Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Vorliegen einer Laborgemeinschaft. Direktabrechnung der Analysekosten für allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen gegenüber Kassenärztlicher Vereinigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Laborgemeinschaft, die zur Direktabrechnung der Analysekosten für allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung verpflichtet ist, liegt auch vor, wenn mehrere Vertragsärzte dasselbe Labor jeweils für einen gewissen Zeitraum zur Erbringung solcher Leistungen nutzen.
Normenkette
SGB V § 82 Abs. 1, § 87 Abs. 1 S. 2, § 98 Abs. 2 Nr. 13, § 106a Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Fassung: 2003-11-14; Ärzte-ZV § 24 Abs. 5, § 32 Abs. 1 S. 1; BMV-Ä § 1a Nr. 14a, § 15 Abs. 4, § 25 Abs. 3; EBM-Ä Präambel 32.2 Nr 1; EBM-Ä 2008 Präambel 32.2 Nr 1; EBM-Ä Abschn 32.2; EBM-Ä 2008 Abschn 32.2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. September 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Im Streit steht, ob der Kläger berechtigt ist, allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen, die in einem ihm und anderen Ärzten gegen Entgelt zur Nutzung überlassenen Labor außerhalb seines Vertragsarztsitzes durchgeführt werden, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als eigene Leistungen abzurechnen.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Vertragsarztsitz in K. (im Folgenden: N.) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im November 2013 informierte er die beklagte KÄV darüber, dass er ab 1.1.2014 die Leistungen nach Abschnitt 32.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) in ausgelagerten, nach eigenen Angaben ca 9 km entfernten Praxisräumen in K. (R.) erbringen werde, da ihm dies am Vertragsarztsitz nicht möglich sei. Dabei handele es sich um eine von mehreren Ärzten genutzte Laboreinrichtung. Ein mit der Betreibergesellschaft, der S. GmbH, abgeschlossener Nutzungsvertrag ermögliche es ihm, die dort vorgehaltenen Laborgeräte gegen Entgelt montags bis freitags zwischen 9 Uhr und 19 Uhr selbst oder durch eigenes Personal zu nutzen. Da er die Laboratoriumsuntersuchungen persönlich durchführen werde, liege weder eine Apparategemeinschaft noch eine Laborgemeinschaft vor. Die Beklagte teilte dem Kläger jedoch mit, dass er die von ihm in dem Labor in R. erbrachten Untersuchungen nicht als eigene Leistungen abrechnen dürfe. Eine gemeinschaftlich genutzte Betriebsstätte (Laborgemeinschaft), für die eine Direktabrechnung der dort erbrachten Leistungen gegenüber der KÄV vorgeschrieben sei, bestehe auch, wenn eine Einrichtung aufgrund paralleler Nutzungsverträge mehreren Ärzten zur regelmäßigen Erbringung allgemeiner Laboratoriumsuntersuchungen überlassen werde (Schreiben vom 10.1./4.2.2014). Der Kläger erhob Widerspruch und beantragte ua die Feststellung, dass er berechtigt sei, Laborleistungen nach Abschnitt 32.2 EBM-Ä in den ausgelagerten Praxisräumen in R. zu erbringen und als eigene Leistungen abzurechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück, weil die Mitteilung eines Prüfergebnisses kein Verwaltungsakt sei, und nahm im Übrigen auf die Regelung in § 15 des Bundesmantelvertrags Ärzte (BMV-Ä) Bezug (Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014).
Das SG hat den Bescheid vom 10.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2014 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, die in den Laborräumen in R. erbrachten Leistungen nach den Abschnitten 32.2.1 bis 32.2.7 EBM-Ä als eigene Leistungen in ausgelagerten Praxisräumen gegenüber der Beklagten abzurechnen (Urteil vom 25.3.2015). Von einer Laborgemeinschaft iS der § 1a Nr 14a bzw § 25 Abs 3 S 7 BMV-Ä könne hier keine Rede sein; vielmehr werde lediglich dieselbe Betriebsstätte durch mehrere Ärzte zufällig gleichzeitig zur Erbringung von Laboratoriumsuntersuchungen genutzt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Frage, ob er sich bei seiner laufenden Praxisführung hinsichtlich der streitbefangenen Laboruntersuchungen beschränken müsse; auf andere zumutbare Weise könne er wirksamen Rechtsschutz nicht erlangen. In der Sache sei die Klage aber nicht begründet. Der Kläger dürfe die in den Laborräumen in R. erbrachten Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä gegenüber der Beklagten nicht als eigene Leistungen abrechnen. Das ergebe sich bereits daraus, dass diese Räume keine ausgelagerten Praxisräume iS des § 24 Abs 5 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) seien. Das Vorhaben des Klägers widerspreche der Vorgabe in dieser Vorschrift, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nicht an beliebigen Orten ausgeübt werden dürfe. Das sei aber der Fall, wenn Ärzte parallel nebeneinander an einem Ort tätig würden und die einzige Beschränkung darin liege, dass sie für die Nutzungsmöglichkeit ein Entgelt zahlten. Ein derartiger Ort sei weder eine Praxis noch ein ausgelagerter Teil einer Praxis. Beide Praxisformen erforderten das alleinige und uneingeschränkte Bestimmungsrecht des Vertragsarztes; das sei beim Kläger hinsichtlich der Laborräume in R. nicht der Fall. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob der Kläger die Laborleistungen im Rahmen einer Laborgemeinschaft erbringe, komme es im Hinblick darauf nicht mehr an. Diese Rechtslage lasse keine Beeinträchtigung des Klägers in seiner Berufsfreiheit erkennen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 95 Abs 1 S 1 und 5 SGB V sowie von § 24 Abs 5 Ärzte-ZV. Die Entscheidung des LSG verwehre ihm zu Unrecht die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem ausgelagerten Praxisraum und damit die vollumfängliche Ausnutzung der ihm erteilten Zulassung. Die dem Wortlaut von § 24 Abs 5 Ärzte-ZV zu entnehmenden Anforderungen an ausgelagerte Praxisräume seien erfüllt. Die Ansicht des Berufungsgerichts, als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal sei zusätzlich zu fordern, dass der Vertragsarzt allein und uneingeschränkt - insbesondere unter Ausschluss Dritter - über die Räumlichkeiten und Gerätschaften verfügen könne, finde im SGB V und den untergesetzlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts keine Stütze. Vielmehr zeige die Regelung in § 1a Nr 20 BMV-Ä, die Operationszentren als ausgelagerte Praxisstätten iS des § 24 Abs 5 Ärzte-ZV behandle, dass ausgelagerte Praxisräume auch von mehreren Vertragsärzten genutzt werden könnten, die jeweils nicht allein und ausschließlich über die Nutzung der Räumlichkeiten und Gerätschaften bestimmten. Dasselbe ergebe sich bei einer systematischen Auslegung des § 24 Abs 5 Ärzte-ZV im Kontext des § 32 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV (Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis) und des § 33 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV (gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen durch mehrere Ärzte). Dem stünden weder der Sinn und Zweck der Regelung noch Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts entgegen. Eine unzulässige Berufsausübung "im Umherziehen" könne bei der von ihm - dem Kläger - erstrebten Nutzung eines festen und dauerhaften ausgelagerten Praxisraums nicht angenommen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.09.2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 25.03.2015 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Das Erfordernis einer alleinigen Verfügungsbefugnis des Vertragsarztes über Räumlichkeiten und Gerätschaften an dem weiteren Ort sei zum Zweck der Abgrenzung zwischen ausgelagerten Praxisräumen und Laborgemeinschaften dringend erforderlich. Die gemeinschaftliche Nutzung von Räumlichkeiten sei das charakteristische Merkmal einer Laborgemeinschaft. Vertragsärzte, die in einer gemeinschaftlich genutzten Betriebsstätte Laboratoriumsuntersuchungen erbringen, unterfielen dem bundesmantelvertraglich normierten Formenzwang einer Laborgemeinschaft, welche nach § 25 Abs 3 S 2 BMV-Ä die Analysekosten für Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä direkt gegenüber der KÄV an ihrem Sitz abzurechnen habe. Diese Regelung sei mit dem Ziel eingeführt worden, die Vergütung auf die in der Laborgemeinschaft tatsächlich angefallenen Kosten zu begrenzen und Kick-back-Modelle zu unterbinden. Die vom Kläger beabsichtigte Vorgehensweise unterlaufe diese Ziele in rechtswidriger Weise.
Der Kläger ist dieser Bewertung entgegengetreten. Eine Laborgemeinschaft werde nicht allein dadurch begründet, dass mehrere Vertragsärzte unabhängig voneinander dieselbe Laboreinrichtung auf der Grundlage separater Verträge nutzten. Vielmehr sei hierfür ein bewusster Zusammenschluss zur kooperativen Zusammenarbeit erforderlich, der hier fehle.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat seine zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der von ihm begehrten Feststellung steht entgegen, dass die Analysekosten für die Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä, die von Vertragsärzten regelmäßig in derselben gemeinschaftlich genutzten Betriebsstätte erbracht werden, nur von der Laborgemeinschaft und nicht vom einzelnen Vertragsarzt gegenüber der KÄV abgerechnet werden dürfen. Die Einrichtung in R., in der der Kläger die genannten Untersuchungen nach seinen Angaben selbst durchführen will, stellt eine solche Laborgemeinschaft im Sinne der bundesmantelvertraglichen Regelungen dar.
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist die Klage zulässig, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben. Der Kläger forderte im Verwaltungsverfahren von der Beklagten, die seinem Vorhaben im vorausgegangenen Schriftwechsel entgegengetreten war, die förmliche Feststellung, dass er berechtigt sei, Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt 32.2 EBM-Ä in dem Labor in R. zu erbringen und als eigene Leistungen abzurechnen. Sein Begehren zielte auf den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts, um einen Teilkomplex von Rechtsfragen, die künftig bei der von ihm geplanten Vorgehensweise für den Erlass des Honorarbescheids von Bedeutung sind, in seinem Dauerrechtsverhältnis zur Beklagten vorab verbindlich zu klären (sog Vorabentscheidung, vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 28, 28a, 42; Luthe in juris-PK SGB X, 2. Aufl 2017, § 31 RdNr 50). Eine solche einzelfallbezogene Vorabentscheidung (und nicht lediglich die unverbindliche Mitteilung einer Rechtsansicht) gab die Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 10.1.2014 bekannt, in dem sie ihre "Entscheidung in der Geschäftsführungssitzung" mitteilte, dass eine eigene Abrechnung der vom Kläger im Labor in R. erbrachten Untersuchungen nicht zulässig sei. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm § 55 Abs 1 Halbs 1 Nr 1, § 56 SGG; s hierzu BSG Beschluss vom 27.6.2006 - B 2 U 77/06 B - SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 8; BSG Urteil vom 19.2.2014 - B 6 KA 8/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 80 RdNr 20 f; BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 6 KA 46/16 R - SozR 4-2500 § 311 Nr 2 RdNr 11).
Das für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbs 2 SGG) liegt vor. Der Kläger möchte vorab verbindlich klären, ob er die allgemeinen Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt 32.2 EBM-Ä selbst abrechnen kann, wenn er diese persönlich in dem Labor in R. durchführt. Diesem in erster Linie wirtschaftlichen Interesse des Klägers, zu vermeiden, dass er dabei anfallende Kosten möglicherweise nicht erstattet erhält und endgültig selbst tragen muss, kann im Rahmen des Dauerrechtsverhältnisses seiner Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung selbst dann die Berechtigung nicht abgesprochen werden, wenn es sich um nicht sehr hoch bewertete Leistungen handelt (zum berechtigten Interesse an einer Vorab-Klärung vgl BSG Urteil vom 20.1.1999 - B 6 KA 9/98 R - BSGE 83, 218, 219 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 108).
2. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klage abzuweisen ist. Der Bescheid der Beklagten vom 10.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2014, mit dem die vom Kläger begehrte Feststellung abgelehnt worden ist, erweist sich als rechtmäßig, sodass weder die Anfechtungsklage noch die damit verbundene Feststellungsklage Erfolg haben kann. Die Feststellung in dem Bescheid vom 10.1.2014, dass der Kläger allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen, die er in dem Labor in R. auf der Basis eines Nutzungsvertrags erbringt, nicht als eigene Leistungen abrechnen darf, entspricht der geltenden Rechtslage.
a) Gegenüber der KÄV abrechnungsfähig sind nur solche vertragsärztlichen Leistungen, denen eine auch in rechtlicher Hinsicht ordnungsgemäße Leistungserbringung und/oder Abrechnung zugrunde liegt. Rechtlich nicht ordnungsgemäß erbrachte oder abgerechnete Leistungen sind von der KÄV gemäß § 106a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V (in der bis zum 31.12.2016 geltenden und hier zur Beurteilung der Anfechtungsklage noch anzuwendenden Fassung ≪aF≫; nunmehr inhaltsgleich § 106d Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB V idF von Art 2 Nr 9 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015, BGBl I 1211) sachlich-rechnerisch richtig zu stellen, dh von der Honorierung auszuschließen (BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 19 mwN).
b) Die Abrechnung allgemeiner Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt 32.2 EBM-Ä, die der Kläger außerhalb seines Vertragsarztsitzes in dem auch von anderen Ärzten genutzten Labor in R. erbringt, durch ihn selbst gegenüber der KÄV ist rechtlich nicht ordnungsgemäß. Sie widerspricht den Bestimmungen des Vertragsarztrechts, die ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
aa) Der Senat muss hier nicht abschließend entscheiden, ob - wie das LSG angenommen hat - die Abrechnung solcher Leistungen schon deshalb ausgeschlossen ist, weil die Räumlichkeiten des Labors in R. für den Kläger keine "ausgelagerten Praxisräume" iS des § 24 Abs 5 Ärzte-ZV sind. Nach dieser Vorschrift darf ein Vertragsarzt spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (ausgelagerte Praxisräume) erbringen, wenn er Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit seiner KÄV unverzüglich anzeigt. Die Regelung konkretisiert die Vorgabe in § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V, nach der die Zulassungsverordnungen auch Vorschriften zu den Voraussetzungen enthalten müssen, unter denen nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes die Vertragsärzte ihre vertragsärztliche Tätigkeit an weiteren Orten als ihrem Vertragsarztsitz - dem Ort ihrer Niederlassung als Arzt (§ 95 Abs 1 S 5 SGB V) - ausüben können.
Zweifel daran, ob das Labor in R. als ein ausgelagerter Raum der Praxis des Klägers in N. im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden kann, drängen sich hier angesichts der Distanz zwischen beiden Orten von 9 km (so der Kläger) bzw von ca 11 km (so die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Feststellung des LSG) auf. Ob die erforderliche "räumliche Nähe" nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung noch angenommen werden kann, wenn zwischen den Orten mehr als nur wenige Kilometer Entfernung liegen, ist allerdings umstritten (verneinend zB Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2017, § 24 Ärzte-ZV RdNr 79 f; für eine restriktive Auslegung auch Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2007, § 24 RdNr 75; auf eine Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten stellt insoweit ab Clemens in Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 9. Aufl 2018, § 24 RdNr 13). Nähere Feststellungen zur üblicherweise benötigten Zeit, um die Entfernung zwischen der Praxis des Klägers in N. und den Laborräumen in R. zurückzulegen, enthält das Urteil des LSG nicht.
Zusätzliche Zweifel ergeben sich daraus, dass die Tätigkeit des Vertragsarztes in ausgelagerten Praxisräumen weiterhin "den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes" entsprechen muss (vgl hierzu auch § 32 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV). Das umfasst nach der Rechtsprechung des Senats eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht und damit die Befugnis des Vertragsarztes, über die räumlichen und sächlichen Mittel sowie ggf über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken; erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen insoweit ausgeschlossen sein (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 38 f, 50; BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 31/16 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 33 RdNr 35). Entgegen der Ansicht des LSG ist allerdings kein alleiniges Bestimmungsrecht des Vertragsarztes über die räumlichen und sächlichen Mittel der Praxis erforderlich. Es bleibt möglich, dass mehrere Vertragsärzte zur Erbringung spezieller Untersuchungs- oder Behandlungsleistungen dieselben ausgelagerten Praxisräume nutzen (zum Operationszentrum vgl § 1a Nr 20 Halbs 2 BMV-Ä). Allerdings kann es Fallgestaltungen geben, bei denen zB angesichts der großen Zahl der beteiligten Ärzte oder der Art und Weise der vertraglichen Ausgestaltung ein hinreichender Einfluss des Vertragsarztes auf eine bei Bedarf zeitnahe Nutzung der Praxisräume nicht mehr gesichert ist. Das LSG hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent - auch zu den zuletzt genannten Umständen keine weiteren Einzelheiten festgestellt. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung ist gleichwohl nicht erforderlich, da sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 170 Abs 1 S 2 SGG).
bb) Der Abrechnung von laboratoriumsmedizinischen Analysen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä, die der Kläger in den von mehreren Ärzten genutzten Räumen des Labors in R. durchführen will, als eigene Leistungen steht bereits entgegen, dass es sich insoweit um Leistungen handelt, die in einer Laborgemeinschaft erbracht werden. Solche Leistungen muss die Laborgemeinschaft nach den speziellen Abrechnungsregelungen des Vertragsarztrechts seit dem 1.10.2008 unmittelbar gegenüber der für ihren Sitz zuständigen KÄV abrechnen; ein Ansatz der Analysekosten durch den die Befunderhebung veranlassenden Vertragsarzt in seiner Honorarabrechnung als eigene Leistungen ist ausgeschlossen (Gebot der Direktabrechnung).
(1) Nach Nr 1 S 3 der Präambel zu Abschnitt 32.2 EBM-Ä (in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung ≪DÄ 2012, A-2546≫; zuvor S 2 in der ab 1.10.2008 geltenden Fassung ≪DÄ 2008, A-1631≫; S 4 in der ab 1.7.2014 bis 31.12.2017 geltenden Fassung ≪DÄ 2014, A-1382 bzw DÄ 2018, A-41≫) haben bei Erbringung von laboratoriumsmedizinischen Leistungen des Abschnitts 32.2 durch Laborgemeinschaften diese Laborgemeinschaften Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten bis zum Höchstpreis. Gemäß S 4 (ab 1.7.2014 S 5) in Nr 1 der Präambel ist das Nähere zur Abrechnung solcher Leistungen durch Laborgemeinschaften in § 25 Abs 3 BMV-Ä und in den Richtlinien nach § 106a SGB V geregelt. § 25 Abs 2 Nr 1 BMV-Ä bestimmt, dass für die Erbringung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen die Regelung des § 15 BMV-Ä (persönliche Leistungserbringung) mit der Maßgabe gilt, dass bei Untersuchungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä und bei entsprechenden Leistungen des Abschnitts 1.7 EBM-Ä der Teil 3 der Befunderhebung (laboratoriumsmedizinische Analyse) einschließlich ggf verbliebener Anteile von Teil 2 (Präanalytik) beziehbar ist. Gemäß § 25 Abs 3 S 1 BMV-Ä kann der Teil 3 der Befunderhebung aus Laborgemeinschaften bezogen werden, deren Mitglied der Arzt ist. Der die Befunderhebung beziehende Vertragsarzt rechnet nach S 2 (aaO) die Analysekosten "durch seine Laborgemeinschaft gegenüber der KÄV an deren Sitz" ab. Nach S 4 (aaO) erfolgt diese Abrechnung auf der Basis der nachzuweisenden Kosten der Laborgemeinschaft, höchstens jedoch zu den Höchstpreisen gemäß der Präambel Nr 1 zu Abschnitt 32.2 EBM-Ä. Die letztgenannte Regelung wurde gemäß S 6 der Präambel Nr 1 zu Abschnitt 32.2 EBM-Ä ab 1.7.2014 bis zum 31.12.2017 ausgesetzt (DÄ 2014, A-1382) und mit Wirkung zum 1.1.2018 ersatzlos gestrichen (DÄ 2018, A-41; s auch Neufassung des § 25 Abs 3 BMV-Ä zum 1.7.2018, DÄ 2018, A-1510).
Der Senat hat aus diesen Vorgaben abgeleitet, dass nur die Laborgemeinschaft selbst einen Vergütungsanspruch für die in Abschnitt 32.2 EBM-Ä aufgeführten Kosten der laboratoriumsmedizinischen Analysen (Nr 1 S 1 der Präambel, s auch § 25 Abs 1 S 2 Nr 3 BMV-Ä) geltend machen kann (BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 27/14 R - SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 16). Er hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es das wesentliche Ziel der Einführung der Direktabrechnung und der gleichzeitig vorgesehenen Begrenzung der Vergütung auf die der Laborgemeinschaft tatsächlich entstandenen Kosten war, die in der Praxis nicht nur vereinzelt anzutreffenden (rechtswidrigen) Kick-back-Modelle im Verhältnis zwischen den Vertragsärzten, den Laborgemeinschaften und den sie betreuenden Laborärzten zu unterbinden (BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 27/14 R - aaO RdNr 26; s dazu auch Möller in Ratzel/Luxenburger ≪Hrsg≫, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Kap 16 RdNr 462).
(2) Das Gebot der Direktabrechnung gilt auch für Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä, die der Kläger selbst in den Räumen und mit den Gerätschaften des Labors in R. durchführt. Die vom Kläger dort geplante Vorgehensweise erfüllt alle Merkmale des Betriebs einer Laborgemeinschaft iS des § 25 Abs 3 BMV-Ä, da er dieses Labor zwar zeitabschnittsweise alleine, insgesamt aber gemeinsam mit anderen Ärzten nutzen will (von ihm selbst als "time-sharing" bezeichnet).
Laborgemeinschaften sind in § 1a Nr 14a BMV-Ä legal definiert als "Gemeinschaftseinrichtungen von Vertragsärzten, welche dem Zweck dienen, laboratoriumsmedizinische Analysen regelmäßig in derselben gemeinschaftlich genutzten Einrichtung zu erbringen". Diese Begriffsbestimmung stellt unabhängig von der Organisationsform der Gemeinschaftseinrichtung entscheidend darauf ab, dass mehrere Vertragsärzte Laboratoriumsuntersuchungen regelmäßig in derselben gemeinschaftlich genutzten Einrichtung durchführen, dh in denselben Laborräumen, mit denselben Analysegeräten und ggf unter Einsatz desselben Hilfspersonals. Anders als der Kläger meint, ist ein bewusster Zusammenschluss zur gemeinschaftlichen Erbringung von Laborleistungen nicht notwendig, um eine Laborgemeinschaft zu bilden. Das kommt deutlich in § 15 Abs 4 S 1 BMV-Ä zum Ausdruck, der bestimmt, dass ein Zusammenschluss von Vertragsärzten zur gemeinschaftlichen Leistungserbringung von Laboratoriumsleistungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä ab dem 1.1.2009 (mit Übergangsregelung in S 2) "ausgeschlossen" und damit nicht mehr zulässig ist. Ausreichend für eine Laborgemeinschaft in Bezug auf Leistungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä ist deshalb, dass regelmäßig dieselbe Einrichtung von mehreren Vertragsärzten genutzt wird, wobei jeder Vertragsarzt die Leistungen persönlich bzw durch einen von ihm angestellten Arzt erbringt (Rompf in Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum BMV-Ä, 2014, § 1a RdNr 10). Die Nutzung derselben Räumlichkeiten und Gerätschaften für Laboratoriumsanalysen durch mehrere Vertragsärzte, welche zwangsläufig Absprachen über Zeitpunkt sowie Art und Weise der Nutzung zwischen diesen Ärzten schon aus Gründen der Qualitätssicherung erfordert, stellt das vom SG geforderte "verbindende Element" iS einer "Gemeinschaftseinrichtung" dar. Eine lediglich "zufällige" gemeinsame Nutzung derselben Analysegeräte ohne jegliche Absprache und Koordinierung erscheint ausgeschlossen.
Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG und der Angaben des Klägers handelt es sich bei der jeweils zeitabschnittsweisen Nutzung des Labors der S. GmbH in R. durch ihn und andere Vertragsärzte nach Maßgabe paralleler Nutzungsvereinbarungen um eine Leistungserbringung durch eine Laborgemeinschaft im oben beschriebenen Sinne. Diese kooperative Struktur muss deshalb die dort erbrachten Leistungen nach Abschnitt 32.2 EBM-Ä selbst - ggf durch die Betreibergesellschaft - direkt gegenüber der KÄV abrechnen. Der Kläger kann dort erbrachte Leistungen nicht mehr als eigene abrechnen; das gilt selbst dann, wenn er die Analysen persönlich durchgeführt hat.
(3) Das vertragsarztrechtliche Gebot der Direktabrechnung von Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.2 EBM-Ä durch die Laborgemeinschaft ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Befugnis der Partner des BMV-Ä, eine solche Abrechnungsregelung zu treffen, ergibt sich aus § 87 Abs 1 S 2 SGB V; danach sind in den Bundesmantelverträgen auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sind, zu vereinbaren (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 27/14 R - SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 35). Das Direktabrechnungsgebot bzw der Formenzwang für die Erbringung und Abrechnung von Laborleistungen enthält zudem eine Regelung der Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 S 2 GG, welche durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert wird und deren geringe Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck steht, rechtswidrige Kick-back-Modelle zu unterbinden (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 27/14 R - aaO RdNr 26, 36).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach fallen dem Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zur Last.
Fundstellen
Haufe-Index 12641615 |
ArztR 2019, 78 |
MedR 2019, 907 |
NZS 2019, 545 |
SGb 2018, 633 |
GesR 2019, 166 |
Breith. 2019, 812 |