Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Altersruhegeld (ARG) sowie die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Klägerin als (ehemalige) Angehörige des deutschen Sprach- und Kulturkreises (dSK) anzusehen ist.
Die jüdische Klägerin wurde am 10. Februar 1921 in V de Sus (O)/ Rumänien geboren. Im Mai 1944 heiratete sie. Seit 1959 wohnt sie in Israel. Sie besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Auf ihren Antrag von November 1961 erhielt sie nach § 43 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) eine Beihilfe wegen Freiheitsentziehung in der Zeit vom 5. April 1944 bis 13. April 1945.
Im Februar 1990 beantragte die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Gewährung von ARG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dazu machte sie unter dem 5. November 1990 folgende Angaben: Sie sei als Verfolgte iS des § 1 BEG anerkannt. Von 1928 bis 1932 habe sie eine Volksschule mit rumänischer Unterrichtssprache besucht. Sie sei dann von Sommer 1935 bis September 1940 in S M (S)/Rumänien, von Anfang 1942 bis zum Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung im Februar 1944 in B /Ungarn und von Mitte 1950 bis Anfang 1957 in A /Rumänien versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Ihre Muttersprache und die ihrer Eltern sei Deutsch; im persönlichen Lebensbereich habe sie in ihrem Herkunftsgebiet Deutsch und Ungarisch gesprochen.
In einem Fragebogen vom 22. April 1991 teilte die Klägerin ergänzend mit: Sie habe bis zur Auswanderung die deutsche, ungarische und rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht. Außerhalb der Familie sei in ihrem Herkunftsgebiet bis 1945 überwiegend Deutsch und Rumänisch gesprochen worden. Sie habe sich mit ihren Freundinnen überwiegend in deutscher Sprache unterhalten. Die Volksschule habe sie bis 1934 besucht.
Anläßlich der am 28. Juni 1992 vom israelischen Finanzministerium durchgeführten Sprachprüfung zur Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum dSK gab die Klägerin an: Die Muttersprachen ihrer Eltern seien Deutsch, Ungarisch und Rumänisch gewesen. In ihrem Elternhaus sei deutsche Lektüre gelesen worden. Sie habe die Volksschule bis 1935 besucht und sei danach bis 1940 Arbeiterin sowie von 1950 bis 1957 Spinnerin gewesen. Ihr in K /Rumänien (Siebenbürgen) geborener Ehegatte habe Deutsch, Ungarisch und Rumänisch gesprochen. Der Sprachprüfer kam in seinem Bericht vom 6. Juli 1992 abschließend zu dem Ergebnis: Die Klägerin rede Deutsch fließend, aber nicht immer einwandfrei; sie habe nie Deutsch schreiben und lesen gelernt. Während der Sprachprüfung habe sie deutsche Kinderlieder vorgesungen. Wegen ihrer geringen Bildung sei es nicht verwunderlich, daß sie nicht Deutsch lesen und schreiben könne. Sie sei überwiegend dem dSK verbunden gewesen.
Auf Veranlassung der Beklagten, an die das Verfahren zuständigkeitshalber abgegeben worden war, legte die Klägerin eine Erklärung des I L vom 13. April 1993 vor, in der bestätigt wurde, daß die Klägerin von Sommer 1935 bis September 1940 in einer „Stopfenfabrik” in S M gearbeitet habe. Ihre Umgangssprache sei Deutsch gewesen; sie habe gut Deutsch gesprochen und gelesen.
Durch Bescheid vom 23. September 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, es sei nicht glaubhaft gemacht worden, daß die Klägerin dem dSK angehöre.
Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 1996 auch einen Antrag der Klägerin auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung sowie auf Zahlung von ARG nach dem Zusatzabkommen vom 12. Februar 1995 zum Abkommen vom 13. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (ZAbk Israel SozSich) wegen Fehlens einer damaligen Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK abgelehnt.
Durch Urteil des SG vom 11. April 1997 ist die auf Gewährung von ARG gerichtete Klage abgewiesen worden. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Klägerin – auch soweit sie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 betraf – zurückgewiesen. Sein Urteil vom 17. November 1997 ist – unter teilweiser Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe – im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Da eine Rentenleistung wegen Nichtzugehörigkeit zum dSK nicht nur in dem Bescheid der Beklagten vom 23. September 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1994, sondern auch in dem während des Klageverfahrens ergangenen weiteren Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 abgelehnt worden sei, sei letzterer Verwaltungsakt nach § 96 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden und ebenfalls zu überprüfen gewesen. Das habe das Vordergericht nicht erkannt, so daß insofern keine durch die Berufung anfechtbare Entscheidung vorliege. Es könne aber davon ausgegangen werden, daß die Klägerin weiterhin beantrage, auch diesen Bescheid zu überprüfen, und daß die Beklagte dem nicht widerspreche. Deshalb habe der Senat auch darüber zu entscheiden.
