Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Die Revision der Beklagten betrifft nur noch einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 13. Dezember 1995 bis 9. Januar 1996; die Beteiligten streiten darüber, ob der Leistungsanspruch während dieses Zeitraums wegen Meldeversäumnissen ruht.
Der Kläger bezieht seit 1985 mit Unterbrechungen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA). In diesem Zeitraum kam es mehrfach zu Unterbrechungen des Leistungsbezugs wegen Meldeversäumnissen des Klägers, ua vom 29. November 1995 bis 9. Januar 1996 (Bescheid vom 29. März 1996). Nachdem die BA von Meldeversäumnissen am 16. und 23. Juni 1995 ausgegangen war, erstritt der Kläger das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 2. Juli 1996 S 16 Ar 44/96 , in dem ausgeführt ist, der Kläger habe vor einem ärztlich bestätigten neurologisch-psychiatrischen Hintergrund an diesen Tagen einen wichtigen Grund gehabt, Meldeaufforderungen nicht Folge zu leisten. Dieses Urteil veranlaßte den Kläger, die Überprüfung sämtlicher Bescheide zu verlangen, mit denen die BA zuvor bindend davon ausgegangen war, ihm ständen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nicht zu, weil der Leistungsanspruch wegen Sperr bzw Säumniszeiten ruhe. Er vertrat die Ansicht, die im Urteil des SG Hildesheim vom 2. Juli 1996 festgestellten Gesundheitsstörungen bildeten auch einen wichtigen Grund für das zu den übrigen Sperr bzw Säumniszeiten führende Verhalten.
Die BA lehnte die Rücknahme der Bescheide ab, weil die Voraussetzungen für eine Zugunstenregelung nicht gegeben seien (Bescheid vom 7. November 1996; Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1996).
Mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 1997 hat das SG ua den Bescheid vom 29. März 1996 geändert und von einem Meldeversäumnis am 28. November und einer Säumniszeit vom 29. November bis 5. Dezember 1995 ausgehend die BA verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 6. Dezember 1995 bis 9. Januar 1996 Alhi einschließlich Zinsen zu zahlen. Das SG hat die Ansicht vertreten, einen wichtigen Grund für die Säumnis am 28. November habe der Kläger nicht gehabt. Eine Krankheit als Hinderungsgrund für die Säumnis lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Auch ein entschuldbarer Irrtum, er brauche nur Vorladungen zum Arbeitsamt Göttingen, nicht aber zur Nebenstelle Northeim zu folgen, könne nicht mehr angenommen werden. Säumniszeiten in voller Höhe stellten für den Kläger jedoch eine besondere Härte dar, weil er die Einladung der BA infolge "seines krankhaften Uneinsichtigkeitssyndroms, das durch das uneinsichtige Verhalten der Beklagten bestätigt worden sei", nicht beantwortet habe.
Der Kläger hat den Gerichtsbescheid nicht angefochten. Die Beklagte hat sich mit der Berufung gegen die Annahme eines entschuldbaren Irrtums des Klägers über die Meldepflicht in Northeim und gegen die Annahme einer besonderen Härte gewandt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid und den Bescheid vom 7. November 1996 idF des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 1996 geändert, soweit er den Bescheid vom 29. März 1996 betrifft. Die in diesem Bescheid festgestellte Säumniszeit ab 29. November 1995 betrage zwei Wochen (29. November bis 12. Dezember 1995). Den Entscheidungsgründen ist die Ansicht des LSG zu entnehmen, dem Kläger sei für die Zeit vom 13. Dezember 1995 bis 9. Januar 1996 "Alhi nachzuzahlen". Dazu hat das LSG ausgeführt, der Säumniszeit ab 29. November 1995 liege eine Einladung zum 28. November 1995 zur Besprechung des Ergebnisses einer psychologischen Begutachtung mit dem Arbeitsberater zugrunde. Zu diesem Termin sei der Kläger ebensowenig wie am 7. Dezember 1995 auf die Einladung vom 29. November 1995 erschienen. Er habe am 11. Dezember 1995 lediglich telefonisch mitgeteilt, wegen der Witterungsverhältnisse am 7. Dezember 1995 nicht zur Meldung erscheinen zu können. Der Kläger habe angegeben, eine telefonische Nachricht sei ihm nicht möglich gewesen, weil es an seinem Wohnort kein Kartentelefon gebe. Er habe angenommen, er müsse unter Berücksichtigung des Untersuchungsergebnisses nicht mehr persönlich im Arbeitsamt erscheinen. Das LSG ist davon ausgegangen, der Kläger habe einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen nicht gehabt. Dazu hat es auf die Begründung des Gerichtsbescheids Bezug genommen. Da der Kläger die Rechtsfolgenbelehrung in der Einladung zum 28. November 1995 nicht beachtet habe, komme nach § 120 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nur eine Säumniszeit von zwei Wochen in Betracht. Das Ruhen des Leistungsanspruchs während einer Säumniszeit trete zwar kraft Gesetzes ein, müsse jedoch konkretisierend in einem Bescheid umgesetzt werden. Dem sei das Arbeitsamt nicht nachgekommen. Es habe vielmehr die Meldeversäumnisse am 28. November und 7. Dezember 1995 gleichzeitig erfassend erst mit dem Bescheid vom 29. März 1996 reagiert. Eine Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG sei erst dann möglich, wenn der Arbeitslose einen Bescheid über die "erste Säumniszeit" nach § 120 Abs 1 AFG erhalten habe. Zwar fehle in § 120 AFG eine ausdrückliche Regelung, wie sie für die Sperrzeit § 119 Abs 3 AFG enthalte. Mit Erlaß eines Bescheides, "der dann die Säumniszeiten des § 120 Abs 1 und 2 AFG" zusammenfasse, komme es zu einem "Selbstvollzug des Gesetzes", der nicht ausreiche. Eine Warnfunktion der "ersten" Säumniszeit wäre damit ausgeschlossen. Ein Anhaltspunkt für eine Beschränkung der Säumniszeit auf eine Woche wegen besonderer Härte sei nicht ersichtlich.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 120 AFG. Das LSG verkenne, daß nach § 120 Abs 2 AFG nicht eine neue ("zweite") Säumniszeit eintrete, sondern die Säumniszeit nach § 120 Abs 1 AFG verlängert werde. Eine dem § 119 Abs 3 AFG entsprechende Regelung enthalte § 120 AFG gerade nicht. Die Ansicht des LSG hätte zur Folge, daß die BA binnen kürzester Zeit, ohne Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes, über den Eintritt einer Säumniszeit nach § 120 Abs 1 AFG zu entscheiden hätte. Die Praxis der Arbeitsverwaltung sehe vor, den Meldepflichtigen unverzüglich (innerhalb einer Woche nach der ersten Säumnis) zur zweiten Meldung aufzufordern, wenn der Meldepflichtige der ersten Aufforderung nicht nachgekommen sei. Nach der Rechtsansicht des LSG müßte diese Praxis aufgegeben werden. Dies entspreche jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Die Feststellung einer Säumniszeit von sechs Wochen ab 29. November 1995 im Bescheid vom 29. März 1996 entspreche deshalb der Rechtslage.
Die Beklagte beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. März 1998 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 30. Juli 1997 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG in dem mit der Revision angegriffenen Umfang für zutreffend und verweist auf den erheblichen Eingriff in den Leistungsanspruch des Arbeitslosen und die Regelung für Sperrzeiten. Danach sei eine besondere Rechtsfolgenbelehrung in einem Bescheid über die Säumniszeit erforderlich, um der Warnfunktion gegenüber dem Arbeitslosen zu genügen. Die von der BA geltend gemachten Gesichtspunkte der Verwaltungspraxis könnten demgegenüber nicht durchgreifen. Auch die Regelung des § 120 Abs 3 AFG zeige, daß der Gesetzgeber von einer Belehrung über die Rechtsfolge als Warnung gegenüber dem Arbeitslosen ausgehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt § 120 Abs 2 AFG. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
1. Mit der Revision der BA ist das Urteil des LSG nur insoweit angefochten, als das LSG einen Anspruch auf Alhi vom 13. Dezember 1995 bis 9. Januar 1996 zugesprochen hat. Das LSG ist dabei davon ausgegangen, die Voraussetzungen der Verlängerung einer Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG seien nicht gegeben, so daß dem Kläger für den genannten Zeitraum Alhi zustehe. Die Ansicht des LSG, eine Verlängerung der Säumniszeit trete nur ein, wenn der Arbeitslose einen Bescheid über eine "erste Säumniszeit" nach § 120 Abs 1 AFG erhalten habe, weil andernfalls ein "Selbstvollzug des Gesetzes" eintrete, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2. In § 120 Abs 2 AFG ist für den Fall wiederholten Meldeversäumnisses eine eigenständige und von der Regelung der zweiten Sperrzeit nach Entstehen des Anspruchs zu unterscheidende Regelung getroffen. Abweichend von der vom LSG herangezogenen Vorschrift des § 119 Abs 3 AFG für das Erlöschen des Anspruchs infolge einer zweiten Sperrzeit nach Entstehung des Anspruchs begründet ein wiederholtes Meldeversäumnis unter den Voraussetzungen des § 120 Abs 2 AFG nicht eine "zweite Säumniszeit", sondern eine Verlängerung der ersten Säumniszeit (vgl BSG SozR 3 4100 § 120 Nr 1). Diese Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes unter folgenden Voraussetzungen ein: Verletzung der Meldepflicht (§ 132 AFG) während einer Säumniszeit von zwei Wochen, Belehrung über die Rechtsfolgen und Fehlen eines wichtigen Grundes für die Verletzung der Meldepflicht.
