Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialabgabe. Ersatzkasse. Eigenwerbung. Unternehmen. Begriff. Einnahmenerzielung. öffentlich-rechtliche Rechtsform. gesetzliche Aufgabenerfüllung. öffentlich-rechtliche Einnahmen
Leitsatz (amtlich)
Ersatzkassen, die zur Gestaltung ihrer Mitgliederzeitschrift und sonstiger Broschüren regelmäßig und in erheblichem Umfang selbständige Künstler und Publizisten heranziehen, unterliegen der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz.
Normenkette
KSVG § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.06.1992; Aktenzeichen L 11 Kr 48/91) |
SG Düsseldorf (Urteil vom 01.08.1991; Aktenzeichen S 34 Kr 76/89) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Ersatzkasse gibt eine Mitgliederzeitschrift und sonstige Broschüren heraus, die sie mit Hilfe von nicht bei ihr fest angestellten Journalisten, Fotografen und wissenschaftlichen Autoren gestaltet. Für künstlerische und publizistische Leistungen zahlte sie seit 1988 jährlich über 100.000 DM. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. August 1988 und dem Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1989 stellte die beklagte Landesversicherungsanstalt als Trägerin der Künstlersozialkasse fest, daß die Klägerin frühestens ab 1. Januar 1988 zum Kreis der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtigen Unternehmen gehöre. Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 1. August 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat dis Klage hingegen abgewiesen (Urteil vom 17. Juni 1992). Nach Auffassung des LSG gehört die Klägerin zu den abgabepflichtigen Unternehmen, weil sie für Zwekke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreibe, die der Art und dem Umfang der Tätigkeit nach der einer Werbeagentur entspreche und mit regelmäßigen Aufträgen an selbständige Künstler oder Publizisten verbunden sei. Es sei unerheblich, daß ihre Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sei. Auch könne offenbleiben, ob nach der Änderung des KSVG durch das Gesetz vom 20. Dezember 1989 (BGBl I 2606) überhaupt Einnahmen erzielt werden müßten. Die Klägerin erziele solche Einnahmen in Form von Beiträgen, und es reiche aus, wenn die künstlerischen und publizistischen Leistungen mittelbar zur Erzielung von Einnahmen verwertet würden. Daß die Klägerin mit den genannten Schriften auch ihrer gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflicht nachkomme, schließe eine abgabepflichtige Werbung nicht aus.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt eine Verletzung des § 24 KSVG. Sie sei keine Unternehmerin iS dieser Vorschrift, weil sie keine künstlerischen oder publizistischen Leistungen professionell vermarkte. Mit diesen Leistungen wolle sie keine Einnahmen erzielen. Die Krankenversicherungsbeiträge könnten nicht als Einnahmen angesehen werden. Sozialversicherungsbeiträge dürften nicht dazu dienen, Beitragspflichten zu anderen Sozialversicherungsträgern zu erfüllen. Das LSG habe schließlich zu Unrecht eine Eigenwerbung angenommen, obwohl mit den Schriften in erster Linie gesetzliche Informations- und Aufklärungspflichten erfüllt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide dem Grunde nach für abgabepflichtig erklären durfte. Hinsichtlich der Zulässigkeit eines solchen Erfassungsbescheides schließt sich der erkennende, jetzt zuständige Senat der ständigen Rechtsprechung des bislang zuständig gewesenen 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) an (vgl zuletzt Urteil vom 1. Oktober 1991 – 12 RK 7/90 – BSGE 69, 259, 260 = SozR 3-5425 § 24 Nr 1 mwN).
Nach § 24 Abs 1 Satz 2 Buchst a KSVG idF durch das Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 2794), der durch das Gesetz zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) lediglich in der Bezeichnung geändert worden ist (jetzt: § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 1), sind zur Künstlersozialabgabe auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwekke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der in Satz 1 Nr 5 (jetzt: Nr 7) genannten Unternehmen entspricht und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Satz 1 Nr 5 bzw Nr 7 der Vorschrift erklärt Unternehmen der Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte als abgabepflichtig. Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das vergleichbar einem selbständigen Werbeunternehmen für eigene Zwecke wirbt und dazu nicht nur gelegentlich selbständige Künstler oder Publizisten heranzieht. Zu Art und Umfang der Werbetätigkeit, insbesondere ob die Klägerin über eine eigene Werbeabteilung verfügt, hat das LSG keine Feststellung getroffen. Es hat auf einen hinreichenden Umfang der Tätigkeit aus der Höhe der jährlichen Aufwendungen der Klägerin geschlossen und daraus auch gefolgert, daß nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilt werden. Die Klägerin hat dagegen keine Rügen erhoben, so daß der Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an die Tatsachenfeststellung gebunden ist.
Die Revision beanstandet zu Unrecht, daß das Berufungsgericht die Klägerin als Unternehmen iS des KSVG eingestuft hat. Sie meint, an der Unternehmereigenschaft fehle es deshalb, weil die Klägerin im Zusammenhang mit der Nutzung von Werken oder Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten keine Einnahmen erzielen wolle; die von den Versicherten zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge könnten als solche Einnahmen nicht gewertet werden.
Die Klägerin kann ihre Auffassung nicht auf § 24 Abs 2 KSVG stützen, wonach “ferner” Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sind, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Denn daraus folgt nicht zwingend, daß der Begriff des Unternehmens iS des KSVG über diese Einzelregelung hinaus stets notwendig einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Verwertung von Kunst und der Einnahmenerzielung erfordert. Mit der durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988 (aaO) eingeführten Neuregelung sollten nur weitere Unternehmen iS eines Auffangtatbestandes in die Abgabepflicht einbezogen werden, die nicht unter den Katalog der typischen Verwerter des Abs 1 fallen, aber in vergleichbarer Weise ständig künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen nutzen. Gedacht war zB an Unternehmen, in denen Produkte oder Verpackungen künstlerisch gestaltet werden (vgl BT-Drucks 11/2979 S 7 Nr 6). Das zusätzliche Merkmal der Einnahmenerzielung im Zusammenhang mit der Nutzung wurde als erforderlich angesehen, um zB das bloße Ausschmücken von Gebäuden mit Kunstwerken nicht abgabepflichtig werden zu lassen (Finke/Brachmann/Nordhausen, aaO, § 24 RdNr 130). Das Merkmal der Einnahmenerzielung diente hier zur konkreten Abgrenzung des Tatbestands und besagt nichts darüber, inwieweit das Gesetz überhaupt die Erzielung von Einnahmen verlangt.
Die Frage, ob der Unternehmensbegriff überhaupt eine Absicht voraussetzt, Einnahmen zu erzielen, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Der Begriff verlangt jedenfalls in der hier einschlägigen Vorschrift des § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 1 KSVG nicht die unmittelbare Einnahmenerzielung. Es genügt, daß mit der Kunstverwertung mittelbar Einnahmen erzielt werden, weil sonst nur reine Werbeunternehmen darunterfielen.
Das BSG hat allerdings den Unternehmensbegriff in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die Begründung zum Entwurf des KSVG (BT-Drucks 9/26 S 16) dahingehend definiert, daß die Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, ständig Werke und Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten gegen Entgelt in Anspruch zu nehmen und daraus Einnahmen zu erzielen (vgl BSGE 64, 221, 224 = SozR 5425 § 24 Nr 2). In der Literatur (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 24 RdNr 15 f) wird diese Definition insbesondere im Hinblick auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als noch zu eng angesehen und auch bei voller Subventionierung des Unternehmens die Abgabepflicht bejaht. Für diese Auffassung spricht, daß in der bis zur Änderung durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988 gültigen Fassung des § 24 Abs 2 KSVG zB Rundfunkanstalten und Musikschulen ausdrücklich erwähnt worden sind. Durch die Novellierung vom 20. Dezember 1988 (aaO) wurde auf die ausdrückliche Erwähnung der öffentlich-rechtlichen Unternehmen allein deshalb verzichtet, weil dies als eindeutig und überflüssig angesehen wurde (BT-Drucks 11/2964 S 18 zu Nr 5). Musikschulen sind auch nach der Neufassung abgabepflichtige Unternehmen, und das BSG hat die Abgabepflicht einer kommunalen Musikschule bejaht, ohne die Erzielung von Einnahmen ausdrücklich zu erwähnen (vgl BSGE 69, 259, 262 und 263). Diese Rechtsprechung ist dahin zusammenzufassen, daß jedenfalls eine mittelbare Verbindung zwischen Kunstverwertung und Einnahmen ausreicht. Es genügt, daß die Kunstverwertung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, aus Beiträgen oder aus anderen Einnahmen finanziert wird.
Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin. Sie erzielt Einnahmen in Form öffentlichrechtlicher Versicherungsbeiträge. Die Broschüren sollen auch dazu dienen, durch Mitgliederwerbung das Beitragsaufkommen zu erhöhen. Daß die Klägerin mit ihren Schriften auch ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht nach § 13 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – nachkommen will, schließt rechtlich nicht aus, daß sie als Eigenwerbung treibendes Unternehmen abgabepflichtig ist, sofern tatsächlich mit der Gesundheitsaufklärung gleichzeitig Eigenwerbung betrieben wird. Letzteres hat das LSG zwar nicht konkret anhand der einzelnen Schriften festgestellt, insbesondere nicht abgegrenzt, wo die Schriften die reine Aufklärung und Unterrichtung der Versicherten und sonstigen Interessenten überschreiten und in Eigenwerbung übergehen. Das LSG hat einen erheblichen Anteil an Eigenwerbung daraus gefolgert, daß die Klägerin zur besseren Gestaltung von Form und Inhalt der Schriften in erheblichem Umfang Künstler und Publizisten in Anspruch nimmt. Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, daß das LSG den Begriff der Werbung als positive Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit (sog Imagepflege) und seiner Leistungen zum Zwecke der Gewinnung von Kunden (hier: Mitgliedern) verkannt hat (zum Umfang und zur Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Krankenkassen vgl Uleer/Patt, NZS 1994, 159 und Bloch, NZS 1993, 383). Gegen die Schlußfolgerung, daß solcherart Werbung in erheblichem Umfange in den Schriften der Klägerin enthalten ist, hat diese keine Tatsachenrügen erhoben, so daß der Senat auch dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.
Selbst wenn die Eigenwerbung der Klägerin nach ihrer Behauptung sekundär ist und hinter den Informationsgehalt der Schriften zurücktritt, was mangels näherer Feststellungen des LSG zu unterstellen ist, wird dadurch die Abgabepflicht der Klägerin nicht berührt. Die Verfolgung mehrerer, sogar vorrangig anderer Zwacke spielt für die Abgabepflicht keine Rolle, wenn tatsächlich künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch genommen werden. Der Gesetzgeber hat die Eigenwerbung treibenden Unternehmen in Erfüllung des vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegebenen Auftrags (vgl BVerfG SozR 5425 § 1 Nr 1 = NJW 1987, 3115) für abgabepflichtig erklärt, ohne öffentlich-rechtliche Unternehmen auszuklammern. Bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen wird regelmäßig als Zweck die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe vorrangig sein, der gerade die Wahl der öffentlich-rechtlichen Rechtsform bedingt oder sogar verlangt. Wenn – wie ausgeführt – die öffentlich-rechtliche Rechtsform allein die Abgabepflicht nicht ausschließt, hätte es in diesem Zusammenhang einer ausdrücklichen Einschränkung auf erwerbswirtschaftlich tätige Unternehmen bedurft, um vorrangig im öffentlichen oder gemeinnützigen Interesse handelnde Unternehmen nicht zu erfassen. Es besteht kein Anhalt dafür, daß das Fehlen einer solchen Einschränkung auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Im Gegenteil würde beim Vorliegen einer solchen Einschränkung die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz aufgeworfen, wenn der die Abgabepflicht tragende Grund die Nutzung künstlerischer oder schriftstellerischer Leistungen ist.
Der öffentlich-rechtliche Charakter der Geldeinnahmen führt ebenfalls nicht dazu, daß – wie das SG angenommen hat – diese Einnahmen nicht zur Zahlung von Abgaben herangezogen werden dürften. Wenn die öffentlich-rechtliche Rechtsform die Abgabepflicht nicht ausschließt, folgt daraus, daß auch öffentlich-rechtliche Einnahmen für die Abgabe verwendet werden müssen. Denn öffentlich-rechtliche Körperschaften erzielen, wenn überhaupt, öffentlich-rechtliche Einnahmen. Daß mit diesen Einnahmen wiederum andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden dürfen, etwa auch die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer, wird ersichtlich nicht in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen