Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bemessungsentgelt. Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen Art 3 GG, wenn der Gesetzgeber eine pauschale Erhöhung des Bemessungsentgelts wegen der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen für die Arbeitslosenhilfe nicht anordnet.
Normenkette
SGB III § 200 Abs. 1 Fassung: 2000-12-21, § 434c Abs. 4 Fassung: 2000-12-21; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Höhe von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 25. September 2000. Der Kläger ist der Auffassung, das der Berechnung seiner Alhi zu Grunde liegende Bemessungsentgelt sei pauschal um 10 % zu erhöhen.
Der Kläger erhielt im Anschluss an eine Beschäftigung im K… Werk der V… AG Arbeitslosengeld (Alg) nach einem Bemessungsentgelt von zunächst 860,00 DM wöchentlich. Die Höhe des Alg beruhte auf dem letzten abgerechneten Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum vom 1. September bis 30. November 1991.
Seit dem 25. September 1993 erhält der Kläger im Anschluss an den Alg-Bezug laufend Alhi. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1993 teilte das Arbeitsamt dem Kläger mit, dass wegen des geminderten Leistungsvermögens eine Neubemessung der Alhi nach § 136 Abs 2 Satz 2 iVm § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vorzunehmen sei. Der Kläger könne als Maschinenbediener nach dem einschlägigen Tarifvertrag 630,00 DM wöchentlich erzielen. Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Oktober 1993 Alhi.
Ab 25. September 2000 erhielt der Kläger Alhi in Höhe von 222,18 DM wöchentlich. Diese Zahlung beruht auf einem durch die jährlichen Anpassungen insgesamt auf 600,00 DM abgesenkten wöchentlichen Bemessungsentgelt. Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, es seien auch die Einmalzahlungen seiner letzten Lohnabrechnungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld) zu berücksichtigen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2000).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Juli 2001); das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5. Juni 2002): Die Beklagte habe die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Alhi richtig errechnet und sei dabei insbesondere von einem der Höhe nach zutreffend festgestellten Bemessungsentgelt ausgegangen. Es könne dahingestellt bleiben, ob eine Überprüfung der fiktiven Festsetzung ganz unterbleiben müsse, weil die Beklagte seinerzeit über die fiktive Bemessung durch gesonderten Bescheid entschieden habe. Denn die gemäß § 136 Abs 2 Satz 2 iVm § 112 Abs 7 AFG getroffene Festsetzung sei zutreffend gewesen. Die Beklagte sei nicht auf Grund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und auch nicht infolge der Rechtsänderung in § 434c Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) verpflichtet, bei der Festsetzung des Bemessungsentgelts einmalige Zahlungen zu berücksichtigen. Es komme nicht auf die vom Kläger vor seinem Ausscheiden erzielten Einmalzahlungen an, weil für die Bemessung das fiktiv ermittelte Arbeitsentgelt herangezogen werde. Die Beklagte sei weder im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis nach Bekanntwerden des Beschlusses des BVerfG vom 24. Mai 2000 verpflichtet gewesen, das Bemessungsentgelt pauschal um 10 % zu erhöhen, noch sei die für das Alg ergangene Neuregelung in § 434c SGB III entsprechend anzuwenden. Die Differenzierung bei der Neuregelung begegne keinen – durchgreifenden – verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Alhi handele es sich um eine Sozialleistung, die nur bei Bedürftigkeit des Leistungsempfängers gewährt und aus Steuermitteln finanziert werde, weshalb die leistungsrechtliche Äquivalenz bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung auf die Bezieher von Alhi nicht ohne weiteres übertragen werden könne. Der Anspruch auf Alhi entziehe sich dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG). Das BVerfG habe im Übrigen in seinen Entscheidungen vom 11. Januar 1995 und vom 24. Mai 2000 eine Korrektur hinsichtlich der Einmalzahlungen nur beim Alg und anderen kurzfristigen Lohnersatzleistungen gefordert und den Anspruch auf Alhi gar nicht erwähnt. Im Falle des Klägers komme hinzu, dass es sich nicht um die Feststellung eines Bemessungsentgelts nach dem zuletzt erzielten beitragspflichtigen Entgelt handele. Der soziale Schutz nehme sich in diesen Fällen das erzielbare Arbeitsentgelt als Maßstab.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt, mit der er eine Verletzung der §§ 133, 134, 200, 427 und 434c SGB III rügt. Die Prüfung des Anspruchs habe nach dem zu dieser Zeit geltenden SGB III zu erfolgen. Zwar verweise § 427 Abs 5 SGB III darauf, dass das Bemessungsentgelt nur dann neu festzusetzen sei, wenn die Festsetzung auf Grund eines Sachverhaltes erforderlich sei, der nach dem 31. Dezember 1997 eingetreten sei, doch sei bereits im Jahre 1998 bei der ersten negativen Dynamisierung unter Geltung des SGB III dieses Gesetz anzuwenden. Jedenfalls habe zur erneuten Bewilligung von Alhi ab 25. September 2000 geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen für eine fiktive Berechnung des Bemessungsentgelts wegen der Minderung der Leistungsfähigkeit noch vorgelegen hätten. Eine die Beklagte nach § 200 SGB III zur Neufestsetzung des Bemessungsentgelts verpflichtende Rechtsänderung sei auch hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt eingetreten. Die Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, für das Beiträge entrichtet worden seien, sei für die Alhi in gleicher Weise wie für das Alg mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar. Die Fortsetzung der Ungleichbehandlung werde dadurch bewirkt, dass die Alhi gemäß § 200 Abs 1 SGB III an das für das Alg maßgebliche Bemessungsentgelt anknüpfe. Solange sich die Höhe der Alhi nach dem beitragspflichtigen Entgelt richte, bleibe die Ungleichbehandlung dieselbe wie beim Alg. Selbst wenn man meine, hier nicht von Beitragsäquivalenz sprechen zu können, so bleibe jedoch die Tatsache bestehen, dass eine unterschiedliche Behandlung vorliege, für die sachliche Gründe nicht erkennbar seien. An der fehlenden Beitragsäquivalenz ändere sich nichts dadurch, dass das Bemessungsentgelt gemäß § 200 Abs 2 SGB III berechnet worden sei. Dieses Argument könne nur durchdringen, wenn mit dem Begriff Einmalzahlungen ausschließlich solche Leistungen gemeint wären, die nicht laufend erdient würden und mit denen deshalb keineswegs gerechnet werden könne. Dies sei aber in Wirtschaftsbereichen, die Tarifverträgen unterlägen, gerade nicht der Fall. Die Anwendung des § 434c SGB III stelle sich wegen einer verfassungswidrigen Rückwirkung als unzulässig dar. Könne sich der Senat nicht davon überzeugen, dass sich auf Grund der Entscheidung des BVerfG eine wesentliche Rechtsänderung ergeben habe, so hänge die Entscheidung von der Gültigkeit der §§ 200 Abs 1 und § 434c Abs 1 SGB III ab.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. Juni 2002 und des Sozialgerichts K… vom 17. Juli 2001 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 7. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2000 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe ab 25. September 2000 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 660,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat – wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben – für die Zeit ab 25. September 2000 keinen Anspruch auf höhere Alhi.
Die Alhi beträgt nach § 195 Satz 1 Nr 2 SGB III für Arbeitslose, die – wie der Kläger – die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungsanspruch nicht erfüllen, 53 % des Leistungsentgelts. Die Beklagte hat die die Alhi-Höhe im Einzelnen bestimmenden Faktoren zutreffend zu Grunde gelegt. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dem Alhi-Anspruch ab 15. September 2000 sei als Ausgangsgröße für die Bestimmung des Leistungsentgelts ein höheres Bemessungsentgelt als 600,00 DM wöchentlich zu Grunde zu legen.
1. Das der Alhi-Bewilligung ab 25. September 2000 zu Grunde liegende Bemessungsentgelt ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auf eine tarifliche Einstufung nach § 136 Abs 2 Satz 2 iVm § 112 Abs 7 AFG zurückzuführen, die infolge der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zum 25. September 1993 vorgenommen worden war. Das LSG hat im Einzelnen ausgeführt, aus welchen Gründen die damalige Berechnung des Bemessungsentgelts rechtmäßig gewesen ist. Es bedarf deshalb keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom LSG angedeuteten und im Ergebnis nicht zutreffenden Vorstellung, die Beklagte habe im Schreiben vom 13. Oktober 1993 eine den Merkmalen eines Verwaltungsaktes entsprechende Regelung über das Berechnungselement “Bemessungsentgelt” getroffen. Ferner hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe auch in der Folgezeit unter Anwendung der Anpassungsvorschriften, die weder Rechtsanwendungs- noch Berechnungsfehler erkennen ließen, das Bemessungsentgelt zutreffend errechnet.
Gegen diese Ausführungen werden von der Revision keine durchgreifenden Einwände erhoben. Die Frage, ob und ggf wie auf der Grundlage des § 200 Abs 2 Satz 1 SGB III eine Neubemessung vorzunehmen ist, wenn die in der Person des Arbeitslosen liegenden Gründe für die Herabbemessung entfallen sind, stellt sich auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht. Eine Neufeststellung des Bemessungsentgelts unter Anwendung der Regelung des SGB III nach § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die ausdrücklich nur auf das Alg Anwendung findet, ist bei vor dem 1. Januar 1998 entstandenen Ansprüchen das Bemessungsentgelt nur dann neu festzusetzen, wenn die Festsetzung auf Grund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31. Dezember 1997 eingetreten ist. Insofern ist klarzustellen, dass der Ablauf des jährlichen Bewilligungszeitraums oder der Erlass von die Alhi betreffenden Bewilligungs- oder Änderungsbescheiden kein neuer Sachverhalt iS des § 427 Abs 5 SGB III ist.
Ob auf Grund der Entscheidung des BVerfG vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) ein neuer Sachverhalt iS des § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III eingetreten ist, soweit die Bewilligung von Alg betroffen ist, kann offen bleiben (vgl dazu BSG Urteil vom 25. März 2003 – B 7 AL 114/01 R – S 9 des Umdrucks). Hier ist über den Anspruch auf höhere Alhi zu entscheiden. Die Entscheidung des BVerfG betrifft jedoch nicht die Alhi, denn das BVerfG hat nur für das Alg, Unterhaltsgeld und Krankengeld (Krg) entschieden, dass § 23a Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung –, § 112 Abs 1 Satz 2 AFG und § 47 Abs 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) unvereinbar waren, soweit danach auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung erhoben werden, obwohl es bei der Berechnung dieser kurzfristigen Lohnersatzleistungen unberücksichtigt bleibt. Es gibt auch keine Rechtsvorschrift, auf die der geltend gemachte Anspruch gestützt werden könnte. Der Gesetzgeber hat vielmehr durch die §§ 200 Abs 1, 434c Abs 4 SGB III (jeweils idF des Gesetzes zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt – Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz – vom 21. Dezember 2000, BGBl I, 1791) klargestellt, dass für Ansprüche auf Alhi bei der Bemessung dieser Leistung Arbeitsentgelte außer Betracht bleiben, die einmalig gezahlt werden.
Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass diese Vorschriften gegen das Grundgesetz verstoßen (ebenso zB: LSG Niedersachsen 30. Januar 2003 – L 8 AL 436/01 –; LSG Nordrhein-Westfalen 21. August 2002 – L 12 AL 40/02 –; SG Kassel 24. Januar 2001 – S 7 AL 1223/00 – info also 2001, 85; SG Berlin 23. Februar 2001 – S 58 AL 4607/00 – info also 2001, 91).
Die unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gegen die Bemessung der Alhi unter Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt geäußerten Bedenken (Gagel, NZS 2000, 591 und SozSich 2001, 241; SG Dortmund vom 23. März 2001 – S 5 AL 304/00 – info also 2001, 81) können sich nicht auf die Entscheidung des BVerfG vom 24. Mai 2000 stützen. In dieser Entscheidung hat das BVerfG, wie schon in der ersten Entscheidung zu den Einmalzahlungen vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 102, 127 ff = SozR 3-2400 § 23a Nr 1; vgl zur Vorgeschichte Bundessozialgericht ≪BSG≫ 25. März 2003 – B 7 AL 106/01 R –; BSG 30. April 2003 – B 11 AL 45/02 R – jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) beanstandet, dass nach den zur Prüfung gestellten leistungsrechtlichen Vorschriften die Beiträge auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12. Dezember 1996 (BGBl I, 1859) einen unterschiedlichen Erfolgswert hätten. Zur Begründung hatte das BVerfG ausgeführt, dass Versicherte mit gleich hoher Beitragsbelastung umso stärker bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen belastet würden, je höher der Anteil ihres beitragspflichtigen einmalig gezahlten Arbeitsentgelts am beitragspflichtigen Gesamtarbeitsentgelt sei. Für die Ungleichbehandlung seien hinreichende sachliche Gründe nicht ersichtlich. Solange die Bemessung der Lohnersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden Weise durch das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt mitbestimmt werde, müssten alle Arbeitsentgeltbestandteile, die der Beitragspflicht unterworfen seien, einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Der Erfolgswert müsse nicht zwingend im Rahmen des Berechnungsfaktors gesichert werden. Entscheidend sei aber, dass die vom Gesetzgeber gebildete Lösung das beitragspflichtige Arbeitsentgelt im Ergebnis berücksichtige.
Der Senat folgt der im Gesetzgebungsverfahren zum Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz geäußerten Auffassung des Gesetzgebers, dass der Beschluss des BVerfG lediglich Ausführungen zur Berechnung beitragsfinanzierter Lohnersatzleistungen enthält, sodass ihm Aussagen zur steuerfinanzierten Alhi nicht entnommen werden können (BT-Drucks 14/4371 S 13). Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Ausgangspunkt der Entscheidung des BVerfG, bei der Feststellung der ungleichen Behandlung von Leistungsempfängern sei auf den Erfolgswert von geleisteten Beiträgen und Leistungshöhe abzustellen. Die Entscheidung beruht auf dem Gedanken der Proportionalität von Beitrag und Leistung (vgl insbesondere Eichenhofer, SAE 2001, 7, 8), denn das entscheidende Kriterium dafür, die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu verneinen, war der “Erfolgswert” der Beitragsleistung. Da die Alhi nicht beitrags- sondern steuerfinanziert ist (§ 363 SGB III), trifft schon der Ansatz des BVerfG auf die Alhi nicht zu. Der Gesetzgeber durfte sich deshalb auf die Aussage des BVerfG verlassen und eine Änderung nur bei den im Beschluss ausdrücklich aufgeführten beitragsfinanzierten Entgeltersatzleistungen herbeiführen, es bei der Alhi hingegen im Ergebnis bei der bisherigen Regelung belassen, die weiterhin nur an das laufende Arbeitsentgelt anknüpft.
Der fehlende Zusammenhang von vorheriger Beitragsleistung und Leistungshöhe wird im Übrigen dadurch verdeutlicht, dass es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelt, die die Bedürftigkeit des Leistungsempfängers voraussetzt und nicht gewährt wird, wenn der Lebensunterhalt auf andere Weise gesichert ist. Dieses Abhängigkeitsverhältnis kennzeichnet den das Alhi-Recht beherrschenden Grundsatz der Nachrangigkeit oder Subsidiarität (vgl nur Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 193 RdNr 11 mwN). Der Gedanke der Äquivalenzabweichung kann auf das Alhi-Recht also schon deshalb nicht übertragen werden, weil bei fehlender Bedürftigkeit die Alhi unabhängig davon nicht gezahlt wird, ob und in welchem Umfang der Versicherte Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hatte.
Zudem wird eine Vereinbarkeit der Regelung über die Bemessung von Alhi mit Art 3 Abs 1 GG im Hinblick auf den Erfolgswert für auf Einmalzahlungen geleistete Beiträge auch dadurch belegt, dass es sich bei der Alhi nicht – wie im Beschluss des BVerfG ausdrücklich gefordert – um eine kurzfristige Entgeltersatzleistung handelt. Denn die Alhi wird abweichend etwa vom Alg oder Krg nicht lediglich für eine begrenzte Anspruchsdauer geleistet, sondern grundsätzlich zeitlich unbegrenzt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 190 Abs 2 SGB III). Mit der jährlichen Prüfung und Wiederbewilligung der Alhi nach § 190 Abs 3 SGB III soll zwar die Abhängigkeit künftiger Zahlungen vom Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen und der Entstehung schutzwürdigen Vertrauens auf einen Dauerzustand über den jeweiligen Bewilligungszeitraum hinaus vermieden werden (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 190 RdNr 124). Gleichwohl kommt es gerade in Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktlage – wie der vorliegende Fall zeigt – vielfach zum langjährigen Bezug von Alhi (vgl schon BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11). Das Hinzutreten dieser zeitlichen Komponente führt zu einer weiteren Lösung der Leistungshöhe von den im früheren Referenzzeitraum geleisteten Beiträgen.
Die potenzielle Dauer des Alhi-Anspruchs macht es schließlich erforderlich, das Bemessungsentgelt bei nicht nur vorübergehenden Leistungseinschränkungen an die aktuelle Lage anzupassen, um die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen zu erhalten (vgl § 200 Abs 2 SGB III). Maßgebend ist in einem derartigen Fall das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Eine derartige fiktive Einstufung löst die Beziehung von früherer Beitragszahlung und Leistungshöhe vollends. Von einer fiktiven Einstufung ist im Übrigen auch der Kläger betroffen gewesen, sodass es in seinem konkreten Fall schon deshalb an einer Grundlage für die Forderung nach einem angemessenen Erfolgswert für die vor 1993 auf Einmalzahlungen geleisteten Beiträge fehlt.
Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelt, die aus Steuermitteln finanziert und die nur bei Bedürftigkeit des Antragstellers gewährt wird, haben der 7. und der 11. Senat des BSG bereits mehrfach entschieden, dass der Anspruch auf Alhi nicht unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt (vgl nur BSGE 73, 10, 17 ff = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11; SozR 3-4300 § 427 Nr 2). Daran hält der Senat fest. Dem letztgenannten Umstand kommt Bedeutung für den Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung der Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung zu (BVerfGE 74, 9, 24; 91, 389, 401 – stRspr). Da der Gesetzgeber mit der Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt bei der Alhi nicht in den Schutzbereich eines anderen Grundrechts eingreift, unterliegt der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für Ungleichbehandlungen nicht den engen Bindungen, die etwa bei dem dem Schutzbereich des Art 14 GG unterfallenden Alg zu beachten sind (vgl schon BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 6). Es bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber sich bei der Alhi von der beitragsbezogenen Betrachtungsweise löst und lediglich die laufend gezahlten Arbeitsentgelte zum Maßstab der Leistungsgewährung macht.
Da der Erfolgswert der gezahlten Beiträge kein geeigneter Maßstab für eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung der Bezieher von Alhi ist, könnte der Kläger einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur geltend machen, wenn der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten wäre, den früheren Lebensstandard, der auch durch Einmalzahlungen geprägt wird, während der gesamten Dauer der Arbeitslosigkeit aufrecht zu erhalten (so zutreffend Krauß in Wissing, SGB III § 200 RdNr 17). Das BVerfG lehnt jedoch die Geltung des Lebensstandardprinzips als Verfassungsgebot in seiner Rechtsprechung ausdrücklich ab (BVerfGE 51, 115, 125 = SozR 4100 § 112 Nr 10; BVerfGE 72, 9, 20 f = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 90, 226, 240 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Der Gesetzgeber ist deshalb von Verfassungs wegen nicht gehindert, bei der Ausgestaltung der Alhi einfachgesetzlich von diesem Prinzip (vgl zur Geltung des Lebensstandardprinzips für die Alhi Spellbrink in Kasseler Handbuch SGB III § 13 RdNr 17) wieder abzuweichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
FA 2003, 352 |
NZS 2004, 437 |
SozR 4-4300 § 434c, Nr.3 |