Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist nach § 111 S 1 SGB 10. Unbeachtlichkeit des Fristablaufs bei schwerem Verstoß des erstattungspflichtigen Leistungsträgers gegen seine Pflicht zu enger Zusammenarbeit
Leitsatz (amtlich)
Versäumt der erstattungsberechtigte Leistungsträger die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB 10, weil der erstattungspflichtige Leistungsträger schwer gegen seine Pflicht zu enger Zusammenarbeit verstoßen hat, so kann der Fristablauf unbeachtlich sein (Fortentwicklung von BSG vom 28.03.2000 - B 8 KN 3/98 U R = BSGE 86, 78 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8).
Normenkette
SGB 10 §§ 86, § 86ff, § 111 Sätze 1-2; KVLG § 29 Abs. 1 S. 2; KVLG 1989 § 29 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für stationäre Krankenhausbehandlung und häusliche Krankenpflege, die sie für die Versicherte H. C. erbracht hat.
Die Versicherte war bei der Klägerin, einer Ersatzkasse, familienversichert. Am 1.7.1999 beantragte die Versicherte bei der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 16.5.2001 teilte die LAK dies der Beklagten mit, der für die Versicherte örtlich zuständigen landwirtschaftlichen Krankenkasse. Diese unterrichtete hiervon mit Schreiben vom 17.5.2001 die Klägerin. Unter dem 30.5.2001 stellte die Beklagte der Versicherten gegenüber fest, dass diese seit dem 1.7.1999 bei ihr kranken- und pflegeversichert sei; eine Mitteilung hierüber versandte sie am Folgetag an die Klägerin.
Mit Bescheid vom 31.1.2002 (bestandskräftig am 4.3.2002) lehnte die LAK den Antrag der Versicherten mangels Erfüllung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen ab. Seitdem ist die Versicherte wieder als Familienangehörige bei der Klägerin krankenversichert.
Mit Schreiben vom 12.6.2001 machte die Klägerin bei der Beklagten Erstattungsansprüche für Leistungen geltend, die sie seit dem 1.7.1999 für die Versicherte erbracht hatte. Mit Schreiben vom 20.9.2001 konkretisierte sie ihre Aufwendungen; sie verlangte die Erstattung von 16.306,26 DM für eine vom 1.8.1999 bis 3.9.1999 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten sowie 6.023,50 DM für im Zeitraum 1.7.1999 bis 30.6.2001 erbrachte häusliche Krankenpflege. Hinsichtlich der häuslichen Krankenpflege ab Juni 2000 erkannte die Beklagte den Anspruch an, verweigerte aber die Erstattung der im Übrigen geltend gemachten Aufwendungen für Krankenhausbehandlung und Krankenpflege in Höhe von 9.718,75 Euro.
Am 23.5.2002 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von 9.718,75 Euro erhoben. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.2.2005). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin im Klageverfahren geltend gemachten Erstattungsansprüche seien nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, weil seit dem letzten Tag des Leistungszeitraums ein Jahr verstrichen sei. Die Ausschlussfrist habe auch nicht nach § 111 Satz 2 SGB X später begonnen. Denn diese Vorschrift sei nach ihrem Sinngehalt auf alle Fälle anfänglicher Unzuständigkeit nach § 105 SGB X nicht anwendbar, weil sie an die Kenntnis von einer Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers anknüpfe. Bei anfänglicher Unzuständigkeit hänge die mangelnde Leistungspflicht des erstattungsberechtigten Trägers aber von keiner Entscheidung des erstattungspflichtigen Trägers ab.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision, deren Einlegung die Beklagte zugestimmt hat, rügt die Klägerin die Verletzung des § 111 Satz 2 SGB X: Diese Vorschrift finde auch bei Erstattungsansprüchen nach § 105 SGB X Anwendung, weil weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Ausnahme geboten sei. Damit komme es für den Lauf der Frist auf den Zeitpunkt an, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Die Beklagte habe erst mit Bescheid vom 30.5.2001 die Mitgliedschaft der Versicherten rückwirkend ab 1.7.1999 festgestellt; sie - die Klägerin - habe objektiv keine Möglichkeit gehabt, vorher einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten anzumelden. Gerade für solche Fälle sei der spätere Beginn der Frist nach § 111 Satz 2 SGB X eingeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Hamburg vom 23.2.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 9.718,75 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtenen Urteil für zutreffend und verweist auf das mittlerweile ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.5.2005 (Az B 1 KR 20/04 R; SozR 4-1300 § 111 Nr 3 = SGb 2005, 398 = ZfS 2005, 227 = KrV 2005, 225) .
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Dessen Tatsachenfeststellungen lassen noch keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 9.718,75 Euro zusteht.
1. Das SG hat zunächst zu Recht auf § 111 Satz 1 SGB X abgestellt, wonach der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Die Klägerin hat den hier noch streitbefangenen Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 12.6.2001 geltend gemacht (zu den Anforderungen an die Geltendmachung des Anspruches vgl BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 37 ff = SGb 2001, 149, 151 f) . Zu diesem Zeitpunkt waren offenbar bereits zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die betreffenden Leistungen erbracht wurden, verstrichen (vgl zur Fristberechnung § 26 SGB X iVm §§ 187 ff BGB; BSGE 65, 31, 37 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 23 = SGb 1990, 159, 162) . Dazu hat das SG zwar keine näheren Feststellungen getroffen, mangels entgegenstehender Äußerungen der Beteiligten gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Annahme nicht zutreffen könnte.
2. Die Zwölf-Monats-Frist des § 111 Satz 1 SGB X ist auch nicht später in Gang gesetzt worden. Zwar beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 Satz 2 SGB X in der seit 1.1.2001 geltenden Fassung, geändert durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1983).
Diese Gesetzesfassung ist auch auf den vorliegenden Erstattungsstreit anzuwenden. Denn die zuvor geltende Fassung des § 111 Satz 2 SGB X, wonach der Lauf der Frist bereits mit der Entstehung des Erstattungsanspruches begann (§ 111 Satz 2 SGB X in der vom 1.7.1983 bis 31.12.2000 geltenden Fassung, eingeführt durch Gesetz vom 4.11.1982, BGBl I 1450) , findet nur noch Anwendung auf Fälle, in denen die Zwölfmonatsfrist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruch nach altem Recht am 1.6.2000 schon abgelaufen war (BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 1 S 3 ff; BSG, Urteil vom 24.2.2004 - B 2 U 29/03 R - juris) . Diese nach altem Recht zu berechnende Frist zu Geltendmachung war hier am 1.6.2000 hinsichtlich keines Teils der noch streitigen Erstattungsforderung abgelaufen. Der auf § 105 SGB X beruhende Erstattungsanspruch entsteht mit der Leistung des unzuständigen Trägers (BSG SozR 2200 § 1504 Nr 8 S 30; BSG, Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 16/92 - HV-Info 1993, 1269, 1271; BSGE 86, 78, 80 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 27; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 36) . Alle Leistungen, für die die Klägerin von der Beklagten Erstattung verlangt, sind ab dem 1.7.1999 und damit weniger als zwölf Monate vor dem 1.6.2000 erbracht worden.
§ 111 Satz 2 SGB X kommt aber vorliegend nicht zur Anwendung. Eine Entscheidung über die Leistungspflicht, von der die Klägerin hätte Kenntnis nehmen können, ist von der Beklagten nicht getroffen worden und musste von dieser auch nicht getroffen werden, sodass ein späterer Beginn des Laufs der Frist ausscheidet.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Schreiben der Beklagten vom 30.5.2001 an die Versicherte keine Entscheidung über die Leistungspflicht iS von § 111 Satz 2 SGB X. Dieses Schreiben bezieht sich lediglich auf die bereits kraft Gesetzes eingetretene Versicherungspflicht der Klägerin in der Krankenversicherung und hat rein deklaratorischen Charakter (vgl BSGE 84, 98, 99 f = SozR 3-2400 § 3 Nr 6 S 7; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 RdNr 68) . Zwar erfasst § 111 Satz 2 SGB X auch deklaratorische Entscheidungen über das Bestehen eines Sozialrechtsverhältnisses, aus dem sich Leistungsansprüche ableiten lassen. Dies zeigt das in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/4375 S 60) zur Begründung herangezogene Urteil des BSG vom 28.3.2000 (BSGE 86, 78 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 = SGb 2000, 410 = NZS 2001, 56) , dem eine rückwirkende Anerkennung des Vorliegens einer Berufskrankheit zugrunde lag. Der feststellende Verwaltungsakt der Beklagten vom 30.5.2001 konnte und sollte jedoch für die Versicherte keine Ansprüche auf diejenigen Leistungen begründen, die bereits von der Klägerin erbracht worden waren und jetzt Grundlage des streitigen Erstattungsanspruchs sind. Es handelt sich dabei um Naturalleistungen, die ihrer Art nach von einem anderen Träger desselben Sozialversicherungszweiges nicht noch einmal gewährt werden können. Nach der Rechtsprechung des BSG schließen es gerade die Besonderheiten des Naturalleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung aus, dass die an sich zuständige Krankenkasse gegenüber dem Versicherten in der Sache über die Gewährung solcher Naturalleistungen entscheidet, die bereits von einer unzuständigen Kasse (mit Erfüllungswirkung nach § 107 SGB X) erbracht worden sind (vgl dazu BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 14 ff) .
Ebenso wenig ist in der Ablehnung der Beklagten, den Erstattungsanspruch der Klägerin anzuerkennen, eine "Entscheidung" iS von § 111 Satz 2 SGB X zu sehen. Eine solche Entscheidung ist von § 111 Satz 2 SGB X offensichtlich nicht gemeint. Ihr muss denknotwendig bereits eine Geltendmachung der Ansprüche durch den erstattungsberechtigten Leistungsträger vorausgehen, womit die Regelung bei einem derartigen Verständnis ihren Sinn verlöre (vgl BSG, aaO, RdNr 17 f) .
Eine solche Entscheidung liegt auch nicht in der Entscheidung der LAK über die Rentengewährung. Zum einen ist dies keine Entscheidung des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers, wie sie § 111 Satz 2 SGB X erfordert. Für die Sachleistungen, um deren Erstattung hier gestritten wird, war die Beklagte und nicht die LAK zuständig. Zum anderen begründet die Entscheidung der LAK, hier die Ablehnung der Rente durch Bescheid vom 31.1.2002, nicht die Leistungspflicht der Beklagten, sondern sie setzt ihr ein Ende. Die Versicherungspflicht der Versicherten bei der Beklagten und damit die Unzuständigkeit der Klägerin trat schon mit der Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente bei der LAK ein (vgl § 23 Abs 1 Satz 1 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte ≪KVLG 1989≫). Die Entscheidung über die Rentengewährung hat nur Auswirkungen über die Fortdauer der Rentnerkrankenversicherung (BSGE 41, 85, 87 = SozR 2200 § 381 Nr 7 S 22; Rühling/Renner, KVdR 500 § 189 RdNr 4; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 189 RdNr 6) . Gerade weil die Bearbeitung von Rentenanträgen meist eine geraume Zeit in Anspruch nimmt, soll für den Beginn der Krankenversicherung aus Gründen der Rechtssicherheit und zum umfassenden sozialen Schutz des Versicherten nicht die Entscheidung über den Rentenantrag, sondern bereits die Antragstellung des Versicherten ausschlaggebend sein (BSGE 41, 85, 87 = SozR 2200 § 381 Nr 7; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 189 RdNr 6; Rühling/Renner, KVdR 500 § 189 RdNr 2 f).
3. Nach dem bisher vom SG festgestellten Sachverhalt besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Beachtung des Ablaufs der Ausschlussfrist der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Zur Klärung dieser Frage bedarf es noch weiterer Feststellungen, die das Revisionsgericht im Hinblick auf § 163 SGG nicht selbst treffen kann. Das Verfahren ist daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das SG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Die in § 111 Satz 1 SGB X normierte Frist ist eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist (BT-Drucks 9/95 S 26 f) . Deshalb ist es dem Erstattungsberechtigten zwar regelmäßig verwehrt, dem Erstattungsverpflichteten, dem die Ausschlussfrist zugute kommt, unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten (BSGE 86, 78, 83 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8) . Dieser Grundsatz findet aber dann keine Anwendung, wenn die Versäumung der Ausschlussfrist auf ein grob rechtswidriges, zB vorsätzliches Verhalten dessen zurückzuführen ist, der durch die Ausschlussfrist begünstigt wird (BSGE 22, 257, 259 f = SozR Nr 2 zu § 143l AVAVG) . Schon unter Geltung des § 111 SGB X aF hat das BSG den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung für die Fälle in Betracht gezogen, in denen der Erstattungsberechtigte absichtlich davon abgehalten wird, seinen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen (BSGE 86, 78, 83 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8) . Dies muss erst recht nach der Änderung des § 111 Satz 2 SGB X gelten, mit der der Gesetzgeber in gewissen Grenzen materieller (Ausgleichs-)Gerechtigkeit Vorrang vor rascher Rechtssicherheit eingeräumt hat, wie sie durch Ausschlussfristen gewährleistet wird (vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 13) . Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung findet nicht nur im Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger, sondern auch im Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern Anwendung. Diese trifft eine Pflicht zu enger Zusammenarbeit untereinander (§§ 86 ff SGB X); bei deren Verletzung besteht ein Beanstandungsrecht, bei groben Verletzungen sogar ein "Herstellungsanspruch" (BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 6 = SGb 1986, 162, 164; BSG DRV 1985, 566, 568; Seewald, SGb 1986, 1133, 1135 f; ders in KassKomm, § 86 SGB X RdNr 112 ff; Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 86 RdNr 8) . Ob der Klägerin diese Grundsätze zugute kommen, lässt sich noch nicht beurteilen.
