Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten während eines Urlaubssemesters. abstrakte Förderungsfähigkeit nach BAföG. organisatorische Zugehörigkeit zur Hochschule und tatsächliches Betreiben des Studiums
Leitsatz (amtlich)
Ein Student ist während eines Urlaubssemesters dann nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 ausgeschlossen, wenn er in dieser Zeit entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt.
Normenkette
SGB 2 § 7 Abs. 5 S. 1; BAFöG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6; BAföG § 2 Abs. 5 S. 1; HSchulG SN § 20 Abs. 3; HSchulG SN 2008 § 20 Abs. 3; BSHG § 26 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. April 2011 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Dresden zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2010.
Die Klägerin war seit dem Wintersemester 2004/2005 als Studierende an der Technischen Universität D im Hauptfach "Volkswirtschaftslehre" immatrikuliert. Die Regelstudienzeit hierfür beträgt nach dem Sächsischen Hochschulgesetz (SächsHSG) acht Fachsemester. Die Klägerin wurde von der Universität im neunten Fachsemester (Sommersemester 2010) vom Studium beurlaubt. In dem darauf folgenden Semester legte sie die erforderlichen Prüfungen ab und beendete das Studium.
Am 27.1.2010 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Alg II ab dem 1.4.2010. Zur Begründung für das Urlaubssemester gab sie an, sie wolle sich auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Der Beklagte beschied den Antrag der Klägerin abschlägig, weil sie eine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung nach dem BAföG absolviere. Die Prüfungsvorbereitung sei kein wichtiger Grund für das Urlaubssemester (Bescheid vom 17.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2010).
Mit ihrer Klage vor dem SG Dresden ist die Klägerin ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil vom 21.4.2011). Das SG hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass dem Leistungsanspruch der Ausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II entgegenstehe. Das Studium der Volkswirtschaft sei hier eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähige Ausbildung. Der Ausschluss von Förderleistungen nach diesem Gesetz sei aus in der Person der Klägerin liegenden Gründen erfolgt. Solche Gründe führten jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu einer Ausnahme vom Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 S 1 SGB II. Soweit das BVerwG für die Vorschrift des § 26 S 1 BSHG einen Sozialhilfeanspruch während eines Urlaubssemesters bejaht habe, sei diese Rechtsprechung nicht auf das SGB II übertragbar, das sich von seiner Grundkonzeption grundlegend von der Sozialhilfe unterscheide. Es solle kein weiteres rechtliches "Standbein" für die Ausbildungsförderung geschaffen werden. Lediglich nicht ausbildungsbedingte Bedarfslagen oder wenn Leistungen nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II begehrt würden, könnten einen Leistungsanspruch nach dem Grundsicherungsrecht auslösen. Förderungslücken dürften auch nicht durch landesrechtliche Regelungen, wie etwa § 20 Abs 3 SächsHSG, der vorsehe, dass ein beurlaubter Studierender an der Hochschule, die die Beurlaubung ausgesprochen habe, Studien- und Prüfungsleistungen erbringen könne, zu Lasten der Grundsicherungsträger geschlossen werden. Zudem sei der Zweck der "Auszeit" in der Gestalt der Prüfungsvorbereitung im konkreten Fall ein ausbildungsbedingter. Dies gelte auch, soweit die Klägerin in einem Erörterungstermin ihre Motivation für das Urlaubssemester um das Warten auf eine Bestätigung eines Praktikums und den ansonsten drohenden Verlust des Bildungskredits erweitert habe. Besondere Umstände des Einzelfalls, die die Annahme einer besonderen Härte des Leistungsausschlusses nahelegen könnten und zu einer darlehensweisen Gewährung von Alg II führen könnten, seien nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat mit Zustimmung des Beklagten die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 7 Abs 5 SGB II. In Ermangelung der organisatorischen Zugehörigkeit zur Hochschule während des Urlaubssemesters sei die dem Grunde nach förderfähige Ausbildung unterbrochen. Alsdann stehe der Studierende dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. April 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 17. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2010 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist - im Sinne der Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das SG Dresden nach § 170 Abs 4 SGG - begründet.
Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Alg II im hier streitigen Zeitraum hat. Es mangelt an Feststellungen des Tatsachengerichts sowohl zu den Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II als auch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II.
1. Streitgegenstand ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, den der Beklagte durch Bescheid vom 17.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat ihr Begehren durch die Antragstellung zudem auf den Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2010 und die Leistungsgewährung in Form eines Zuschusses begrenzt. Auf Alg II als Darlehen nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II hat sie zudem schriftsätzlich gegenüber dem Senat ausdrücklich verzichtet.
2. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat es das SG unterlassen, Feststellungen zu den Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II zu treffen. Diese wären jedoch erforderlich, wenn das SG im wiedereröffneten Klageverfahren erkennen sollte, dass die Klägerin die Technische Universität während ihres Urlaubssemesters nicht iS des § 2 BAföG besucht haben sollte. Dann fände die Regelung des § 7 Abs 5 S 1 SGB II keine Anwendung auf sie und sie wäre nicht von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.
3. Nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, 2999) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder nach den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das von der Klägerin absolvierte Volkswirtschaftsstudium ist bis zum Beginn des Urlaubssemesters unstreitig nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähig gewesen. Die Klägerin war daher bis zu diesem Zeitpunkt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Ausschlussregelung des § 7 Abs 5 S 1 SGB II liegt die Erwägung zugrunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung gemäß §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im SGB II soll die nachrangige Grundsicherung (vgl § 3 Abs 3 SGB II) mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen. Wie beide für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden haben, zieht allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach die Rechtsfolge des § 7 Abs 5 S 1 SGB II, also den Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Ausbildungsförderleistung eingetreten sind, bleiben demgegenüber außer Betracht (BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 9; BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 20).
Ob die Klägerin, die während des Urlaubssemesters keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen hatte, in diesem Zeitraum weiterhin eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähige Ausbildung durchlaufen hat, konnte der Senat aufgrund der Feststellungen des SG nicht abschließend beurteilen. Die Prüfung, ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG ist, richtet sich abschließend nach § 2 BAföG (mit Ausnahme von § 2 Abs 6 BAföG - s Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 20). Von dieser Grundregel finden sich nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 20, unter Berufung auf Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl 2005, § 2 RdNr 1), der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen), Ausnahmen nur in den Besonderheiten des Fernunterrichts (vgl § 3 BAföG) und der Ausbildungen im Ausland (§§ 5, 6 BAföG). Es ist mithin allein aufgrund abstrakter Kriterien, losgelöst von der Person des Auszubildenden, über die Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG zu befinden (vgl auch BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R - juris RdNr 14 zum Fall, dass ein Zweitstudium als Vollstudium absolviert wird, welches für sich betrachtet dem Grunde nach förderungsfähig wäre). Demgegenüber umschreibt § 15a Abs 1 S 1 BAföG den Leistungsanspruch auf Ausbildungsförderung und individualisiert (insbesondere durch die grundsätzliche Beschränkung der Förderung auf eine bestimmte Anzahl an Semestern) in dem durch § 2 BAföG abstrakt gezogenen Rahmen den Begriff der "förderfähigen Ausbildung". Der Begriff der "förderfähigen Ausbildung" dem Grunde nach ist für den gesamten Bereich des BAföG einheitlich auszulegen - unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerwG (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 20). War die Ausbildung der Klägerin während ihres Urlaubssemesters mithin dem Grunde nach förderfähig, ist sie von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen, selbst wenn sie wegen des Urlaubssemesters in dieser Zeit oder bereits wegen der Überschreitung der Regelstudienzeit keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen gehabt haben sollte.
Gemäß § 2 Abs 1 BAföG (idF des Gesetzes vom 19.6.1992, BGBl I 1062) wird Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von Hochschulen, wenn der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt (§ 2 Abs 5 BAföG). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG hat die Klägerin im hier streitigen Zeitraum ein von der Technischen Universität D genehmigtes Urlaubssemester eingelegt. Dies muss nach der Rechtsprechung des BVerwG jedoch nicht zwangsläufig dazu führen, dass nicht mehr von der Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach gemäß § 2 BAföG ausgegangen werden kann.
Voraussetzung für die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach ist zunächst der "Besuch" einer Ausbildungsstätte (im Sinne der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte, vgl dazu im Einzelnen Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl 2005, § 2 RdNr 98 f), die sich den in § 2 Abs 1 BAföG genannten Ausbildungsgattungen zuordnen lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG besucht ein Auszubildender eine Ausbildungsstätte, solange er dieser organisationsrechtlich angehört und die Ausbildung an der Ausbildungsstätte tatsächlich betreibt (vgl BVerwGE 49, 275; 55, 288; 57, 21). Bei einer Hochschulausbildung begründet der Auszubildende seine Zugehörigkeit zu der Universität durch die Immatrikulation, die ihrerseits die Einschreibung in eine bestimmte Fachrichtung notwendig macht (BVerwG Urteil vom 28.11.1985 - BVerwG 5 C 64/82, FamRZ 1986, 397). Es kommt mithin bei einem Urlaubssemester für die Förderfähigkeit dem Grunde nach sowohl auf die organisationsrechtliche Zugehörigkeit des Studierenden zu der Ausbildungsstätte an, die mit einer bestimmten Fachrichtung verknüpft sein muss, als auch auf ein tatsächliches Betreiben des Studiums.
Hieraus folgt: Gehört der Studierende der Hochschule organisationsrechtlich auch im Urlaubssemester an, greift der Ausschluss von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II immer dann, wenn er die Ausbildung auch tatsächlich betreibt. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist hingegen gegeben, wenn der Studierende während des Urlaubssemesters entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt.
Vorliegend vermochte der Senat nach den Feststellungen des SG weder abschließend zu beurteilen, ob die Klägerin während des Urlaubssemesters organisationsrechtlich weiterhin der Technischen Universität angehörte, noch ob sie im Falle der fortbestehenden organisationsrechtlichen Zugehörigkeit die Ausbildung während des Urlaubssemesters tatsächlich betrieben hat.
Rechtsgrundlagen im Hinblick auf die organisationsrechtliche Zugehörigkeit sind das SächsHSG iVm universitären Regelungen (s Entscheidungen des BVerwG Urteil vom 25.11.1982 - 5 C 102/80, BVerwGE 66, 261; Urteil vom 13.9.1984 - 5 C 56/81, Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr 19, in denen es sich mit der Frage der Ausbildungsförderung während einer Beurlaubung befasst). Das SG hat in seiner Entscheidung - allerdings in anderem Zusammenhang - auf § 20 Abs 3 SächsHSG Bezug genommen, wonach beurlaubten Studenten ermöglicht werden soll, an der Hochschule, von der die Beurlaubung ausgesprochen worden ist, Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen. Danach liegt es nahe, dass die organisationsrechtliche Bindung in Sachsen auch noch im Urlaubssemester angenommen werden kann. Fraglich für die Beurteilung der Förderfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach ist nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch zudem, ob der betreffende Studierende, der beurlaubt ist, aufgrund der landesrechtlichen/universitären Regelungen berechtigt ist, an den angebotenen Lehrveranstaltungen teilzunehmen und während der Beurlaubung Prüfungen abzulegen, die Teil der Lehrveranstaltungen sind (vgl BVerwG vom 25.11.1982 - 5 C 102/80, BVerwGE 66, 261, RdNr 11 zum Fachhochschulgesetz Baden-Württemberg). Hierzu wird das SG im wieder eröffneten Klageverfahren Feststellungen nachzuholen haben. Daher kam es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Senat, weil das SG hier die landesrechtlichen Regelungen mit Ausnahme der zuvor benannten Vorschrift außer Acht gelassen hat, dieses an sich nicht revisible Recht selbst hätte anwenden und auslegen dürfen (vgl zur Fallgestaltung, dass das Vordergericht landesrechtliche Vorschriften vollständig außer Betracht gelassen hat: BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Sollte die Klägerin organisationsrechtlich im Urlaubssemester weiterhin der Universität angehört haben und auch berechtigt gewesen sein, an Veranstaltungen teilzunehmen sowie Prüfungen abzulegen, ist zur Feststellung der Förderfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach ferner zu prüfen, ob sich die Klägerin auch tatsächlich derart betätigt hat. Auch hierzu wird das SG Feststellungen nachzuholen haben. Dabei ist zu beachten, dass das Nichtbetreiben des Studiums in Form des Fernbleibens von Veranstaltungen aus ausbildungsförderungsrechtlicher Sicht nicht unbedingt dazu führt, dass das Tatbestandsmerkmal des "Besuchs einer Ausbildungsstätte" zu verneinen ist. Wenn es beispielsweise der gewachsenen Übung in dem betreffenden Fach entspricht, dass - wie hier kurz vor dem Abschluss des Studiums - die häusliche Vorbereitung auf die Prüfungen im Vordergrund steht (BVerwG Beschluss vom 17.9.1982 - 5 B 24/82, Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr 17; s auch BVerwG Beschluss vom 15.4.1987 - 5 B 141/86, Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr 25) kann angenommen werden, dass die Arbeitskraft des Auszubildenden durch die Ausbildung iS des § 2 Abs 5 BAföG voll in Anspruch genommen wird. Ist das nicht der Fall und betreibt der Studierende sein Studium nicht, besucht er keine Ausbildungsstätte iS des § 2 BAföG und absolviert auch keine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung gemäß § 7 Abs 5 S 1 SGB II. Hier findet sich auch der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Argumentation des SG, dass einerseits ausbildungsbedingter Bedarf - etwa durch die häusliche Prüfungsvorbereitung - nicht durch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gedeckt werden soll und löst sich andererseits der Widerspruch zu der Entscheidung des BVerwG vom 25.8.1999 (5 B 153/99, 5 PKH 53/99, FEVS 51, 151). Die Klägerin des dortigen Verfahrens war wegen der kurz vorher stattgehabten Geburt und der Pflege sowie Erziehung ihrer Tochter vom Studium beurlaubt worden und betrieb ihr Studium folglich nicht. Aus diesem Grunde hat das BVerwG ihren Sozialhilfeanspruch bejaht.
Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
NJW 2012, 8 |
FEVS 2013, 113 |
NZS 2012, 628 |
SGb 2013, 112 |
SGb 2013, 217 |
ZfF 2013, 138 |
info-also 2012, 137 |