Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung der Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs. Rechtskraft des Beschlusses. Entscheidung des Familiengerichts. Wirksamkeit
Orientierungssatz
1. Maßgeblicher Zeitpunkt, ab dem die durch einen Versorgungsausgleich eingetretenen neuen Verhältnisse in Form eines Rentenzuschlags zu berücksichtigen sind, kann nur der Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich sein. Erst mit der Wirksamkeit wird der Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Zuschlag an Entgeltpunkten bei der bereits bewilligten Rente zu berücksichtigen (vgl BSG vom 29.1.1991 - 4 RA 67/90 = SozR 3-2200 § 1304b Nr 1).
2. Das wirtschaftliche Risiko einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich tragen die früheren Ehegatten selbst. Dies gilt auch für den Fall, dass der Ausgleichsverpflichtete noch keinen Anspruch aus seiner Anwartschaft geltend gemacht hat bzw für ihn bis zur rechtskräftigen Umgestaltung seines Versicherungsverhältnisses keine Leistungen nach der Höhe seiner bisherigen Anwartschaft zu erbringen waren (vgl BSG vom 29.1.1991 - 4 RA 67/90 aaO).
Normenkette
SGB 6 § 76 Abs. 2; SGB 6 § 100 Abs. 1 S. 1; SGB 6 § 101 Abs. 3; SGB 10 § 48 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 1587, § 1587ff; ZPO §§ 623, 628; FGG § 53g Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt der Klägerin eine höhere Altersrente (AlR) für Frauen auf Grund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs zu gewähren ist.
Die am 1943 geborene Klägerin war vom 1.9.1966 bis zum 31.10.1997 mit dem Versicherten P. P. (im Folgenden: Versicherter) verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts (AG) G. vom 12.1.1999 rechtskräftig geschieden. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich war vom Ehescheidungsverfahren abgetrennt und mit Beschluss vom 27.1.1999 ausgesetzt worden. Am 5.3.2003 verstarb der frühere Ehegatte der Klägerin. Mit Beschluss vom 29.7.2003 nahm das AG G. das Verfahren über den Versorgungsausgleich wieder auf.
Mit Bescheid vom 6.1.2004 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1.12.2003 antragsgemäß AlR für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahrs. Der Rentenberechnung lagen 25,2535 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu Grunde.
Mit Beschluss vom 5.4.2004 übertrug das AG G. im Versorgungsausgleichsverfahren vom Versicherungskonto des Versicherten auf das Konto der Klägerin monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von Euro 297,10 bezogen auf den 31.10.1997 (Ende der Ehezeit). Dieser Beschluss ist ab dem 22.6.2004 rechtskräftig.
Daraufhin stellte die Beklagte die AlR der Klägerin mit Bescheid vom 12.7.2004 mit Wirkung vom 1.7.2004 neu fest und legte der Rentenberechnung weitere 13,9348 persönliche Entgeltpunkte (Ost) auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs zu Grunde.
Mit ihrem gegen den Neufeststellungsbescheid erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die höhere Rente sei bereits ab Rentenbeginn (1.12.2003) zu zahlen, weil es ihr nicht zum Nachteil gereichen dürfe, dass das Versorgungsausgleichsverfahren erst zum 22.6.2004 rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004).
Das Sozialgericht Cottbus (SG) hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 16.5.2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Nach der Erteilung des Rentenbescheids vom 6.1.2004 sei zwar durch die Begründung höherer Rentenanwartschaften eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen zu Gunsten der Klägerin eingetreten, doch könne diese die höhere Rente frühestens ab 1.7.2004 erhalten. Eine frühere Berücksichtigung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften sei nicht möglich, weil diese wesentliche Änderung der Verhältnisse erst mit dem Eintritt der Rechtskraft und damit der Wirksamkeit des Beschlusses des AG G. zum 22.6.2004 vorliege. Erst ab diesem Zeitpunkt sei das rentenrechtliche Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten umgestaltet und der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer höheren Rente begründet worden. Diese Änderung in den rechtlichen Verhältnissen könne nicht auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden. Selbst wenn es zu einer Verzögerung der Entscheidung über den familienrechtlichen Versorgungsausgleich komme, könnten die infolge des Versorgungsausgleichs begründeten erhöhten Rentenanwartschaften zu einer höheren Rente erst ab dem der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung folgenden Monat führen. Das Risiko der Verzögerung der Wirksamkeit einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich liege aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei den früheren Ehegatten.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 100 Abs 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: In den Voraussetzungen für die Höhe ihrer Rente habe sich nicht erst mit der ab dem 22.6.2004 eingetretenen Rechtskraft des Beschlusses des AG Guben vom 5.4.2004 eine wesentliche Änderung ergeben. Auf die Rechtskraft des Beschlusses des Familiengerichts zur Übertragung der Rentenanwartschaften könne es nicht ankommen. Die gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs ziele darauf ab, dem Ausgleichsberechtigten nach Möglichkeit zeitgleich mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils auch seinen Anteil an den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zugute kommen zu lassen, sodass ihr (der Klägerin) ab Beginn ihrer Rentenberechtigung am 1.12.2003 ein Rentenbetrag unter Berücksichtigung des Zuschlags aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich zustehe. Die zusätzliche Rentenleistung sei erwirtschaftet worden und da ihr früherer Ehegatte bereits vor dem Rentenbezug verstorben sei, würde die Versichertengemeinschaft einen unberechtigten Vorteil ziehen, wenn der Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich nicht bereits ab Rentenbeginn berücksichtigt werde. Eine zeitliche Verzögerung in der Entscheidung über den Versorgungsausgleich dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Ein Versorgungsausgleichsberechtigter habe in vielen Fällen keinen Einfluss auf die Dauer der Gerichtsverfahren und es sei kein hinreichender Grund vorhanden, warum ihr als der Ausgleichsberechtigten allein auf Grund der erfolgten gerichtlichen Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens ein finanzieller Nachteil entstehen solle.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12.7.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2004 zu verurteilen, die Altersrente für Frauen auch für die Zeit vom 1.12.2003 bis zum 30.6.2004 unter Berücksichtigung des Zuschlags aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich ihres früheren Ehegatten P. P. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei vertretbar, das wirtschaftliche Risiko aus einer Verzögerung des familienrechtlichen Verfahrens den früheren Eheleuten aufzuerlegen, da dieses Verfahren seinen Grund in der Scheidung der Ehe habe und damit auf Entscheidungen der früheren Eheleute in ihrem persönlichen Verantwortungsbereich beruhe.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben, da das SG die Revision zugelassen und die Klägerin die Revision fristgerecht eingelegt sowie mit der Revisionsschrift die erforderliche Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Revision innerhalb der gesetzlichen Frist vorgelegt hat.
Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für die Zeit vom 1.12.2003 bis 30.6.2004 keinen Anspruch auf Zahlung der höheren AlR für Frauen auf Grund des vor dem AG G. durchgeführten Versorgungsausgleichs, weil hierdurch eine Änderung in den Verhältnissen, die zum Rentenbescheid vom 6.1.2004 geführt haben, erst zum 1.7.2004 eingetreten ist. Über die diesbezüglichen Rechtsfragen hat das Bundessozialgericht (BSG) im Wesentlichen bereits im Jahre 1991 entschieden - allerdings unter Anwendung des vor der Rentenreform 1992 geltenden Rentenrechts (BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1) . Jedoch hat sich weder die Rechtslage in den hier wesentlichen Punkten geändert, noch sind im jetzigen Verfahren Gesichtspunkte zu Tage getreten, die eine Korrektur der Rechtsprechung oder eine Ausnahme rechtfertigen würden.
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der höheren AlR bereits ab dem 1.12.2003 kann nur § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X sein. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1) . Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (Satz 2 Nr 1) . Mit dem Bescheid vom 6.1.2004 über die Gewährung von AlR für Frauen ist der Rentenanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Dauer verbindlich festgestellt worden, und zwar nicht nur nach der Rentenart, sondern auch nach Rentenbeginn und Rentenhöhe. Für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente ist somit allein darauf abzustellen, ob eine Änderung in den Verhältnissen, die zum Rentenbescheid vom 6.1.2004 geführt haben, eingetreten ist und insbesondere, ab wann diese für den Rentenanspruch zu berücksichtigen ist. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die Rentenhöhe schon mit dem Bescheid vom 6.1.2004 nicht richtig ermittelt worden sein könnte, sodass die Anwendung des § 44 SGB X ausscheidet.
Dass eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, bedarf hier keiner näheren Darlegung, da dies offenkundig und zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Mit dem durchgeführten Versorgungsausgleich sind auf das Konto der Klägerin Rentenanwartschaften übertragen worden, die nach § 76 Abs 2 SGB VI einen Zuschlag an Entgeltpunkten zu der AlR für Frauen zur Folge hatte. Es unterliegt keinem Streit, dass der entsprechende Zuschlag zur Erhöhung einer bereits gewährten Rente und nicht etwa nur zur Aussicht auf eine höhere, erst in der Zukunft zu gewährenden Rente führt. Ansonsten würde gerade in den Fällen, in denen der Ausgleichsberechtigte bereits eine AlR bezieht, der Zweck des Versorgungsausgleichs verfehlt.
Maßgeblicher Zeitpunkt, ab dem die durch den Versorgungsausgleich eingetretenen neuen Verhältnisse in Form eines Rentenzuschlags zu berücksichtigen sind, kann entgegen der Meinung der Klägerin jedoch nur der Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich sein. Nach § 53g Abs 1 Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) wurde das rentenrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten erst mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses durch die Übertragung (zusätzlicher) Werte auf das Rentenkonto der Klägerin wirksam umgestaltet. Vor der Wirksamkeit dieser rechtsbegründenden (konstitutiven) Entscheidung über den Versorgungsausgleich hatte die Klägerin eine neue, für sie günstigere Rechtsposition nicht erlangt; erst mit ihrer Wirksamkeit wurde die Beklagte verpflichtet, den Zuschlag an Entgeltpunkten bei der bereits bewilligten Rente zu berücksichtigen (zum Ganzen bereits BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1) .
Allerdings war die Beklagte nicht gehalten, bereits ab dem Eintritt der Rechtskraft (22.6.2004) der Klägerin eine höhere Rente zu zahlen, wie sich aus § 100 Abs 1 SGB VI ergibt. Diese Vorschrift ergänzt § 48 SGB X, welcher regelt, ob sich eine Änderung der Verhältnisse erst in Zukunft oder bereits im Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse auswirkt, während § 100 SGB VI bestimmt, dass in diesen Fällen die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist (Jörg in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl, § 100 RdNr 2) . Eine wesentliche Änderung kann daher bei einer laufenden Rentenzahlung nur zum darauf folgenden Monatsbeginn berücksichtigt werden. Da die familiengerichtliche Entscheidung des AG G. erst am 22.6.2004 rechtskräftig wurde, durften die zusätzlichen Entgeltpunkte die Rente nicht schon im Monat Juni, sondern erstmals zum 1.7.2004 erhöhen.
Für die von der Klägerin beanspruchte frühere Rentenerhöhung findet sich weder in den allgemeinen rentenrechtlichen Bestimmungen noch in speziellen Vorschriften eine Anspruchsgrundlage. So enthält zwar § 101 Abs 3 SGB VI eine Sonderregelung für die Wirkungen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs; diese betrifft jedoch nur die Auswirkungen von Abschlägen, die ein Ausgleichsverpflichteter hinzunehmen hat, der bereits Rente erhält. Wann sich Zuschläge zu Gunsten eines ausgleichsberechtigten Rentners auf die Rentenhöhe auswirken, ergibt sich ausschließlich aus der allgemeinen Regelung des § 100 Abs 1 Satz 1 SGB VI.
Es finden sich auch keine anderweitigen Sonderregelungen, aus denen die Klägerin die Berücksichtigung der übertragenen Anwartschaften bereits ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1.7.2004 herleiten könnte. § 76 SGB VI enthält nur Regelungen darüber, wie der Rentenversicherungsträger die rechtskräftige und wirksame (§ 629d Zivilprozessordnung ≪ZPO≫, § 53g FGG) Übertragung von Rentenanwartschaften durch den Versorgungsausgleich in der Rentenberechnung umzusetzen hat, aber keine Aussage zum Zeitpunkt der sich daraus gegebenenfalls ergebenden Rentenerhöhung. Ebenso wenig treffen die familienrechtlichen Vorschriften der §§ 1587 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Bestimmung über den Zeitpunkt, zu dem die Übertragung von Anwartschaften auf laufende Renten zu berücksichtigen ist (so bereits BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 2 mwN) .
Es kann auch nicht zu Gunsten der Klägerin etwa auf die Zeitpunkte der Beschlussfassung durch das AG G. oder der Zustellung dieses Beschlusses abgestellt werden, denn vor Eintritt der Rechtskraft hatte der Beschluss noch keine rechtsgestaltende Wirkung, sodass die zu übertragenden Anwartschaften vor Eintritt der Rechtskraft nicht dem Konto der Klägerin gutgeschrieben werden konnten. Auf einem Versicherungskonto (noch) nicht vorhandene Entgeltpunkte können für eine Rentengewährung nicht berücksichtigt werden.
Ebenso wenig ist eine rückwirkende Erhöhung der Rente bereits ab Rentenbeginn möglich. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren über den Versorgungsausgleich zwar schon anhängig, aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Allerdings ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs rückwirkend zu einer anderen Beurteilung von in der Vergangenheit liegenden Umständen führen kann: So vermag ein sogar vor der Ehezeit eingetretener Versicherungsfall durch die Übertragung von Rentenanwartschaften einen Rentenanspruch zu begründen; ebenso sind die im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften der für die Wartezeit erforderlichen Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten gleichzusetzen. Das bedeutet jedoch nur, dass Anspruchsvoraussetzungen, die nach allgemeinem Rentenversicherungsrecht schon vor der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung hätten vorliegen müssen, als rechtzeitig erfüllt gelten können, wenn andernfalls das Ziel des Versorgungsausgleichs - eine Rentenleistung oder deren Erhöhung in der Zeit ab der familiengerichtlichen Entscheidung - schlechthin nicht erreicht werden könnte. Da eine solche Ausnahme hier nicht vorliegt, bleibt es bei dem vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass die infolge des Versorgungsausgleichs entstandenen oder erhöhten Rentenanwartschaften nach dem Gesamtkonzept der materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen des Rentenversicherungsrechts, des BGB und des FGG erst ab dem der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung folgenden Monat zu einer - höheren - Rente führen können (zum Vorhergehenden BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 3 f mwN) .
Die Berücksichtigung der übertragenen Anwartschaft durch Erhöhung einer bereits laufenden Rente vor der Rechtskraft und Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist auch dann nicht möglich, wenn - wie hier - die Entscheidungen über die Ehescheidung und den durchzuführenden Versorgungsausgleich nicht im Rahmen einer Verbundentscheidung nach § 623 Abs 1 ZPO erfolgen, sondern zwischen den beiden Entscheidungen ein längerer Zeitraum liegt. Die Verbundentscheidung ist zwar der gesetzliche Normalfall, gleichwohl gehen bereits die gesetzlichen Vorschriften davon aus, dass beide Entscheidungen zeitlich auseinanderfallen können, weil das Scheidungsfolgeverfahren sich unter Umständen als schwierig gestaltet oder der Versorgungsausgleich zwischen den Eheleuten - anders als die Scheidungssache selbst - besonders umstritten ist (vgl auch hierzu BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 5) . Daher besteht gemäß § 628 ZPO die Möglichkeit, vorab das Scheidungsverfahren durchzuführen und erst später über den Versorgungsausgleich zu entscheiden. Gleichwohl hat es der Gesetzgeber nicht für erforderlich gehalten, speziell für diese Fälle die Wirkung des Versorgungsausgleichs auf laufende Renten auf einen früheren Zeitpunkt als den der Rechtskraft vorzuverlegen.
Für die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, den durchgeführten Versorgungsausgleich rentenrechtlich umzusetzen, ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen es zu einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekommen ist. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass im Rahmen des Verfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung in eine entsprechende Prüfung eingetreten werden müsste, aus welchen und von wem zu vertretenden Gründen es zu einer Verzögerung der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekommen ist. Dies würde dem Erfordernis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über den Zeitpunkt der rechtsgestalteten Wirkung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zuwiderlaufen. Es ist daher für den Beginn der - höheren - Rente unbeachtlich, ob der Ausgleichsberechtigte selbst zur Verzögerung des familiengerichtlichen Verfahrens beigetragen hat oder andere von ihm nicht zu vertretende Umstände hierfür verantwortlich waren. Das wirtschaftliche Risiko einer Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich tragen die früheren Ehegatten selbst. Dies gilt auch für den Fall, dass der Ausgleichsverpflichtete noch keinen Anspruch aus seiner Anwartschaft geltend gemacht hat bzw für ihn bis zur rechtskräftigen Umgestaltung seines Versicherungsverhältnisses keine Leistungen nach der Höhe seiner bisherigen Anwartschaft zu erbringen waren (vgl auch hierzu BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 6) . Selbst wenn die Länge des Verfahrens vor dem Familiengericht wegen missbräuchlicher Verzögerung des Versorgungsausgleichsverfahrens der Beklagten anzulasten wäre, wofür allerdings jegliche Anhaltspunkte fehlen, wäre ein solches Verhalten allenfalls geeignet, Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung (Art 34 Satz 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 839 BGB) auszulösen, die nicht zum Gegenstand des jetzigen Verfahrens gemacht werden könnten. Auch über eine etwaige Kompensation wegen einer vom Familiengericht zu verantwortenden überlangen Verfahrensdauer wäre nicht hier zu entscheiden.
An diesen Grundsätzen ist für die hier vorliegende Fallkonstellation festzuhalten, in welcher der Ausgleichsverpflichtete vor der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich verstorben ist und die Ausgleichsberechtigte bereits eine Rente bezieht (noch offengelassen in BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 7) . Allerdings ist der Klägerin zuzugeben, dass in dieser Sachverhaltskonstellation für den Versicherungsträger jedenfalls bei Ex-Post-Betrachtung kein Risiko bestand, vor dem rechtskräftigen Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens auch an den Ausgleichsverpflichteten noch Rentenleistungen aus dessen noch nicht durch den Versorgungsausgleich geschmälertem Rentenkonto erbringen zu müssen. Nach den Feststellungen des SG hat der frühere Ehemann der Klägerin auch keine rentenberechtigten Hinterbliebenen hinterlassen.
Gleichwohl ist es gerechtfertigt, auch für eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende allein auf den Zeitpunkt der Rechtskraft (und die Wirksamkeit) der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich abzustellen. Zu Recht hat das BSG die Bedeutung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Gestaltung und Durchführung des Versorgungsausgleichs für alle Beteiligten betont (BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1 S 6) . Denn dieser betrifft die gegensätzlichen Interessen nicht nur der geschiedenen Eheleute untereinander, sondern auch des jeweiligen Ehegatten im Verhältnis zu der vom Rentenversicherungsträger repräsentierten Versichertengemeinschaft. Eine Auslegung, die spezielle Härten bei einem Beteiligten zu vermeiden sucht, kann für die anderen daher sehr leicht gesetzlich nicht gerechtfertigte Folgen zeitigen, die wegen der Komplexität des Versorgungsausgleichs nicht gleich erkennbar sind. Insofern hat die Bindung der Rentenerhöhung an das klare und leicht festzustellende Kriterium der Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich großes rechtliches Gewicht.
Gegen die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Rechtskraft für die Erhöhung der Rente bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung kommt von vorneherein nicht in Betracht, weil die Klägerin im Vergleich zu anderen Rentnern, deren Anwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs durch einen Zuschlag erhöht werden, gerade nicht ungleich behandelt wird. Vielmehr geht es im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG vor allem darum, ob die Situation der Klägerin von dem Lebenssachverhalt, auf den sich die gesetzliche Regelung erkennbar bezieht, so wesentlich abweicht, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, eine Ausnahmeregelung zu schaffen.
Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, Ausnahmeregelungen für besondere Fallkonstellationen wie diejenige der Klägerin zu schaffen, denn hierbei handelt es sich um einen atypischen Lebenssachverhalt, bei dem der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt und der ausgleichsverpflichtete Versicherte nach der Scheidung, aber vor Abschluss des getrennt geführten Verfahrens um den Versorgungsausgleich verstirbt, ohne eine Rente erhalten zu haben und ohne Hinterbliebene zu hinterlassen. Schon mit Rücksicht auf diesen Ausnahmecharakter ist es nicht zu beanstanden, dass sich das Gesetz im Interesse der Rechtssicherheit mit einer auf dem eindeutigen Merkmal der Rechtskraft beruhenden Regelung begnügt und auf hiervon schwer abgrenzbare Ausnahmetatbestände verzichtet.
Außerdem muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass das Gesetz ihre Interessen nicht völlig unberücksichtigt lässt. Zwar trägt der Rentenversicherungsträger nach dem Tode des ausgleichspflichtigen Versicherten kein Versicherungsrisiko mehr, wenn - wie hier unterstellt - keine Hinterbliebenen vorhanden sind; überdies braucht er bis zur Umsetzung des Versorgungsausgleichs keine Leistungen aus dem hier betroffenen Versicherungskonto an den Ausgleichsberechtigten zu erbringen, selbst wenn dieser - wie hier - die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt. Für diese Situation stellt das nacheheliche Unterhaltsrecht jedoch - jedenfalls im Grundsatz - Ansprüche nach den §§ 1571, 1572 BGB zur Verfügung, die nach dem Tode des früheren Ehegatten in gewissem Umfang als Nachlassverbindlichkeit abgesichert sind (§ 1586b Abs 1 Satz 1 BGB) . Unter diesem Blickwinkel geht es für die Klägerin darum, wann sie zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs nicht mehr auf das in ihrem Fall möglicherweise unergiebige private Unterhaltsrecht angewiesen ist und (auch) den Rentenversicherungsträger aus übertragenen Rentenanwartschaften in Anspruch nehmen kann. Für diese stichtagsähnliche zeitliche Festlegung an der Schnittstelle zwischen Unterhaltsrecht und Versorgungsausgleich ist ein weiter gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum anzunehmen. Wenn dabei im Interesse der Rechtssicherheit an die Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich angeknüpft wird, so liegt darin keine willkürliche Bevorzugung der dadurch in geringem Umfang entlasteten Versichertengemeinschaft.
Für eine Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht des Art 14 Abs 1 GG ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Klägerin erhält aus den übertragenen Anwartschaften einen Rentenzuschlag. Dass der Gesetzgeber für die Risikoverteilung aus den jeweiligen Anwartschaften auf die Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich abstellt, bedeutet keinen Eingriff in die (eigentumsähnliche) Rechtsstellung der Klägerin. Die von ihr erworbenen Anwartschaften bleiben unangetastet. Die vom Konto des Versicherten übertragenen Anwartschaften entfalten ebenfalls ihre Wirkung. Die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem dieser Rechtsvorteil eintritt, ist - wie bereits ausgeführt - sachgerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2029982 |
FamRZ 2008, 1845 |