Bisher steht lediglich fest, dass die Klägerin die Ausschlussfrist allein deshalb versäumt hat, weil ihr die erfolgte Rentenantragstellung mit großer Verspätung mitgeteilt worden ist. Sie selbst hat ihre Ansprüche unverzüglich nach Eingang der Mitteilung geltend gemacht. Die verspätete Meldung ist nicht von der Beklagten selbst verursacht worden, die ihrerseits die bei ihr eingegangene Information unverzüglich an die Klägerin weitergegeben hat. Vielmehr hat offenbar die LAK ihre Meldepflichten verletzt. Diese hat nach § 29 Abs 1 Satz 2 KVLG 1989 die Meldung unverzüglich an die landwirtschaftliche Krankenkasse weiterzugeben. Soweit ersichtlich, hat die LAK die am 1.7.1999 erfolgte Rentenantragstellung der Versicherten erst am 17.5.2001 der Beklagten mitgeteilt. Eine darin liegende Pflichtverletzung müsste sich die Beklagte zurechnen lassen. Denn das Fehlverhalten einer anderen Behörde ist einem Sozialversicherungsträger immer dann anzulasten, wenn dieser Teile des Verwaltungsverfahrens organisatorisch auf die andere Behörde verlagert hat und ihm der Fehler wegen dieser Delegation nicht selbst unterlaufen ist; dies ist regelmäßig bei der gegenüber dem Rentenversicherungsträger vorzunehmenden Meldung zur Krankenversicherung der Rentner der Fall (vgl hierzu BSGE 51, 89, 94 ff = SozR 2200 § 381 Nr 44 S 121 ff) . Darüber hinaus geht das Gesetz von einer engen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung aus (vgl § 18 Abs 1 Satz 1 KVLG 1989) ; § 18 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 sieht die Einrichtung gemeinsamer Verwaltungsstellen vor.
Ein derartiger Pflichtverstoß ließe eine Berufung auf die Ausschlussfrist jedenfalls dann als rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn die verzögerte Meldung auf der Absicht beruhte, im Hinblick auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X die Realisierung zumindest eines Teils der Erstattungsforderungen zu verhindern (vgl BSGE 86, 78, 83 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8) . Rechtsmissbräuchlich könnte das Verhalten der Beklagten aber auch dann sein, wenn die eingetretene Verzögerung kein Einzelfall wäre und auf einer offensichtlich mangelhaften Organisation von Arbeitsabläufen bei der Beklagten oder der LAK beruhte. Das SG wird also insbesondere zu ermitteln haben, warum die LAK für die einfache Mitteilung der Rentenantragstellung, die keiner weiteren rechtlichen Bewertung bedurfte, offenbar über 22 Monate benötigte.
Sollte einem Erstattungsanspruch hier ausnahmsweise § 111 SGB X nicht entgegenstehen, wird das SG weiter festzustellen haben, ob die Beklagte im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich die für die Versicherte zuständige Krankenkasse war. Dabei wären insbesondere die Voraussetzungen des § 23 Abs 2 und 3 KVLG 1989 zu prüfen. Dies hat das SG bisher - aus seiner rechtlichen Sicht folgerichtig - unterlassen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten. Bei Zurückverweisung der Sache ist allerdings eine Festsetzung des Streitwerts vorzunehmen (vgl BSG SozR 4-2600 § 118 Nr 2 = NZS 2006, 370, 374; Meyer, Gerichtskostengesetz ≪GKG≫, 8. Aufl 2006, § 63 RdNr 16) . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 2, § 52 Abs 1 und 3 GKG idF des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl I 718), die nach § 72 Nr 1 Halbsatz 2 GKG auf das vorliegende Revisionsverfahren anzuwenden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1777656 |
BSGE 2008, 239 |