Beteiligte
Landesamt für Soziales und Versorgung -Landesversorgungsamt- |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 12. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Sonstige Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin als Witwe des am 18. September 1914 geborenen und am 30. August 1956 verstorbenen Beschädigten E. S. (S.) Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht. Dieser hatte nach der „vorläufigen Feststellung” des Versehrtenambulatoriums I. vom 11. April 1947 im November 1944 Granatsplitterverletzungen mit nachfolgender Teilamputation des rechten Fußes erlitten.
Nach seiner Übersiedlung in die Sowjetische Besatzungszone (1947) lebte S. zuletzt in G., Kreis B. (B.). Dort wurde er am 29. August 1956 abends beim Einbringen der Getreideernte neben dem von ihm geführten Pferdegespann von einem Fahrzeug einer überholenden Kolonne von sowjetischen Militärfahrzeugen erfaßt und verstarb einen Tag später an den Folgen des Unfalls.
Im Februar 1991 beantragte die Klägerin, deren zweite Ehe im Januar 1969 geschieden worden war, beim Versorgungsamt Potsdam erfolglos Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG (Bescheid des Versorgungsamtes Potsdam vom 15. Mai 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1992). Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht (SG) Potsdam vernahm Zeugen und holte von dem Leitenden Chefarzt der Orthopädischen Klinik des O. P. /B., Dr. M., ein Gutachten zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Bewegungsbehinderung des S. und dem Unfall vom 29. August 1956 ein. Mit Urteil vom 22. November 1995 verurteilte es den Beklagten – unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide – zur Gewährung von Hinterbliebenenrente ab 1. Januar 1991. Auf die Berufung des Beklagten vernahm das Landessozialgericht (LSG) nochmals den Zeugen E. S. und wies mit Urteil vom 12. Juni 1997 die Klage ab. In den Entscheidungsgründen verneinte es – wie das SG – einen Besatzungspersonenschaden, allerdings mit von der des SG abweichender Begründung: Maßgeblicher Stichtag für Besatzungspersonenschäden iS des § 5 Abs 2 Buchst a BVG sei nicht der 6. Oktober 1955, sondern der 27. April 1957. Insoweit berief sich das LSG auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18. Juni 1996 (9 RV 24/94 = SozR 3-3100 § 5 Nr 3). Es sei jedoch kein „Fehlverhalten” eines Angehörigen der sowjetischen Truppen erkennbar. Anders als das SG angenommen habe, liege auch keine mittelbare Schädigungsfolge der Verwundung vom November 1944 vor. Der Verlauf des Unfalls vom 29. August 1956 lasse sich nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit aufklären, insbesondere, ob und inwieweit die schädigungsbedingte Gehbehinderung des S. den Unfall mitverursacht habe.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe § 5 Abs 2 Buchst a BVG falsch angewandt. Wie sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Oktober 1962 (10 RV 683/59 = SozR Nr 35 zu § 5 BVG) ergebe, komme es für einen Besatzungspersonenschaden nicht darauf an, ob einen Angehörigen der jeweiligen Besatzungsmacht ein Verschulden treffe oder nicht, eine wesentliche Verursachung reiche aus.
Die Klägerin beantragt,
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend: Der nach § 5 Abs 2 Buchst a BVG maßgebliche Stichtag sei der 6. Oktober 1955. Im übrigen sei der Tod des S. nicht durch das Vorbeifahren der sowjetischen Militärkolonne verursacht worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG stattgegeben, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenversorgung.
Gemäß § 44 Abs 6 BVG finden die Abs 2, 4 und 5 entsprechende Anwendung auf eine Witwe, die keine Witwenrente nach diesem Gesetz bezogen hat, wenn deren früherer Ehegatte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist und sie ohne die Wiederverheiratung einen Anspruch auf Versorgung hätte. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht nach dem Ende der zweiten Ehe ein Anspruch auf Witwenversorgung, dh Witwenrente oder Witwenbeihilfe (§ 44 Abs 2 und 6 BVG ggf iVm und § 48 Abs 3 und 6 BVG). Sie muß sich lediglich unter bestimmten Voraussetzungen Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche anrechnen lassen, die sich aus der zweiten („neuen”) Ehe herleiten (§ 44 Abs 5 und 6 BVG).
A.
Der geltend gemachte Anspruch auf Witwenrente scheitert hier daran, daß der erste Ehegatte der Klägerin weder an den Folgen einer Schädigung (§ 38 Abs 1 Satz 1 iVm § 1 Abs 1 Satz 1 BVG) noch an einem als Schädigungsfolge anerkannten Leiden (§ 38 Abs 1 Satz 2 BVG) gestorben ist und die Klägerin somit auch dann keinen Anspruch auf Witwenrente haben würde, wenn sie sich nicht wieder verheiratet hätte.
1. Eine Schädigung im Sinne des § 38 Abs 1 Satz 1 BVG lag nicht in dem Unfall vom 29. August 1956. Nach § 1 Abs 2 Buchst a BVG steht einer Schädigung iS des § 1 Abs 1 BVG eine Schädigung gleich, die auf unmittelbarer Kriegseinwirkung beruht. Gemäß § 5 Abs 1 Buchst e BVG gelten als unmittelbare Kriegseinwirkung auch bestimmte nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge. Hierunter fallen gemäß § 5 Abs 2 Buchst a BVG auch Schäden, die in Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg durch Angehörige oder sonstige Beschäftigte der Besatzungsmächte oder durch Verkehrsmittel der Besatzungsmächte vor dem Tag verursacht worden sind, von dem an Leistungen nach anderen Vorschriften gewährt werden. Diese Voraussetzungen treffen auf die durch den fraglichen Vorgang vom 29. August 1956 verursachten Schäden nicht zu.
Die S. dabei zugefügte tödliche Verletzung wurde schon nicht durch Angehörige oder ein Verkehrsmittel einer Besatzungsmacht verursacht. Denn seit Inkrafttreten des „Vertrages über die Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)” vom 20. September 1955 (vgl GBl DDR I S 918; sog Moskauer Vertrag) am 6. Oktober 1955 (vgl GBl DDR I, aaO, S 917) gab es auf dem Gebiet der damaligen DDR keine Besatzungstruppen mehr. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 6. November 1985 (BSGE 59, 94, 96 ff = SozR 3100 § 5 Nr 9) eingehend dargelegt (so auch zutreffend BMA in seinem Rundschreiben vom 1. April 1992 - VIa 1 - 52002 - 6, vgl BABl 1992, 7/8, S 90 ff - unter Aufgabe seiner im Rundschreiben vom 10. Juni 1991 - VIa 1 - 52002 - vgl BABl 1991, 9, S 108 vertretenen Auffassung).
Aber auch wenn die DDR über den 5. Oktober 1955 hinaus völkerrechtlich als besetztes Gebiet anzusehen gewesen wäre und mithin das Fahrzeug des sowjetischen Truppenkonvois, durch das S. tödlich verletzt worden ist, als „Verkehrsmittel der Besatzungsmächte” iS des § 5 Abs 2 Buchst a BVG gelten könnte, so lägen die (sonstigen) Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor. Ab 6. Oktober 1955 wurden nämlich bereits „Leistungen nach anderen Vorschriften” iS des § 5 Abs 2 Buchst a BVG gewährt. Denn das „Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der UdSSR über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen” vom 12. März 1957 (GBl DDR I S 237 ff; Stationierungsabkommen), in Kraft getreten am 27. April 1957 (GBl DDR I S 285), enthielt in seinem Art 11 eine Haftungsregelung für Schäden, die sowjetische Truppeneinheiten oder deren Angehörige Bürgern der DDR zugefügt hatten. Durch Art 14 dieses Abkommens hatten die Vertragsstaaten die Geltung dieser Regelung auch für diejenigen Schadensersatzansprüche vereinbart, die in der Zeit zwischen Inkrafttreten des Moskauer Vertrages (6. Oktober 1955) und Inkrafttreten des Stationierungsabkommens (27. April 1957) entstanden und noch nicht befriedigt waren. Deswegen läßt sich § 5 Abs 2 Buchst a BVG auf Schädigungen, die nach dem 5. Oktober 1955 im Gebiet der ehemaligen DDR eingetreten sind, nicht mehr anwenden. Dafür, daß es – entgegen der Auffassung des LSG und des Senats in seinem Urteil vom 18. Juni 1996, aaO – nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stationierungsabkommens ankommen kann, spricht auch die Rechtspraxis zur gleichgelagerten Problematik für das Gebiet der alten Bundesländer. Nach einhelliger Auffassung (vgl dazu Rohr-Sträßer, BVG mit Verfahrensrecht, § 5 BVG Anm 15) ist bei der Anwendung des § 5 Abs 2 Buchst a BVG nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl I S 734), sondern auf den Tag abzustellen, ab dem die Haftung durch die Bundesrepublik Deutschland übernommen wurde, dh auf den 1. August 1945 (vgl § 2 des vorgenannten Gesetzes).
Allerdings enthielt Art 11 des Stationierungsabkommens lediglich die Formulierung, die Regierung der UdSSR sei bereit, der Regierung der DDR den materiellen Schaden zu ersetzen, der (ua) Bürgern der DDR durch Handlungen oder Unterlassungen sowjetischer Truppeneinheiten oder der ihnen angehörenden Personen … zugefügt werden sollte. Nach seinem Wortlaut sah das Abkommen damit weder eine Haftung der DDR noch der UdSSR den geschädigten Personen gegenüber vor. Gleichwohl ging man davon aus, daß das Abkommen auch den unmittelbar Betroffenen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Haftungsträger einräumte (so Ostmann in „Neue Justiz” 1957 S 641, rechte Spalte oben; s dazu auch den Wortlaut des Art 11 Satz 2 des Abkommens: „interessierte Seite”). Schadensersatzansprüche konnten jedoch vor den Gerichten der DDR nur dann geltend gemacht werden, wenn die sowjetische Einheit oder Person, von der der Schaden verursacht worden war, nicht in Ausübung dienstlicher Obliegenheiten gehandelt hatte (Art 11 Satz 2 Buchst b Stationierungsabkommen). In anderen Fällen war für die Entscheidung eine „gemischte Kommission” zuständig (vgl dazu auch Art 25 des weiteren Abkommens vom 2. August 1957 – Rechtshilfeabkommen – GBl DDR I 1957 S 534, in Kraft seit 30. Oktober 1957 - GBl DDR I S 615). Auch wenn dadurch die Durchsetzung von Ansprüchen des Geschädigten sicherlich erschwert wurde und die Haftungsregelung – wovon der Senat auch in seinem Urteil vom 18. Juni 1996 (SozR 3-3100 § 5 Nr 3) ausgegangen ist – möglicherweise kaum praktische Bedeutung hatte, waren durch das Abkommen vom 12. März 1957 „andere Vorschriften” geschaffen worden. Sie schließen seit ihrem rückwirkenden Inkrafttreten die Anwendung des § 5 Abs 2 Buchst a BVG auf Schadensfälle aus, die – wie hier – nach dem 5. Oktober 1955 eingetreten sind. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1996 (aaO) – übrigens nicht entscheidungserheblich – statt auf den 6. Oktober 1955 auf den 27. April 1957 als Stichtag abgestellt hat, wird hieran nicht festgehalten.
2. Der Tod des S. war aber auch nicht Folge einer vor dem 29. August 1956 erlittenen Schädigung. Er war insbesondere nicht mittelbare Folge der im November 1944 erlittenen Kriegsverwundung oder Folge eines als Schädigungsfolge anerkannten Leidens iS des § 38 Abs 1 Satz 2 BVG. Zwar handelte es sich bei der Verwundung um eine Schädigung iS des § 1 Abs 1 BVG. Es kann auch mit dem LSG davon ausgegangen werden, daß die Teilamputation des rechten Fußes und das Tragen einer Prothese durch S. Folgen dieser Schädigung waren, wobei hier offenbleiben kann, ob diese Schädigungsfolge als „rechtsverbindlich” anerkannt iS des § 38 Abs 1 Satz 2 BVG gelten kann. Es läßt sich aber insoweit nicht die Wahrscheinlichkeit des wesentlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Schädigung bzw der Schädigungsfolge und dem Tod des S. (§ 1 Abs 3 Satz 1 und Abs 5 BVG) feststellen. Denn – wie das LSG unangegriffen und für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat – besteht – auch bei Zugrundelegung der Angaben der Klägerin (§ 15 KOVVfG) – keine Möglichkeit, den Hergang des Unfalles vom 29. August 1956 so weit aufzuklären, daß sich der Kausalzusammenhang zwischen der Schädigungsfolge und der tödlichen Verletzung des S. beurteilen ließe, dh eine Abwägung der Unfallursachen auch nur nach dem Maßstab der Wahrscheinlichkeit erfolgen könnte.
B.
Ein Anspruch auf Witwenbeihilfe (vgl § 48 Abs 3 und 6 BVG iVm § 44 Abs 2, 4, 5 und 6 BVG) würde zwar keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Schädigung und dem Tode des Beschädigten erfordern. Es besteht jedoch kein Anhaltspunkt dafür, daß S. einen der in § 48 Abs 1 BVG genannten Tatbestände erfüllt hatte, so daß die Klägerin auch ohne die Wiederverheiratung offensichtlich keinen Anspruch auf Versorgung in Form einer Witwenbeihilfe gehabt hätte.
Bei der Kostenentscheidung hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Nach § 193 Abs 1 1. Halbsatz SGG hat das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit im Urteil darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; auch in diesem Fall – nicht etwa nur im Fall der Entscheidung durch Beschluß (§ 193 Abs 1 1. Halbsatz SGG, BSG SozR § 193 Nr 2; SozR 1500 § 193 Nr 8; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, RdNr 12 zu § 193) – erfolgt die Entscheidung nach sachgemäßem Ermessen. Bei der Ausübung des Ermessens können auch Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen sein (vgl BSGE 78, 233, 243 = SozR 3-2500 § 109 Nr 1; unveröffentlichtes Urteil des BSG vom 8. Dezember 1992 - 11 RAr 39/91 -; vgl auch den in § 91a Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung zum Ausdruck gelangten Rechtsgedanken). Allerdings wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, daß derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (BSG SozR § 193 Nr 2; Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 12a zu § 193). Diesem Grundsatz folgt der Senat hinsichtlich der Kosten der Klägerin für die beiden ersten Rechtszüge (Klage- und Berufungsinstanz).
Für die Kosten der Revisionsinstanz ist dieser Grundsatz, an den der Senat als Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nicht gebunden ist, nicht heranzuziehen. Vielmehr entspricht es hier der Billigkeit, dem Beklagten insoweit die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Zwar ist die Klägerin auch in diesem Rechtszug unterlegen. Es ist jedoch zu beachten, daß ihr nach dem Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt, zu dem die fraglichen Kosten angefallen sind (Einlegung der Revision), kaum eine andere Wahl blieb, als die Revisionsinstanz anzurufen. Vorausgesetzt, daß der Senat die Frage, welcher Stichtag für § 5 Abs 2 Buchst a BVG maßgeblich ist, weiterhin wie in der letzten zuvor ergangenen Entscheidung beurteilte, mußte die Klägerin verständigerweise mit dem sicheren Erfolg ihres Rechtsmittels rechnen. Unter diesen Umständen kann sie nicht als Veranlasserin der Revisionskosten angesehen werden (vgl zum Veranlassungsprinzip Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 12b; LSG Schleswig-Holstein, NZS 1997, 392). Daher spricht das Veranlassungsprinzip hier gegen ihre Belastung mit den Kosten der Revisionsinstanz. Ebenso spricht gegen ein solches Ergebnis der Gesichtspunkt, daß bei einer Änderung der Rechtslage, die zur Erledigung des Rechtsstreits führt, für die Kostenentscheidung darauf abzustellen sein kann, wie ohne die Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre (Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 13a zu § 193). Aus diesem Rechtsgedanken läßt sich herleiten, daß auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn diese den Verfahrensverlauf erst nach Vornahme einer kostenträchtigen Prozeßhandlung (hier Einlegung der Revision) beeinflußt, für die Kostenentscheidung von Bedeutung sein kann. Es entspricht in einem solchen Fall nicht allgemein der Billigkeit, daß den von der Rechtsänderung bzw Änderung der Rechtsprechung betroffenen Beteiligten stets das Prozeßrisiko trifft (Meyer-Ladewig, aaO; auch BSGE 3, 95, 105, wo sich dieser Rechtsgedanke allerdings zugunsten der beklagten Behörde ausgewirkt hat). Der Senat hat schließlich berücksichtigt, daß der Klägerin Prozeßkostenhilfe nur unter monatlicher Ratenzahlung von 200,00 DM bewilligt worden ist und daß der Gesetzgeber des SGG ersichtlich denjenigen Beteiligten, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eigene Sozialleistungsansprüche verfolgt, kostenrechtlich begünstigt (vgl §§ 183, 184, 192 und § 193 Abs 4 SGG). Dem entspricht es, die Verfolgung aussichtsreicher (Anfechtungs-) und Leistungsklagen jedenfalls in solchen Fällen nicht mit dem Kostenrisiko zu belasten, in denen der Leistungsbewerber nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung nicht mit dem Mißerfolg seines Rechtsmittels zu rechnen brauchte, also ein extrem niedriges Prozeßrisiko einging. Berücksichtigt man außerdem, daß die Kostenschwelle gerade für denjenigen Leistungsbewerber besonders fühlbar ist, dessen soziale Lage zwar die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe rechtfertigt, der jedoch zur Abdeckung der Prozeßkosten Monatsraten aufbringen, die Kosten also letztlich trotz seiner verhältnismäßig ungünstigen wirtschaftlichen Lage selbst tragen muß, so ergibt sich ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Belastung der Klägerin mit den Kosten des Revisionsverfahrens. Im Hinblick auf den Leistungsträger ist davon auszugehen, daß die Auferlegung von Verfahrenskosten eines Beteiligten nur innerhalb der Beteiligten des Verfahrens erfolgen kann (§ 193 Abs 1 1. Halbsatz SGG) und daß bei einer Änderung der Rechtslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein darin liegender Anlaß zur Einlegung von erfolglosen Rechtsmitteln am ehesten in die Rechtssphäre desjenigen Beteiligten fällt, der – wie hier der Beklagte als Versorgungsträger und Bundesland – Teil der Staatsgewalt ist.
Fundstellen
br 1999, 179 |
Breith. 1999, 1053 |
SozSi 1999, 416 |