Entscheidungsstichwort (Thema)
Ende des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. Vorfrist. Arbeitslosigkeit. Arbeitslosmeldung. Rückdatierung. Herstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Zum öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als einer der beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellte, den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründende Zeit nach § 134 Abs. 2 AFG.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 105
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 30.04.1992; Aktenzeichen V ARBf 24/91) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 10.12.1990; Aktenzeichen 32 Ar 1571/89) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. April 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Beklagten, ihr ab 30. Dezember 1988 Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu zahlen.
Die Klägerin war vom 1. April 1970 bis 30. Juni 1975 als Angestellte und ab 1. Juli 1975 als Beamtin auf Widerruf (Wissenschaftliche Assistentin) an der Universität H. tätig. Das Beamtenverhältnis war zunächst bis 31. März 1978 befristet, wurde jedoch anschließend mehrfach verlängert. Nachdem ihre Übernahme als Hochschulassistentin abgelehnt worden war, wurde die Klägerin durch Verfügung vom 17. Februar 1988 zum 31. März 1988 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen; hiergegen hat sie Widerspruch eingelegt, über den bei Abschluß des Berufungsverfahrens noch nicht entschieden war. Am 28. März 1988 wurde die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung angeordnet; durch Beschluß vom 31. März 1988 stellte das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg auf Antrag der Klägerin zunächst die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vorläufig wieder her, bevor es durch Beschluß vom 26. April 1988 einstweiligen Rechtsschutz endgültig ablehnte. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.
Die Klägerin nahm ihre Lehrveranstaltung für das Sommersemester 1988 (vorgesehener Beginn: 27. April) nicht mehr auf. Laufende Dienstbezüge erhielt sie bis 26. April 1988; vom 27. April 1988 (Mittwoch) bis 26. Oktober 1988 (Mittwoch) wurde ihr Übergangsgeld (Übg) gemäß § 47 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) entsprechend den letzten (Brutto-)Dienstbezügen in Höhe von monatlich 5.122,87 DM (steuerfrei) gezahlt, und zwar Ende August 1988 rückwirkend für vier Monate und für September 1988 sowie Ende September für den Monat Oktober. Vom 28. Oktober bis 27. Dezember 1988 war die Klägerin nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) wegen eines physischen und psychischen Zusammenbruchs bei seit längerem bestehenden Bluthochdruck nicht in der Lage, das Arbeitsamt (ArbA) aufzusuchen oder Vermittlungsangebote der Beklagten wahrzunehmen.
Am 30. Dezember 1988 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alhi. Die Beklagte lehnte die Gewährung ab, weil die Klägerin innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden bzw gleichgestellte Zeiten zurückgelegt habe (Bescheid vom 23. Februar 1989; Widerspruchsbescheid vom 27. September 1989).
Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪ SG ≫ vom 10. Dezember 1990; Urteil des LSG vom 30. April 1992). Die Entscheidung des LSG ist darauf gestützt, daß die Klägerin innerhalb der Jahresfrist vor dem 30. Dezember 1988, dem Tag der Arbeitslosmeidung, keine 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt habe, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten. Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis als eine der beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellte Zeit (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫) habe innerhalb der Vorfrist (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG) keine 150 Kalendertage angedauert, und die Zeit des Bezugs von Übg nach dem BeamtVG sei keine gleichgestellte Zeit. Abgesehen von der fehlenden Arbeitslosmeldung sei die Klägerin im übrigen während der Zeit des Bezugs von Übg nach dem BeamtVG nicht bedürftig gewesen, so daß der Alhi-Anspruch frühestens nach Beendigung der Zahlung von Übg habe entstehen können. Vom 28. Oktober bis 27. Dezember 1988 habe die Klägerin zusätzlich wegen ihres Gesundheitszustandes der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung gestanden, weil sie eine zumutbare, die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht hätte aufnehmen können (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG). Alhi könne unter diesen Umständen auch nicht mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gewährt werden, selbst wenn man annähme, daß der Klägerin, wie sie vorgetragen habe, bei einem Telefongespräch mit einer Bediensteten des ArbA die Auskunft erteilt worden sei, sie brauche sich erst nach Beendigung des Bezugs von Übg arbeitslos zu melden.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst b AFG, einen Verstoß gegen die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Sie sei vom LSG in der mündlichen Verhandlung damit überrascht worden, daß die Akten des VG Hamburg bereits beigezogen waren; mit einer Verwertung der Akten sei sie, ohne daß dies ins Protokoll aufgenommen worden sei, nicht einverstanden gewesen, weil sie sich nicht auf diese Situation habe einstellen können. § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst b AFG müsse so ausgelegt werden, daß die Zeit des Übg-Bezugs ihr nicht zum Nachteil gereiche. Für die seltenen Ausnahmefälle der sogenannten „Altassistenten” der Universitäten könne sonst das Übg, das in seiner Funktion dem Arbeitslosengeld (Alg) entspreche, eine Absicherung durch Alhi verhindern. Das LSG habe als richtig unterstellt, daß sie am 29. April 1988 (Freitag) auf den Hinweis hin, sie erhalte für sechs Monate Übg, das frühestens im Juni ausgezahlt werde, die telefonische Auskunft erhalten habe, sie solle das Ende des Übg-Bezugs abwarten und sich dann erst arbeitslos melden. Diese Auskunft sei falsch gewesen. Hätte sie sich nämlich montags beim ArbA gemeldet, hätte ihr Alhi-Anspruch lediglich bis zum 26. Oktober 1988, dem Ende des Übg-Bezugs, „geruht”. Am 27. Oktober 1988 wären dann ohne weitere Arbeitslosmeldung alle Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi erfüllt gewesen. Wegen der falschen Beratung durch die Beklagte sei sie nach § 105 Satz 2 AFG oder aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie die richtige Auskunft erhalten hätte, sich bereits während des Bezugs von Übg arbeitslos melden zu können.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheides vom 23. Februar 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1989 zu verurteilen, ab 30. Dezember 1988 Alhi zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Alhi, da sie die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG, wie das LSG richtig entschieden habe, nicht erfülle. Mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne eine persönliche Arbeitslosmeldung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht ersetzt werden. Zudem liege ein Beratungsfehler nicht vor. Die Klägerin habe sich nicht nach Ende des Bezugs von Übg, wie ihr nach ihrem eigenen bisherigen Vortrag geraten worden sei, also am 27. Oktober 1988, arbeitslos gemeldet. Hätte sie dies getan, hätte ihr Alhi-Anspruch geprüft und jedenfalls nicht wegen fehlender 150 Kalendertage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis innerhalb der Vorfrist abgelehnt werden können.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) genügt nicht den formalen Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG und ist deshalb sachlich nicht zu prüfen (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 3; BVerwGE 16, 150, 153). Zwar kann die Verwertung von Beiakten das rechtliche Gehör eines Beteiligten verletzen, wenn ihm nicht zuvor Gelegenheit gegeben wurde, von deren Inhalt Kenntnis und zu deren Inhalt Stellung zu nehmen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1984 – 7 RAr 88/83 – ≪ unveröffentlicht≫); die Klägerin hat die den vermeintlichen Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen indes nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet. Es hätte dargelegt werden müssen, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 36; SozR 1500 § 164 Nr. 3), da es sich bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht um einen absoluten Revisionsgrund (§ 202 SGG iVm § 551 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) handelt (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 31).
Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Alhi abgelehnt. Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AFG idF des am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat (Nr. 1), keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104) nicht erfüllt hat (Nr. 2), bedürftig ist (Nr. 3) und innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist),
- Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 erloschen ist (Nr. 4 Buchst a),
- oder mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) dienen können (Nr. 4 Buchst b).
Die Klägerin erfüllt keine der Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG. Sie hat weder in der Vorfrist Alg bezogen noch 150 Kalendertage an Beschäftigungs- bzw gleichgestellten Zeiten aufzuweisen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung über die Voraussetzungen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG.
Frühestmöglicher Zeitpunkt für die Bestimmung und Berechnung der Vorfrist ist vorliegend der Tag der tatsächlichen Arbeitslosmeldung, weil erst zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG erfüllt sein konnten. Die Klägerin hat am 30. Dezember 1988 beim ArbA persönlich vorgesprochen (§ 105 AFG), so daß die Vorfrist im für sie günstigsten Falle den Zeitraum vom 30. Dezember 1987 bis 29. Dezember 1988 umfaßt. In dieser Zeit hat sie kein Alg bezogen (Nr. 4 Buchst a); das Übg nach § 47 BeamtVG kann dem Alg nicht gleichgestellt werden (aA Bleckmann, NVwZ 1992, 954, 955), weil dies dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG widerspräche.
Innerhalb der Vorfrist hat die Klägerin keine beitragspflichtige Beschäftigung (§ 168 AFG) ausgeübt, deren Zeit nach § 104 Abs. 1 idF des am 1. Oktober 1984 in Kraft getretenen Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. Oktober 1984 (BGBl I 1277) zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnte. Die Klägerin war im Rahmen ihrer Tätigkeit als Wissenschaftliche Assistentin gemäß § 169 Nr. 1 AFG idF des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) iVm § 169 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung beitragsfrei. Ihr war aufgrund allgemeiner Entscheidungen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 3. Juni 1971 (BKK 1971, 277) und 30. September 1975 (Mitteilungen für die Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg ≪MittVw≫ 1975, 305) in ihrer Eigenschaft als Beamtin auf Widerruf und Wissenschaftliche Assistentin eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet, ohne daß diese Gewährleistungsentscheidung bis Ende 1988 aufgehoben worden wäre (MittVw 1989, 20; vgl. zur früheren Rechtssituation der Versicherungs- und Beitragsfreiheit bei Gewährleistung der Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung: Brackmann. Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1988, S 319 ff mwN; Kasseler Komm, Stand 1. März 1993, § 6 SGB V RdNrn 15 f und § 1229 RVO RdNrn 24 ff).
Die Klägerin hat innerhalb der Vorfrist auch keine sonstigen Zeiten zurückgelegt, die der Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten; gleichgestellte Zeiten nach § 107 AFG idF des 7. AFG-ÄndG liegen nicht vor. Insbesondere genügt der Bezug des Übg nach § 47 BeamtVG nicht den Voraussetzungen des § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst d oder a AFG; die Vorschrift erfaßt nur das Übg nach dem AFG selbst bzw das Übg, für das nach § 186 AFG – hier idF des 7. AFG-ÄndG – eine Beitragspflicht zur Beklagten bestand, was für das Übg nach dem BeamtVG nicht zutrifft. Sonstige Leistungen iS des § 107 Abs. 1 Nr. 5 AFG, insbesondere Krankengeld (Krg) eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung, hat die Klägerin nicht erhalten. Zudem wäre dieses Krg nicht, wie von § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst a AFG verlangt, nach § 186 AFG beitragspflichtig gewesen, weil keine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen worden ist (§ 186 Abs. 3 Satz 1 AFG). Zur vergleichbaren Situation der Übergangsgebührnisse nach § 11 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) hat der Senat schon früher die Anwendbarkeit des § 107 AFG verneint (Urteil vom 26. November 1986 – 7 RAr 97/85 – ≪ unveröffentlicht≫).
Schließlich ist der Tatbestand des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst b AFG nicht über § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG verwirklicht. Danach stehen Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, ua als Beamter, Zeiten einer beitragspflichtigen Vorbeschäftigung anspruchsbegründend für die Alhi gleich, ohne daß sie anwartschaftsbegründend für einen Anspruch auf Alg sind. Dies können indes ausschließlich Zeiten sein, in denen die Klägerin noch Beamtin auf Widerruf war; der Bezug von Übg nach § 47 BeamtVG vermittelt diesen Status nicht. Denn § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG setzt ein aktives (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr. 6), seiner Art nach auf die Leistung von Diensten ausgerichtetes Verhältnis voraus, das wegen seiner besonderen Ausgestaltung trotz der Leistung abhängiger Dienste Versicherungsfreiheit zur Folge hat (vgl. zu den Übergangsgebührnissen nach § 11 SVG das schon erwähnte Urteil vom 26. November 1986 – 7 RAr 97/85). § 47 BeamtVG greift demgegenüber die Bedarfslage nach einer Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses auf, um dem Beamten den Übergang in einen anderen Beruf zu erleichtern und ihn während der Suche nach einer neuen Erwerbsgrundlage und während deren Aufbaus wirtschaftlich zu sichern (BVerwGE 64, 209, 212 f mwN).
Innerhalb der Vorfrist (30. Dezember 1987 bis 29. Dezember 1988) hat die Klägerin keine 150 Kalendertage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden. Insoweit ist von dem durch das LSG zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung festgestellten Sachverhalt auszugehen. Die Klägerin war bereits zum 31. März 1988 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden, wenngleich ihr bis 26. April 1988 – wohl im Hinblick auf die erst an diesem Tag ergangene endgültige ablehnende Entscheidung des VG Hamburg über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs – Dienstbezüge gewährt wurden. Zwar war über den Widerspruch der Klägerin selbst bis zur Entscheidung des LSG noch nicht befunden; ob dieser Widerspruch mittlerweile Erfolg hatte oder noch Erfolg haben wird, ist indes für die Beurteilung durch den Senat ohne Bedeutung.
Spätestens am 27. April 1988, als die Klägerin ihre Tätigkeit an der Universität nicht mehr aufgenommen hat war das Dienstverhältnis iS des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG beendet. Maßgeblich ist nämlich nicht allein sein Bestand im Rechtssinne (so aber Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand Juli 1993, § 134 RdNr. 30), sondern bei ungeklärter Rechtslage betreffend den Fortbestand des Dienstverhältnisses wie bei einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, ob der Dienst im Rahmen der Verfügungsgewalt des Dienstherrn durch den Dienstverpflichteten faktisch noch versehen wird. Beansprucht der Dienstherr also seine Dienstgewalt nicht mehr, und übt der Beamte seine Tätigkeit nicht mehr aus, besteht auch kein Dienstverhältnis mehr iS von § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG (vgl. Gagel, AFG, Stand August 1992, § 134 RdNrn 138 ff). Diese Voraussetzungen lagen am 27. April 1988 vor, da die Klägerin ihre Lehrveranstaltung nicht aufnahm und der Dienstherr nach bereits erfolgter Entlassung aus dem Beamtenverhältnis die Zahlung von Dienstbezügen einstellte. Anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 18. April 1991 (BSGE 68, 236 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr. 6) zugrundeliegenden Sachverhalt (Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses trotz Untersuchungshaft des Arbeitnehmers bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts) hat der Dienstherr der Klägerin sein Nichtfesthalten am Dienstverhältnis dokumentiert.
Diese Beurteilung folgt der Rechtsprechung des BSG zur Rechtslage bei gekündigtem Arbeitsverhältnis als einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis durch § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG diesem normativ gleichgestellt ist, dann läßt sich eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen. Wollte man allein auf den rechtlichen Fortbestand des Dienstverhältnisses abstellen, hieße das, die Tätigkeit in einem Dienstverhältnis gegenüber der in einem Arbeitsverhältnis ohne rechtfertigenden Grund zu privilegieren. Dazu besteht um so weniger Grund, als aus den Dienstbezügen keine Beiträge an die Beklagte zu entrichten sind, so daß nicht einmal die für das Arbeitsverhältnis typischen beitragsrechtlichen Probleme (vgl. BSGE 59, 183 ff = SozR 4100 § 168 Nr. 19) bei rechtlichem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und faktischer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auftreten. Desgleichen können sich für die Alhi nicht die bei einer „Gleichwohlgewährung” von Alg (§ 117 Abs. 4 AFG) nach einem gekündigten, aber rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis möglichen Nachteile durch den Verlust des Anspruchs auf Arbeitsentgelt in Höhe des Alg bei gleichzeitiger Minderung der Anspruchsdauer des Alg – allerdings mit der Möglichkeit des Erwerbs einer neuen Anwartschaft – ergeben (vgl. hierzu: BSGE 60, 168 ff = SozR 4100 § 117 Nr. 16; BSGE 64, 199 ff = SozR 4100 § 117 Nr. 23; BSG SozR 4100 § 117 Nrn 18, 19, 20 und 22); denn anders als das Alg unterliegt die Alhi hinsichtlich ihrer Dauer nicht bestimmten, von der Anwartschaft abhängigen zeitlichen Grenzen, Sie ist nach der gegenwärtigen Rechtslage im konkreten Leistungsfall bei Vorliegen der Voraussetzungen bis zum 65. Lebensjahr eingeräumt (§§ 100 Abs. 2, 134 Abs. 4 AFG).
Der Senat hat zur Situation des Arbeitsverhältnisses, dessen rechtlicher Fortbestand streitig ist, bereits entschieden, daß bei Arbeitslosmeldung und Antragstellung das Beschäftigungsverhältnis für diesen Leistungsfall sein Ende findet, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat und weitere Dienste nicht annimmt. Arbeitslosigkeit iS von § 101 AFG ist dann wegen der faktischen Beschäftigungslosigkeit auch anzunehmen, wenn später festgestellt wird, daß das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat (BSGE 60, 168, 170 = SozR 4100 § 117 Nr. 16; BSG SozR 4100 § 117 Nrn 18, 19 und 20; BSG, Urteil vom 9. August 1990 – 7 RAr 104/88 – mwN ≪ unveröffentlicht≫). Davon geht das Gesetz in § 117 AFG selbst aus, wenn ein Anspruch auf Alg oder Alhi für eine Zeit bestehen kann, für die der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt hat (sog „Gleichwohlgewährung” nach § 117 Abs. 4 AFG). Das Anliegen des Gesetzes, dem Arbeitnehmer bei Nichtzahlung des ihm zustehenden Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, schon für Zeiten vor Ende des Arbeitsverhältnisses Leistungen von der Beklagten zu erhalten, verbietet es, den Arbeitnehmer für diesen Fall als nicht arbeitslos anzusehen. Nichts anderes kann für die Gewährung von Alhi bei Entlassung aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gelten. Wenn also einerseits Arbeitslosigkeit für die Gewährung von Alhi an die Klägerin wegen der faktischen Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses anzunehmen ist, so muß andererseits der Beginn der Arbeitslosigkeit bei Arbeitslosmeldung und Antragstellung denknotwendig das Ende des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses iS des § 134 Abs. 2 Satz 1 AFG markieren. Welche Rechtsfolgen sich aus einem anderen Verhalten der Beteiligten ergeben, zB wenn ein Antrag auf Alhi erst nach endgültiger Klärung des rechtlichen Fortbestands des Dienstverhältnisses erfolgt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Der Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung ist nicht gemäß § 105 Satz 2 AFG idF des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil (SGB I) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015) mit der möglichen Folge einer dann erfüllten Anwartschaft in einer veränderten Vorfrist rückdatierbar. Der Schriftsatz der Klägerin vom 28. Juni 1993 ist hierbei, soweit er neues Vorbringen enthält, gemäß § 202 SGG iVm § 561 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Auszugehen ist vielmehr alleine von dem vom LSG festgestellten Sachvortrag der Klägerin, eine Bedienstete des ArbA habe ihr am 29. April 1988 telefonisch die Auskunft gegeben, sie solle den Bezug des Übg abwarten und sich erst nach dessen Ende arbeitslos melden; Nachteile entstünden ihr hieraus nicht. Unberücksichtigt muß folglich der für das Revisionsverfahren neue Vortrag der Klägerin bleiben, sie habe vom ArbA die Auskunft erhalten, sie brauche sich erst am 1. November 1988 arbeitslos zu melden.
§ 105 Satz 1 AFG schreibt eine persönliche Meldung des Arbeitslosen beim zuständigen ArbA vor; nach Satz 2 gilt diese Voraussetzung als am ersten Tag der Arbeitslosigkeit erfüllt, wenn der Arbeitslose (zum einen) sich mangels Dienstbereitschaft des ArbA nicht am ersten Tag der Arbeitslosigkeit arbeitslos melden und Alg bzw Alhi beantragen konnte und (zum anderen) diese Arbeitslosmeldung und Alg- bzw Alhi-Beantragung am nächsten Tag der Dienstbereitschaft des ArbA nachholt. Mangelnde Dienstbereitschaft im engen Sinne (Schließung wegen üblicher Öffnungs- und Arbeitszeiten) lag nicht vor; ob der Begriff der fehlenden Dienstbereitschaft des ArbA einer erweiternden Auslegung für den Fall fehlerhafter Auskunft (jeglicher Art), wie von der Klägerin gerügt, zugänglich ist (offengelassen in: BSGE 60, 43, 46 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 – 7 RAr 14/88 – ≪unveröffentlicht≫), ist zweifelhaft (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 1993 – 11 RAr 101/91 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen ≫), bedarf indes keiner Entscheidung. Selbst in einem derart übertragenen Sinne lag nämlich nach dem vom LSG festgestellten erst- und zweitinstanzlichen Vortrag der Klägerin spätestens am 27. Oktober 1988 Dienstbereitschaft des ArbA vor. Hatte man ihr die Auskunft erteilt, sie solle sich nach Beendigung des Bezugs von Übg arbeitslos melden, so entsprach dieser Zeitpunkt dem ersten Tag der Dienstbereitschaft im übertragenen Sinne. Da die Klägerin diesen Tag (27. Oktober 1988) jedoch nicht zu der ihr möglichen persönlichen Vorsprache beim ArbA genutzt hat, scheidet eine Rückdatierung der tatsächlichen Arbeitslosmeldung vom 30. Dezember 1988 damit schon aus. Hinzu kommt, daß die Klägerin – wie ausgeführt – spätestens am 27. April 1988 arbeitslos wurde, also an einem Tag, als das ArbA dienstbereit im engen wie im übertragenen Sinn war. Da § 105 Satz 2 AFG aber für eine Rückdatierung der Arbeitslosmeldung mangelnde Dienstbereitschaft des ArbA am ersten Tag der Arbeitslosigkeit vorschreibt, findet diese Vorschrift keine Anwendung, wenn mangelnde Dienstbereitschaft nicht für diesen, sondern nur für einen späteren Tag reklamiert werden kann. Selbst unter Zugrundelegung des für das Revisionsverfahren unbeachtlichen neuen Vertrags aus dem Schriftsatz vom 28. Juni 1993 ließe sich somit nach § 105 Satz 2 AFG keine für die Klägerin günstigere Rechtsfolge herleiten.
