Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Kassenarztes, seine Röntgenaufnahmen nebst Befundberichten der Kassenärztlichen Vereinigung zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung vorzulegen. Vorlage von Röntgenbefunden an KÄV. ärztliche Schweigepflicht. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Verpflichtung und Befugnis des Kassen- und Vertragsarztes, der KÄV zum Zwecke der Qualitätsprüfung Röntgenaufnahmen mit den dazugehörenden Befunden vorzulegen (Anschluß an und Ergänzung zu BSG 22.6.1983 6 RKa 10/82 = BSGE 55, 150 = SozR 2200 § 368 Nr 8).
Leitsatz (redaktionell)
Zur Verpflichtung des Kassenarztes, seine Röntgenaufnahmen nebst Befundberichten der Kassenärztlichen Vereinigung zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung vorzulegen:
Die Kassenärztliche Vereinigung ist befugt, bei schuldhafter Nichterfüllung dieser Vorlagepflicht als - mildeste - Disziplinarmaßnahme eine Verwarnung auszusprechen.
Orientierungssatz
1. Soweit die Radiologie-Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (RadNuklearRL) und die dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen den Kassenarzt verpflichten, zur Prüfung ausgeführter radiologischer Leistungen Röntgenaufnahmen mit dazugehörenden Befunden der Kassenärztlichen Vereinigung bzw der bei dieser gebildeten Radiologie-Kommission vorzulegen, wird höherrangiges Recht nicht verletzt.
2. Die ärztliche Schweigepflicht verbietet nur die unbefugte Offenbarung von Patientendaten. Dem Gesetz (§ 368 ff RVO) ist jedoch die Befugnis des Arztes zu entnehmen, Patientendaten innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems insoweit zu offenbaren, als dies zur Leistungserbringung erforderlich ist (Kassenärztliche Bundesvereinigung).
3. In Anbetracht der Bedeutung, die die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung für die Allgemeinheit hat, treten auch verfassungsrechtliche Bedenken zurück (Art 1, 2 und 12 GG, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
4. Richtet sich eine Disziplinarmaßnahme sowohl gegen die Verletzung kassenärztlicher Pflichten als auch gegen die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten so kann sie als einheitliche Verwaltungsentscheidung ohne die Durchführung eines Vorverfahrens angegriffen werden.
5. Es verstößt nicht gegen Art 12 Abs 1 GG, daß die Abrechnung kassenärztlicher Leistungen von gelegentlichen Kontrollen abhängig gemacht wird.
Im übrigen läßt nach Ansicht des BVerfG die sorgfältig begründete Entscheidung des BSG Verfassungsverstöße nicht erkennen. Vor allem ist es mit Hinblick auf Art 12 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, daß die Abrechnung kassenärztlicher Leistungen von gelegentlichen Kontrollen eben dieser Leistungen abhängig gemacht wird.
Normenkette
RadNuklearRL; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 1; RVO § 368n Abs. 2, § 368 Abs. 2 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12; RVO § 368 Abs. 1, §§ 368d, 368e, 368f Abs. 1-2, §§ 368g, 368k, 368m; SGB 1 §§ 35, 66; SGB 10 §§ 67, 100; ÄBerufsO § 2; SGG § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 02.06.1982; Aktenzeichen 3 Ka 73/81) |
Tatbestand
Der Disziplinarausschuß der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erteilte dem Kläger am 3. Juni 1981 wegen schuldhaften Verstoßes gegen kassen- und vertragsärztliche Pflichten eine Verwarnung. Der Kläger war damals als Internist zur kassenärztlichen Versorgung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und zur vertragsärztlichen Versorgung der Mitglieder der Ersatzkassen zugelassen. Er hatte die Genehmigung, Röntgenleistungen für bestimmte Körperbereiche durchzuführen (sog Teilradiologe). Der Aufforderung der Beklagten, zur Qualitätsprüfung insgesamt 17 Röntgenaufnahmen nebst Befunden aus dem 3. Quartal 1980 für namentlich aufgeführte Patienten (Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen bzw Familienangehörige solcher Mitglieder) zu übersenden, kam der Kläger nicht nach. Er machte geltend, das Verlangen der Beklagten und die diesem zugrundeliegenden Bestimmungen der Radiologie-Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) vom 8. Dezember 1979 (Radiol.-Richtl.) und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen der Beklagten vom 28. August 1980 (Radiologische Durchführungsbestimmungen) verstießen vor allem gegen § 203 des Strafgesetzbuches (StGB), gegen das Datenschutzgesetz, gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen das Rechtsstaatsprinzip (den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Nachdem ein wiederholter Meinungsaustausch zwischen den Beteiligten zu keiner Änderung der Standpunkte geführt hatte, wurde auf Antrag des Vorstandes der Beklagten das Disziplinarverfahren durchgeführt.