Da die von der Klägerin zur Begründung eines Rentenanspruchs geltend gemachten Beschäftigungszeiten zwischen Juli 1935 und 1957 bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger zurückgelegt worden seien, sei deren Anrechenbarkeit gemäß §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) zu beurteilen. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Zwar sei sie nicht als Vertriebene iS des § 1 FRG anerkannt. Doch könne das FRG auch für sie zur Anwendung kommen, wenn sie „vertriebene Verfolgte” iS von § 20 Abs 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) sei. Insoweit werde verlangt, daß die Klägerin zur Zeit des Beginns der sie betreffenden nationalsozialistischen Verfolgung (vgl § 17a FRG in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung) oder zur Zeit des Verlassens des Vertreibungsgebietes (§ 20 WGSVG iVm § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG) dem dSK angehört habe. Das sei bei ihr nicht der Fall.
Wie das SG zutreffend dargelegt habe, sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (vgl § 3 WGSVG; § 4 FRG), daß die Klägerin in der Zeit, zu der sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf ihr Heimatgebiet erstreckt habe (§ 17a FRG), dem dSK zuzurechnen gewesen sei. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen sei es nicht überwiegend wahrscheinlich, daß sie im maßgebenden Zeitpunkt die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und in ihrem persönlichen Lebensbereich überwiegend gebraucht habe.
Es bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, ob die Klägerin in dem maßgeblichen Zeitraum Deutsch wie eine Muttersprache beherrscht habe. Nach dem Ergebnis der beim israelischen Finanzministerium durchgeführten Sprachprüfung spreche die Klägerin Deutsch fließend, jedoch nicht immer fehlerfrei. Darüber hinaus habe sie weder eine Lese- noch eine Schriftprobe ablegen können, da sie nie Deutsch lesen und schreiben gelernt habe. Zur Beherrschung des Deutschen wie eine Muttersprache gehöre auch, daß die Klägerin sich in dieser Sprache schriftlich ausdrücken könne, es sei denn, es handele sich auch in anderen Sprachen als der deutschen bei der Klägerin um eine Analphabetin, wofür es keine Anhaltspunkte gebe. Die Klägerin habe immerhin sieben Jahre die Volksschule besucht und nicht dargetan, daß sie weder die ungarische noch die rumänische oder auch die hebräische Sprache schriftlich beherrsche. Darüber hinaus habe sie im Fragebogen betreffend die Zugehörigkeit zum dSK unter dem 22. April 1991 noch behauptet, die deutsche, rumänische und ungarische Sprache bis zum Jahre 1940 in Wort und Schrift beherrscht gehabt zu haben.
Des weiteren sprächen mehrere Umstände gegen die Annahme, daß Deutsch die im persönlichen Lebensbereich der Klägerin überwiegend verwendete Sprache gewesen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß der persönliche Lebensbereich nicht nur auf den Bereich der Familie begrenzt sei, sondern auch den schulischen und den beruflichen Bereich sowie den Freundeskreis umfasse.
Anläßlich der in Tel Aviv durchgeführten Sprachprüfung habe die Klägerin angegeben, daß die Umgangssprachen im Elternhaus die deutsche sowie die ungarische und rumänische Sprache gewesen seien. Darüber hinaus habe die Klägerin im Fragebogen zum dSK angegeben, daß sie im persönlichen Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet die Sprachen Deutsch und Ungarisch verwendet habe. Gegen die überwiegende Verwendung der deutschen Sprache spreche zudem die Auskunft der Heimatauskunftsstelle für Rumänien, wonach sich anläßlich der im Jahre 1930 durchgeführten amtlichen Volkszählung in S M von insgesamt 51.495 Einwohnern lediglich 669 und in S von insgesamt 27.270 Einwohnern nur 199 zur deutschen Muttersprache bekannt hätten. Deutsche Schulen hätten im maßgeblichen Zeitraum in diesen Orten nicht existiert.
Gegen den überwiegenden Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich spreche ferner der Umstand, daß die Klägerin von 1928 bis 1935 die Volksschule besucht habe, deren Unterrichtssprache nach ihren eigenen Angaben anläßlich der Sprachprüfung Ungarisch gewesen sei. Hierbei sei nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen, daß sie die ungarische Sprache nicht erst in der Schule, sondern – als Vorbereitung auf die bevorstehende Schulausbildung – bereits im Elternhaus erlernt und verwendet habe. Es spreche vieles dafür, daß die Eltern der Klägerin darauf bedacht gewesen seien, daß diese dem in ungarischer Sprache erteilten Unterricht werde folgen können und daß sie sie deshalb bereits vor ihrer Einschulung mit der ungarischen Sprache vertraut gemacht hätten, sich also in dieser Sprache mit ihr unterhalten hätten. Hierfür sprächen auch die Angaben der Klägerin, nach denen ihre Eltern auch die ungarische Sprache beherrscht hätten und die Umgangssprachen im Elternhaus Deutsch und Ungarisch gewesen seien. Insoweit habe zumindest auch die ungarische Sprache über einen bedeutenden Zeitraum hinweg eine wesentliche Rolle bei der sprachlich kulturellen Erziehung und Bildung der Klägerin gespielt.
Auch der Aussage des Zeugen I L könne im Hinblick auf die gegen eine Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK sprechenden Umstände kein wesentlicher Beweiswert und somit kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Zum einen mache der Zeuge recht pauschale Angaben zum Sprachverhalten der Klägerin vor Verfolgungsbeginn. Zum anderen ergäben sich Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Aussage schon daraus, daß sich der Zeuge mit der Feststellung begnüge, die Umgangssprache der Klägerin sei Deutsch gewesen, obwohl die Klägerin selbst von der Mehrsprachigkeit ihrer Familie berichtet habe. Die Bedenken gegen die Richtigkeit der Aussage würden darüber hinaus noch dadurch bestärkt, daß der Zeuge behauptet habe, die Klägerin hätte Deutsch auch gelesen, wohingegen diese angegeben habe, Deutsch nie schreiben und lesen gelernt zu haben. Darin, daß das SG den Zeugen I L entgegen der Anregung der Klägerin nicht in Israel zu ihrer Zugehörigkeit zum dSK habe vernehmen lassen, liege kein wesentlicher Verfahrensfehler. Selbst wenn I L seinen bisherigen Vortrag wiederhole, könne von einer dSK-Zugehörigkeit der Klägerin nicht ausgegangen werden. Von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen hätte sich das SG bei einer Vernehmung durch das israelische Gericht ohnehin keine Überzeugung bilden können.
Des gleichen greife § 20 WGSVG zugunsten der Klägerin nicht ein. Es sei nämlich nichts dafür ersichtlich, daß sie zur Zeit des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört habe. Vielmehr habe sie sich selbst stets nur auf die Voraussetzungen des § 17a FRG berufen.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin insbesondere geltend: Das LSG habe den Begriff des dSK einengend wie „deutscher Schrift- und Kulturkreis” ausgelegt und dem mündlichen Sprachgebrauch praktisch keine Bedeutung beigemessen. Wie das Beispiel des Analphabeten zeige, lasse sich die Zugehörigkeit zum dSK ohne weiteres auch ohne den Schriftgebrauch begründen. Es dürfe nicht danach unterschieden werden, ob eine Schriftprobe derart fehlerhaft sei, daß der Beweiswert gegen das Beherrschen der deutschen Sprache spreche, oder ob auf die Schriftprobe wegen geringer Bildung verzichtet werden müsse. Bei Personen niedrigerer Bildungsschicht dürfe es ausschließlich auf den mündlichen Sprachgebrauch ankommen.
Es sei zwar zuzugeben, daß der Verzicht eines Antragstellers auf die Schriftprobe im Rahmen der Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zum dSK als Indiz negativ zu berücksichtigen sei, aber eben nur als Indiz von mehreren anderen, deren Rang die Instanzgerichte nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen prüfen müßten. Keinesfalls sei es zulässig, die Entscheidung präkludierend auf die Tatsache zu stützen, daß der Antragsteller niemals Deutsch schreiben gelernt habe, wenn dieser wegen fehlenden Besuches einer Schule mit deutscher Unterrichtssprache oder wegen geringen Bildungsniveaus innerhalb der Familie keine zumutbare Gelegenheit gehabt habe, die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Für das Lesen könne nichts anderes gelten. Hier seien die Besonderheiten der Familiengeschichte, zB die dSK-Zugehörigkeit der Eltern oder anderer Familienangehöriger und die individuellen Verhältnisse des Umfeldes im Herkunftsland bzw die Bindungen an den dSK, zu ermitteln und umfassend zu würdigen. Zeugenaussagen und andere Beweismittel müßten unbedingt herangezogen werden, wenn sie vorhanden seien und irgendeinen Aufschluß über das Gewicht des mündlichen Sprachgebrauchs gegenüber möglicherweise fehlendem Lese- und Schreibvermögen geben könnten.
Schreib-, Lese- und Sprachgebrauch sollten im Rahmen der dSK-Prüfung grundsätzlich gleichrangig behandelt werden, wobei bei dem Personenkreis des § 17a FRG das Sprachvermögen je nach den Umständen des Einzelfalles ausreichen könne. Wenn das niedrige Bildungsniveau oder das Fehlen eines ausreichenden deutschsprachigen Unterrichtsangebots (oder besondere familiäre, kulturelle, religiöse oder politische Verhältnisse) eine deutsche Schriftschulung nicht hätten erwarten lassen, könne es auf die Schreib- und Lesekenntnisse nicht ankommen. In diesen Fällen müsse grundsätzlich allein auf den mündlichen Sprachgebrauch abgestellt werden. Vielfach habe für die jüdische Bevölkerung wegen ihrer Religionszugehörigkeit keine tatsächliche Gelegenheit bestanden, die deutsche Volksschule zu besuchen, während deutsche Privatschulen wiederum von den Eltern meistens nicht zu finanzieren gewesen seien. Schließlich hätten in einigen Orten überhaupt keine deutschsprachigen Bildungseinrichtungen oder Schulen mit dem Nebenfach Deutsch existiert. Ganz entscheidend sei auch, ob der mündliche Sprachgebrauch jiddisch geprägt sei, was wiederum gegen die dSK-Zugehörigkeit spreche.
Eine danach erforderliche Ermittlung aller relevanten Umstände fehle im vorliegenden Fall. Das LSG hätte insbesondere bewerten müssen, aus welchem Grund sie, die Klägerin, nicht Deutsch schreiben gelernt habe. Dies gelte um so mehr, weil ihr vom Sprachprüfer die dSK-Zugehörigkeit uneingeschränkt attestiert worden sei. Auch der Zeuge I L habe ihre dSK-Zugehörigkeit bestätigt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß sie und ihre Eltern aus einer deutschsprachigen Region stammten. Obwohl es nach Auskunft der Heimatauskunftsstelle für Rumänien im Herkunftsgebiet keine deutschen Schulen gegeben habe, seien bei ihr trotz geringen Bildungsniveaus noch beachtliche Deutschkenntnisse vorhanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17. November 1997 sowie das Urteil des SG Düsseldorf vom 11. April 1997 aufzuheben und die Beklagte
- unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1994 zu verurteilen, ihr ARG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
- unter Aufhebung des Bescheides vom 14. August 1996 zu verurteilen, sie zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung nach dem ZAbk Israel SozSich zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie ua vor: Ihrer Ansicht nach umfasse das Beherrschen der deutschen Sprache „wie eine Muttersprache” nicht nur das Sprechen, sondern auch das Lesen und das Schreiben. Als Grundlagen für die in dem hier zu entscheidenden Fall vorzunehmende Prüfung der behaupteten dSK-Zugehörigkeit der Klägerin hätten lediglich das Ergebnis der Sprachprüfung sowie die Erklärung des Zeugen I L zur Verfügung gestanden. Das Ergebnis einer Sprachprüfung sei für den Versicherungsträger nur ein – wenn auch wesentliches – Entscheidungskriterium, welches in die durch ihn vorzunehmende Gesamtbeurteilung einfließe. Daneben würden die Ergebnisse der Schriftproben aus Diktaten und freien Texten, ggf das Tonbandprotokoll der Sprachprüfung, frühere Angaben zum Sprachverhalten, zB im Entschädigungsverfahren, Auskünfte der jeweiligen Heimatortskarteien über die Bevölkerungsstruktur der Herkunftsgebiete sowie Angaben in den sog DP 2-Karten von Personen berücksichtigt, die sich nach Kriegsende in einem DP-Lager aufgehalten hätten.
Bei Einschätzung der bestehenden Sach- und Rechtslage sei zu bedenken, daß die wiedergutmachungsrechtlichen Bestimmungen des WGSVG enger gehalten seien als die des BEG. Das BEG habe beispielsweise zahlreiche Regelungen über Ermessensleistungen gekannt, welche die Entschädigungsbehörde habe gewähren können. Auch sei die Behörde ausdrücklich zu Vergleichsabschlüssen ermächtigt gewesen, mit denen Entschädigungsverfahren auf kulante Art und Weise hätten beendet werden können. Solche Regelungen fänden sich nicht bzw kaum im Recht zur Wiedergutmachung in der Rentenversicherung. Dieses Recht habe das Ziel, bei allen Versicherten den Schaden auszugleichen, den sie durch Verfolgungsmaßnahmen in ihren Ansprüchen und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung erlitten hätten.
Nach Abwägung sämtlicher für und gegen die Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK sprechenden Gesichtspunkten könne hier – trotz des nach Ansicht der Gegenseite positiven Ergebnisses der Sprachprüfung – eine Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK nach wie vor nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Zunächst ist das vorinstanzliche Verfahren revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das LSG den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden, aber vom SG unberücksichtigt gelassen worden war, zu Recht in seine Entscheidung einbezogen (vgl BSGE 27, 146, 148 f = SozR Nr 21 zu § 96 SGG; BSGE 61, 45, 47 f = SozR 4100 § 113 Nr 5). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind damit sowohl die mit Bescheid vom 23. September 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1994 abgelehnte Gewährung von ARG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres als auch die mit Bescheid vom 14. August 1996 versagte Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge sowie Zahlung von ARG nach dem ZAbk Israel SozSich.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Berufungsurteil in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage der für den erkennenden Senat verbindlichen Tatsachenfeststellungen stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Rentenantrag bereits im Juli 1990 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Gemäß dem danach anzuwendenden § 1248 Abs 5 RVO erhält ARG ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 dieser Vorschrift erfüllt hat, also eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Während die Klägerin bereits im Februar 1986 die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat, ist zwischen den Beteiligten streitig, ob sie auch die erforderliche Wartezeit vorweisen kann.
Anrechenbare Beitragszeiten iS der §§ 1249, 1250 RVO sind nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben. Zum Vorliegen von Ersatzzeiten fehlt es an berufungsgerichtlichen Ausführungen. Sofern davon ausgegangen werden kann, daß für die Zeiten, die im Schreiben der Beklagten vom 21. Mai 1996 an das LSG entsprechend bezeichnet sind, Ersatzzeittatbestände iS von § 1251 Abs 1 RVO erfüllt sind, setzt deren Anrechenbarkeit nach § 1251 Abs 2 RVO das vorherige Bestehen einer Versicherung oder die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit voraus. Dafür besteht im Falle der Klägerin kein Anhalt, soweit es um Versicherungszeiten nach der RVO geht.
Bei der Klägerin könnte allerdings die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach §§ 15, 16 FRG in Betracht kommen, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. § 15 Abs 1 Satz 1 FRG sieht vor, daß Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen. Nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Zwar gehört die Klägerin – soweit ersichtlich – nicht zu dem gemäß § 1 FRG begünstigten Personenkreis. Insbesondere ist sie nach den Feststellungen des LSG keine anerkannte Vertriebene iS von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG). Ihr kann jedoch die Regelung des § 20 WGSVG zugute kommen, die durch Art 21 Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) rückwirkend zum 1. Februar 1971 (vgl § 20 Abs 3 Satz 1 WGSVG) neu gefaßt worden ist. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen iS des BVFG vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Für die Feststellung der danach erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind (vgl § 4 FRG; § 3 WGSVG).
Dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG läßt sich entnehmen, daß die Klägerin als Verfolgte iS von § 1 BEG anzusehen ist. Insbesondere hat sie früher eine Beihilfe nach § 43 BEG erhalten. Da sie vor dem 1. Juli 1990 Rumänien verlassen hat, kann sie auch Vertriebene (Aussiedlerin) iS von § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG sein. Das weitere Tatbestandsmerkmal dieser Norm, nämlich die (damalige) deutsche Volkszugehörigkeit (vgl dazu § 6 BVFG), wird dadurch ersetzt, daß § 20 Abs 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG verweist. Danach genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, daß Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben.
Zum Begriff des dSK hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. März 1970 (in RzW 1970, 503, 505) allgemein ausgeführt: Nach der Fassung des Gesetzes (dort § 150 Abs 2 BEG) stehe die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis gleichwertig neben der Zugehörigkeit zum deutschen Sprachkreis. Diese Gleichsetzung lasse jedoch die besonderen Beziehungen zwischen Sprache und Kultur außer acht. Nach den Erkenntnissen der Sprachwissenschaft erschließe sich jedem, der eine Sprache als Muttersprache spreche oder im persönlichen Bereich ständig gebrauche, das Weltbild dieser Sprache. Dieser geistige Prozeß beginne mit dem Erlernen der Sprache, er gehe durchweg unbewußt vor sich. Da jeder Sprache eine bestimmte Art, die Welt gedanklich zu erfassen, eigentümlich sei, liege in der Spracherlernung die Eingliederung in die Denkwelt der Sprache. Daher erhalte jeder, der mit der deutschen Sprache weitgehend vertraut sei und sie in seinem persönlichen Lebensbereich spreche, einen Zugang zu der durch die Sprache vermittelten Kultur. In Wechselwirkung hierzu werde die Sprache durch neue kulturelle Leistungen bereichert. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Deutschsprechende nur über den Wortschatz und die Ausdrucksmöglichkeiten verfüge, die für ein Familienleben und die tägliche Berufsarbeit ausreichten, oder ob ihm die Sprache den Zugang zu Bereichen eröffne, die der Religion, Wissenschaft sowie insbesondere der Dichtung angehörten. Da jede Kultur mit dem Bestreben beginne, die Grundbedürfnisse des einzelnen Menschen und der menschlichen Gemeinschaft zu befriedigen, und im Streben nach diesen Leistungen der Anfang aller weiteren Kulturentwicklung liege, hätten auch die Frühstufen der Kultur ihre sprachlichen Ausdrucksformen. Deshalb dürfe nicht unterschieden werden, welche Schicht des kulturellen Lebens sich der Angehörige der Sprachgemeinschaft durch den Gebrauch der Sprache erschließe.
Auf dieser gedanklichen Grundlage ist der BGH zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gebrauch des Deutschen im Bereich des persönlichen Lebens im Regelfall ausreichendes Anzeichen für die Zugehörigkeit zum dSK sei (RzW 1970, 503, 505; vgl auch BGH RzW 1973, 266; 1974, 247). Dieser Betrachtungsweise hat sich das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl zB BSG SozR 5070 § 20 Nr 2; BSGE 50, 279 = SozR 5070 § 20 Nr 3; BSG SozR 5070 § 20 Nrn 5, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 1). Sie gilt nicht nur für die Begründung, sondern auch für die Fortdauer einer Zugehörigkeit zum dSK (vgl zB BSGE 50, 279, 281 f = SozR 5070 § 20 Nr 3 S 9). Allerdings vermittelt der Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich dann nicht (mehr) die der deutschen Sprache eigene Denk- und Gefühlswelt, wenn sich der Betreffende bewußt von der deutschen Kultur ab- und einer fremden Kultur zugewandt hat (vgl BGH RzW 1970, 503, 505; 1973, 266; 1974, 247; dazu auch BSGE 50, 279, 281 f = SozR 5070 § 20 Nr 3 S 9; BSG SozR 5070 § 20 Nr 5 S 18).
Grundsätzlich muß der Verfolgte (noch) im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben; hat er sich vorher aus Verfolgungsgründen davon abgewandt, so ist bei der Beurteilung auf den Beginn der Verfolgungsmaßnahmen in seinem Herkunftsgebiet abzustellen (vgl BSG SozR 5070 § 20 Nrn 2, 9). In Fällen, in denen sich der Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich aus anderen Gründen (zB Heirat eines nicht deutschsprachigen Ehegatten) in rechtserheblichem Umfang verringert hat, geht die Zugehörigkeit jedenfalls dann, wenn Deutsch die Muttersprache ist, erst nach einer Übergangszeit verloren, deren Dauer sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles richtet (vgl BSGE 50, 279, 282 = SozR 5070 § 20 Nr 3; BSG SozR 5070 § 20 Nrn 5, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 1). Da das LSG eine Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK sowohl für die Zeit, zu der sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf ihr Heimatgebiet erstreckte, als auch für den Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes verneint hat, erübrigt sich im vorliegenden Fall ein Eingehen auf diese Problematik.
Da es für die Zugehörigkeit zum dSK vorrangig auf die Sprache ankommt, ist im einzelnen zu prüfen, inwieweit der Verfolgte die deutsche Sprache beherrscht und gebraucht hat. Was die im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Deutschkenntnisse anbelangt, so gehört das Beherrschen der Schriftsprache nicht zu den objektiven Mindestanforderungen einer Zugehörigkeit zum dSK (zur ähnlichen Problematik bei der Einbürgerung von Ehegatten deutscher Staatsangehöriger vgl BVerwGE 79, 94, 99). Zwar eröffnet das Erlernen der Schrift einen erweiterten Zugang zu der durch die Sprache vermittelten Kultur, der Begriff des dSK unterscheidet jedoch nicht danach, welche Schicht des kulturellen Lebens sich der Angehörige der Sprachgemeinschaft durch den Gebrauch der Sprache erschließt (vgl BGH RzW 1980, 22, 23; BSG SozR 5070 § 20 Nr 4 S 15; allgemein dazu auch BVerwGE 102, 214, 220). Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auf die subjektiven Verhältnisse, insbesondere den Bildungsgrad des Verfolgten abzustellen. Insofern können auch Analphabeten zum dSK gehören (vgl BGH RzW 1980, 22, 23; BSG SozR 5070 § 20 Nr 4 S 15). Andererseits reichen bloße Sprachkenntnisse für eine Zugehörigkeit zum dSK nicht aus; denn Deutsch kann auch als Fremdsprache erlernt und nur für bestimmte Zwecke (zB im Beruf) verwendet worden sein (vgl dazu BGH RzW 1970, 503, 506). Zu fordern ist daher ein ständiger Gebrauch im persönlichen Bereich, wozu neben Ehe und Familie auch der Freundes- und Bekanntenkreis gehört (vgl BSG SozR 5070 § 20 Nr 13 S 49 f).
Ein besonderes Problem stellt die Mehrsprachigkeit von Verfolgten wie der Klägerin dar. Dieser Personenkreis kann dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat (vgl BGH RzW 1970, 503, 505; 1972, 266; 1974, 247; BSG SozR 5070 § 20 Nrn 4, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nrn 1, 2). Konnte ein Verfolgter seinerzeit zwar in einer anderen Sprache schreiben und lesen, nicht jedoch in der deutschen Sprache, so schließt ihn dieser Umstand für sich allein nicht von einer Zugehörigkeit zum dSK aus. Maßgebend ist auch hier eine umfassende Würdigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles.
Wenn es darum geht, die deutsche Sprache „wie eine Muttersprache” zu beherrschen, so wird man allerdings grundsätzlich erwarten können, daß die Deutschkenntnisse mindestens ebenso gut sind wie die Kenntnisse in einer anderen Sprache (vgl dazu OLG München RzW 1970, 255, 256). Insofern hat der 5. Senat des BSG zu Recht Zweifel an der Zugehörigkeit zum dSK geäußert, wenn jemand für persönliche Aufzeichnungen und den Schriftverkehr eine andere Sprache als Deutsch benutzt hat (vgl BSG, Urteil vom 13. September 1990 – 5 RJ 3/90 -, Umdr S 6). Ausschlaggebend sind jedoch die jeweiligen individuellen Lebensumstände. Zunächst ist insoweit zu unterscheiden, ob Deutsch die Muttersprache des Verfolgten ist oder nicht. Ein Verfolgter mit einer anderen Muttersprache kann dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache in Wort und Schrift in gleicher Weise beherrscht hat wie ein entsprechender Verfolgter aus einem deutschsprachigen Elternhaus (vgl BGH RzW 1974, 243). Bei deutscher Muttersprache kommt es insbesondere darauf an, ob für den Verfolgten eine zumutbare Möglichkeit bestanden hat, die deutsche Schriftsprache zu erlernen (vgl BGH RzW 1980, 22, 23; LVA Rheinprovinz, AmtlMittLVARheinpr 1986, 225, 229; allgemein dazu auch BVerwG Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr 64). Dies hängt vornehmlich davon ab, ob er eine deutsche Schule besuchen oder zumindest schulischen Deutschunterricht erhalten konnte (vgl BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 - 4 RA 40/88 - Umdr S 9 f; Urteil vom 16. August 1990 - 4 RA 18/89 - Umdr S 9 f; Urteil vom 17. Dezember 1992 - 4 RA 2/91 - Umdr S 9; allgemein dazu auch von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, § 6 BVFG Anm 4d). War das nicht der Fall, ist weiter zu prüfen, ob die Eltern in der Lage waren, dem Betreffenden Deutsch nicht nur mündlich zu vermitteln, sondern ihm auch das Lesen und Schreiben dieser Sprache beizubringen bzw durch Privatunterricht beibringen zu lassen. Schließlich kann in diesem Zusammenhang auch eine allgemeine Unterdrückung der deutschen Sprache im Herkunftsgebiet des Verfolgten von Bedeutung sein (vgl zB BVerwG Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr 86).
Das zweite sprachbezogene Merkmal des dSK betrifft den Sprachgebrauch. Bei der Frage, ob die deutsche Sprache im persönlichen Lebensbereich zumindest überwiegend benutzt worden ist, sind grundsätzlich alle Formen der sprachlichen Kommunikation (Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben) in Betracht zu ziehen (vgl dazu allgemein BGH RzW 1970, 503, 506; LVA Rheinprovinz, AmtlMittLVARheinpr 1986, 225, 230). Dazu können neben dem mündlichen Austausch in der Familie auch die Lektüre von Büchern und Zeitschriften, das Verfassen persönlicher Aufzeichnungen sowie der Briefwechsel mit Verwandten und Bekannten gehören. Auch in diesem Zusammenhang ist wiederum auf die persönlichen Verhältnisse des Verfolgten abzustellen. Ausgehend von der Gesamtheit seiner individuellen Kommunikation im persönlichen Lebensbereich ist mithin zu prüfen, ob dabei die deutsche Sprache überwiegend Verwendung gefunden hat.
Gemessen an diesen Kriterien reichen die Tatsachenfeststellungen des LSG, das sich insoweit im wesentlichen auf die Ausführungen des SG gestützt hat, insgesamt gesehen aus, um die Glaubhaftmachung einer (damaligen) Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK zu verneinen. Was das Beherrschen des Deutschen wie eine Muttersprache anbelangt, so hat das LSG allerdings offenbar angenommen, daß dazu zwingend das Lesen und Schreiben gehörten. Von diesem nach Auffassung des erkennenden Senats unzutreffenden rechtlichen Standpunkt aus, haben sich die Vorinstanzen konsequenterweise nicht mit der Frage befaßt, ob die Klägerin die Möglichkeit gehabt, aber nicht genutzt hat, die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Dazu hätte an sich – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – insofern besondere Veranlassung bestanden, als nach den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen in den damaligen Wohnorten der Klägerin (S M und S) im maßgeblichen Zeitraum ihres Schulbesuches keine deutschen Schulen existierten. Dieser Ermittlungsmangel wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, da das SG und ihm folgend das LSG auch einen überwiegenden Gebrauch der deutschen Sprache durch die Klägerin in ihrem persönlichen Lebensbereich nicht als glaubhaft gemacht angesehen haben. Die dieser Beurteilung zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen hat die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Sie hat sich vielmehr im wesentlichen mit der Frage ihrer mangelnden Beherrschung der deutschen Schriftsprache befaßt. Jedenfalls fehlt es an zielgerichteten und formgültigen (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG) Angriffen der Klägerin gegen das bei der Ermittlung und Würdigung der konkreten Tatsachen zum Sprachgebrauch eingehaltene tatrichterliche Verfahren. Damit hat der erkennende Senat die betreffenden Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl § 163 SGG). Es fehlt demnach ein wesentliches Merkmal für die Bejahung einer dSK-Zugehörigkeit der Klägerin.
Kann demzufolge nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin seinerzeit dem dSK zuzurechnen war, so vermag diese auch aus dem am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 17a FRG keine Rechte herzuleiten. Denn diese Bestimmung begünstigt ebenfalls nur Personen, die dem dSK angehört haben. Ebensowenig ergibt sich aus dem Abk Israel SozSich ein Anspruch der Klägerin auf Anrechnung ihrer in Rumänien und Ungarn zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte hat mithin eine Gewährung von ARG an die Klägerin mit Bescheid vom 23. September 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1994 zu Recht abgelehnt.
Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge sowie eine Rentenzahlung nach dem ZAbk Israel SozSich begehrt. Durch Art 1 dieses ZAbk ist dem Schlußprotokoll des Abk Israel SozSich eine Nr 11 angefügt worden, wonach die in Art 3 Abs 1 Buchst a und b des Abk bezeichneten Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, ua dem dSK angehört haben, auf Antrag freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachentrichten können, sofern für sie durch die Anwendung des § 17a FRG erstmals Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie nach den Feststellungen des LSG im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum dSK gehört hat. Damit scheidet auch insoweit eine Rentenzahlung aus. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen