Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Diagnosecode des systematischen Verzeichnisses des ICD-10-GM. keine Kodierung bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen, auch wenn das alphabetische Verzeichnis und das Exklusivum eines anderen Codes hierauf verweisen. landesvertragliche Regelung. kurze Zahlungsfristen für die Begleichung der Krankenhausrechnung. Auslegung im Einklang mit höherrangigem Recht. keine Verurteilung der Krankenkasse zur Zahlung der Vergütung bei substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwendungen gegen die Abrechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt eine Voraussetzung eines Diagnosekodes des systematischen Verzeichnisses des ICD-10-GM eindeutig nicht vor, kann dieser selbst dann nicht kodiert werden, wenn sowohl das alphabetische Verzeichnis als auch das Exklusivum eines anderen Kodes für eine bestimmte Erkrankung hierauf verweisen.
2. Eine landesvertragliche Regelung zur Vereinbarung kurzer Zahlungsfristen für die Begleichung der Krankenhausrechnung kann im Einklang mit höherrangigem Recht so ausgelegt werden, dass die Krankenkasse hieraus nicht zur Zahlung der Vergütung zu verurteilen ist, wenn sie im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens oder bereits davor substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend macht.
Normenkette
SGB V § 39 Abs. 1, § 109 Abs. 4 S. 3, § 112 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 301 Abs. 2 S. 1; ICD-10-GM; ICD-10-GM 2014
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor in der Hauptsache wie folgt klarstellend neu gefasst wird:
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.10.2020 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.043,40 € vom 23.04.2014 bis zum 07.10.2014 verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4043,40 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus (im Folgenden: Krankenhaus). In diesem wurde vom 15.3. bis 1.4.2014 eine Versicherte der beklagten Krankenkasse (im Folgenden: KK) behandelt. Die Versicherte litt unter anderem an einer Rechtsherzinsuffizienz sowie einer kardiorespiratorischen Herzinsuffizienz. Das Krankenhaus stellte der KK für die Behandlung 6727,58 Euro auf der Grundlage der DRG F62A in Rechnung (Rechnung vom 7.4.2014) . Hierfür verschlüsselte es nach der ICD-10-GM (2014) als Hauptdiagnose I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und als Nebendiagnose unter anderem R09. 2 (Atemstillstand) . Die KK zahlte lediglich einen Betrag iHv 2684,18 Euro für die sich ohne die Nebendiagnose R09.2 ergebende DRG F62B und beauftragte den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung des Behandlungsfalles. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, die Nebendiagnose R09.2 sei anhand der vom Krankenhaus vorgelegten Unterlagen nicht belegt. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme teilte die KK dem Krankenhaus mit, dass ein weitergehender Vergütungsanspruch nicht bestehe (Eingang des Schreibens am 7.10.2014).
Das SG hat die KK zur Zahlung von 4043,40 Euro nebst Zinsen verurteilt (Gerichtsbescheid vom 9.10.2020) . Das LSG hat die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, mit Ausnahme des Zinsanspruchs für den Zeitraum vom 23.4. bis 7.10.2014. Die vom Krankenhaus in Rechnung gestellte Vergütung sei zwar nach § 15 Abs 1 Satz 1 des Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V (im Folgenden: LV-NRW) zunächst fällig geworden. Sie hätte von der KK ungeachtet der durchgeführten Prüfung innerhalb von 15 Kalendertagen beglichen werden müssen. Hieraus ergebe sich die Verpflichtung der KK zur Zahlung von Verzugszinsen. Mit dem Zugang der substantiierten Einwendungen der KK am 7.10.2014 sei die Fälligkeit in der streitigen Höhe aber wieder entfallen. Aufgrund der Einwendungen sei offensichtlich gewesen, dass die Rechnung des Krankenhauses fehlerhaft gewesen sei, da die Nebendiagnose R09.2 nicht habe kodiert werden dürfen. Es habe unstreitig weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen-Versagen vorgelegen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in dem Exklusivum zu dem Code J96 und im alphabetischen Verzeichnis hinsichtlich der kardio-respiratorischen Insuffizienz auf den Code R09.2 verwiesen werde. Die KK sei auch nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist nicht gehindert, diesen Einwand geltend zu machen (Urteil vom 1.9.2022) .
Mit seiner Revision rügt das Krankenhaus eine Verletzung von § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW sowie der wortlautgetreuen Anwendung der Abrechnungsregelungen in Verbindung mit dem Grundsatz, dass so spezifisch wie möglich zu kodieren sei. Die KK habe die fällige und nicht offenkundig fehlerhafte Rechnung nicht kürzen dürfen, da sie innerhalb der 15-tägigen Zahlungsfrist keine substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwendungen geltend gemacht habe. Durch die nach Fristablauf vorgebrachten Einwendungen sei der fällige Vergütungsanspruch nicht wieder entfallen. Die Abrechnung sei zutreffend unter Einbeziehung der Nebendiagnose R09.2 erfolgt.
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Die Klägerin beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 9. Oktober 2020 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
A. Der Tenor des angefochtenen Urteils war gemäß § 138 Satz 1 SGG zu berichtigen.
Das LSG hat den der Klage stattgebenden Gerichtsbescheid des SG ganz überwiegend (bis auf den Zinsanspruch für die Zeit vom 23.4. bis 7.10.2014) aufgehoben. Bereits aus dem Tenor selbst, jedenfalls aber aus den Gründen der Entscheidung des LSG folgt zweifelsfrei, dass die Klage des Krankenhauses "insoweit", dh soweit der stattgebende Gerichtsbescheid aufgehoben wurde, abgewiesen werden sollte, und dass "im Übrigen", also soweit der Gerichtsbescheid bestätigt wurde (hinsichtlich des Zinsausspruches), die Berufung der KK zurückgewiesen werden sollte.
Insoweit liegt eine offenbare Unrichtigkeit des Tenors iS von § 138 Satz 1 SGG vor, die durch den Senat im Rahmen der Revisionsentscheidung von Amts wegen berichtigt werden kann (vgl BSG vom 15.12.2016 - B 5 RE 2/16 R - SozR 4-2600 § 3 Nr 7 RdNr 14 mwN).
B. Die Revision des klagenden Krankenhauses ist unbegründet ( § 170 Abs 1 Satz 1 SGG ) . Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt ( § 162 SGG ) .
Die vom klagenden Krankenhaus erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSG vom 16.8.2021 - B 1 KR 18/20 R - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) . Sie ist aber unbegründet. Dem Krankenhaus steht der geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch nach Maßgabe der DRG F62A nicht zu. Der Code R09.2 war nicht als Nebendiagnose zu verschlüsseln (dazu 1.) . Aus diesem Grund scheidet auch der noch streitige Zinsanspruch (ab dem 8.10.2014) aus. Soweit das LSG darüber hinaus auch einen Zahlungsanspruch aus § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW verneint hat, ist dies revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (dazu 2.) .
1. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl zB BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, 15; BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 77 RdNr 10 mwN; BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11) . Diese Grundvoraussetzungen waren nach den nicht angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG ( § 163 SGG ) vorliegend erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist (vgl zur Zugrundelegung unstreitiger Anspruchsvoraussetzungen BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 26/18 R - juris RdNr 11 mwN) .
Das Krankenhaus hatte Anspruch lediglich auf die von der KK gezahlte Vergütung iHv 2684,18 Euro. Es durfte nach dem maßgeblichen Recht (dazu a) und den dabei anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen (dazu b) den Code R09.2 (Atemstillstand) nicht als Nebendiagnose kodieren (dazu c) . Abzurechnen war deshalb nach der DRG F62B.
a) Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm (Grouper) basiert (vgl § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2014; vgl für die stRspr zum rechtlichen Rahmen der Klassifikationssysteme und des Groupierungsvorgangs: BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 39/17 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 13 und 17 mwN) . Dieser Grouper greift auf Daten zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR (hier Version 2014) für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG , aber auch die Klassifikation des vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) - bzw jetzt Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) - im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen OPS und ICD-10-GM (vgl BSG vom 24.1.2023 - B 1 KR 6/22 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 22 RdNr 11) .
b) Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 16/19 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 16 RdNr 17, jeweils mwN) . Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes ( § 17b Abs 2 Satz 1 KHG ) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN; s zum Ganzen auch BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 12 ff mwN) . Zu den Abrechnungsbestimmungen gehören insbesondere auch die DKR. Dabei kommt auch den in den DKR enthaltenen Erläuterungen zu den einzelnen Kodierrichtlinien normative Wirkung zu, soweit sie ergänzende Regelungen enthalten (vgl BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 15; BSG vom 5.7.2016 - B 1 KR 40/15 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 14) .
c) Die Vergütung der Behandlung der Versicherten richtet sich vorliegend nicht nach DRG F62A, sondern nach der geringer bewerteten DRG F62B. Die DRG F62A wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn zusätzlich zu den zwischen den Beteiligten unstreitigen Parametern, ua der Hauptdiagnose I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz), die Nebendiagnose R09.2 (Atemstillstand) zu kodieren ist. Dies hat das LSG zu Recht verneint.
Bei der Versicherten lag nach den binden Feststellungen des LSG weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen-Versagen vor. Der Code R09.2 war damit nach dem Wortlaut des Systematischen Verzeichnisses des ICD-10-GM (Version 2014) eindeutig nicht einschlägig. Liegen die Voraussetzung eines Diagnosecodes des systematischen Verzeichnisses des ICD-10-GM eindeutig nicht vor, kann dieser selbst dann nicht kodiert werden, wenn sowohl das alphabetische Verzeichnis (dazu aa) als auch das Exklusivum eines anderen Codes (hier des Codes J 96, dazu bb) für eine bestimmte Erkrankung hierauf verweisen.
aa) Maßgeblich für die Kodierung ist vorrangig das Systematische Verzeichnis und hier in erster Linie die Frage, ob die Voraussetzungen des konkret in Rede stehenden Codes erfüllt sind (vgl BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 27/18 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 12 RdNr 15) . Das Alphabetische Verzeichnis unterstützt nach der DKR D014d lediglich die Verschlüsselung nach dem Systematischen Verzeichnis. Es enthält auch (Diagnosen-)Bezeichnungen, die im Systematischen Verzeichnis nicht enthalten sind. Die unter einer Kategorie des Systematischen Verzeichnisses aufgeführten Bezeichnungen sind insoweit nicht abschließend; sie dienen als Beispiele für den Inhalt der Kategorie und als Hinweise auf deren Umfang und Abgrenzung (vgl die Erläuterungen des BfArM unter https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-10-WHO/Alphabet/_node.html, zuletzt aufgerufen am 11.12.2023) . Die Richtigkeit der Angaben im Alphabetischen Verzeichnis ist aber stets durch Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis zu überprüfen (vgl DKR Anhang A Nr 6; Erläuterungen des BfArM, aaO; BSG aaO LS und RdNr 16 f) . Bei einem - wie hier - vorliegenden Widerspruch beider Verzeichnisse ist deshalb das Systematische Verzeichnis maßgeblich.
bb) Exklusiva regeln verbindlich nur den Ausschluss der Kodierung an der betreffenden Stelle (vgl BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 31/21 R - BSGE 134, 193 = SozR 4-5560 § 19 Nr 1, RdNr 16) . Soweit in dem Klammerzusatz des Exklusivums die Schlüsselnummer angegeben ist, der die Ausschlussbezeichnung zuzuordnen ist (vgl DKR D013c) , ist dies im Rahmen der systematischen Auslegung der ICD-10-GM zu beachten, aber nicht geeignet, die Einschlägigkeit des in Klammern angegebenen Codes entgegen seinem eindeutigen Wortlaut zu begründen. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass Abrechnungsbestimmungen wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen sind (siehe oben RdNr 16) . Für systematische Erwägungen ist insofern nur Raum, soweit der Wortlaut des in Rede stehenden Codes kein eindeutiges Ergebnis liefert.
Ob in einem Fall wie dem vorliegenden, dass der in Klammern angegebene Code eindeutig nicht einschlägig ist, das Exklusivum überhaupt greift oder wegen des insoweit bestehenden Widerspruchs der Klassifizierungen unbeachtlich ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn tatsächlich haben die KK und der SMD den Code J96 für die respiratorische Insuffizienz anerkannt und damit das dortige Exklusivum zugunsten des Krankenhauses unbeachtet gelassen. Zudem ist der Code J96 ausweislich einer Eingabe in den frei zugänglichen Webgrouper der DRG-Research Group (abrufbar unter www.drg-research-group.de) vorliegend nicht vergütungsrelevant.
2. Das LSG hat entschieden, dass das Krankenhaus den geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruch auch nicht auf § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW stützen kann, wonach Rechnungen des Krankenhauses innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen sind. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Eine landesvertragliche Regelung zur Vereinbarung kurzer Zahlungsfristen für die Begleichung der Krankenhausrechnung kann im Einklang mit höherrangigem Recht so ausgelegt werden, dass die KK hieraus nicht zur Zahlung der Vergütung zu verurteilen ist, wenn sie im Verlaufe eines gerichtlichen Verfahrens oder bereits davor substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend macht. Die entsprechende Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift durch das LSG (dazu a) steht mit höherrangigem Recht in Einklang (dazu c) und ist deshalb für den Senat bindend (dazu b) .
a) Das LSG hat § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW als (bloße) Fälligkeitsregelung angesehen und dahingehend ausgelegt, dass die KK grundsätzlich verpflichtet ist, den - unter Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten nach § 301 SGB V - formal ordnungsgemäß in Rechnung gestellten Betrag innerhalb der dort bestimmten Frist zu zahlen (vgl in diesem Sinne auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.8.2023 - L 10 KR 941/21 KH - juris RdNr 49 ; vgl ferner - zu einer ähnlichen Regelung im baden-württembergischen Landesvertrag - BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 25; zu der während der Corona-Pandemie geltenden bundesgesetzlichen Regelung des § 330 bzw - jetzt - § 415 SGB V vgl Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V, § 415 RdNr 3 , Stand Dezember 2021) . Die Fälligkeit der Zahlung entstehe unabhängig davon, ob ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V (aF) eingeleitet werden soll oder ein solches noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem blieben trotz der Zahlung etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Behandlungskosten erhalten (vgl § 15 Abs 4 LV-NRW) . Den KK sei es nicht erlaubt, die Bezahlung von Krankenhausrechnungen mit der Begründung zu verzögern, es müsse zunächst die Richtigkeit der Abrechnung oder die wirtschaftliche Leistungserbringung geprüft werden. Die KK sei aber nicht zur Zahlung zu verurteilen, wenn sie im Verlaufe eines gerichtlichen Verfahrens oder bereits davor ihre Einwände in dem Sinne spezifiziere, dass sie hiergegen substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend mache. Dann sei über den Vergütungsanspruch - ggf nach Beweiserhebung - in der Sache zu entscheiden. Soweit dieser nicht bestehe, sei die Klage abzuweisen. Die Spezifizierung der Einwände müsse nicht notwendig innerhalb der zweiwöchigen Zahlungsfrist erfolgen. Erfolge sie erst danach, sei aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens im davor liegenden Zeitraum Verzug eingetreten (der Auslegung des LSG zustimmend Rehm, jurisPR-SozR 24/2023 Anm 3 ; kritisch dagegen Schütz, NZS 2023, 432 ) .
Ausgehend davon hat das LSG die Zahlungsklage in der Hauptsache als unbegründet angesehen und dem Krankenhaus lediglich Verzugszinsen für den Zeitraum vom 23.4. bis 7.10.2014 zugesprochen. Die KK habe ihre Einwendungen gegen die Abrechnung mit dem Schreiben vom 1.10.2014 in der erforderlichen Weise substantiiert und beziffert. Hierdurch sei ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens bei der Klägerin am 7.10.2014 die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs in der streitigen Höhe entfallen.
b) An die Auslegung und Anwendung des § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW durch das LSG ist der erkennende Senat grundsätzlich gebunden.
Es handelt sich bei den Regelungen dieses landesrechtlichen Normenvertrages um Vorschriften iS des § 162 SGG , deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Eine Auslegungsbefugnis des Revisionsgerichts besteht insoweit nur dann, wenn im Interesse der Rechtsvereinheitlichung Regelungen in Bezirken verschiedener LSG bewusst und gewollt inhaltsgleich wiederholt worden sind (vgl BSG vom 11.5.2023 - B 1 KR 14/22 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 9 RdNr 12; BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 20/03 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 14, jeweils mwN) . Hierfür liegen weder Feststellungen des LSG vor noch hat das Krankenhaus insoweit die Verletzung revisiblen Rechts hinreichend bezeichnet ( § 164 Abs 2 Satz 3 SGG ; vgl dazu BSG vom 11.5.2023 aaO RdNr 13 mwN) . Soweit das Krankenhaus "auf die zutreffenden Hinweise in der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen" verweist, legt es weder den Inhalt des dortigen (oder eines anderen) Sicherstellungsvertrages nach § 112 SGB V dar, noch dass insoweit eine bewusste und gewollte Vereinheitlichung vorliege. Allein aus dem Umstand, dass in anderen Landesverträgen ähnliche Fristenregelungen zur zeitnahen Zahlung als Ausfluss des sogenannten kompensatorischen Beschleunigungsgebots enthalten sind (siehe dazu noch RdNr 30 ff) , kann nicht zwangsläufig auf eine bewusste und gewollte inhaltsgleiche Regelung geschlossen werden, zumal die Regelungen jeweils in ihrer Gesamtheit, einschließlich etwaiger nachfolgender Erstattungsverfahren, zu betrachten sind.
c) Die Auslegung und Anwendung des § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW durch das LSG, die das Krankenhaus nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
aa) Rechtsgrundlage hierfür ist § 112 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 Nr 1b SGB V . Die Vorschrift ermächtigt die Vertragspartner ua, die Abrechnung der Entgelte zu regeln. Dies umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ua Zahlungsfristen, Verrechnungsmodalitäten sowie Verzugszinsen bei Überschreitung des Zahlungsziels (vgl BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 11/15 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 20; BSG vom 11.5.2023 - B 1 KR 14/22 R - SozR SozR 4-2500 § 112 Nr 9 RdNr 21, jeweils mwN) .
Die in § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW geregelte kurze Zahlungsfrist für die Begleichung der Krankenhausrechnung ist hiervon ebenfalls umfasst. Sie ist Ausdruck des mit der Vorleistungspflicht des Krankenhauses (vgl dazu BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 15/06 R - SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 10) korrespondierenden und auch in § 8 Abs 7 Satz 2, § 11 Abs 1 Satz 3 KHEntgG bzw § 8 Abs 4 Satz 2 und § 11 Abs 1 Satz 3 BPflV zum Ausdruck kommenden kompensatorischen Beschleunigungsgebots. Dieses verwehrt es der KK unter anderem, vorläufige Vergütungszahlungen unter Verweis auf eine noch nicht abgeschlossene Prüfung zu verweigern (vgl BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 24/08 R - BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 13; BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 27; BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, RdNr 24; BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 6/16 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 17) . Denn es liegt auf der Hand, dass bei Ablauf der vertraglich vereinbarten kurzen Zahlungsfrist eine von der KK eingeleitete Abrechnungsprüfung auch bei zügiger Bearbeitung in der Regel noch nicht abgeschlossen sein kann, erst recht, wenn - wie hier - der SMD bzw der MD(K) mit einer Abrechnungsprüfung beauftragt wird (vgl BSG vom 28.5.2003 - B 3 KR 10/02 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 18) .
Es kann der KK nach der Rechtsprechung des BSG aber nicht verwehrt werden, die Zahlung der Krankenhausvergütung zu verweigern, wenn und soweit für sie feststeht, dass der Vergütungsanspruch nicht besteht (vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 6/16 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 17). Die KK ist weder verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen (vgl BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 19/21 R - BSGE 134, 172 = SozR 4-2500 § 275 Nr 39, RdNr 25 ff) noch muss sie sich auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs verweisen lassen. Ihre Einwände gegen den geltend gemachten Vergütungsanspruch kann die KK auch noch im Verlaufe eines gerichtlichen Verfahrens spezifizieren (vgl BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 20/03 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 16) . Die Regelungen des kompensatorischen Beschleunigungsgebots bieten insofern keine Grundlage dafür, dennoch Zahlungspflichten - und sei es auch vertraglich - zu begründen (vgl BSG vom 25.10.2016 aaO).
Die KK geht mit der Zahlungsverweigerung allerdings Risiken ein. Verzichtet sie auf ein Prüfverfahren, beschränkt sich die Ermittlungspflicht des Gerichts auf die von ihr erhobenen Einwände. Die Erhebung und Verwertung derjenigen Daten, die nur im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MD(K) beim Krankenhaus hätten erhoben werden können, ist dem Gericht verwehrt. Hieraus können sich für das Krankenhaus Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr ergeben (vgl zum Ganzen BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 19/21 R - BSGE 134, 172 = SozR 4-2500 § 275 Nr 39, RdNr 32 ff) . Stellt sich im Prozess die Unrichtigkeit der Auffassung der KK heraus, hat sie zudem dem Krankenhaus den aus der Zahlungsverweigerung erwachsenden Schaden zu ersetzen (vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 6/16 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 17) . Sie kann überdies - wie hier nach der Auslegung des LSG - landesvertraglich zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet sein (vgl BSG aaO RdNr 16; BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 20/03 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 16) .
bb) Von diesen Grundsätzen ist das LSG bei der Auslegung von § 15 Abs 1 Satz 1 LV-NRW im Kern ausgegangen. Die Auslegung ist insofern jedenfalls nicht objektiv willkürlich und auch insoweit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (vgl zu diesem MaßstabBSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 6/16 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 19; BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 20/03 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 15 f) .
cc) Ob das LSG die ursprüngliche Fälligkeit des Vergütungsanspruchs zu Recht bejaht hat, muss der erkennende Senat im vorliegenden Fall nicht entscheiden, weil nur das Krankenhaus Revision eingelegt hat und deshalb das LSG-Urteil hinsichtlich der diesem zugesprochenen Verzugszinsen rechtskräftig geworden ist (vgl dazu, dass bei fehlerhaft abgerechneter Vergütung - jedenfalls unter Geltung der PrüfvV - ≪nur≫ derjenige Teil der fehlerhaft abgerechneten Vergütung fällig wird, der ohne Berücksichtigung der fehlerhaften Daten verbleibt, BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 37/20 R - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 27; vgl zur früheren Rspr BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3, RdNr 22 ff mwN) .
Fundstellen