Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsgeld nur bei ordnungsgemäßer Teilnahme an Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation – Aufhebung des Übergangsgeld bewilligenden Bescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Die Leistung von Übergangsgeld während der Durchführung einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation setzt regelmäßig die ordnungsgemäße Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme voraus.
2. Für die Zeit eines unentschuldigten Fernbleibens entfällt der Anspruch auf Übergangsgeld. Der Versicherungsträger kann in diesem Fall den Übergangsgeld bewilligenden Bescheid aufheben, ohne zugleich die Bewilligung der Rehabilitationsleistung aufheben zu müssen.
Stand: 6. August 2001
Normenkette
SGB VI § 20 Abs. 1 S. 1, § 25 Abs. 3 Nr. 1, § 28; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4; SGB I § 66
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. September 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Nachzahlung von Übergangsgeld für eine Zeit, in der der Kläger einer ihm von der Beklagten bewilligten Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation ferngeblieben ist.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger zu seiner beruflichen Rehabilitation mit Bescheid vom 26. November 1993 ein Reintegrationsseminar bei der K. Wirtschaftsfachschule in K.. Mit weiterem Bescheid vom 20. Januar 1994 gewährte sie für die Dauer der bewilligten Rehabilitationsleistung ab 3. Januar 1994 Übergangsgeld in Höhe von täglich 46,43 DM; da der Kläger keine Bankverbindung mitgeteilt habe, werde das Übergangsgeld monatlich im nachhinein postbar überwiesen. Der Kläger trat die Maßnahme am 3. Januar 1994 an. Er absolvierte zunächst ein Praktikum und war anschließend vom 28. Februar bis zum 18. März 1994 arbeitsunfähig erkrankt. Danach nahm er erst ab 21. April wieder an der Maßnahme teil.
Bereits dem Bewilligungsbescheid vom November 1993 waren Hinweise zum Anspruch auf Übergangsgeld beigefügt. Darin hieß es: „An Tagen, an denen Sie unentschuldigt oder nicht ausreichend begründet der Ausbildung oder dem Praktikum fernbleiben, besteht kein Anspruch auf Übergangsgeld und Nebenleistungen. Als Begründung für einen Fehltag gilt im Regelfall nur die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung.” Entsprechende Hinweise enthielt auch das dem Bescheid vom 20. Januar 1994 beigefügte Merkblatt. Der Kläger sandte die erste Zahlungsanweisung für die Zeit vom 3. bis 25. Januar 1994 über 1.067,89 DM Übergangsgeld wegen der ihm von der Post (Postbank) abverlangten Barauszahlungsgebühr von 10,00 DM uneingelöst an die Beklagte zurück. Gleichzeitig widersprach er mit Schreiben vom 12. Februar 1994 dem Bescheid vom 20. Januar 1994 insoweit, als er verlangte, ihm das Übergangsgeld 14-tägig im nachhinein und gebührenfrei zukommen zu lassen. Dafür setzte er der Beklagten mit Schreiben vom 10. März 1994 eine Frist bis 19. März 1994; andernfalls sehe er sich aus Geldknappheit gezwungen, das Reintegrationsseminar bis zum Erhalt des Geldes bzw eines Abschlags von mindestens 1.500,00 DM in bar auszusetzen und das Angebot seiner Mutter wahrzunehmen, ihm ab dem 20. März 1994 Kost und Logis in B. zu gewähren.
Mit Schreiben vom 22. März 1994 kündigte die Beklagte dem Kläger an, sie werde das zustehende Übergangsgeld künftig in 14-tägigen Abständen per Postanweisung auszahlen. Nachdem sie am 24. März 1994 die Mitteilung erhalten hatte, der Kläger sei nicht zum theoretischen Unterricht bei der Wirtschaftsfachschule erschienen und habe sich auch nicht entschuldigt, teilte sie ihm mit, es sei beabsichtigt, das Reintegrationsseminar zum 18. März 1994 aus disziplinarischen Gründen vorzeitig zu beenden; zu diesem Zeitpunkt ende der Anspruch auf Übergangsgeld. Die Beklagte zahlte sodann Übergangsgeld sowie die Auszahlungsgebühr für die Zeit vom 3. Januar bis 18. März 1994 und wieder ab 21. April 1994. Die Forderung des Klägers auf Auszahlung des Übergangsgelds für die Zeit vom 19. März bis zum 20. April 1994 lehnte sie unter Hinweis auf die fehlende Mitwirkung des Klägers ab (Bescheid vom 8. November 1994, Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1998 – erlassen in Ausführung des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 9. April 1997 – L 6 RJ 193/96 – über die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage).
Der hiergegen gerichteten Klage hat das SG mit Urteil vom 13. Januar 1999 stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 29. September 1999 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig; mit ihnen sei innerhalb der Fristen des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X die frühere Bewilligung des Übergangsgelds für die streitige Zeit zu Recht aufgehoben worden. Entgegen des Auffassung des SG sei der Anspruch auf Übergangsgeld nicht derart untrennbar mit der bereits bewilligten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme verknüpft, daß er als unselbständige Leistung weder isoliert versagt noch gekürzt werden könne, sondern die vorherige Aufhebung des Bewilligungsbescheids über die Rehabilitationsleistung voraussetze. Wie sich aus § 25 Abs 1 iVm Abs 3 Nr 1 SGB VI ergebe, werde das Übergangsgeld bei einer Unterbrechung der beruflichen Rehabilitationsleistung nur weiter erbracht, wenn die Unterbrechung allein auf gesundheitlichen Gründen beruhe. In jedem Fall das Übergangsgeld zuzubilligen, solange kein förmlicher Abbruch der Maßnahme bescheidmäßig festgestellt werde, sei mit den Rehabilitationszielen nicht vereinbar und würde zu untragbaren Ergebnissen für die Gemeinschaft der Versicherten führen. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 2 Nr 4 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung der Übergangsgeldbewilligung seien erfüllt. Wegen einer Gebühr von 10,00 DM die Teilnahme am Unterricht zu verweigern und das Rehabilitationsziel dadurch insgesamt zu gefährden, sei eine unverhältnismäßige Reaktion. Der Kläger hätte die Erstattung ohne Schwierigkeiten mit der Beklagten regeln können, eine finanzielle Notlage wegen verzögerter Auszahlung des Übergangsgelds sei durch Leistungen nach dem BSHG zu überbrücken gewesen; insoweit sei das Verhalten des Klägers mißbräuchlich. Aufgrund der Hinweise im Bescheid über die Bewilligung der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme und in dem mit dem Bescheid vom 20. Januar 1994 übersandten Merkblatt habe er auch zumindest grob fahrlässig nicht gewußt, daß ihm für die von ihm verschuldeten Fehlzeiten kein Anspruch auf Übergangsgeld zustehe. Es habe ihm einleuchten müssen, daß die Postbankgebühr von 10,00 DM es nicht rechtfertigen könnte, die Annahme des Übergangsgeldes zu verweigern und der Maßnahme fernzubleiben; ein atypischer Fall iS des § 48 SGB X, der die Beklagte zu einer Ermessensausübung hätte bewegen müssen, sei nicht gegeben. Unabhängig davon sei wegen der groben Fahrlässigkeit des Klägers und seines mißbräuchlichen Verhaltens eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und wie folgt begründet:
„Die Auffassung des Landessozialgerichts, der Anspruch auf Übergangsgeld sei nicht untrennbar mit der bereits bewilligten Rehabilitationsmaßnahme verknüpft und könne als selbständige Leistung versagt oder gekürzt werden, ist nicht zutreffend. Anspruch auf Übergangsgeld besteht gemäß § 20 SGB VI unter anderem nur bei berufsfördernden Leistungen. Es soll während und in Folge der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme den Verlust des Arbeitseinkommens ersetzen und kann deswegen regelmäßig nur zusammen mit der eigentlichen Rehabilitationsleistung gewährt werden (so BSG in E 53, 232). Dies bedeutet, daß es ohne die Hauptleistung auch nicht entzogen oder gekürzt werden kann (vgl Kasseler Kommentar, Anmerkung 7 zu § 25 SGB VI). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08. 11. 1994 ist die Rehabilitationsleistung als solche aber nicht aufgehoben. Für die Versagung bzw Kürzung des Unterhaltsgeldes für die Zeit vom 19.03. bis 20. 04. 1994 fehlt es daher an einer Rechtsgrundlage. Das erstinstanzliche Urteil ist daher wiederherzustellen.”
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. September 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13. Januar 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
Sie trägt vor, die Revisionsbegründung enthalte keine hinreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsurteils; insbesondere erwähne sie nur § 20 SGB VI, während das LSG sich ausführlich mit § 25 Abs 3 SGB VI auseinandergesetzt habe. Im übrigen aber sei das Urteil des LSG im Ergebnis zutreffend.
II
A. Die Revision des Klägers ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie (noch) hinreichend begründet worden.
Die Revisionsbegründung des Klägers stützt sich zum einen auf einen bestimmten Antrag und nennt ferner die nach Auffassung des Revisionsklägers verletzte Rechtsnorm. Zum anderen ist die nach Ansicht des Klägers unrichtige Begründung des Berufungsurteils dargelegt, daß nämlich der Anspruch auf Übergangsgeld und die bereits bewilligte Rehabilitationsmaßnahme nicht untrennbar zusammenhingen. Schließlich ist – wenn auch in äußerster Kürze und in weitgehender Wiederholung der Ausführungen des ihm günstigen erstinstanzlichen Urteils – ausgeführt, warum sich diese Auffassung nicht mit § 20 SGB VI vereinbaren lasse. Dabei wird auf Rechtsprechung des BSG – auf die das LSG nicht eingegangen ist – und darauf angeblich gestützte Literatur verwiesen. Damit entspricht die Begründung – trotz der weitgehenden Wiederholung der Argumentation des dem Kläger günstigen erstinstanzlichen Urteils – noch den von der Rechtssprechung für eine hinreichende Revisionsbegründung entwickelten Grundsätzen, wonach die Gründe, die das angefochtene Urteil nach Meinung des Revisionsklägers als unrichtig erscheinen lassen, darzulegen sind und dabei mit rechtlichen Erwägungen, die sich auf die entsprechende Vorschrift beziehen, darzutun ist, warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl BSG Beschlüsse vom 2. Januar 1979 – 11 RA 54/78 – SozR 1500 § 164 Nr 12 und vom 8. März 1985 – 11a RA 59/84 – SozR 1500 § 164 Nr 25; Urteil vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 18/99 R – SozR 3-1500 § 164 Nr 11). Daß sich das LSG, wie die Beklagte meint, in seinen tragenden Gründen auf § 25 Abs 3 SGB VI und nicht auf § 20 SGB VI gestützt hat, hat für die Frage, ob die Revision iS des § 164 Abs 2 SGG hinreichend begründet worden und damit zulässig ist, keine Bedeutung.
B. Die Revision des Klägers ist jedoch unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Dem Kläger steht für die streitige Zeit kein Übergangsgeld zu.
Das Übergangsgeld ist eine die Rehabilitationsmaßnahme voraussetzende, ergänzende Leistung (vgl § 20 Abs 1 Nr 1, § 28 SGB VI), deren Beginn und Ende sich nach der tatsächlichen Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme richten, welche wiederum die ordnungsgemäße Teilnahme des Versicherten voraussetzt. Soweit die letztere Anspruchsvoraussetzung entfällt, kann der Versicherungsträger den Übergangsgeld bewilligenden Bescheid (isoliert) unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufheben, ohne zugleich den Bewilligungsbescheid über die Rehabilitationsmaßnahme aufheben zu müssen. Dies hat das LSG zutreffend erkannt.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
1. Anspruch auf Übergangsgeld haben nach § 20 Abs 1 Satz 1 SGB VI ua Versicherte, die
- von einem Träger der Rentenversicherung berufsfördernde Leistungen nach § 16 Abs 1 Nr 2 bis 4 erhalten und
- arbeitsunfähig sind oder wegen dieser Leistungen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können.
§ 20 SGB VI legt damit die Anspruchsvoraussetzungen für das nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu gewährende Übergangsgeld dem Grunde nach fest. Demgegenüber regelt § 25 Abs 1 SGB VI die Dauer, dh für welche Zeiträume Übergangsgeld zu zahlen ist. Nach der Grundregel in § 25 Abs 1 SGB VI wird Übergangsgeld für die Dauer der medizinischen oder berufsfördernden Leistung erbracht. Welche Zeit damit erfaßt ist, wird also grundsätzlich durch den Verwaltungsakt bestimmt, mit dem die berufsfördernde Leistung (Maßnahme) bewilligt wird (vgl BSG Urteil vom 28. Oktober 1982 – 8 RK 35/81 – BSGE 54, 146, 147 = SozR 5090 § 17 Nr 2). Jedoch ist das Übergangsgeld für den so bestimmten (gesamten) Zeitraum nur zu erbringen, wenn auch alle in § 20 Abs 1 Satz 1 SGB VI aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Indem diese Vorschrift mehrere Anspruchsvoraussetzungen aufführt, macht sie deutlich, daß der konkrete Anspruch auf Zahlung von Übergangsgeld weder allein aufgrund der Bewilligung einer Rehabilitationsleistung besteht noch lediglich zusammen mit deren Aufhebung entfallen kann; allerdings ist er insoweit untrennbar mit der Bewilligung einer Rehabilitationsleistung verbunden, als er nicht ohne deren Bewilligung entstehen kann und deshalb auch mit deren Aufhebung entfällt.
a) § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI stellt darauf ab, daß der Versicherte eine Rehabilitationsleistung „erhält”. Das ist nicht schon mit deren Bewilligung der Fall, sondern setzt die tatsächliche Durchführung voraus. Damit ist nicht nur das bloße Zurverfügungstellen der Maßnahme gemeint, sondern auch die Teilnahme des Versicherten. Dies brachte die Vorgängerregelung in § 1240 RVO besonders deutlich zum Ausdruck, indem darin ausdrücklich als Voraussetzung für die Gewährung von Übergangsgeld genannt wurde, daß der Versicherte „wegen Teilnahme” an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. Die jetzige Regelung in § 20 Abs 1 Satz 1 SGB VI hat daran nichts geändert; sie entspricht grundsätzlich dem früheren Recht (vgl die Begründung zum Entwurf des RRG 1992 BT-Drucks 11/4124, S 157 zu § 20) und im übrigen dem Sinn und Zweck des Übergangsgelds, wie er sich auch aus § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI ergibt, nämlich den Verlust des Arbeitseinkommens während und infolge der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme auszugleichen (vgl BSG Urteile vom 22. September 1981 – 1 RJ 112/80 – SozR 1300 § 48 Nr 1 – zur subjektiven Mitwirkungsbereitschaft des Versicherten als tatbestandlicher Voraussetzung der Bewilligung der Maßnahme – und vom 27. April 1982 – 1 RA 71/80 – BSGE 53, 229, 232 = SozR 2200 § 1241 Nr 21). Daß das Übergangsgeld – wie jetzt durch § 28 SGB VI ausdrücklich klargestellt – eine ergänzende Leistung ist, die nur während einer Rehabilitationsleistung zusteht, macht ferner – worauf das LSG bereits verwiesen hat – die Regelung des § 25 Abs 3 Nr 1 SGB VI deutlich. Danach besteht ein Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes nur, wenn der Versicherte – wie im Fall des Klägers für die Zeit seiner krankheitsbedingten Unterbrechung bis 18. März 1994 – die berufsfördernde Rehabilitation allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Aus dem Wortlaut „allein” aus gesundheitlichen Gründen läßt sich im Umkehrschluß folgern, daß bei vorübergehenden Unterbrechungen aus anderen, nicht die Arbeitsfähigkeit betreffenden Gründen eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ausscheidet.
b) Eine Rehabilitationsmaßnahme wird aber jedenfalls dann nicht iS der Voraussetzungen für den Anspruch auf Übergangsgeld tatsächlich durchgeführt, und der Versicherte nimmt nicht an ihr teil, wenn er die im Ausbildungsplan für ihn vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen ohne wichtigen Grund nicht besucht. Dies ist durch die Rechtsprechung für den Bereich der Weiterbildung im Bereich der Arbeitsförderung (vgl § 44 AFG aF, jetzt § 153 SGB III) bereits entschieden worden. Danach ist unabhängig von der Anwesenheitspflicht der regelmäßige Besuch der im Ausbildungsplan vorgesehenen Veranstaltungen Voraussetzung für die Teilnahme und damit für einen Anspruch auf Unterhaltsgeld (BSG Urteile vom 10. Oktober 1979 – 7 RAr 10/78 – SozR 4100 § 44 Nr 22 und vom 9. Dezember 1982 – 7 RAr 120/81 – nicht veröffentlicht; vgl auch Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, § 34 Anm 2.1 und 2.2, Stand: Februar 1987; Richter in Gagel, Komm zum AFG, Stand: Januar 1998, § 34 RdNr 48; Niesel, Komm zum SGB III, 1998, § 153 RdNr 3 ff und § 160 RdNr 19 ff). Insoweit kann für den hier maßgeblichen Bereich der beruflichen Leistungen zur Rehabilitation nichts anderes gelten.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG hatte der Kläger in der fraglichen Zeit an der ihm bewilligten Rehabilitationsmaßnahme nicht teilgenommen und für sein Fehlen auch keinen wichtigen Grund. Allein die mögliche Belastung mit Postgebühren in Höhe von 10,00 DM für die erste Zahlungsanweisung über 1.067,89 DM berechtigte ihn nicht, seine Teilnahme – entsprechend seinem Ankündigungsschreiben vom 10. März 1994 – auszusetzen; hierin lag – wie bereits im Berufungsurteil ausgeführt ist und vom Kläger in der Revisionsbegründung auch nicht beanstandet wird – eine unverhältnismäßige Reaktion.
c) Stellt sich aber nach der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme heraus, daß der begünstigte Versicherte zeitweise an der Maßnahme nicht teilgenommen hat, so kann sich der Versicherungsträger darauf beschränken, den das Übergangsgeld bewilligenden Bescheid nach § 48 Abs 1 SGB X aufzuheben, weil und soweit die Anspruchsvoraussetzung der Teilnahme an der Maßnahme entfallen ist. Er muß nicht zwangsläufig auch den Bewilligungsbescheid über die Rehabilitationsleistung gemäß § 48 SGB X aufheben, um auch den Anspruch auf Übergangsgeld entfallen zu lassen. Letztere Vorgehensweise mag zwar insbesondere dann zweckmäßig sein, wenn es zu einem endgültigen Abbruch der Maßnahme gekommen ist. Diese Fallgestaltung lag auch dem Urteil des BSG vom 22. September 1981 (1 RJ 112/80 – SozR 1300 § 48 Nr 1) zugrunde, wonach der Versicherungsträger in einem solchen Fall den die Maßnahme bewilligenden Bescheid gemäß § 48 SGB X aufheben kann.
Ob der Versicherungsträger bei unentschuldigtem Fernbleiben des Versicherten außerdem die Möglichkeit hat, wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (§ 9 Abs 2 Satz 2 SGB VI) die Rehabilitationsmaßnahme als solche nach § 66 Abs 2 SGB I (vorläufig) zu entziehen (verneinend hierzu BSG aaO SozR 1300 § 48 Nr 1; aA Benz, WzS 1986, 161, 179) oder jedenfalls die Geldleistung, also das Übergangsgeld (vgl hierzu Seewald, Kasseler Komm, § 66 SGB I, RdNr 32, Stand März 1995; Mrozynski, SGB I-Komm, 2. Aufl 1995, § 66 RdNr 25; Ebenhöch in GemeinschaftsKomm – SGB VI § 20 RdNr 28 und § 25 RdNr 19, Stand jeweils Oktober 1999; Pauli, DAngVers 1979, 190, 194 Ziff 5.5; Meyer, MittLVA Oberfr 1981, 211, 217, die eine Versagung des Übergangsgelds nach § 66 Abs 2 SGB VI für möglich halten) bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn § 66 SGB I sieht keine rückwirkende Entziehung der Leistung vor und kommt daher für die rückwirkende Ablehnung der Auszahlung des Übergangsgelds – wie hier – von vornherein nicht in Betracht (vgl BSG Urteil vom 26. Mai 1983 – 10 RKg 13/82 – SozR 1200 § 66 Nr 10). Daß die Beklagte den angefochtenen Bescheid auf § 66 Abs 2 SGB I gestützt hat, hindert allerdings – wie im Berufungsurteil bereits zutreffend ausgeführt worden ist – die Umdeutung in einen Verwaltungsakt nach § 48 SGB X nicht (vgl § 43 Abs 1 und Abs 3 SGB X).
d) Die in der Revisionsbegründung zitierte Entscheidung des BSG (Urteil vom 27. April 1982 – 1 RA 71/80 – BSGE 53, 229 = SozR 2200 § 1241 Nr 21) läßt sich für die Auffassung des Klägers nicht anführen. Aus ihr ergibt sich insbesondere nicht, daß der Bescheid über die Bewilligung von Übergangsgeld nicht isoliert nach § 48 SGB X aufgehoben werden kann.
Bei der Entscheidung ging es um die Frage, ob für die Berechnung des Übergangsgelds das ab 1. Juli 1977 geltende Recht einschließlich der Kürzungsvorschrift anzuwenden ist, wenn die berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation schon vor diesem Zeitpunkt notwendig geworden, aber erst danach bewilligt und durchgeführt worden war. Zu dieser Fragestellung hat das BSG ausgeführt, im Vergleich zur Rehabilitationsmaßnahme selbst sei die Gewährung von Übergangsgeld von zusätzlichen Voraussetzungen wie insbesondere „der tatsächlichen Durchführung einer Maßnahme” abhängig. Das Übergangsgeld sei eine ergänzende, unselbständige Leistung mit Lohnersatzfunktion, durch welche der Verlust des Arbeitseinkommens während und infolge der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme ersetzt werden solle und die deswegen „im Regelfall” nur zusammen mit der eigentlichen Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren sei. Der Anspruch auf Übergangsgeld entstehe erst mit der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme; „Versicherungsfall” als Rechtsgrund für die Gewährung von Übergangsgeld sei allein die Maßnahme. Demzufolge hat das BSG zu der dortigen Fallgestaltung entschieden, daß das Übergangsgeld bei Bewilligung (und Durchführung) der Maßnahme nach dem 30. Juni 1977 nach den von diesem Zeitpunkt an geltenden Vorschriften zu gewähren und zu berechnen ist.
Aus der Feststellung, daß das Übergangsgeld nicht ohne die Rehabilitationsmaßnahme gewährt werden kann, folgt jedoch nicht zwingend im Gegenschluß, daß die Entziehung des Übergangsgelds auch die Entziehung der Maßnahme voraussetzt. Den Ausführungen des BSG läßt sich auch nicht entnehmen, die Bewilligung von Übergangsgeld als unselbständige Leistung könne nicht durch gesonderte Verwaltungsentscheidung (isoliert), sondern nur zusammen mit der Rehabilitationsleistung aufgehoben werden (so aber wohl Niesel in Kasseler Komm, § 25 SGB VI, RdNr 7, Stand: November 1997, der wegen der Abhängigkeit des Übergangsgelds von der Durchführung der Maßnahme eine isolierte „Versagung oder Kürzung” des Übergangsgelds für nicht möglich hält, wobei sich seine Ausführungen allerdings auf § 66 Abs 2 SGB I beziehen; ebenso Hauck, SGB VI, K § 25 RdNr 5, Stand: März 1998). Die Akzessorietät des Übergangsgelds zur Rehabilitationsleistung ändert jedenfalls nichts daran, daß der Anspruch auf Übergangsgeld von völlig anderen, in § 20 SGB VI genannten Voraussetzungen abhängig ist, als sie für die Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme (Grundleistung) in §§ 10 und 11 SGB VI gefordert werden (vgl Meier/Tessmer in Berliner Komm, § 20 SGB VI, RdNr 3, Stand: Januar 1995). Hierauf ist auch in dem genannten Urteil bereits hingewiesen; denn es ist darin ausgeführt, daß sich die Notwendigkeit der Maßnahme und damit das für sie geltende Recht nach anderen Kriterien beurteilt als für das Übergangsgeld als ergänzende Leistung (BSG aaO – BSGE 53, 229, 232 = SozR 2200 § 1241 Nr 21, S 73). Wird demnach – wie hier – für die Bewilligung des Übergangsgelds ein gesonderter Verwaltungsakt erlassen, so kann bzw muß dieser nach § 48 SGB X aufgehoben werden, soweit die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung weggefallen sind.
2. Das LSG hat auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheids über die Bewilligung des Übergangsgelds zu Recht als gegeben erachtet. Insbesondere begegnet die Bewertung des klägerischen Verhaltens, was die Verletzung seiner Teilnahmepflicht und die damit verbundene Rechtsfolge angeht, als zumindest „grob fahrlässig” keinen rechtlichen Bedenken. Es ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß das LSG den revisionsrechtlich überprüfbaren Entscheidungsspielraum bei der Feststellung der groben Fahrlässigkeit überschritten hätte (vgl BSG Urteile vom 14. Februar 1985 – 7 BAr 27/84 – SozR 1300 § 48 Nr 14 und vom 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 R – SozR 3-1300 § 45 Nr 42). Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, war es dem Kläger ohne weiteres zumutbar, sich wegen der Übernahme der von der Post für die Einlösung der Zahlungsanweisung verlangten G ebühr vor deren Rücksendung mit der Beklagten in Verbindung zu setzen oder auch die Gebühr an die Post zu zahlen und anschließend gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Der angewiesene und für den Unterhalt des Klägers notwendige Betrag wurde dadurch nur ganz geringfügig gemindert.
Da die Beklagte die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Übergangsgelds auf § 48 SGB X stützen kann, erübrigen sich weitere Ausführungen zu der Frage, ob sich über die Konstruktion einer Nebenbestimmung – etwa in Gestalt einer auflösenden Bedingung oder einer Auflage iS des § 32 Abs 2 Nr 2 bzw Nr 4 SGB X – der Widerruf der Leistungsbewilligung nach § 47 Abs 2 Nr 2 SGB X begründen ließe, zumal schon die Formulierung der Hinweise im Bescheid vom 20. Januar 1994 und das dem angefochtenen Bescheid beigefügte Merkblatt eine derartige Interpretation nicht nahelegen (vgl hierzu BSG Urteile vom 22. September 1981 – 1 RJ 112/80 – SozR 1300 § 48 Nr 1 und vom 28. Juni 1990 – 4 RA 57/89 – BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 2 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 614899 |
FA 2001, 384 |
SozR 3-2600 § 20, Nr. 1 |
SozVers 2002, 50 |
NJOZ 2001, 1536 |
SozSi 2003, 251 |