2.1 Entgegen der Ansicht des LSG steht einer Verlängerung der Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG nicht entgegen, daß der Arbeitslose über den Eintritt der Säumniszeit (§ 120 Abs 1 AFG) noch keinen schriftlichen Bescheid erhalten hat. Wegen der eigenständigen Regelung der Rechtsfolgen wiederholter Verletzung der Meldepflicht in § 120 Abs 2 AFG läßt sich das Erfordernis eines schriftlichen Bescheids über die Säumniszeit nicht aus § 119 Abs 3 AFG herleiten. Der "Warnfunktion" gegenüber dem Arbeitslosen wird mit der ordnungsgemäßen Belehrung über die Rechtsfolgen einer Verletzung der Meldepflicht in der Meldeaufforderung genügt. Sie eröffnet die Möglichkeit, von der Belehrung Kenntnis zu nehmen und das Verhalten danach einzurichten (BSG SozR 3 4100 § 120 Nr 1). Insoweit besteht für den Eintritt (§ 120 Abs 1 AFG) und die Verlängerung einer Säumniszeit (§ 120 Abs 2 AFG) kein Unterschied. Wären Rechtsfolgen einer erneuten Verletzung der Meldepflicht erst möglich, nachdem der Arbeitslose einen Bescheid über die Folgen der ersten Säumnis erhalten hat, ließe sich § 120 Abs 2 AFG nicht vollziehen. Die Vorschrift macht nämlich die Verlängerung der Säumniszeit davon abhängig, daß der Arbeitslose innerhalb der Säumniszeit von zwei Wochen einen weiteren Meldetermin versäumt. Innerhalb dieser Frist ließen sich die Voraussetzungen der Säumniszeit nicht ermitteln und ihre Rechtsfolgen nicht durch Bescheid regeln.
2.2 Die Ansicht des LSG läßt sich auch nicht mit dem Hinweis begründen, andernfalls trete ein "Selbstvollzug des Gesetzes" ein. Zwar hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) ausgesprochen, einen Selbstvollzug des Gesetzes gebe es im Sozialverwaltungsrecht grundsätzlich nicht. Er hat die Auffassung vertreten, es entspreche rechts und sozialstaatlichen Grundsätzen, daß durch Verwaltungsakt umzusetzende Gesetzesänderungen Rechtswirkungen erst mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes entfalteten (BSGE 77, 86, 91 = SozR 3 5405 Art 59 Nr 1). Grundlage und Grenzen dieser Aussage im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art 20 Abs 3 Grundgesetz ≪GG≫) sind hier nicht zu verfolgen. Die gesetzlichen Regelungen der Folgen von Verletzungen der Meldepflicht durch Säumniszeiten (§ 120 AFG) wie der Verletzung von Obliegenheiten des Arbeitslosen durch Sperrzeiten (§ 119 AFG) schließen es aus, diese Vorstellung im vorliegenden Zusammenhang zu verwenden. Gegenteilige Äußerungen im Schrifttum sind widersprüchlich und unzutreffend (vgl Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 119 RdNr 85; ders, SGB III, 1998, § 144 RdNr 100; Vogel NZS 1997, 249, 252).
Der Regelung des § 120 AFG ist zu entnehmen, daß beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rechtsfolge des Ruhens kraft Gesetzes eintritt, ohne daß es einer Umsetzung durch Verwaltungsakt bedarf. Der Wortlaut bringt dies mit aller Klarheit zum Ausdruck, indem er die Säumniszeit "mit dem Tage nach dem Meldeversäumnis" beginnen läßt (§ 120 Abs 1 Satz 1 AFG). Im Falle erneuter Säumnis während der Säumniszeit verlängert sich diese (§ 120 Abs 2 AFG). Insoweit besteht eine Parallele zur Regelung über die Sperrzeit. Sie tritt ein, wenn ein Sperrzeittatbestand erfüllt ist (§ 119 Abs 1 Satz 1 AFG) und beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG). Anschließend läuft die Sperrzeit ihrer gesetzlichen Dauer entsprechend ab, unabhängig davon, ob ein Leistungsanspruch besteht oder geltend gemacht wird (vgl BSGE 54, 41, 44 = SozR 4100 § 119 Nr 20). Die Sperrzeit und bei Bestehen eines Anspruchs die Ruhensfolge bedarf daher keiner besonderen Feststellung durch die Beklagte (BSGE 49, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr 11). Das unterscheidet die Sperrzeit von der Sperrfrist nach den §§ 78 ff Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), die gesondert festzustellen war, zumal die Dauer vom Ermessen abhängen konnte (§ 81 AVAVG). Auch wenn die Rechtsfolge des Ruhens im allgemeinen bei der Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen oder die Aufhebung von Leistungen zu beachten sein wird, kann sich diese Rechtsfolge auch unabhängig von einer Feststellung in einem entsprechenden Verwaltungsakt auswirken (vgl Gagel/Winkler, AFG, § 119 RdNr 71 Stand: Januar 1998). Wird etwa der Eintritt einer Sperr oder Säumniszeit bei der Leistungsfeststellung übersehen, so ist eine Klage des Arbeitslosen auf höhere Leistung jedenfalls für die Dauer einer eingetretenen Sperr oder Säumniszeit unbegründet. Die gleiche Lage ergibt sich, wenn der Leistungsantrag aus anderen Gründen abgelehnt worden ist (vgl BSG SozR 4100 § 118 Nr 13).
2.3 Allerdings tritt ein "Selbstvollzug des Gesetzes" nicht ausnahmslos ein. Rechtsänderungen zum Beispiel bedürfen einer Umsetzung durch Verwaltungsakt, wenn Rechte mit bindendem Verwaltungsakt der bisherigen Rechtslage entsprechend konkretisiert sind (vgl § 48 SGB X und dazu: BSGE 47, 241, 246 = SozR 4100 § 134 Nr 11; BSGE 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31; BSGE 72, 111, 117 = SozR 3 4100 § 117 Nr 9; BSG SozR 3 1300 § 104 Nr 9). Die Bindungswirkung von Bewilligungsbescheiden (§ 77 SGG) ist indes auf den Inhalt des Verfügungssatzes (in der Regel Art, Beginn, Dauer und Höhe der Leistung) beschränkt (vgl ausdrücklich für die Arbeitslosenversicherung: BSGE 66, 168, 175 = SozR 3 2400 § 7 Nr 1 mwN). Außerhalb der Bindungswirkung von Verwaltungsakten kann sich die Gesetzesbindung nach Art 20 Abs 3 GG (vgl dazu Sachs, Grundgesetz Kommentar, 1996, Art 20 RdNr 68) zB bei Rechtsänderungen, Nachschieben von Gründen oder der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsakten unmittelbar auswirken. Die erwähnte Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig, weil Aussagen über den Eintritt einer Säumniszeit in der Regel wie auch hier nicht Gegenstand des Verfügungssatzes, sondern nur (negatives) Begründungselement der Entscheidung über den Leistungsanspruch sind (vgl BSGE 66, 94, 95 = SozR 4100 § 119 Nr 36). Die Sozialgerichte sind nicht gehindert, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSGE 66, 168, 173 ff = SozR 3 2400 § 7 Nr 1 mwN).
Die Ansicht des LSG, eine Verlängerung der Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG setze voraus, daß das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen einer vorausgegangenen Verletzung der Meldepflicht "in einem Bescheid umgesetzt" worden sei, ist danach mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.
3. Für eine abschließende Entscheidung des Senats nach § 120 Abs 2 AFG reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus. Diesen ist zwar zu entnehmen, daß der Kläger der Einladung zum 28. November 1995 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen einer Säumnis nicht gefolgt ist, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Auch für die Annahme einer besonderen Härte iS des § 120 Abs 3 AFG hat das LSG aufgrund der Vielzahl von Kontakten zwischen dem Kläger und dem Arbeitsamt keinen Anhaltspunkt gesehen. Diese Würdigung läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, sind die Feststellungen des LSG nicht angegriffen und damit für den Senat verbindlich (§ 163 SGG). Wegen seiner abweichenden Rechtsansicht hat das LSG folgerichtig keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen einer Verlängerung der Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG getroffen. Diese tritt nur ein, wenn der Kläger den Meldetermin während der Säumniszeit am 7. Dezember 1995 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne wichtigen Grund versäumt hat. Der Inhalt der Meldeaufforderung ist weder den Feststellungen des LSG noch den in Bezug genommenen Akten zu entnehmen. Wegen der erörterten Rechtsansicht des LSG ist auch nicht sicher, ob sich die Aussage in den Entscheidungsgründen, der Kläger habe für sein Verhalten keinen wichtigen Grund gehabt, auch auf den Meldetermin am 7. Dezember 1995 bezieht. Zu prüfen ist auch, ob eine Verlängerung der Säumniszeit bis zum 9. Januar 1996 für den Kläger eine besondere Härte bedeutet.
Da die Entscheidung des LSG auf einer Verletzung des § 120 Abs 2 AFG beruht und die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung nicht ausreichen, ist das Urteil aufzuheben und zur weiteren Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das LSG zurückzuverweisen.B 11 AL 29/98 R
BSG
Fundstellen
BSGE, 95 |
NZS 1999, 356 |
SGb 1999, 298 |
SGb 1999, 704 |