Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhaus. stationäre Behandlung eines Frühgeborenen. keine Abrechnung der Fallpauschale 16.02 bzw eines tagesgleichen Pflegesatzes bei Verlegung am Tag der Geburt
Leitsatz (amtlich)
Für die stationäre Behandlung eines Frühgeborenen kann weder die Fallpauschale 16.02 (Fassung 1.1.1998) noch ein tagesgleicher Pflegesatz abgerechnet werden, wenn das Kind am Tag der Geburt in ein anderes Krankenhaus verlegt wird.
Normenkette
BPflV § 10 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, § 13 Abs. 2 J: 1994, § 14 Abs. 2 S. 1 J: 1994, § 15 Abs. 1 Nr. 1 J: 1994; BPflV Anl. 1 Nr. 16.02; SGB V § 109 Abs. 4 S. 3; KHG § 17
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 19.02.2004) |
SG Wiesbaden (Urteil vom 06.06.2001) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
In dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus gebar eine Versicherte der beklagten Krankenkasse am 23. Januar 1999 um 0.15 Uhr ein Kind, das noch am selben Tag um 1.30 Uhr zur weiteren pädiatrischen Behandlung in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde. Es handelte sich um eine Frühgeburt zwischen dem 225. und 259. Schwangerschaftstag. Die Klägerin stellte der Beklagten am 2. Februar 1999 insgesamt 6.764,93 DM in Rechnung, wobei sie die Fallpauschalen 16.071 und 16.02 zu Grunde legte. Die Beklagte beglich diese Forderung zunächst in voller Höhe, forderte jedoch mit Schreiben vom 5. Oktober 1999 einen Teilbetrag von 1.473,82 DM zurück, weil die Fallpauschale 16.02 zu Unrecht in Ansatz gebracht worden sei. Der hierfür notwendige Mindestaufenthalt von einem Belegungstag setze voraus, dass die Behandlung des Neugeborenen im Krankenhaus über Mitternacht hinaus andauere. Daran fehle es bei einer Verlegung des Neugeborenen in ein anderes Krankenhaus noch am Tage der Geburt. Im weiteren Verlauf rechnete die Beklagte am 12. Januar 2000 mit ihrem Rückzahlungsanspruch gegen einen Vergütungsanspruch der Klägerin über 11.690,61 DM aus späteren Behandlungsfällen auf.
Die Klägerin meint, der für die Abrechnung der Fallpauschale 16.02 erforderliche Mindestaufenthalt des Kindes von einem Belegungstag sei gegeben, weil bereits der Aufnahmetag der erste Belegungstag sei und die Geburt eines Kindes im Krankenhaus gleichzeitig dessen Krankenhausaufnahme darstelle.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1.473,82 DM (jetzt: 753,55 €) nebst 6 % Zinsen seit dem 13. Januar 2000 zu zahlen (Urteil vom 6. Juni 2001). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Februar 2004): Die Textdefinition “Mindestaufenthalt ein Belegungstag” schließe die Abrechnung der Fallpauschale 16.02 aus, wenn das Neugeborene noch am Tag der Geburt in ein anderes Krankenhaus verlegt werde. Wenn der Aufnahmetag ausnahmslos als Belegungstag gelte, wären die Voraussetzungen dieser Fallpauschale stets erfüllt und die ausdrückliche tatbestandliche Beschränkung auf mindestens einen Belegungstag überflüssig und sinnlos. Der Aufnahmetag gelte daher nur dann als Belegungstag, wenn die Behandlung des Neugeborenen über Mitternacht hinausreiche und die Verlegung erst am folgenden Tag erfolge.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 14 Abs 1 und 4 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) iVm dem Fallpauschalen-Katalog nach § 15 Abs 1 Nr 1 BPflV. Sie sieht die Voraussetzungen der Fallpauschale 16.02 auch dann als erfüllt an, wenn das Frühgeborene am Tag der Geburt vor seiner Verlegung nur stundenweise im Krankenhaus versorgt worden ist, ohne dass zugleich ein Datumswechsel stattgefunden haben muss. Bei einem Frühgeborenen fielen stets besondere diagnostische und therapeutische Maßnahmen an, die von der Fallpauschale 16.071 für die Entbindung nicht erfasst und mit der Fallpauschale 16.02 zusätzlich zu vergüten seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 19. Februar 2004 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Wiesbaden vom 6. Juni 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach den §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin konnte für die Behandlung des Frühgeborenen am 23. Januar 1999 die Fallpauschale 16.02 nicht ansetzen. Auch ein tagesgleicher Pflegesatz stand ihr für die Behandlung nicht zu. Die Beklagte hat wegen des zu Unrecht überwiesenen Betrags von 753,55 € (1.473,82 DM) einen Erstattungsanspruch in gleicher Höhe, mit dem sie rechtmäßig die Aufrechnung gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus späteren Behandlungsfällen erklärt hat.
1. Richtigzustellen ist zunächst die Darstellung des LSG, streitbefangen sei ein Vergütungsanspruch der Klägerin auf der Grundlage des zwischen ihr und der Beklagten nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Es geht im vorliegenden Rechtsstreit nicht um den Zahlungsanspruch der Klägerin wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts des Kindes am 23. Januar 1999, denn die Beklagte hat die dafür angesetzte Vergütung nach der Fallpauschale 16.02 in Höhe von 1.473,82 DM bereits auf Grund damaliger Rechnungsstellung der Klägerin am 10. Februar 1999 gezahlt. Streitig ist vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, gegen eine spätere Forderung der Klägerin nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch in gleicher Höhe aufzurechnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die gesonderte Vergütung der stationären Behandlung des Kindes besaß und deshalb zu Unrecht um den Betrag von nun 753,55 € bereichert ist. Da ein solcher Rückzahlungsanspruch zu bejahen war, brauchte nicht geklärt zu werden, ob das Kind – wie seine Mutter – bei der Beklagten versichert war, zB im Wege der Familienversicherung nach § 10 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Anders als in der Rechnung vom 2. Februar 1999 vermerkt, kann die Fallpauschale 16.02 nämlich nicht wegen der Behandlung der Mutter, sondern nur wegen der Behandlung des Kindes in Rechnung gestellt werden, sofern die Voraussetzungen der Fallpauschale erfüllt sind.
2. Der Klägerin stand Anfang Januar 2000 ein – zwischen den Beteiligten auch unstreitiger – Zahlungsanspruch in Höhe von 11.690,61 DM gemäß Rechnung vom 3. Januar 2000 wegen laufender Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten aus dem Jahre 1999 zu (Hauptforderung). Rechtsgrundlage dieses Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in der seit 1. Januar 1993 gültigen Fassung (BGBl 1992 I S 2266) iVm der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1999. Der gesetzlichen Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser (§ 109 Abs 4 Satz 2 SGB V) steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der BPflV in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhaus festgelegt wird (vgl BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3), soweit – wie hier – noch nicht das DRG-Vergütungssystem anzuwenden ist (vgl § 1 BPflV in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. April 2002, BGBl I S 1412). Hier hat das LSG allerdings nicht ausdrücklich festgestellt, welche Vergütungsansprüche der Klägerin auf Grund welcher konkreten Krankenhausbehandlungen im Januar 2000 fällig gewesen sind. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Klägerin gegen die Beklagte laufende Zahlungsansprüche wegen der Krankenhausbehandlung von Versicherten Ende 1999 zumindest in der Höhe von 11.690,61 DM (Rechnung vom 3. Januar 2000) erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit.
3. Die Klageforderung ist erloschen.
a) Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Monat Januar 2000 bis auf einen Rest von 753,55 € durch Zahlung erfüllt und hinsichtlich dieses Restbetrags rechtswirksam die Aufrechnung mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung erklärt. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen, zu denen die Beziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern im System der gesetzlichen Krankenversicherung seit jeher gehören, an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt (BSGE 93, 131 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2). Die Aufrechnung ist grundsätzlich zulässig, denn auch trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I), der die Aufrechnung unter bestimmten – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen zulässt, besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten (vgl BSGE 93, 131 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, und zur Aufrechnung als Institut des öffentlichen Rechts allgemein BSGE 75, 283, 284 ff = SozR 3-2400 § 28 Nr 2 sowie BSGE 63, 224, 230 f = SozR 1300 § 48 Nr 47 – jeweils mwN). Die Leistung der Beklagten vom 10. Februar 1999 erfolgte im vorliegenden Fall ohne Rechtsgrund, denn die Klägerin durfte weder die Fallpauschale 16.02 noch – hilfsweise – den Abteilungspflegesatz und den Basispflegesatz für einen Tag vollstationärer Behandlung in Rechnung stellen (§§ 1 Abs 1, 2 Abs 1, 14 Abs 2 Satz 1 BPflV in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung).
b) Der als Anlage zur BPflV bekannt gemachte “Bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser” in der hier maßgeblichen, ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung der 5. Änderungsverordnung zur BPflV vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874) enthält zu der hier streitigen Fallpauschale 16.02 folgende Leistungsbeschreibung: “Geburt ab dem 225. bis 259. Schwangerschaftstag (ab 33. bis 37. Schwangerschaftswoche); Versorgung eines Frühgeborenen auf der Säuglingsstation oder im Säuglingszimmer; einschließlich der Versorgung eines nach der Geburt erkrankten Frühgeborenen bis zu dessen interner oder externer pädiatrischer Verlegung oder nach dessen Rückverlegung; Mindestaufenthalt ein Belegungstag; nach Rückverlegung zwei aufeinander folgende Belegungstage (ohne Verlegungs- und Entlassungstag), nur einmal abrechenbar.”
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn für die ausschließlich am 23. Januar 1999 erfolgte stationäre Behandlung des Neugeborenen im Krankenhaus der Klägerin fehlt es an der Voraussetzung des Mindestaufenthalts von einem Belegungstag.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind Fallpauschalen und Sonderentgelte allgemein streng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach dem systematischen Zusammenhang, auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (BSG SozR 3-5565 § 15 Nr 1; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 2). Denn eine Vergütungsregelung, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein strikt nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen lässt. Soweit sich in der Praxis herausstellt, dass es bei der wortgetreuen Auslegung zu Ungereimtheiten kommt, ist es Aufgabe der Vertragspartner, dies durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen- bzw Sonderentgeltkataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben, ggf unter Inanspruchnahme der Schiedsstelle nach § 18a Abs 6 KHG (BSG aaO).
Hiernach sind die Voraussetzungen der Fallpauschale 16.02 nicht gegeben, denn das frühgeborene Kind wurde zwar nach der Entbindung am 23. Januar 1999 um 0.15 Uhr auf der Säuglingsstation bzw im Säuglingszimmer aufgenommen, jedoch noch am selben Tag um 1.30 Uhr in ein anderes Krankenhaus zur weiteren pädiatrischen Behandlung verlegt. Ist der Aufnahmetag aber gleichzeitig der Verlegungstag, so liegen die Voraussetzungen der Fallpauschalendefinition nicht vor; denn andernfalls liefe die zusätzliche Bedingung “Mindestaufenthalt ein Belegungstag” ins Leere, weil jedes noch so kurze Verweilen des Säuglings auf der Säuglingsstation nach der Entbindung die Fallpauschale 16.02 auslösen würde. Das Tatbestandsmerkmal “Mindestaufenthalt ein Belegungstag” wäre schlechthin überflüssig und sinnlos. Der Beklagten ist daher zuzustimmen, wenn sie das Merkmal des Mindestaufenthalts von einem Belegungstag erst dann als erfüllt ansieht, wenn der Säugling über Mitternacht des Aufnahmetags hinaus im Krankenhaus weiter behandelt wurde (ebenso Scheinert/Straub/Riegel/Strehlau-Schwoll/Schmolling/Tschubar, Handbuch zur Abrechnung von Krankenhausleistungen, Stand Februar 2002, Erläuterungen zur Fallpauschale 16.02). Demgegenüber spielt die durch das SG in den Mittelpunkt gestellte Frage, ob damit die Leistung des Krankenhauses bei der – regelmäßig aufwändigen – Versorgung eines Frühgeborenen unmittelbar nach der Geburt noch ausreichend vergütet wird, keine Rolle, weil dies die Bewertungsrelationen betrifft, die nach der Rechtsprechung des BSG gerade außer Betracht zu bleiben haben.
Der Mindestaufenthalt von einem Belegungstag ist bewusst eingeführt worden. Bis zum 31. Dezember 1997 war die Fallpauschale 16.02 noch wie folgt definiert: “Risikogeburt ab 225. bis 259. Schwangerschaftstag, ohne verlegungsrelevante Diagnose; Versorgung des Frühgeborenen, außer bei einer verlegungsrelevanten Krankheitsart oder bei Intensiv-Versorgung”. Die ab 1. Januar 1998 geltende neue Definition der Fallpauschale 16.02 zeigt also nicht nur eine inhaltliche Neufassung, sondern weist auch erstmals eine zeitliche Mindestgrenze, nämlich den Mindestaufenthalt von einem Belegungstag, auf. Die Einführung einer solchen zeitlichen Mindestgrenze wäre von vornherein ohne Sinn und Zweck, wenn der Tag der Aufnahme (die bei der Geburt des Kindes im Krankenhaus durch die Vollendung der Geburt und bei der Geburt des Kindes außerhalb des Krankenhauses durch die Aufnahmeentscheidung des behandelnden Krankenhausarztes bestimmt wird) stets der erste Belegungstag wäre und auf diese Weise entgegen der erkennbaren Absicht der Verfasser der neuen Fallpauschalendefinition jedes noch so kurze Verweilen des Neugeborenen im Krankenhaus zwischen Aufnahme und Verlegung die Fallpauschale 16.02 auslösen würde.
Die Folgerung, sehr kurze, nicht über Mitternacht des Aufnahmetags hinausreichende Behandlungen von Neugeborenen seien von der Fallpauschale 16.02 ausgeschlossen, wird bestärkt durch die weitere zeitliche Grenze von “zwei aufeinander folgenden Belegungstagen (ohne Verlegungs- und Entlassungstag)”, die für alle Fälle der Rückverlegung der Neugeborenen gilt. Diese zweite Alternative (Behandlung nach Rückverlegung) könnte wegen des ausdrücklichen Ausschlusses der Doppelberechnung der Fallpauschale 16.02 (“nur einmal anrechenbar”) niemals relevant werden und wäre daher überflüssig, wenn immer schon jede Behandlung eines Neugeborenen am Aufnahmetag die Tatbestandsvoraussetzung “Mindestaufenthalt ein Belegungstag” der ersten Alternative (Behandlung vor der Verlegung) erfüllen und damit die Fallpauschale 16.02 abrechenbar machen würde. Die zweite Alternative kann nur dann eine eigenständige Bedeutung gewinnen, wenn es Behandlungsfälle gibt, bei denen die Behandlung des Neugeborenen am Aufnahmetag vor der Verlegung die zeitlichen Voraussetzungen der ersten Alternative nicht erfüllt. Die Bedeutung der zeitlichen Komponente der ersten Alternative wird schließlich dadurch unterstrichen, dass die zweite Alternative sogar zwei volle Kalendertage der Behandlung nach der Rückverlegung des Neugeborenen erfordert.
c) An Stelle der Fallpauschale kann hier auch kein tagesgleicher Pflegesatz berechnet werden. Ist der Ansatz einer Fallpauschale oder eines Sonderentgelts nicht möglich, bleibt zwar grundsätzlich die Möglichkeit, eine stationäre Krankenhausbehandlung, zu der auch die Versorgung und Pflege eines Kindes unmittelbar nach der Geburt im Krankenhaus gehört (BSGE 61, 197 = SozR 7323 § 9 Nr 1), nach tagesgleichen Pflegesätzen abzurechnen (§ 13 Abs 2 BPflV). Bei den tagesgleichen Pflegesätzen kommt es nicht auf Belegungstage (wie bei den Fallpauschalen) an, sondern auf Berechnungstage (§ 14 Abs 2 BPflV), und der Aufnahmetag zählt dort als Berechnungstag, auch wenn noch am gleichen Tag die stationäre Behandlung in dem Krankenhaus beendet wird (zB infolge Entlassung oder Verlegung). Eine quotenmäßige Differenzierung bei einer Verweildauer von weniger als 24 Stunden ist dabei prinzipiell nicht mehr vorgesehen (vgl Tuschen/Quaas, BPflV, 5. Aufl 2001, Erl § 14 BPflV, S 327).
Im vorliegenden Fall gilt indes eine Ausnahme von dieser Regel. Nach § 10 Abs 2 Satz 2 BPflV werden, falls bei einem “Neugeborenen” (zu denen auch alle “Frühgeborenen” zählen, vgl die Fallpauschalendefinitionen zu 16.01, 16.02 und 16.03) eine Fallpauschale nicht berechnet werden kann, die allgemeinen Krankenhausleistungen mit den für die Versorgung der Mutter berechneten Pflegesätzen (§ 10 Abs 1 BPflV) abgegolten, wobei zu den Pflegesätzen als Unterfall auch die Fallpauschalen zählen (§ 10 Abs 1 Nr 1 BPflV). Dies gilt nur dann nicht, wenn das Neugeborene in eine Abteilung oder besondere Einrichtung, insbesondere in eine pädiatrische Abteilung oder eine neonatologische Intensiveinrichtung, verlegt wird. Dies war bei der Behandlung des Kindes im Säuglingszimmer des Krankenhauses der Klägerin nicht der Fall. Daher deckt die berechnete und von der Beklagten gezahlte Fallpauschale 16.071, die für die Behandlung der Mutter angefallen ist, die Behandlung des Kindes am 23. Januar 1999 im Krankenhaus der Klägerin mit ab.
d) Der Erstattungsanspruch war auch nicht analog § 814 BGB wegen “Kenntnis der Nichtschuld” ausgeschlossen. Nach den nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war der Beklagten bei Begleichung der Rechnung der Klägerin am 10. Februar 1999 nicht bekannt, dass das Kind noch am Aufnahmetag in ein anderes Krankenhaus verlegt worden war. Dies ergab sich erst aus der Rechnung des die Behandlung fortführenden Krankenhauses vom 23. Februar 1999. Es fehlt daher an der Kenntnis der für die Beurteilung der Rechtslage maßgebenden Tatsachen.
e) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs war nicht nach den in Hessen geltenden vertraglichen Vereinbarungen oder nach der Pflegesatzvereinbarung der Klägerin für das Jahr 1999 ausgeschlossen. Es gibt keine Regelung, nach der die sachliche Unrichtigkeit einer Krankenhausrechnung schon unmittelbar nach deren Zugang oder innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der hier noch anwendbaren und bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001, BGBl I S 2144).
Fundstellen
Haufe-Index 1394987 |
NZS 2006, 202 |
GesR 2005, 469 |
KHuR 2005, 132 |