Die Klage des Arztes gegen die vom Disziplinarausschuß ausgesprochene Verwarnung hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe die Erfüllung der dem Kassenarzt obliegenden Pflichten zu überwachen und nötigenfalls disziplinarisch einzugreifen (§ 368n Abs 2, § 368m Abs 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 56 der Satzung der Beklagten). Nach § 13 Buchst d und e Radiol.-Richtl. iVm Abschnitt II Nr 3 und Abschnitt III Radiol.-DurchfBestimm. könne die Beklagte und ihre Radiologie-Kommission angefertigte Röntgenaufnahmen anfordern bzw sich bei der Praxisbegehung vorlegen lassen. Darüber hinaus bestimme § 15 Abs 3 und 4 Radiol.-Richtl. , daß nur Röntgenleistungen abrechnungsfähig seien, welche der nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu fordernden Qualität genügten, und daß die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen über die Aufzeichnung und Aufbewahrungspflicht sowie über die Gewährung der Einsichtnahme durch die KÄV bzw in deren Auftrag durch die Radiologie-Kommission zu beachten seien. Die Überwachung, Gewährübernahme und Vergütung der kassenärztlichen Tätigkeit könnten nur erfolgen, wenn auch die entsprechenden Röntgenaufnahmen vorgelegt werden. Dem Arzt sei die Offenbarung zur Wahrung der dem § 203 StGB entgegenstehenden berechtigten eigenen Interessen erlaubt, so etwa bei Einklagung des Honorars oder bei Verteidigung im Regreßprozeß. Nichts anderes gelte hier. Im Ersatzkassenrecht statuiere § 5 LZ 49 des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages (EKV) ebenfalls ein umfangreiches Einsichtsrecht. Gemessen an der Bedeutung von ordnungsgemäßen Röntgenaufnahmen für die Volksgesundheit seien die auf dem Gesetz - der RVO - beruhenden Mitteilungs- und Vorlegungspflichten verhältnisgemäß. Die die kassenärztliche Qualitätssicherung betreffenden Bestimmungen verletzten auch nicht Art 3 Abs 1 GG. Sie enthielten keine willkürliche Differenzierung. Die Zweckmäßigkeit lasse sich nicht absprechen, wobei es unerheblich sei, ob der Kläger andere Qualitätssicherungsmaßnahmen für zweckmäßiger halte. Nach alledem könne kein vernünftiger Grund dafür angegeben werden, daß der Kläger der Aufforderung der Beklagten nicht hätte Folge leisten müssen. Reine Interessenwahrnehmung als sog Teilröntgenologe habe ihn nicht berechtigt, sich der Aufforderung der Beklagten zu versagen. In der Verwarnung, der mildesten Disziplinarstrafe, könne schließlich kein Ermessensfehler gesehen werden.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Sprungrevision eingelegt. Er rügt in erster Linie eine Verletzung des § 203 StGB. Röntgenaufnahmen mit den dazugehörigen Befunden von namentlich benannten Patienten seien personenbezogene Daten, die in die strafrechtlich geschützte Intimsphäre der jeweiligen Personen fielen. Zu Unrecht sehe das SG einen Rechtfertigungsgrund für die Offenbarung dieser Daten. Es liege weder eine Einwilligung der Patienten noch eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis vor. Nachrangige Rechtsvorschriften könnten eine Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Daten nicht ohne weiteres begründen (§ 67 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - SGB X; vgl Schroeder-Printzen, SGB X, Komm 1981, § 67 Anm 9). Auch wenn die Vorschriften des SGB X hier nicht direkt anwendbar seien, so zeige jedoch die hinter dieser Regelung stehende Güterabwägung des Gesetzgebers, welch hoher Rang gerade in der heutigen Zeit dem Schutz personenbezogener Daten zukomme. Die Verpflichtung zur Offenbarung der Daten des Patienten folge auch nicht aus einem allgemeinen Rechtfertigungsgrund iS des § 34 StGB. Soweit das SG darauf abstelle, daß die Offenbarung von Daten zur Wahrung eigener Interessen des Arztes erlaubt sei, verkenne es einen wesentlichen Unterschied bei den Rechtfertigungsgründen des § 203 StGB. Es sei nämlich zu unterscheiden zwischen der rechtfertigenden Erlaubnis und der sehr viel weitergehenden gesetzlichen Verpflichtung zur Offenbarung fremder Daten.
Der Kläger rügt ferner eine Verletzung des Art 12 GG. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, daß dem § 13 Buchst e Radiol.- Richtl. und den hierzu ergangenen DurchfBestimm. der Beklagten ein die freie Berufsausübung regelnder Charakter zukomme. Es fehle jedoch eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die in § 368g RVO enthaltene Ermächtigung zum Abschluß schriftlicher Verträge genüge nicht den Anforderungen des Art 12 GG, weil in verfassungsrechtlich nicht zulässiger Form auf Richtlinien der Bundesausschüsse verwiesen werde. Problematisch sei, die einmal nachgewiesene fachliche Qualifikation auch in Zukunft ständig nachweisen zu müssen. Eine derartige Nachweispflicht gebe es für andere Berufsgruppen nicht, auch nicht für Ärzte anderer Fachbereiche. § 13 Buchst e Radiol.-Richtl. überlasse die Ausgestaltung einer weit in die freie Berufsausübung eingreifende Maßnahme allein der KÄV; das sei mit dem Grundsatz der freien Berufsausübung unvereinbar. § 15 Abs 3 Radiol.-Richtl. werde durch diesen Rechtsstreit nicht betroffen. Eine konkrete Ausgestaltung der Nachweispflicht über die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen zur Erbringung von Leistungen finde sich erst in Abschnitt II der DurchfBestimm. der Beklagten. Eine Vorlagepflicht von Patientendaten sei auch gar nicht erforderlich. Das SG habe es zu Unrecht abgelehnt, sich mit den medizinischen Argumenten auseinanderzusetzen. Die Zweckmäßigkeit der Qualitätskontrolle sei im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der Geeignetheit und der Erforderlichkeit einer Berufsausübungsregelung sehr wohl vom Gericht zu prüfen. Das von ihm (dem Kläger) geschilderte Testkörperverfahren wahre die Anonymität der Patientendaten. In die Freiheit der persönlichen Berufsausübung werde auch eingegriffen, wenn der Arzt gezwungen werde, seine Befunde Fachkollegen (Konkurrenten) zur Begutachtung vorzulegen. Unklar bleibe, was mit einer derartigen Überprüfung erreicht werden solle. Röntgenleistungen an Privatpatienten unterlägen überhaupt keiner solchen Kontrolle. Die von der Beklagten praktizierte Qualitätssicherung sei nicht zumutbar, zumal sie sich auch auf Ärzte erstrecke, die niemals zu irgendwelchen Beanstandungen auch nur im geringsten Anlaß gegeben hätten. Da entsprechende Vorschriften gegenüber anderen Fachkollegen fehlten, werde der an der Abrechnung röntgenologischer Leistungen teilnehmende Arzt diskriminiert. Für andere Berufe, beispielsweise Richter und Rechtsanwälte, sei selbstverständlich, daß sie in ihrer beruflichen Tätigkeit frei und der Beurteilung durch Fachkollegen weitestgehend entzogen seien. Der Arzt werde im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ohnehin auf den Erfolg seiner Tätigkeit hin ausreichend überprüft. Ein noch weitergehendes Eindringen verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht und in der freien Ausübung seines Berufes.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 1982 und den Disziplinarbescheid der Beklagten vom 3. Juni 1981 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin: Die Qualitätskontrolle der Radiologieleistungen gehöre insofern in das Abrechnungsverfahren und im weitesten Sinne in den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, als es darum gehe, die Verwendungsfähigkeit und damit Abrechnungsfähigkeit der von einem Kassenarzt erbrachten Leistungen zu überprüfen. Daß das so sei, ergebe sich deutlich aus § 15 Abs 3 der Radiol.-Richtl. . Im Grunde gehe es um die Erfüllung des der Beklagten übertragenen Sicherstellungsauftrags gem § 368n RVO. Da der Kläger das Abrechnungsverfahren als solches für zulässig halte, entfielen damit im Grunde die von ihm erhobenen Einwendungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Das SG hat zu Recht eine Sachentscheidung getroffen, obwohl ein für die vorliegende Klageart (Anfechtungsklage) grundsätzlich vorgeschriebenes Vorverfahren (§ 78 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) nicht durchgeführt worden ist. Die Klage richtet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme, mit der die Beklagte im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verletzung kassenärztlicher Pflichten ahndet (§ 368m Abs 4 RVO iVm § 56 der Satzung der Beklagten). Insoweit ist gesetzlich bestimmt, daß ein Vorverfahren nicht stattfindet (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG iVm § 368m Abs 6 RVO). Hinsichtlich der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten (Ersatzkassenbereich), die hier ebenfalls geahndet wird, fehlt zwar eine entsprechende gesetzliche Regelung (Urteil des Senats vom 5. Februar 1985 - 6 RKa 31/83 - SozR 1500 § 78 Nr 26). Da es sich aber bei der vom Kläger angefochtenen Disziplinarmaßnahme um eine einheitliche Verwaltungsentscheidung handelt, kann das Recht des Klägers, das SG unmittelbar anzurufen, nicht auf einen Teil der Entscheidung beschränkt werden.
Das SG hat die Klage in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise als unbegründet abgewiesen. Die vom Kläger gerügten Rechtsverletzungen liegen nicht vor.
Die Beklagte stützt die umstrittene Disziplinarmaßnahme auf die von ihrer Vertreterversammlung am 28. August 1980 beschlossenen Durchführungsbestimmungen zu den Radiol.-Richtl. der KÄBV vom 8. Dezember 1979 (HÄB 1980, 398) und auf Vorschriften ihrer Satzung. Dabei handelt es sich um nichtrevisibles Recht (§ 162 SGG). Für die Revisionsinstanz ist daher die Auslegung dieses Rechts durch die Vorinstanz maßgebend. Danach war die Beklagte bzw ihre Radiologie-Kommission in der hier fraglichen Zeit berechtigt, zur Prüfung der im Rahmen der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung ausgeführten radiologischen und nuklearmedizinischen Leistungen von ausgewählten Ärzten jeweils für mindestens 15 der Abrechnung entnommene Fälle die angefertigten Röntgenaufnahmen sowie die dazugehörenden Befunde anzufordern (Abschnitt II Radiol.-DurchfBestimm. ). Die Beklagte war ferner befugt, bei schuldhafter Nichterfüllung dieser ihren Mitgliedern obliegenden Vorlagepflicht als - mildeste - Disziplinarmaßnahme eine Verwarnung auszusprechen (§ 56 Abs 1 und 2 der Satzung). Die Revisionsinstanz hat jedoch auf Rüge hin zu prüfen, ob diese Regelungen gegen übergeordnetes revisibles Recht verstoßen.
Zu Unrecht macht der Kläger geltend, die Radiol.-DurchfBestimm. der Beklagten seien mit der unter strafrechtlichem Schutz stehenden ärztlichen Schweigepflicht unvereinbar und daher ungültig. Die ärztliche Schweigepflicht verbietet die Offenbarung von Patientendaten nicht, soweit sie befugt ist; sie verbietet nur die unbefugte Offenbarung (§ 203 Abs 1 Nr 1 StGB). Die Offenbarung ist nicht unbefugt, wenn der Patient einwilligt oder wenn sie gesetzlich zugelassen ist. Eine ausdrückliche Regelung, die dem Kassenarzt die Offenbarung von Patientendaten erlaubt, findet sich im Kassenarztrecht zwar nicht. Der gesetzlichen Regelung über die kassenärztliche Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen liegt aber die Befugnis zugrunde, Patientendaten innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems insoweit zu offenbaren, als ärztliche Behandlung in Anspruch genommen wird und die an der Leistungserbringung Beteiligten für ihren Leistungsbeitrag auf die Information angewiesen sind. Ohne diese beschränkte Offenbarungsbefugnis wäre das kassenärztliche Versorgungssystem, so wie es gesetzlich ausgestaltet ist, nicht funktionsfähig. Gleiches gilt hinsichtlich der vertragsärztlichen Versorgung der Ersatzkassenmitglieder, welche die Kassenärztlichen Vereinigungen übernommen haben (§ 368n Abs 2 Satz 3 RVO iVm dem EKV). Es kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber seine sozialpolitische Aufgabe, die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, durch ein Leistungssystem erfüllt, dessen Funktionsfähigkeit von vornherein nicht gewährleistet ist. Die an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Leistungsträger und das Bundessozialgericht (BSG) haben daher stets den bei einem ärztlichen Behandlungsfall innerhalb des kassen- und vertragsärztlichen Versorgungssystems notwendigen Informationsaustausch als zulässig angesehen.
Der Senat hat sich zu diesem Fragenkomplex zuletzt in seinem Urteil vom 22. Juni 1983 (BSGE 55, 150) geäußert. Er stützt die Offenbarungsbefugnis nicht, wie ebenfalls vertreten wird, auf eine stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten, sondern auf eine dem Gesetz selbst zu entnehmende Zulassung. Beide Auffassungen sind im Schrifttum angegriffen worden (vor allem von Baur, SGb 1984, 150; Bull in Transparenzprojekte in der GKV, Wissenschaftliche Reihe des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Band 29, S 97). Die gegen die Entscheidung des Senats vorgebrachte Kritik beruht auf der Annahme, die Beziehungen zwischen Patient und Arzt (Vertragsverhältnis mit höchstpersönlichem Einschlag, § 611 BGB, § 203 StGB), zwischen Arzt und Krankenkasse (ua ein Informationsverhältnis, § 368 Abs 2 Satz 2 RVO) sowie zwischen Patient und Krankenkasse (ua Mitwirkungsverhältnis nach §§ 60 ff SGB I) gehorchten jeweils eigenständigen gesetzlichen Regelungen (Baur aaO S 151) und der das Verhältnis der Krankenversicherungsträger zu Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern usw regelnde Gesetzesabschnitt (§§ 368 ff RVO) erfasse nicht das Verhältnis der Kassen und der Ärzte zu den Patienten (Bull aaO S 111); die Befugnis des Arztes zur Offenbarung von Patientendaten könne sich daher nur auf einen Befugnistatbestand außerhalb der RVO stützen, das sei regelmäßig die - ausdrückliche - Einwilligung des Patienten (Bull aaO S 112). Es wird auf die gesetzliche Regelung über die Mitwirkungspflichten des Versicherten (§§ 60 ff SGB I) verwiesen, die den Leistungsberechtigten als Subjekt im Gefüge der kassenärztlichen Versorgung anerkenne (Baur aaO S 153); die Befugnis des Leistungsträgers, die Leistung zu versagen, sei Sanktion genug (Bull aaO S 110). Dem Senat wird vorgehalten, er habe den Zielkonflikt zwischen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, die einen möglichst lückenlosen Geheimnisschutz voraussetze, und der Einhaltung und Überwachung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Krankenpflege zugunsten des finanziellen Aspekts gelöst (Baur aaO S 150); die vom Senat vorgenommene Abwägung beruhe auf einer zweifelhaften Prämisse - nämlich, daß das "System" gefährdet sei, wenn die Kostenträger nicht alles erführen, was sie zur Einschätzung von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit wissen wollten - und räume finanziellen Erwägungen im Verhältnis zu Individualinteressen einen zu hohen Rang ein (Bull aaO S 113). Diese Einwendungen verdienen in Anbetracht der Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht sehr ernst genommen zu werden. Nach erneuter eingehender Prüfung hält sie der Senat für unbegründet. Sie werden den Besonderheiten des gesetzlich geregelten kassenärztlichen Versorgungssystems nicht gerecht.
Die vom Senat zum Ausgangspunkt seiner Gesetzesauslegung gemachte Vorschrift des § 368 Abs 2 Satz 2 RVO bestimmt, daß zur kassenärztlichen Versorgung auch die Ausstellung von Bescheinigungen und die Erstellung von Berichten gehört, die die Krankenkassen und der vertrauensärztliche Dienst zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen. Daraus ergibt sich, was eingewandt wird, zunächst nur eine Verpflichtung des Arztes zur Auskunftserteilung. Eine solche Verpflichtung muß nicht zwangsläufig die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht enthalten. Es ist vielmehr richtig, daß Verpflichtungen und Aufgaben nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen erfüllt werden können und dies auch für die Verpflichtung zur Auskunftserteilung gilt (vgl § 35 Abs 3 SGB I, § 100 SGB X). Davon geht der Senat in seinem Urteil vom 22. Juni 1983 aus. Es wird ihm zu Unrecht vorgehalten, er vertrete die Auffassung, daß "eine gesetzlich vorgeschriebene Mitteilungspflicht zugleich auch die Befugnis zur Offenbarung im Rahmen von § 203 StGB erteilt" (Baur aaO S 151). Für die in der oa Entscheidung angenommene Offenbarungsbefugnis führt der Senat besondere Gründe an. Die Auslegung, daß die in § 368 Abs 2 Satz 2 RVO erfolgte Aufgabenzuweisung eine Offenbarungsbefugnis hinsichtlich der dafür mitzuteilenden Tatsachen einschließt, zieht er deshalb als naheliegend in Betracht, weil die den Kassenärzten in dieser Vorschrift auferlegte Pflicht typischerweise die Offenbarung von Patientengeheimnissen mit sich bringt. Entscheidend stellt er aber auf die gesetzliche Ausgestaltung des kassenärztlichen Versorgungssystems ab. Aus dieser ergibt sich eine Befugnis des Arztes zur Offenbarung von Patientendaten, und zwar nicht nur gegenüber den Krankenkassen und dem vertrauensärztlichen Dienst, sondern erst recht, worum es im vorliegenden Fall geht, gegenüber der KÄV.
