Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der im Jahre 1900 geborenen Frau K… gewährte die Klägerin seit dem 11. Juli 1979 wegen einer Involutionspsychose mit paranoiden und depressiven Zügen sowie deutlichen arteriosklerotischen Symptomen stationäre Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Kreiskrankenhauses N…. Am 16. Juli 1979 stürzte Frau K… aus ungeklärten Gründen in der Naßzelle ihres Krankenzimmers zu Boden und zog sich dadurch einen Bruch des linken Oberschenkelhalses zu. Sie wurde deswegen in der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses N… auf Kosten der Klägerin stationär behandelt und am 22. September 1979 in hausärztliche Behandlung entlassen. Die Klägerin forderte von der Beklagten die Erstattung der ihr durch die Behandlung der Frau K. auf der chirurgischen Station in der Zeit vom 16. Juli bis 22. September 1979 entstandenen Kosten in Höhe von 12.487,62 DM. Die Beklagte lehnte dies ab.
Auf die Klage der Klägerin hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart die Beklagte verurteilt, der Klägerin 7.058,22 DM zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1982). Das SG hat einen Erstattungsanspruch der Klägerin bejaht, weil Frau K… einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten habe. Frau K… sei nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Da eigenwirtschaftliche Tätigkeiten und ein Sturz aus innerer Ursache ausgeschlossen seien, bleibe als wahrscheinlicher Geschehensablauf nur die Tatsache, daß Frau K. im Rahmen der stationären Behandlung den Waschraum ihres Krankenzimmers aufgesucht habe und dabei zu Fall gekommen sei; das Aufsuchen des Waschraumes sei eine versicherte Tätigkeit gewesen. Da Frau K. ohne den Unfall noch weitere 30 Tage in psychiatrischer Behandlung hätte bleiben müssen, sei nur ein Teil der geltend gemachten Kosten zu erstatten. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 30. Juni 1983). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Aus welchen Gründen Frau K… am Vormittag des 16. Juli 1979 die Naßzelle aufgesucht habe, lasse sich mangels Zeugen und wegen des Fehlens verwertbarer Angaben von Frau K… nicht mehr feststellen. Denkbar seien zwei Möglichkeiten, nämlich daß Frau K… sich waschen oder ihre Notdurft auf der Toilette der Naßzelle habe verrichten wollen. Beide Tätigkeiten hätten aber nicht mit der stationären Unterbringung in dem notwendigen inneren Zusammenhang gestanden. Es lasse sich auch nicht feststellen, daß der stationären Unterbringung eigentümliche Verhältnisse für den Sturz - dessen Ursachen unbekannt seien - (mit)verantwortlich seien. Die Naßzelle selbst und ihre Einrichtung hätten eine höhere Unfallgefahr bedingt als der häusliche Bereich von Frau K….
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Bei einem Patienten, der stationär behandelt werde, gehöre sowohl das Waschen als auch die Verrichtung der Notdurft zu den versicherten Tätigkeiten. Dies entspreche auch den Grundsätzen für den Versicherungsschutz auf Dienst- oder Geschäftsreisen. Zudem reiche es aus, wenn der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung habe sein können, daß die Tätigkeit geeignet war, der stationären Behandlung zu dienen und diese subjektive Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze finde. Das LSG habe die ihm obliegende Sachaufklärung (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) verletzt und die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es habe nicht berücksichtigt, daß Frau K. an ausgedehnten Schürfungen im Bereich des Gesichts, des behaarten Kopfes und des Halses gelitten habe und deswegen mit Salbe behandelt worden sei. Subjektiv habe Frau K. davon ausgehen können, daß der Körperhygiene besondere Bedeutung zukomme. Das LSG hätte über die Zweckmäßigkeit des Waschens in bezug auf die vorliegende Krankheit Beweis erheben müssen. Ebenfalls sei unberücksichtigt geblieben, daß Frau K… stark sehbehindert und zudem sehr alt und geistig offensichtlich nicht mehr sehr beweglich gewesen sei. Die fremde Umgebung des Krankenhauses sei für sie im Unfallzeitpunkt mindestens ebenso gefährlich gewesen, wie die fremde Umgebung eines Hotels für einen Geschäftsreisenden. Das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht auch dadurch verletzt, daß es keine Besichtigung der Naßzelle vorgenommen, sondern den völlig unsicheren Meßangaben der Zeugin E… vertraut habe. Es habe die in den Akten enthaltenen Aussagen unbeachtet gelassen, wonach in der Naßzelle räumlich beengte Verhältnisse geherrscht hätten. Ferner legt die Klägerin dar, daß und warum sie nach § 1504 RVO Anspruch auf Erstattung des gesamten Betrages von 12.487,62 DM habe.
Die Klägerin beantragt,in Abänderung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 30. Juni 1983 die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 27. Oktober 1982 zurückzuweisen und die Beklagte unter Änderung des Urteils des SG Stuttgart zu verurteilen, ihr 12.487,62 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das LSG habe nicht feststellen können, daß Frau K… die Naßzelle aufgrund von Behandlungsmaßnahmen aufgesucht habe oder durch Verhältnisse gestürzt sei, die mit ihrer stationären Behandlung im Zusammenhang gestanden hätten. Den Ausführungen der Klägerin, daß das Waschen und die Verrichtung der Notdurft im Krankenhaus durch die Behandlung und die aus der stationären Unterbringung erwachsenen Anforderungen geprägt seien, könne nicht gefolgt werden. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Selbst wenn aber ein Arbeitsunfall vorliegen würde, könnte auch den Ausführungen der Klägerin zum Umfang des Erstattungsanspruchs nicht gefolgt werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ist die Krankheit die Folge eines Arbeitsunfalls, den der Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat, so hat dieser, wenn der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 1504 Abs. 1 RVO die Kosten mit Ausnahme des Sterbegeldes zu erstatten, die nach Ablauf des 18. Tages nach dem Arbeitsunfall entstehen. Ausgenommen sind die Kosten der Krankenpflege (§ 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Die Kosten der Krankenhauspflege sind vom ersten Tag an zu erstatten.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Krankheit der Frau K… (Bruch des linken Oberschenkelhalses) nicht Folge eines Arbeitsunfalls ist. Denn der Unfall, den Frau K… am 16. Juli 1979 erlitten hat, war kein Arbeitsunfall.
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Frau K… war zwar während der ihr von der Klägerin gewährten stationären Behandlung nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO gegen Arbeitsunfall versichert, jedoch hat sie den Unfall am 16. Juli 1979 (Sturz in der Naßzelle ihres Krankenzimmers) nicht bei einer mit der stationären Behandlung zusammenhängenden versicherten Tätigkeit erlitten.
Das LSG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß sich mangels Zeugen und wegen des Fehlens verwertbarer Angaben der Verletzten (Frau K…) nicht mehr feststellen lasse, aus welchen Gründen Frau K. die Naßzelle aufgesucht hat. Zwar hat das LSG für zwei von ihm für denkbar gehaltene Möglichkeiten, nämlich daß Frau K. in der Naßzelle sich habe waschen oder auf der dort befindlichen Toilette die Notdurft habe verrichten wollen, die Frage des Versicherungsschutzes erörtert und verneint, weil sowohl das Waschen als auch die Verrichtung der Notdurft unter den gegebenen Umständen als eigenwirtschaftliche und daher unversicherte Tätigkeiten anzusehen seien. Da vom LSG jedoch keine entsprechenden tatsächlichen Feststellungen, daß Frau K… sich habe waschen oder die Notdurft verrichten wollen, haben getroffen werden können, sind die Ausführungen des LSG zum Versicherungsschutz für diese beiden "denkbaren Möglichkeiten" unerheblich. Das trifft insoweit auch für die diesbezüglichen Verfahrensrügen der Klägerin zu.
Anders verhält es sich mit den Ausführungen des LSG, es habe sich nicht feststellen lassen, daß der stationären Unterbringung eigentümliche Verhältnisse für den Sturz von Frau K…, dessen Ursachen unbekannt seien, (mit)verantwortlich gewesen seien. Denn wie bei Dienst- oder Geschäftsreisen hat der Senat den Versicherungsschutz auch bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen während des Krankenhausaufenthalts bejaht, wenn für den Unfall besondere, mit dem Aufenthalt im Krankenhaus zusammenhängende Gefahrenmomente wirksam geworden sind (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 72; BSG, Urteil vom 12. Mai 1981 - 2 RU 7/80 -; Gitter, SGb 1982, 221). Hierauf beziehen sich die Rügen der Klägerin, das LSG hätte eine Besichtigung der Naßzelle vornehmen müssen, anstatt den unsicheren Maßangaben der Zeugin E… zu vertrauen, es habe auch die in den Akten enthaltene Aussage unbeachtet gelassen, wonach in der Naßzelle räumlich beengte Verhältnisse geherrscht hätten und daß Frau K… stark sehbehindert, zudem sehr alt und geistig offensichtlich nicht mehr sehr beweglich gewesen sei. Die fremde Umgebung des Krankenzimmers sei für sie im Unfallzeitpunkt mindestens ebenso gefährlich gewesen, wie die fremde Umgebung eines Hotels für einen Geschäftsreisenden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist Frau K… aus ungeklärten Gründen gestürzt. Sie war gesundheitlich in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Mit der Naßzelle war sie seit mehreren Tagen vertraut. Die Naßzelle war nicht sehr groß, aber besonders auf die Bedürfnisse kranker und hilfs- bzw. pflegebedürftiger Menschen ausgerichtet; der Fußboden war mit rutschfestem PVC ausgelegt. Die Klägerin legt nicht dar, inwieweit eine maßstabgerechte Skizze oder eine Besichtigung der Naßzelle und die Berücksichtigung der körperlichen und geistigen Verfassung von Frau K… Tatsachen ergeben haben würden, die darauf schließen ließen, daß Frau K… infolge besonderer, der stationären Unterbringung eigentümlichen Verhältnissen gestürzt ist und sich dabei verletzt hat.
Da nicht hat festgestellt werden können, aus welchen Gründen Frau K… die Naßzelle in ihrem Krankenzimmer aufgesucht hat, warum sie in der Naßzelle gestürzt ist und ob der stationären Unterbringung eigentümliche besondere Verhältnisse für den Sturz zumindest wesentlich mitverantwortlich waren, liegt ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall nicht vor. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist nicht gegeben. Die Revision mußte zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung entfällt (§ 193 Abs. 4 SGG).
Fundstellen