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (vgl BVerfG Beschlüsse vom 14.4.1964 - 2 BvR 69/62 - BVerfGE 17, 319, 330; vom 11.3.1980 - 1 BvL 20/76, 1 BvR 826/76 - BVerfGE 53, 313, 329 = SozR 4100 § 168 Nr 12; vom 15.5.1984 - 1 BvR 464/81 ua - BVerfGE 67, 70, 85 f; stRspr). Der normative Gehalt des Gleichheitssatzes erfährt seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfG Beschluss vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 ua - BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschlüsse vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN - BVerfGE 126, 400).
Im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 S 2, § 68 Nr 15a SGB I), hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26). Für die Beurteilung einer Ungleichbehandlung gilt insoweit ein Willkürmaßstab. Hinzu kommt, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, muss der Staat allerdings zusätzlich den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2004 - 1 BvR 684/98 - BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55).
Vor diesem Hintergrund kann der Senat einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht feststellen. Soweit Berechtigte je nach dem Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes und der Lage der Bezugsmonate unterschiedlich hohe Elterngeldleistungen erhalten, beruht dies auf dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1.1.2011. Dieser Termin orientiert sich sachgerecht an dem Beginn des Haushaltsjahres 2011. Auf Grund der Änderung des § 2 Abs 2 BEEG durch das HBeglG 2011 werden auch Elterngeldberechtigte mit einem durchschnittlichen monatlichen vorgeburtlichen Erwerbseinkommen bis einschließlich 1200 Euro anders behandelt als Berechtigte mit einem höheren Einkommen, da die Absenkung des Bemessungssatzes nur für die zuletzt genannte Gruppe gilt. Für Berechtigte mit einem niedrigeren Einkommen bleibt der Bemessungssatz unverändert bei mindestens 67 %, nach § 2 Abs 2 S 1 BEEG wird er sogar auf bis zu 100 % angehoben. Diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt.
Die Rechtfertigung ergibt sich aus dem Zweck, den der Gesetzgeber bereits mit § 2 Abs 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) - jetzt § 2 Abs 2 S 1 BEEG - verfolgt. Mit der darin vorgesehenen, stufenweisen Erhöhung des Bemessungssatzes sollten nach der Begründung des Gesetzentwurfes gezielt gering verdienende Eltern und insbesondere die Ausübung gering bezahlter Teilzeit- oder Kurzzeitbeschäftigungen unterstützt werden. Weil in diesen Fällen häufig auch das Partnereinkommen gering sei, sollten Familien mit kleinem Familieneinkommen mit dem Elterngeld eine Familienleistung erhalten, ohne dass eine aufwändige Ermittlung des gesamten Familieneinkommens erforderlich sei (BT-Drucks 16/1889 S 20). Diese Unterstützung gering verdienender Eltern hat der Gesetzgeber des HBeglG 2011 fortgeführt und nicht nur die Erhöhung des Bemessungssatzes unverändert beibehalten, sondern darüber hinaus die gestaffelte Absenkung des Bemessungssatzes erst bei einem Einkommen von mehr als 1200 Euro beginnen lassen. Die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Berechtigten mit einem geringeren Einkommen ist ein ausreichender Sachgrund für deren Besserstellung gegenüber Berechtigten, die - wie die Klägerin - vor der Geburt des Kindes ein höheres Einkommen erzielt haben.
Im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist nicht darüber zu entscheiden, ob der Gesetzgeber die Grenze für die Absenkung des Bemessungssatzes mit einem Einkommen von mehr als 1200 Euro zutreffend gewählt hat oder ob nicht ein höheres Einkommen zweckmäßiger gewesen wäre. Diese Frage liegt innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit. Ebenso wenig ist der Frage nachzugehen, ob statt der Absenkung der Ersatzquote die Reduzierung des Höchstbetrages des Elterngeldes von monatlich 1800 Euro zu einer sozial gerechteren Konturierung der Sparmaßnahme geführt hätte (vgl zu dieser Überlegung Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Gesetzentwurf des HBeglG 2011, NDV 2010, 477 f).
An dieser Beurteilung ändert auch Art 6 Abs 1 GG nichts. Danach hat der Staat ua die Pflicht, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl BVerfG Beschlüsse vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95 ua - BVerfGE 106, 166, 177 f = SozR 3-5870 § 3 Nr 4 S 15; vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436; vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 - BVerfGE 111, 160, 172 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 53; BSG Urteil vom 13.10.2005 - B 10 EG 4/05 R - SozR 4-7833 § 6 Nr 3 RdNr 20; Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 28 f). Dieser Pflicht hat der Gesetzgeber mit dem BEEG Rechnung getragen. Aus Art 6 Abs 1 GG ergibt sich weder eine Verpflichtung, jegliche die Familie treffenden finanziellen Belastungen auszugleichen, noch erwachsen daraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen. Der Gesetzgeber konnte sich daher ohne Verstoß gegen seine Pflicht zur Familienförderung dafür entscheiden, den Bemessungssatz für die Bestimmung der Höhe des Elterngeldes ab einer bestimmten Höhe des Bemessungseinkommens geringfügig abzusenken. Er durfte auch davon ausgehen, dass diese Absenkung der Ersatzquote weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Zwang auf die Eltern ausübt, auf die persönliche Betreuung des Kindes zu verzichten und stattdessen eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Das BEEG übt generell keinen durch Art 6 Abs 1 GG verbotenen Zwang auf Eltern aus, sondern setzt lediglich Anreize, die familienpolitischen Ziele, aber auch fiskalischen Interessen des Staates dienen (BSG Urteil vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 1 RdNr 39 mwN).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
DB 2014, 8 |
FA 2014, 95 |
WzS 2014, 144 |
SGb 2014, 138 |
SGb 2014, 197 |
NJOZ 2015, 35 |