Das kassenärztliche Versorgungssystem gewährt dem Versicherten und seinen Angehörigen ärztliche Behandlung im Rahmen mehrseitiger Rechtsbeziehungen, die eng, zT untrennbar miteinander verbunden sind. An diesen Rechtsbeziehungen sind der Versicherte, die Krankenkasse, der Kassenarzt und die KÄV beteiligt. Ihre Rechte, Obliegenheiten, Aufgaben und Verpflichtungen haben es mit derselben Leistung zu tun. Insbesondere ist die ärztliche Behandlung selbst nicht allein Angelegenheit des Patienten und des Arztes, sondern auch Angelegenheit der Kasse und der KÄV. Letztere sind nicht nur für die Finanzierung und Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung zuständig, vielmehr haben sie auch dafür zu sorgen, daß der Versicherte und sein Angehöriger die ihm nach dem Gesetz zustehende ärztliche Behandlung erhält. Der Versicherte hat Anspruch auf die ärztliche Versorgung, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend ist; Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kann er nicht beanspruchen, der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt darf sie nicht bewirken oder verordnen und die Kasse darf sie nachträglich nicht bewilligen (§ 368e RVO). Die kassenärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der KÄV'en mit den Krankenkassenverbänden so zu regeln, daß eine gleichmäßige, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 368g Abs 1 RVO). Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen wirken Ärzte und Krankenkassen zusammen (§ 368 Abs 1 iVm § 368a RVO). Die Kassenärzte bilden zur Erfüllung der ihnen durch dieses Gesetz übertragenen Aufgaben für ihren räumlichen Bereich jeweils eine Kassenärztliche Vereinigung und alle Kassenärztlichen Vereinigungen bilden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (§ 368k Abs 1 RVO). Die KÄV und die KÄBV haben die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Aus diesen grundlegenden Vorschriften ergibt sich bereits, daß die ärztliche Behandlung der Versicherten und ihrer Angehörigen alle an der kassenärztlichen Versorgung Beteiligten angeht. Die Übernahme und Gewährleistung der kassenärztlichen Versorgung durch die KÄV und die KÄBV (§ 368n Abs 1 RVO) begründet eine besondere Verantwortung dieser Vereinigungen, die noch in Einzelregelungen ihren Niederschlag findet. Dadurch werden aber andererseits die Kassen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Die durch das Gesetz zwischen allen Beteiligten und durch Vertrag zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten (der KÄV) begründeten Rechtsbeziehungen werden durch das Satzungsrecht der Krankenkassen und der KÄV ergänzt (§§ 320 ff, 368m RVO). Insbesondere das Satzungsrecht der KÄV ist für die Leistungserbringung von Bedeutung, dient doch der Zusammenschluß der Kassenärzte zur KÄV gerade der Erfüllung der den Kassenärzten übertragenen Aufgaben (§ 368k Abs 1, § 368m Abs 1 Nr 3, Abs 2 ff; § 368a Abs 4 RVO). Das Behandlungsverhältnis zwischen Patient und Kassenarzt kann daher nicht losgelöst von der kassenärztlichen Selbstverwaltung gesehen werden.
Den gesetzlichen Einzelregelungen ist zu entnehmen, daß sich die Mitverantwortung der Krankenkassen und der KÄV nicht auf die wirtschaftliche Seite (die Finanzierung) der kassenärztlichen Versorgung beschränkt, sondern sich auf die dem Patienten zu gewährende Leistung erstreckt. Der Anspruch des Versicherten auf ärztliche Behandlung ist ein Sachleistungsanspruch (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a RVO). Dieser gegen die Krankenkasse gerichtete Anspruch wird durch das kassenärztliche Versorgungssystem erfüllt. Die Gewährung der kassenärztlichen Versorgung ist nicht von einem Antrag des Versicherten und einer Entscheidung der Krankenkasse abhängig. Vielmehr nimmt der Versicherte die ärztliche Behandlung unmittelbar in Anspruch, indem er einen Krankenschein löst (§ 188 RVO) und einen an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt aufsucht. Maßgebende Rechtsgrundlage der stattfindenden Behandlung ist dann nicht ein zwischen dem Patienten und dem Arzt geschlossener (privatrechtlicher) Vertrag, sondern die (öffentlich-rechtliche) gesetzliche Regelung über die kassenärztliche Versorgung. Die Sorgfaltspflicht des Arztes nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts gilt unabhängig von Absprachen zwischen Patient und Arzt, weil sie ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist (§ 368d Abs 4). Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn maßgebende Rechtsgrundlage des Behandlungsverhältnisses zwischen Versicherten und Kassenarzt ein privatrechtlicher Vertrag wäre. Der Arzt hat die ärztliche Behandlung so zu gewähren, wie sie ihm durch Gesetz vorgeschrieben ist (§§ 368e, 368g Abs 1 RVO). Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Erfüllung der den Kassenärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Kassenärzte nötigenfalls unter Anwendung der in § 368m Abs 4 RVO vorgesehenen Maßnahmen zu ihrer Erfüllung anzuhalten (§ 368n Abs 2 Satz 2 RVO). Die Krankenkassen haben die ärztlichen Leistungen zu vergüten, indem sie an die KÄV eine Gesamtvergütung entrichten, die auf verschiedene Weise, auch nach Einzelleistungen berechnet werden kann (§ 368f Abs 2 RVO). Bei der Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte ist aber in jedem Fall Art und Umfang der Leistungen zugrunde zu legen (§ 368f Abs 1 Satz 4 RVO). Die Leistungen, die vom Arzt erbracht und abgerechnet werden können, werden in einem einheitlichen Bewertungsmaßstab bestimmt (§ 368g Abs 4 RVO). Die gesetz- und vertragsmäßige Durchführung der kassenärztlichen Versorgung, die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit und die Verteilung der Gesamtvergütung ist Angelegenheit der KÄV (§ 368n Abs 4 Satz 1 RVO). Dem Kassenarzt, der seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt, kann die Zulassung entzogen werden (§ 368a Abs 6 RVO). Auch insoweit wird der KÄV und den Krankenkassen (hier den Landesverbänden der Krankenkassen) eine Verantwortung zugewiesen (§ 368c Abs 1 iVm § 27 der Zulassungsordnung für Kassenärzte, § 368b Abs 4 RVO).
In Anbetracht dieser Aufgabenverteilung ist die gesetzliche Regelung über die kassenärztliche Versorgung nur dann in sich schlüssig, wenn die an der Leistungserbringung Beteiligten befugt sind, dem anderen zur Mitwirkung Verpflichteten diejenigen Informationen zukommen zu lassen, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben, seines Leistungsbeitrages, benötigt. Das gilt insbesondere im Verhältnis vom behandelnden Arzt zur KÄV. Ohne Information durch den Kassenarzt könnte die KÄV ihre Verpflichtung zur Überwachung und Gewährleistung der kassenärztlichen Versorgung nicht erfüllen. Sie könnte nicht dafür sorgen, daß der Patient die Leistung erhält, die ihm nach dem Gesetz zusteht (zB einwandfreie Röntgenleistungen). Sie wäre nicht in der Lage, die vom Arzt erbrachten Leistungen zu vergüten, wenn man ihr nicht zumuten will, jede Vergütungsforderung der Ärzte ungeprüft anzuerkennen. Schließlich sind auch die Prüfungsausschüsse auf Behandlungsdaten angewiesen, um die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen überwachen zu können. Die Prüfung der Notwendigkeit ärztlicher Behandlungsleistungen zielt nicht nur darauf ab, unnötige Leistungen zu verhindern, sondern ebenso darauf, dem Patienten die notwendigen Leistungen zukommen zu lassen (§ 368e Satz 1 iVm § 182 Abs 2 RVO). Aber auch die Verpflichtung, für eine wirtschaftliche Behandlungsweise zu sorgen, kann bei der Beurteilung der hier umstrittenen Frage nicht vernachlässigt werden. Ein Versorgungssystem ist nur funktionsfähig, solange es finanzierbar ist. Schon die heute geltenden Beitragssätze in der Sozialversicherung (insgesamt liegen die Beitragssätze in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zZt über 30 % des Arbeitslohnes, in der Krankenversicherung kündigen sich weitere Erhöhungen an) zeigen die Grenzen der Finanzierbarkeit auf (vgl Fiedler, DA 1985, 2795, 2797). Da nach alledem die Funktionsfähigkeit des gesetzlich geregelten kassenärztlichen Versorgungssystems von der Befugnis des Kassenarztes abhängig ist, der für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung vor allem verantwortlichen KÄV die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Patientendaten zu offenbaren, drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß der Gesetzgeber die Offenbarungsbefugnis gewollt hat. Wenn heute in Anbetracht der Gefahren, die von den technischen Möglichkeiten der Erfassung und Verwertung personenbezogener Daten ausgehen, vom Gesetzgeber eindeutigere Regelungen erwartet werden, falls er die Offenbarung personenbezogener Daten zulassen will, so rechtfertigt dies nicht, den strengeren Maßstab auch bei der Ermittlung der Regelungsabsicht älterer Gesetze anzulegen; vielmehr läßt sich die Frage, was der Gesetzgeber gewollt hat, nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten zur Zeit der Abfassung des jeweiligen Gesetzes beantworten. Das heute geltende Kassenarztrecht beruht auf dem Gesetz über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 und den sich daran anschließenden Änderungsgesetzen. Die Anpassung einer Gesetzesauslegung an eine eingetretene Rechtsentwicklung setzt voraus, daß das Gesetz einer solchen Anpassung zugänglich ist.
Soweit eingewandt wird, das Kassenarztrecht (§§ 368 ff RVO) befasse sich nicht mit dem Versicherten und könne deshalb nicht eine die Rechtsposition des Versicherten beeinträchtigende Offenbarungsbefugnis enthalten, wird darüber hinweggesehen, daß das Kassenarztrecht Teil des Krankenversicherungsrechts ist. Die dem Versicherten als Sachleistung zustehende ärztliche Behandlung wird ihm durch das kassenärztliche Versorgungssystem zur Verfügung gestellt. Mit der Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlung tritt der Versicherte in das gesetzlich geregelte Leistungsrechtsverhältnis ein. Es bleibt ihm überlassen, ob und in welchem Umfange er vom Leistungsangebot Gebrauch machen will. Nimmt er eine kassenärztliche Behandlung in Anspruch, so muß er sie so hinnehmen, wie sie gesetzlich geregelt ist. Die gesetzliche Regelung sieht aber eine Mitwirkung der KÄV und auch der Krankenkasse vor.
Die Offenbarungsbefugnis des Arztes ist allerdings beschränkt. Die ärztliche Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch innerhalb der kassenärztlichen Versorgung. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt ist eine wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche ärztliche Behandlung. Dem Versicherten ist dementsprechend grundsätzlich das Recht eingeräumt, unter den an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten frei zu wählen (§ 368b Abs 1 RVO), also den Arzt auszusuchen, der sein Vertrauen genießt. Das Vertrauensverhältnis wäre gestört, dürfte der Arzt alle Patientendaten offenbaren. Dem Kassenarztrecht kann daher nur die Befugnis entnommen werden, Patientendaten innerhalb der Zuständigkeiten des kassenärztlichen Versorgungssystems und auch in diesem engen Bereich lediglich insoweit mitzuteilen, als dies die Leistungserbringung erforderlich macht.
Die Regelungen des Sozialgesetzbuches (SGB) über den Schutz der Sozialdaten - § 35 SGB I und §§ 67 bis 78 sowie § 100 SGB X - haben hinsichtlich der aus dem Kassenarztrecht sich ergebenden Offenbarungsbefugnis des Arztes keine wesentliche Änderung gebracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorschriften aus dem für die Sozialleistungsträger vorbehaltlos geltenden zweiten Kapitel des SGB X - §§ 67 bis 85 - (§ 37 Satz 2 SGB I) auch den Kassenarzt ansprechen. Nach diesem Recht ist die Offenbarung personenbezogener Daten zulässig, soweit sie für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach dem SGB durch eine in § 35 SGB I genannte Stelle erforderlich ist (§ 69 Abs 1 Nr 1 SGB X) und, was hier wegen der angenommenen gesetzlichen Offenbarungsbefugnis des Arztes zuträfe, § 203 StGB nicht entgegensteht (§ 76 Abs 1 SGB X). Unmittelbar an den Arzt richtet sich die Vorschrift des § 100 SGB X, die allerdings lediglich die Auskunftspflicht des Arztes im Einzelfall regelt. Diese Vorschrift gilt zudem nur, soweit sich aus einem besonderen Teil des SGB (zu den besonderen Teilen gehört bis zur Einordnung in das SGB auch die RVO - Art 2 § 1 Nr 4 SGB I) nichts Abweichendes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I). Die gesetzliche Zulassung der Auskunftserteilung, die in § 100 SGB X ebenfalls vorgesehen ist, beschränkt sich daher nicht auf die Zulassungsgründe der §§ 67 bis 85 SGB X. Auch im Gesetzgebungsverfahren zum § 100 SGB X ging man davon aus, daß kraft der neugefaßten Regelung in § 37 SGB I Vorschriften wie zB § 368 Abs 2 oder § 368g Abs 3 RVO ihre über § 100 SGB X (§ 106 des Gesetzesentwurfs) hinausgehende Bedeutung behalten und nach den besonderen Vorschriften weiterhin die Pflicht zur Auskunft besteht, auch wenn eine Einwilligung oder ein Verlangen des Betroffenen nicht vorliegt (BT-Drucks 9/1753 S 43).
Daß das kassenärztliche Versorgungssystem, so wie es gesetzlich geregelt ist, die Offenbarung von Patientendaten erforderlich macht, wird auch von denjenigen nicht bestritten, die eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis verneinen. Soweit diese sich mit der Unterstellung einer stillschweigenden Einwilligung des Versicherten behelfen, werden sie dem wirklichen Willen des Versicherten nicht gerecht. Auch wenn der Versicherte weiß, daß der Arzt den Leistungsträger unterrichten muß, so wird er in der Regel keine eigene Willensbildung vornehmen. Er nimmt die ärztliche Versorgung so hin, wie sie ihm angeboten wird. Soweit man im Schrifttum eine ausdrückliche Einwilligung verlangt, nimmt man die Regelungen des SGB über die Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten zu Hilfe und verweist für den Weigerungsfall auf die Sanktionen des § 66 SGB I. Zunächst ist dazu zu sagen, daß die durch das SGB eingeführte allgemeine gesetzliche Regelung über die Mitwirkungspflicht des Leistungsberechtigten nicht ohne weiteres darüber Aufschluß geben kann, ob das in seinem wesentlichen Teil lange vor dem SGB geschaffene Kassenarztrecht eine Zustimmung des Versicherten als Mitwirkungshandlung verlangt oder ob die Offenbarung von Patientendaten innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems kraft Gesetzes zugelassen ist. Die bereits zitierte Äußerung im Gesetzgebungsverfahren zu § 100 SGB X läßt jedenfalls nicht den Schluß zu, daß bezüglich der vorliegenden Streitfrage eine Änderung der Rechtslage herbeigeführt und die Auskunftspflicht des Arztes von einer Einwilligung des Versicherten abhängig gemacht werden sollte (BT-Drucks aaO). Außerdem erscheint es fraglich, ob nach § 66 Abs 1 SGB I die ärztliche Behandlung eines Versicherten oder eines seiner Angehörigen wegen Verweigerung der Einwilligung zur Auskunftserteilung des Arztes versagt werden kann, sind doch in der Regel die Voraussetzungen der Leistung nachgewiesen (s § 66 Abs 1 Satz 1 letzter Satzteil SGB I); es geht bei der Auskunftserteilung nur um die ordnungsgemäße Erbringung und Vergütung der Leistung. Schließlich bestehen erhebliche Bedenken dagegen, einem Kranken die ihm zustehende ärztliche Behandlung zu versagen. Eine solche uU die menschliche Existenz gefährdende Leistungsverweigerung wird mit § 66 SGB I nicht zu rechtfertigen sein. Im Krankenversicherungsrecht einschließlich Kassenarztrecht war bisher eine derartige Möglichkeit nicht vorgesehen. Der Versicherte hat weder einen Antrag auf ärztliche Behandlung zu stellen, der von der Krankenkasse trotz Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt werden könnte, noch hat die Krankenkasse die Möglichkeit, die versicherungsrechtlich gegebene Berechtigung zur Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung zu entziehen. Mit dem Krankenschein, der dem Berechtigten nicht verweigert werden darf, kann er unmittelbar die ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen. Über die zu erbringenden diagnostischen und therapeutischen Leistungen entscheidet der Arzt. Will der Versicherte die Offenbarung von auf seine Person bezogenen Daten innerhalb des kassenärztlichen Leistungssystem ausschließen, so kann er von sich aus auf die kassenärztliche Behandlung verzichten und statt dessen privatärztliche Behandlung in Anspruch nehmen. Ein solcher Verzicht ist nicht das gleiche wie eine Versagung durch die Krankenkasse. Er liegt allein im Verantwortungsbereich des Versicherten. Nicht zu entscheiden ist hier darüber, ob ein Kassenarzt in Einzelfällen bestimmte Daten und Unterlagen zurückhalten darf, wenn ein besonderes schutzwürdiges Interesse eines Patienten dies gebietet.
Die vom Kläger gerügten Verfassungsverstöße können ebenfalls nicht bestätigt werden. Zwar ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht nur strafrechtlich und berufsrechtlich geschützt (§ 203 StGB, §§ 53 und 97 der Strafprozeßordnung -StPO- § 2 der Muster-Berufsordnung des Deutschen Ärztetages, DÄ 1983, Heft 44 B 75), sondern es untersteht, weil es in besonderem Maße der Privatsphäre angehört, auch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art 2 Abs 1 GG). Die Patientendaten werden aber grundsätzlich nicht der unantastbaren Intimsphäre, vielmehr demjenigen privaten Bereich zugerechnet, innerhalb dessen jedermann solche staatlichen Maßnahmen hinnehmen muß, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden (BVerfGE 32, 373, 379; 33, 367, 377). Einschränkungen der Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) bedürfen allerdings einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Betroffenen erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfGE 65, 1, 41, 44 mwN).
Die von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossenen Radiol.-DurchfBestimm. sollen der Radiologie-Kommission die Prüfung ermöglichen, ob die röntgenologischen Leistungen des einzelnen Kassenarztes den Anforderungen der kassenärztlichen Versorgung entsprechen. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist gewiß von überragender allgemeiner Bedeutung. Die Radiol.-DurchfBestimm. der Beklagten können sich auch auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage stützen. Der KÄV ist die gesetz- und vertragsmäßige Durchführung der kassenärztlichen Versorgung übertragen (§ 368k Abs 1 Satz 1, § 368n Abs 1, Abs 4 Satz 1 RVO); insbesondere obliegt ihr die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit (§ 368n Abs 2 Satz 2, Abs 4 Satz 1 RVO). Diese Aufgabe erfüllt sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und ihres Selbstverwaltungsrechts (§ 368k Abs 3, § 368m RVO). Sie ist daher auch berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgabe Regelungen zu treffen, die für ihre Mitglieder, die Kassenärzte, verbindlich sind. Die Radiol.-DurchfBestimm. der Beklagten enthalten zwar insofern eine Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Versicherten, als zur Qualitätsprüfung von Röntgenleistungen Röntgenaufnahmen mit Befunden der Röntgenkommission vorzulegen sind. Diese Einschränkung ergibt sich aber, wie oben allgemein dargelegt, schon aus dem Gesetz. Die Radiol.-DurchfBestimm. konkretisieren eine gesetzliche Verpflichtung des Kassenarztes. Der Versicherte kann dem Gesetz entnehmen, daß die Behandlungstätigkeit seines Kassenarztes der Kontrolle der KÄV unterliegt und die Kontrolle sich darauf erstreckt, ob die erbrachten Leistungen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen und ob sie zweckmäßig, ausreichend, notwendig und wirtschaftlich sind (§ 368e RVO). Eine solche Prüfung macht auch die Überlassung von Röntgenaufnahmen und der dazugehörigen Befunde erforderlich.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist beachtet. Es ist nicht ersichtlich, wie die KÄV dem Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO ohne Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit gerecht werden könnte. Andererseits wird durch die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten nur begrenzt eingegriffen. Die Patientendaten dürfen nur innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems und nur unter Beachtung der bestehenden Aufgabenverteilung weitergegeben werden. Außerdem ist der Informationsempfänger seinerseits zur Geheimhaltung verpflichtet (§ 35 SGB I, §§ 67 bis 77 SGB X; § 203 Abs 2 Nr 1 StGB; vgl auch schon die durch das Einführungsgesetz zum StGB vom 2. März 1974 - BGBl I 469 - aufgehobene Vorschrift des § 141 RVO).
Aus diesen Gründen kann auch die vom Kläger gerügte Verletzung seines Rechts auf freie Berufsausübung (Art 12 GG) nicht bestätigt werden. Da die Radiol.-Richtl. der KÄBV und die Radiol.- DurchfBestimm. der Beklagten nur gesetzliche Regelungen über die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung konkretisieren, beruhen sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sich die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit vor allem auf die Röntgenleistungen zu erstrecken hat. Die Erbringung dieser Leistungen muß zum Schutze der Patienten und zur Sicherstellung einer ausreichenden Behandlung von besonderen fachlichen und technischen Qualifikationen der Arztpraxis abhängig gemacht werden. Soweit der Kläger behauptet, die Qualitätssicherung könne auf eine die freie Berufsausübung weniger beeinträchtigende Weise erreicht werden, geht er von einer eingeschränkteren Prüfungspflicht der KÄV aus. Es ist nicht nur zu prüfen, ob der Arzt die Röntgenleistungen in der erforderlichen Weise erbringen kann, sondern auch, ob die von ihm erbrachten Leistungen den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechen (§ 368n Abs 1 iVm § 368e und § 368g Abs 1 bis 4 RVO).
Die Radiol.-Richtl. der KÄBV stellen die gesetzlich festgelegte Verantwortlichkeit der KÄV zutreffend dar, wenn sie als Aufgabe der Radiologie-Kommission der KÄV insbesondere die Überprüfung der apparativen Ausrüstung der Praxis und die Qualitätssicherung bei radiologischen und nuklearmedizinischen Leistungen hervorheben (§ 13 Buchst d und e) und darüber hinaus darauf hinweisen, daß nur Röntgenleistungen abrechnungsfähig sind, welche der nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu fordernden Qualität genügen (§ 15 Abs 3). Der vom Kläger angestellte Vergleich mit der Überwachung der Röntgentätigkeit des Arztes im privatärztlichen Bereich läßt wieder die Besonderheiten des kassenärztlichen Leistungssystems, insbesondere die Verantwortung der KÄV für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung außer Betracht. Soweit die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung dem Arzt zusätzliche, über das allgemeine (ärztliche) Berufsrecht hinausgehende Pflichten und Beschränkungen auferlegt, bedeutet das keine Diskriminierung. Die Beteiligung an einem besonderen Leistungssystem ist naturgemäß mit besonderen Rechten und Pflichten verbunden. Die Prüfungsbefugnis von mit Fachkollegen besetzten Gremien folgt aus dem den Kassenärzten eingeräumten Selbstverwaltungsrecht. Das Gesetz vermeidet damit unnötige staatliche Eingriffe und gibt der fachlichen Kompetenz der selbst kassenärztlich tätigen Ärzte den Vorzug (vgl Bösche DÄ 1985, 2878). Es ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich, daß die Beklagte durch ihre Regelung einen Teil ihrer Mitglieder benachteiligt.
Die Revision erstreckt sich nicht darauf, ob die Beklagte zu Recht ein schuldhaftes Handeln des Klägers angenommen hat. Ein Verschulden wird nicht bereits dadurch in Frage gestellt, daß der Kläger sich auf die ärztliche Schweigepflicht und den Datenschutz berufen zu müssen glaubt. Er hätte sich dann wenigstens um die Einwilligung der 17 betroffenen Patienten bemühen und auf diese Weise versuchen müssen, die ihm als Kassenarzt und Mitglied der KÄV auferlegte Verpflichtung zur Vorlage der Röntgenaufnahmen zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen