Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Februar 1975 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 30. November 1973 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor in Absatz 2 wie folgt lautet:
Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, die Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. Oktober 1970 festzustellen und hierfür die gesetzlichen Unfall eistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 7. Oktober 1970 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der jetzt 69jährige Kläger war als Arbeiter bei der Firma Horten-AG, Zweigniederlassung Osnabrück, beschäftigt. Im Jahre 1970 wurde ihm sein Lohn jeweils am Monatsende auf sein Girokonto überwiesen. In der Zeit vom 23. September bis 20. Oktober 1970 hatte der Kläger bezahlten Erholungsurlaub. Am 7. Oktober 1970 nachmittags sprach er im Lohnbüro seines Arbeitgebers vor und bat um Auszahlung von 150,– DM, die auf seinen Lohn für Oktober 1970 verrechnet werden sollten. Der geforderte Betrag wurde ihm bar ausgezahlt. Auf dem Rückweg zu seiner Wohnung rutschte er auf dem Fußweg aus, fiel hin und zog sich eine Schulterausrenkung links sowie eine Schädelprellung mit Hautabschürfungen zu. Er war deshalb bis zum 28. März 1971 arbeitsunfähig krank.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Unfallentschädigung ab (Bescheid vom 21. Dezember 1970). Der Kläger habe das Lohnbüro zur Erlangung eines Gehaltsvorschusses und damit aus persönlichen, eigenwirtschaftlichen Gründen aufgesucht. Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) für die Stadt Osnabrück beigeladen. Das SG hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese dem Grunde nach verurteilt, die Folgen des Arbeitsunfalles vom 7. Oktober 1970 festzustellen und an den Kläger Verletztenrente ab 29. März 1971 bis auf weiteres zu zahlen (Urteil vom 30. November 1973). Der Weg des Klägers vom Lohnbüro sei nach § 548 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen. Die Arbeitgeberin habe es entgegen den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) unterlassen, ihm für die Zeit des Urlaubs vor dessen Antritt am 23. September 1970 das zustehende Urlaubsentgelt auszuzahlen. Der Lohnzahlungszeitraum sei als am 23. September 1970 abgelaufen anzusehen; der Weg des Klägers zum und vom Lohnbüro stehe einem solchen zu dem Geldinstitut gleich.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Februar 1975). Es hat zur Begründung ua ausgeführt, die Berufung sei nach § 143 SGG statthaft. Ein Versicherungsschutz aus § 548 Abs. 1 Satz 2 RVO bestehe schon deshalb nicht, weil das Lohnbüro des Arbeitgebers kein Geldinstitut sei und der Kläger den betreffenden Weg nicht nach Ablauf des Gehaltszahlungszeitraumes zurückgelegt habe, für den die ausgezahlte Leistung bestimmt gewesen sei. Der maßgebende Gehaltszahlungszeitraum sei der jeweilige Kalendermonat gewesen. Es habe aber auch kein Versicherungsschutz nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bestanden. Wege zur Empfangnahme von Gehaltsvorschüssen dienten nach allgemeiner Auffassung überwiegend eigenwirtschaftlichen Interessen, soweit der Vorschuß nicht aus betrieblichem Interesse genommen werde. Der Kläger habe zwar seinen ihm nach dem BUrlG (§ 11 Abs. 2) zustehenden Anspruch, daß ihm der während des Urlaubs zustehende Lohn im voraus gezahlt werde, geltend machen können. Das Bestehen und die Zulässigkeit der Geltendmachung eines fälligen Anspruchs allein begründeten jedoch noch nicht den gesetzlichen Versicherungsschutz. Es sei vielmehr erforderlich, daß der Berechtigte einen solchen Anspruch auch tatsächlich geltend machen wolle. Versicherungsschutz wäre daher zu bejahen, wenn der Kläger am Unfalltage sich in das Lohnbüro begeben hätte, um die Zahlung des Urlaubsentgelts zu fordern oder die versehentlich unterbliebene Zahlung des schon am 23. September 1970 fällig gewesenen Urlaubsentgeltes zu beanstanden. Das habe er aber nicht getan. Wie auch schon zuvor nahezu regelmäßig, habe er nämlich das Lohnbüro allein deshalb aufgesucht, um einen Vorschuß in bestimmter Höhe auf die Gesamtbezüge für Oktober 1970 zu beantragen und zu erhalten ohne Rücksicht auf die Rechtsnatur der ihm für Oktober 1970 zustehenden Bezüge. Das volle oder einen Teil des Urlaubsentgeltes habe er offensichtlich nicht gefordert. Die Frage der Durchsetzung des gesetzlichen Anspruches auf Vorauszahlung des Urlaubsentgeltes habe sich für ihn an diesem Tage nicht gestellt. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die empfangenen 150,– DM ein zinsloses Darlehen oder eine Teilerfüllung des Lohn- oder Urlaubsentgeltanspruchs gewesen sei. Jedenfalls habe das Interesse des Klägers zumindest überwogen, denn dem Unternehmer sei an einer Teilzahlung nicht gelegen gewesen. Dafür daß der Kläger einen Vorschuß, nicht aber ein Urlaubsentgelt beanspruchen wollte, spreche ferner, daß er nicht das gesamte Urlaubsentgelt, sondern den festen Betrag von 150,– DM erhalten habe. Zwingend ergebe sich dieser Schluß im übrigen auch daraus, daß der Kläger den Betrag nicht vor oder bei Antritt des Urlaubs in Anspruch genommen habe, wie das zu erwarten gewesen wäre, wenn er allein für sich eine Regelung habe beanspruchen wollen, die von der für alle im Unternehmen beschäftigten Personen sonst praktizierten Zahlungsweise des Urlaubsentgeltes abgewichen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger und die Beigeladene haben dieses Rechtsmittel eingelegt. Gerügt wird die Verletzung der §§ 548 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2, 550 RVO. Der Kläger meint, er habe objektiv einen unabdingbaren gesetzlichen Anspruch auf Auszahlung bzw. Überweisung des Urlaubsentgeltes vor Urlaubsantritt gehabt. Bei bargeldloser Lohnzahlung hätte das Urlaubsentgelt auf sein Konto überwiesen werden müssen. Wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen aus § 11 Abs. 2 des BUrlG nicht nachkomme und der Arbeitnehmer zum Ausdruck bringe, daß er damit nicht einverstanden sei, stehe stets das betriebliche Interesse im Vordergrund. Selbst wenn er nur einen Teilbetrag der fälligen Forderung geltend mache, liege es im wohlverstandenen Interesse des Unternehmers, diesem Anliegen zu entsprechen, weil er sonst mit einschneidenderen und kostspieligeren Maßnahmen seines Arbeitnehmers rechnen müsse. Für die unfallversicherungsrechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob der Kläger für die Lohnbuchhaltung genügend klar und deutlich zum Ausdruck gebracht habe, daß er die unterbliebene Überweisung des Urlaubsentgeltes für den Monat Oktober beanstande, sich also subjektiv seines Rechts bewußt gewesen sei. Es sei vielmehr ausreichend, daß eine fällige Forderung objektiv vorgelegen habe. Die entgegenstehende Auffassung der Personalsachbearbeiterin stehe dem nicht entgegen. Die Auffassung des LSG, der Kläger habe einen Vorschuß auf das Oktoberentgelt nehmen wollen, sei nicht haltbar und durch die Aussage der Zeugin B. nicht gedeckt. Diese habe lediglich bekundet, der Kläger habe 150,– DM gefordert und erhalten. Dieser Betrag habe nicht den längst fälligen Urlaubsentgeltanspruch überschritten. Ein „Vorschuß” richte sich auf eine erst künftig fällige Forderung, niemals aber auf eine bereits fällige. Bei einer gesetzeskonformen Handlungsweise des Arbeitgebers hätte für den Kläger während seines Urlaubs keinerlei Veranlassung bestanden, sich einen Vorschuß geben zu lassen. Er hätte den Urlaub antreten können, ohne zuvor noch einmal den Betrieb aufsuchen zu müssen. § 11 Abs. 2 BUrlG bezwecke es, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, während des Urlaubs unnötige Wege zum Betrieb zurückzulegen. Durch das ungesetzliche Verhalten des Arbeitgebers sei der Kläger gezwungen gewesen, ein vermeidbares Risiko auf sich zu nehmen.
Die Beigeladene hält im wesentlichen die Auffassung des SG für zutreffend, daß sich der Versicherungsschutz des Klägers aus § 548 Abs. 1 Satz 2 RVO ergebe. Der dort enthaltene Rechtsgedanke müsse auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Im übrigen teilt sie die Auffassung des Klägers, daß er am Unfalltage den objektiv bestehenden Anspruch auf Urlaubsentgelt habe geltend machen wollen. Werde ein solcher Anspruch erstmals während des Urlaubs geltend gemacht, müsse das als Antrag auf Teilauszahlung des Urlaubsentgeltes gewertet werden, denn ein Lohnanspruch hätte mit Rücksicht auf die noch nicht geleistete Arbeit nicht entstehen können. Im übrigen sei sich auch die Personalsachbearbeiterin über die Rechtslage im klaren gewesen, denn sie habe bekundet, die Auszahlung im Urlaubsfall sei als Vorschuß bezeichnet worden. Das LSG hätte die Zeugin B. nochmals vernehmen müssen (§§ 103, 106, 128 Sozialgerichtsgesetz –SGG–), da ihre Aussage vor dem SG nicht genügend klar gewesen sei, um festzustellen, ob die Zahlung tatsächlich als Vorschuß oder als Teilbetrag des fälligen Urlaubsentgeltes angesehen worden sei. Der Prozeßvertreter der Beigeladenen habe diese Aussage jedenfalls in letzteren Sinne verstanden. Es sei grob unbillig, wenn der Weg zum und vom Lohnbüro nicht nach § 550 RVO unfallversicherungsrechtlich geschützt wäre, sofern der Arbeitgeber gesetzwidrig das Urlaubsentgelt nicht bei Antritt des Urlaubs ausgezahlt habe und der Arbeitnehmer deshalb während des Urlaubs erstmals einen Teilbetrag anfordere.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Februar 1975 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 30. November 1973 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Alle Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthaften Revisionen sind vom Kläger und der Beigeladenen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie führten, da die Berufung zulässig war, auch in der Sache zum Erfolg.
Entgegen der Auffassung des LSG hat der Kläger am 7. Oktober 1970 einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem Rückweg von dem Lohnbüro seines Beschäftigungsunternehmens, wo er sich einen Betrag von 150,– DM hatte auszahlen lassen, stürzte und sich Verletzungen zuzog, wegen derer er bis zum 28. März 1971 arbeitsunfähig krank war. Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger vom 23. September bis 20. Oktober 1970 bezahlten Erholungsurlaub gehabt habe und daß ihm vor Antritt dieses Urlaubes ein Urlaubsentgelt im Sinne von § 11 des BUrlG vom 18. Januar 1963 (BGBl I S. 2) weder bar ausgezahlt noch auf seinem Gehalts-Girokonto gutgeschrieben worden sei, auf das seine laufenden Lohnbezüge monatlich nachträglich überwiesen wurden. Es hat jedoch angenommen, er habe am 7. Oktober 1970 einen „Vorschuß” auf seine Oktober-Bezüge verlangt und auch erhalten. Die Gewährung von Vorschüssen erfolge aber in der Kegel nicht im Interesse des Unternehmens, sondern im persönlichen Interesse des Arbeitnehmers. Dem vermag der erkennende Senat im Ergebnis nicht zu folgen.
In Übereinstimmung mit dem LSG folgt auch der erkennende Senat der in Rechtsprechung und Schrifttum von jeher vertretenen Auffassung, daß der Lohnempfang im Lohnbüro des Beschäftigungsunternehmens im Regelfall nicht überwiegend eigenwirtschaftlichen Interessen, sondern wesentlich auch denen des Unternehmens dient, daß bei dem Antrag oder dem Empfang von Lohnvorauszahlungen jedoch das eigenwirtschaftliche Interesse des Versicherten überwiegt und deshalb kein Versicherungsschutz in der Unfallversicherung besteht (so BSG 13, 178, 179; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Februar 1975, II S. 483, 484 mit weiteren Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamts –RVA–). Dasselbe gilt für den Empfang anderer tariflicher Leistungen, wie etwa des Urlaubsgeldes, des vom Unternehmer zu zahlenden Zuschusses zum Krankengeld oder des Schlechtwettergeldes (BSG 27, 84 ff; Brackmann aaO). Auch das Beantragen oder das Abholen des gesetzlich dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubsentgelts (§ 11 BUrlG in der z.Zt. des Unfalles geltenden durch Art. 3 § 8 des Gesetzes vom 27. Juli 1969 – BGBl I 946 – geänderten Fassung) kann daher nur nach den gleichen Gesichtspunkten beurteilt werden, denn jeder Arbeitnehmer hat einen dem Grunde nach unabdingbaren Anspruch auf „bezahlten Erholungsurlaub” (§§ 1, 13 Abs. 1 BUrlG). Allerdings kann von den Regelungen des § 11 BUrlG, d. h. der Berechnung (Abs. 1) und der Fälligkeit vor Antritt des Urlaubs (Abs. 2) durch tarifvertragliche, nicht dagegen durch privatrechtliche Regelungen abgewichen werden (§ 13 Abs. 1 BUrlG; BAG Urteil vom 26.11.1964 in AP Nr. 3 zu § 13 BUrlG Bl. 220 R, 221; Urteil vom 12.5.1966 in AP Nr. 5 zu § 11 BUrlG Bl. 995). Das war hier jedoch nicht der Fall. Denn das LSG ist zutreffend von der Geltung der Bestimmung des § 11 Abs. 2 BUrlG auch im Betrieb der Firma Horten ausgegangen. Der Rahmentarifvertrag zwischen dem Einzelhandelsverband Niedersachsen e.V. einerseits und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesverband Niedersachsen sowie der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Niedersachsen andererseits vom 8. Juni 1965, der vom Niedersächsischen Sozialminister für allgemeinverbindlich erklärt worden war (BAZ Nr. 223 vom 29. November 1967), enthielt keine von § 11 BUrlG abweichende Regelungen. Dieser Vertrag war zwar mit dem 30. September 1968 außer Kraft getreten (vgl. BAZ Nr. 27 vom 10. Februar 1971). Der danach bis 31. Dezember 1970 bestehende tariflose Zustand (vgl. Schreiben des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen vom 22. Dezember 1975) konnte aber jedenfalls keine von § 11 BUrlG abweichende Regelung begründen. Insoweit bestreitet die Beklagte auch nicht die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 BUrlG. Dem Kläger stand somit spätestens am 22. September 1970 ein Ansprach auf ein nach § 11 Abs. 1 BUrlG berechnetes Urlaubsentgelt zu, den das Beschäftigungsunternehmen jedoch weder durch Barzahlung noch durch Überweisung auf das Girokonto des Klägers erfüllt hatte. Holt der Versicherte unter solchen Umständen das Urlaubsentgelt während des Urlaubs beim Betrieb selbst ab, so ist diese Tätigkeit gegen Unfall versichert.
Steht sonach ein Arbeitnehmer bei der Abholung bzw. der Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt im Lohnbüro sowie auf dem Wege dorthin und zurück zu seiner Wohnung, sei es unmittelbar nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO, sei es i.V.m. § 550 Abs. 1 RVO, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so kann dieser Schutz auch dem Kläger nicht versagt werden. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat er lediglich die Auszahlung von 150,– DM von der Lohnbuchhalterin, der Zeugin B., gefordert, also nicht ausdrücklich Urlaubsentgelt oder einen Teil seines Urlaubsentgelts, und die Zahlung ist als „Vorschuß” verbucht worden. Selbst wenn der Kläger, was allerdings naheliegt, der Auffassung war, er könne die 150,– DM nur als Vorschuß erhalten, kann ihm daraus kein Nachteil entstehen, denn das ließe sieh damit erklären, daß er nicht wußte, er habe einen schon längst fälligen Anspruch in noch größerer Höhe. Andernfalls müßte man ihm unterstellen, er sei sich dieses Anspruchs bewußt gewesen, habe auf ihn verzichtet und an seiner Stelle einen Lohnvorschuß nehmen wollen. Eine solche Annahme liegt jedoch so fern, daß sie nicht nur unberücksichtigt bleiben kann, sondern bei einer Würdigung der vom LSG getroffenen Feststellungen auch unberücksichtigt bleiben muß. Der Revision ist darin zuzustimmen, daß es wesentlich darauf ankommt, welche Ansprüche dem Kläger tatsächlich am Unfalltag zustanden. Deshalb kann es nicht entscheidend sein, ob die gezahlten 150,– DM als Vorschuß auf dem Lohnkonto des Klägers verbucht wurden oder die Lohnbuchhalterin entgegen der tatsächlichen Rechtslage davon ausging, der Kläger könne den geförderten Betrag nur als Vorschuß erhalten. Wenn das LSG meint, aus der Tatsache, daß der Kläger nicht das volle ihm zustehende Urlaubsentgelt und dies nicht schon vor Antritt seines Urlaubs gefordert habe, sei zu schließen, er habe einen Lohnvorschuß und nicht Urlaubsentgelt gefordert, gilt hierfür das oben gesagte, daß es nämlich gegenüber dem tatsächlich bestehenden und dem Kläger vorenthaltenen Anspruch nicht entscheidend auf seine subjektiven Vorstellungen – als einfacher Arbeiter – ankommt.
Der Unfallversicherungsschutz kann dem Kläger schließlich auch nicht deshalb versagt werden, weil er den Betrag an einem von ihm selbst gewählten Tag und nicht am Fälligkeitstag bzw. an dem für die regelmäßigen Zahlungen vom Betrieb vorgesehenen Tag angefordert bzw. abgeholt hat. Abgesehen davon, daß dem Kläger seine regelmäßigen Lohnbezüge bargeldlos gezahlt wurden und eine Regelung für die Auszahlung von Urlaubsentgelt seitens des Unternehmens nach dem Verfahrensergebnis überhaupt nicht getroffen war, war dem Kläger jedenfalls ein Urlaubsentgelt weder in bar gezahlt noch auf sein Konto überwiesen worden. In einem solchen Fall muß es dem Arbeitnehmer – zumindest seit dem Inkrafttreten des § 548 Abs. 1 Satz 2 RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) – überlassen bleiben, auch Barzahlungen einmal nach deren Fälligkeit zu einem ihm genehmen Zeitpunkt in Empfang zu nehmen (vgl. Brackmann aaO S. 483 unten). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine Zahlung handelt, die der Arbeitgeber rechtswidrig unterlassen und damit selbst die Ursache für das Aufsuchen des Lohnbüros gesetzt hatte. In diesem Falle mindestens steht das betriebliche Interesse an der ordnungsgemäßen Auszahlung der dem Beschäftigten zustehenden Bezüge im Sinne der für die Frage des Versicherungsschutzes bei der Empfangnahme der regelmäßigen Lohnzahlungen entwickelten Grundsätze (vgl. oben) im Vordergrund, so daß Versicherungsschutz nach § 548 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 550 RVO besteht. So hat etwa der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG 13, 178, 180) schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des UVNG entschieden, der weg zum Lohnbüro stehe auch dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn der Arbeitnehmer auch nur einen vermeintlichen Fehler in der Lohnabrechnung beanstanden wolle, und es sei nicht erforderlich, daß diese Beanstandung zur rechten Zeit vorgebracht werde und nicht einmal, daß noch ein Beschäftigungsverhältnis bestehe. Um so weniger wird im vorliegenden Falle der Versicherungsschutz dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger nicht bereits vor Antritt seines Urlaubs einen Urlaubsentgeltanspruch geltend gemacht hat.
Nach alledem hat das LSG den Entschädigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu Unrecht verneint, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben war. Da jedoch Feststellungen über das Vorliegen einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 29. März 1971 fehlen, war die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des SG mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß anstelle der Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente der Tenor nach dem Wort „festzustellen” in Absatz 2 wie folgt zu lauten hat: „und hierfür die gesetzlichen Unfall eistungen zu gewähren”.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Oestreicher, Thomas
Fundstellen