Über die fehlende Arbeitslosmeldung zu einem früheren Zeitpunkt hilft der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nach der Rechtsprechung des Senats nicht hinweg. Voraussetzung wäre, abgesehen vom Erfordernis einer fehlerhaften oder unvollständigen Beratung durch das ArbA, daß der erlittene Nachteil (verspätete Arbeitslosmeldung) mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36). Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß dies für die fehlende Arbeitslosmeldung wegen deren spezifischen Funktion nicht möglich ist (BSGE 60, 43 ff = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr. 1; BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 – 7 RAr 14/88 – ≪ unveröffentlicht≫). Aufgabe der Arbeitslosmeldung ist es nämlich, das ArbA tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit seinen Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die eingetretene Arbeitslosigkeit und damit auch die Leistungsverpflichtung möglichst rasch zu beenden (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr. 2). Aus dem Umstand, daß das ArbA vor Kenntnis vom Eintritt der Arbeitslosigkeit seiner Pflicht zur Arbeitsvermittlung tatsächlich nicht nachkommen kann, folgt zugleich die Bedeutung der Arbeitslosmeldung für den Leistungsanspruch, der wegen dieses inneren Zusammenhangs erst mit ihrem Vorliegen zur Entstehung gelangen kann (BSG aaO). Dies ist erforderlich, weil im Recht der Arbeitslosenversicherung der Grundsatz gilt (§ 5 AFG), daß die sachgerechte Vermittlung in Arbeit den Vorrang vor der Gewährung von Leistungen besitzt (BSG aaO).
Unter Berücksichtigung des im Revisionsverfahren zu beachtenden Vertrags der Klägerin ist von einer fehlerhaften oder unvollständigen Beratung iS des § 14 SGB I ohnedies nicht auszugehen. Der ihr angeblich am 29. April 1988 telefonisch erteilte Hinweis, sie brauche sich erst nach Beendigung des Bezugs von Übg arbeitslos zu melden, ohne daß ihr hierdurch Rechtsnachteile entstünden, war nicht fehlerhaft. Mangels Bedürftigkeit (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm §§ 137, 138 AFG) wegen des Bezugs von Übg in Höhe der letzten (Brutto-)Dienstbezüge – allerdings ohne steuerliche Abzüge – konnten die Voraussetzungen für die Entstehung des niedrigeren Alhi-Anspruchs, berechnet nach dem Entgelt der Beamtentätigkeit (vgl. Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 136 RdNr. 6), frühestens am 27. Oktober 1988 erfüllt sein.
Die der Klägerin angeblich erteilte Auskunft war auch nicht unvollständig in dem Sinne, daß man die Klägerin hätte darauf hinweisen müssen, sich bereits vor dem 27. Oktober 1988 arbeitslos melden zu können. Für einen entsprechenden Hinweis der Beklagten gab es keinerlei Anlaß. Selbst bei vorzeitiger Arbeitslosmeldung (vor dem 27. Oktober 1988) hätte sich die Rechtsposition gegenüber einer möglichen Arbeitslosmeldung am 27. Oktober 1988 nicht verbessert. Die Entstehung des Anspruchs auf Alhi als Stammrecht setzt nämlich ua Bedürftigkeit voraus (vgl. Gagel, aaO, § 134 RdNrn 140 und 71). Die Rechtsprechung des 11. Senats zu den Rechtsfolgen einer Arbeitslosmeldung und Antragstellung während des Bezugs von Leistungen, die zum Ruhen des Alg-Anspruchs führen (BSG SozR 3-4100 § 105 a Nr. 2), ist somit nicht einschlägig. Sie kann erst dann Bedeutung erlangen, wenn alle Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs erfüllt sind.
Anlaß, auf die Möglichkeit der sogenannten Gleichwohlgewährung nach § 140 Abs. 1 idF des Sozialgesetzbuchs – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) hinzuweisen, bestand für das ArbA nicht, da die Klägerin bis 26. April 1988 Dienstbezüge erhielt und nach ihren telefonischen Bekundungen einen unstreitigen Anspruch auf Übg hatte, mit dessen Auszahlung – ungeachtet der Möglichkeit einer Vorschußzahlung durch den Dienstherrn im Rahmen der diesem obliegenden Fürsorgepflicht – in etwa einem Monat zu rechnen war. Von einer tatsächlichen Bedürftigkeit trotz eines bestehenden Anspruchs (vgl. hierzu BSGE 26, 293, 295 = SozR Nr. 39 zu § 1265 RVO) auf Übg mußte das ArbA somit nicht ausgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen