Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Einnahmen aus einer Reservistenübung der Bundeswehr. Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie. Absetzung des Freibetrags bei Erwerbstätigkeit. laufende Einnahme. Nachzahlung
Leitsatz (amtlich)
Die für die Dienstleistung eines Soldaten bei einer Reservistenübung gezahlte Mindestleistung ist grundsicherungsrechtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
Orientierungssatz
Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie sind laufende Einnahmen. Wurden die Leistungen für die Teilnahme an der Reservistenübung erst am Ende des danach folgenden Monats ausgezahlt, sind sie als Nachzahlung zugeflossen und daher den einmaligen Einnahmen normativ zugeordnet. Wegen § 11 Abs 3 S 3 SGB 2 sind die Zahlungen im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 11a Abs. 3, § 11b Abs. 2-3; USG § 9 Fassung: 2015-06-29, § 25 Fassung: 2015-06-29
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Einnahmen aus einer Reservistenübung.
Der 1975 geborene Kläger war Soldat auf Zeit und wird als Oberstleutnant der Reserve bei der Bundeswehr regelmäßig zum Dienst zur Ableistung einer Übung herangezogen. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihm Alg II ohne Anrechnung von Einkommen, ua für Juli 2017 iHv 856,70 Euro (Bescheid vom 9.2.2017) . Wegen seiner Teilnahme an einer Übung vom 26. bis 30.6.2017 erhielt der Kläger vom Personalmanagement der Bundeswehr Ende Juli 2017 631,35 Euro (Summe aus Mindestleistung iHv 498,75 Euro und Reservistendienstleistungsprämie iHv 132,60 Euro) . Weitere Einnahmen erzielte er in diesem Monat nicht.
Der Beklagte hob die Bewilligung von Alg II für Juli 2017, gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X teilweise auf und verlangte insoweit die Erstattung von 601,35 Euro (Bescheid vom 28.8.2017) . Dem Widerspruch half er teilweise ab. Er bereinigte die Reservistendienstleistungsprämie, nicht aber die Mindestleistung als Erwerbseinkommen, bewilligte 331,87 Euro und verringerte daher den Aufhebungsbetrag sowie die Erstattungsforderung auf 524,83 Euro (Widerspruchsbescheid vom 7.11.2017) . Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.1.2019) . Das LSG hat auf die von ihm zugelassene Berufung das Urteil des SG aufgehoben und den Bescheid des Beklagten vom 28.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.11.2017 dahingehend geändert, dass dem Kläger für Juli 2017 ein Leistungsanspruch iHv 431,62 Euro zusteht und von ihm lediglich ein Überzahlungsbetrag iHv 425,08 Euro zu erstatten ist (Urteil vom 18.5.2022) . Bei der Teilnahme an einer Wehrübung als Soldat handele es sich um einen Beruf und damit eine auf eigener Arbeitsleistung beruhende und auf Erwerb und Existenzsicherung abzielende Tätigkeit. Davon ausgehend könne nichts Anderes für Dienstleistungen als Soldat im Rahmen von Wehrübungen gelten, die grundsätzlich an eine frühere Tätigkeit als Berufssoldat anknüpften. Da hierfür Reservistendienstleistungsprämie und Mindestleistung gezahlt würden, seien beide wie Erwerbseinkommen zu bereinigen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 11b Abs 2 und 3 SGB II .
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 2022 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Januar 2019 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet ( § 170 Abs 1 Satz 1 SGG ) . Einkommen des Klägers aus der Übung im Juni 2017 ist im Juli 2017 nicht anzurechnen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 28.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.11.2017. Der Beklagte hat darin die vorangegangene Bewilligung von Alg II für Juli 2017 wegen der Erzielung von Einkommen zuletzt teilweise iHv 524,83 Euro aufgehoben und die Erstattung dieses Betrags verlangt. Im Revisionsverfahren geht es noch darum, ob das LSG den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag zu Recht weiter verringert hat, wegen der nur vom Beklagten eingelegten Revision begrenzt auf 425,08 Euro.
2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Verringerung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrags ist die reine Anfechtungsklage ( § 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG ) statthafte Klageart. Seine Berufung war statthaft, weil sie vom LSG zugelassen worden ist ( § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG ) .
3. Der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 28.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.11.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufhebungsbescheids richtet sich nach § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 3 SGB II (idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III (idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854) und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X (idF der Neubekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I 130) . Zutreffend hat der Beklagte nicht nur vorläufig Alg II bewilligt (vgl BSG vom 14.12.2021 - B 14 AS 73/20 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 3 RdNr 12 ff) .
Nach diesen Vorschriften ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach seinem Erlass Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Erforderlich ist ein Vergleich zwischen den Verhältnissen bei der Bewilligung des Alg II am 9.2.2017 und bei Berücksichtigung des Einkommens im Juli 2017 durch die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen (vgl BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 4/15 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 4 RdNr 12) .
4. Die zugeflossenen Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (idF des Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften vom 29.6.2015, BGBl I 1061; im Folgenden USG 2015) sind berücksichtigungsfähiges Einkommen. Sie können daher grundsätzlich zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs auf Alg II führen.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016, BGBl I 1824) Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.
a) Die Mindestleistung unterfällt wie die Reservistendienstleistungsprämie nicht § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II (idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011), ist also keine Einnahme, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird und deren Berücksichtigung so weit erfolgt, wie sie und die Leistungen nach dem SGB II demselben Zweck dienen. Hierfür fehlt es schon an einer ausdrücklichen gesetzlichen Zweckbestimmung (dazu zuletzt BSG vom 11.11.2021 - B 14 AS 15/20 R - BSGE 133, 149 = SozR 4-4200 § 11a Nr 6, RdNr 25 ff) . Die Leistungen zählen auch nicht zu den in § 1 Abs 1 Nr 5 Alg II-V (idF vom 17.12.2007, BGBl I 2942) genannten anrechnungsfreien Einnahmen von Soldaten.
b) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass auch die Mindestleistung als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu bereinigen ist.
Gemäß § 11b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II (idF vom 26.7.2016) ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach Abs 1 Satz 1 Nr 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 Euro gilt Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach Abs 1 Satz 1 Nr 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt. Gemäß § 11b Abs 3 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Die Absetzbarkeit der Freibeträge setzt jeweils voraus, dass es um Einkommen geht, das eine leistungsberechtigte Person erzielt, weil sie erwerbstätig ist.
Im SGB II ist der Begriff "erwerbstätig" nicht definiert. Schon unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hat das BVerwG herausgearbeitet, dass erwerbstätig nur ist, wer eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen ( BVerwG vom 21.7.1994 - 5 C 32.91 - BVerwGE 96, 246, 248 = Buchholz 436.0 § 23 BSHG Nr 5, juris RdNr 12) . Dem hat sich das BSG angeschlossen und ausgeführt, als Erwerbstätigkeit könne nur eine Tätigkeit angesehen werden, die zu Erträgen zur Bestreitung des Lebensunterhalts führt, sodass Leistungsberechtigte durch eigenes Erwerbseinkommen in der Lage sind, jedenfalls zu einem Teil für ihre Lebensgrundlage aus eigenen Kräften zu sorgen ( BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 31) . Beide Umschreibungen der Erwerbstätigkeit stellen auf eine Leistung bzw Tätigkeit im Austausch mit der erzielten Einnahme ab (vgl BSG vom 13.7.2022 - B 7/14 AS 75/20 R - BSGE 134, 247 = SozR 4-4200 § 11a Nr 7, RdNr 19) . Das grenzt die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit im Grundsatz von solchen aus Sozialleistungen, auch in Form von Entgeltersatzleistungen, ab (vgl S. Schmidt in Eicher/Luik/Harich, 5. Aufl 2021, § 11b RdNr 34 ; zur noch hinreichenden Verbindung von Kurzarbeitergeld und Erwerbstätigkeit BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 4-4200 § 30 Nr 2 RdNr 13 ff) .
Nicht entscheidend ist, ob dem Austauschverhältnis eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugrunde liegt. Auch das Einkommen zB von zu ernennenden Beamten ( § 10 Abs 1 Bundesbeamtengesetz ) oder zu berufenden Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit (§ 4 Abs 1 Nr 1des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten - Soldatengesetz - ≪SG≫) ist Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es besteht nur die Besonderheit, dass die Besoldung kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen darstellt, sondern der Pflicht entspricht, sich im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses für den Dienstherrn einzusetzen und diesem die gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (zum Alimentationsprinzip bei Berufssoldaten vgl BVerfG vom 30.3.1977 - 2 BvR 1039/75 - BVerfGE 44, 249 , 281, juris RdNr 83 mwN; BVerfG vom 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 ua - BVerfGE 145, 249 - RdNr 49) .
Unterhaltssicherung durch Alimentation ist auch bei Reservistendienst Leistenden keine Unterstützung ohne Gegenleistung. Mit § 9 des Gesetzes über die Leistungen zur Sicherung des Unterhalts von Reservistendienst Leistenden - Unterhaltssicherungsgesetz - (USG) 2015 hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, Reservistendienst Leistenden - unabhängig davon, ob durch den Dienst Erwerbseinkommen entfällt und deswegen die Voraussetzungen der §§ 6 und 7 USG 2015 vorliegen können - in jedem Fall ("mindestens") Leistungen in Höhe eines Tabellensatzes nach der Anlage zu § 9 USG 2015 zu gewähren. Zweck der Regelung war die Angleichung der Mindestleistung an die Nettobesoldung von Soldatinnen und Soldaten gleichen Dienstgrades (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks 18/4632 S 2, 25) . Diese Ausführungen zeugen von einer gewollten Parallelität der Höhe unterhaltssichernder Zahlungen für Reservistendienst Leistende - als nicht dauerhaft aktiven Dienst versehende Soldaten - auf der einen Seite und für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit nach dem Bundesbesoldungsgesetz auf der anderen Seite für die jeweilige Dauer des Wehrdienstverhältnisses.
Zusammengefasst dienen Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie der Alimentation von Reservistendienst Leistenden, die aufgrund früherer Tätigkeit als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit ( § 59 Abs 1 und 2 SG ) zur Dienstleistung verpflichtet bleiben. Für die Dauer ihrer Dienstleistung sind diese Personen an der anderweitigen Sicherung ihres Lebensunterhalts gehindert. Zugleich kann angenommen werden, dass sie während der Dienstleistung einen Dienst verrichten, der ihrem Rang entspricht. Ihnen werden Leistungen vergleichbar einer Soldatin oder einem Soldaten gleichen Ranges im laufenden aktiven Dienst gezahlt. Insoweit ist es für die Höhe der Leistungen folgerichtig, dass, bei Hochrechnung auf 30 Tage, ein Oberstleutnant nicht nur eine Reservistendienstleistungsprämie iHv 814,50 Euro ( § 10 Abs 1 USG 2015 , Tagessatz nach der Spalte 2 der Tabelle in Anlage 2) als Leistungen für seinen Einsatz bei der Übung erhält.
Die Anrechnungsvorschrift des § 9 Abs 2 Satz 1 USG 2015 (idF vom 27.3.2017) spricht nicht gegen den Entgeltcharakter der Mindestleistung. Die Anrechnung soll eine nicht gewollte Besserstellung oberhalb des Niveaus der Mindestleistung ausschließen (vgl BT-Drucks 18/4632 S 31) und verhindert eine alimentationsbedingte Überkompensation. Diese träte ua ein, weil trotz ruhendem Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt zu zahlen sein kann ( § 1 Abs 2 des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst ≪ArbPlSchG≫) bzw trotz Beurlaubung Bezüge zu zahlen sind ( § 9 Abs 2 ArbPlSchG ) .
5. Ungeachtet dessen konnte die Revision des Beklagten schon deswegen keinen Erfolg haben, weil das Einkommen nicht im Juli, sondern im August 2017 zu berücksichtigen gewesen wäre. Daher scheidet auch eine Erstattungspflicht des Klägers gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 SGB X aus. Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie sind laufende Einnahmen (dazu a) . Diese sind als Nachzahlung zugeflossen (dazu b) . Wegen § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II sind die Zahlungen im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen (dazu c) .
a) Die wegen der Teilnahme an der Übung gezahlten Leistungen sind laufende Einnahmen.
Laufende Einnahmen sind - unabhängig von einer nachfolgenden Bewertung als Nachzahlung - solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (so schon BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 27 mwN; BSG vom 15.6.2016 - B 4 AS 41/15 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 14 RdNr 34) bzw zu erbringen gewesen wären ( BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 32/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 72 RdNr 17) . Dabei ändert sich die Qualifizierung als laufende Einnahme nicht dadurch, dass es sich bei der Zahlung um die erste oder letzte einer typischerweise regelmäßig erfolgenden Leistung handelt (vgl schon BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 27) . Andererseits führt allein der wiederholte Zufluss gleicher Einnahmen nicht dazu, dass es sich um laufende Einnahmen handelt, sofern ihnen nicht derselbe Rechtsgrund zugrunde liegt (vgl BSG vom 15.6.2016 - B 4 AS 41/15 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 14 RdNr 35) . Bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung.
Der Anspruch des Klägers auf Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie beruht auf der jeweiligen Heranziehung zu einzelnen Übungen. Dass er als ehemaliger Soldat auf Zeit zu den in § 60 SG genannten Dienstleistungen herangezogen werden kann, beruht auf § 59 Abs 2 SG . Die Vorschrift bestimmt den heranziehungsfähigen Personenkreis früherer, nicht in den Ruhestand versetzter Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit, ohne im Einzelnen eine bereits bestehende Verpflichtung zur Dienstleistung auszusprechen. Diese Verpflichtung ergibt sich erst aus der einzelnen Heranziehung, zB zu einer Übung ( § 60 Nr 1, § 61 SG ) .
Nach dem USG 2015 werden diese Leistungen den laufenden Leistungen zugeordnet. Aufgrund der Ableistung der Übung erhält der Kläger Zahlungen aus Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie, die auf Antrag gewährt werden ( § 25 Abs 1 Satz 1 USG 2015 ) . § 28 USG 2015 regelt allgemein den Zeitpunkt der Zahlung laufender Leistungen nach dem USG 2015 (Abs 1 Satz 1) und bestimmt für einmalige Leistungen abweichende Zahlungszeitpunkte (Abs 2 bis 4) . Bei den Leistungen mit abweichenden Zahlungszeitpunkten sind Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie nicht genannt. Für das SGB II ergibt sich keine andere Bewertung. Es handelt sich um laufende Leistungen.
Das gilt erst Recht nach den weiteren gesetzlichen Vorgaben zur Ermittlung der Ansprüche auf Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie. § 9 Abs 1 USG 2015 stellt ausdrücklich auf den Leistungsanspruch für jeden Tag der Dienstleistung ab. Ebenso wird die Reservistendienstleistungsprämie auf der Grundlage von Tagessätzen ermittelt. Für kalendertäglich bestehende Leistungsansprüche ist geklärt, dass sie trotz Verklammerung durch einen Auszahlungsvorgang laufende Leistungen bleiben (zum Alg nach dem SGB III BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 27) .
b) Die Ende Juli 2016 ausgezahlten Leistungen nach dem USG 2015 sind als Nachzahlung zugeflossen und daher den einmaligen Einnahmen normativ zugeordnet.
Gemäß § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II (idF vom 26.7.2016) gehören zu den einmaligen Einnahmen als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien erfolgte die Einfügung der Vorschrift als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zur Anrechnung von Nachzahlungen laufender Leistungen auf der Grundlage des § 11 Abs 2 SGB II bzw seiner Vorläuferregelung ( § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II-V vom 20.10.2004, BGBl I 2622) . Sie erfasst Nachzahlungen von Arbeitsentgelt oder Sozialleistungen (vgl Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung, BR-Drucks 66/16 S 33 unter Bezugnahme auf BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1) .
Gemäß § 28 Abs 1 USG 2015 werden laufende Zahlungen wie Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie monatlich im Voraus gezahlt. Eine verspätete Antragstellung hat das LSG nicht festgestellt. Deshalb war für die Übung Ende Juni 2017 eine Zahlung jedenfalls vor Beginn des Monats Juli 2017 vorzunehmen. Demgegenüber ist die Ende Juli 2017 erfolgte Gutschrift auf dem Konto des Klägers eine als Nachzahlung zugeflossene Einnahme.
c) Wegen § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II sind die Zahlungen im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen, mithin im August 2017.
Im Ausgangspunkt sind gemäß § 11 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 SGB II alle Einnahmen "für den Monat" bzw "in dem Monat" zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Insoweit ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie; stRspr; siehe nur BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt ua BSG vom 11.11.2021 - B 14 AS 41/20 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 14 RdNr 19; BSG vom 29.3.2022 - B 4 AS 24/21 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 15 RdNr 19) . Solche Bestimmungen trifft ua § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II (idF vom 26.7.2016) . Gemäß § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II werden, sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, diese im Folgemonat berücksichtigt. Das schließt die vom Beklagten vorgenommene Anrechnung im Juli 2017 aus. Der Kläger hat laufend monatlich im Voraus fälliges ( § 42 Abs 1 SGB II ) Alg II bezogen. Dieses war für Juli 2017 zum Zeitpunkt des Zuflusses der Zahlungen durch das Personalmanagement der Bundeswehr Ende Juli 2017 schon erbracht.
Der Anwendungsbereich des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II , der eine Rückausnahme vom modifizierten Zufluss des § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II ermöglichen würde, ist nicht eröffnet. Gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II zählen zu den laufenden Einnahmen auch Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden. Die Zahlungen von Mindestleistung und Reservistendienstleistungsprämie sind hier aber schon keine Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats erzielt wurden. Die ursprünglich als § 2 Abs 2 Satz 2 Alg II-V (idF vom 26.8.2005, BGBl I 2499) geltende Regelung hat der Gesetzgeber mit der Neufassung der Einkommensvorschriften zum 1.1.2011 (durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) in das SGB II überführt. Mit § 2 Abs 2 Satz 2 Alg II-V sollte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung klargestellt werden, dass laufende Einnahmen oder einmalige Einnahmen, die in kürzeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, im Zuflussmonat vollständig wie laufende Einnahmen zu berücksichtigen sind. Insofern ging es darum, eine monatsweise Betrachtung von Einkommens- und Bedarfslage sicherzustellen (vgl S. Schmidt in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 11 RdNr 36; zu dieser Problematik vgl BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 28) . Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergeben sich Hinweise darauf, dass nur Einnahmen erfasst werden, die im Monat der Tätigkeit zufließen. Darauf deutet die Formulierung "an einzelnen Tagen" und nicht "für einzelne Tage" hin. Fälle des Zuflusses im Folgemonat - wie hier - sind nicht erfasst.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183 , 193 SGG . |
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S. Knickrehm |
Harich |
Neumann |
Fundstellen
Haufe-Index 16208762 |
FEVS 2024, 463 |
NZS 2024, 433 |
SGb 2024, 740 |
SGb 2024, 97 |