Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der bei der Beklagten versicherte Kläger für seine Schwägerin ... Anspruch auf Familienhilfe hatte.
Die 1924 geborene, seit 1978 unter Pflegschaft stehende ... leidet nach einer Anfang der dreißiger Jahre durchgemachten Kinderlähmung rechts, Sprachstörungen und Gedächtnisschwäche. Geistig ist sie auf dem Stand eines sechs- bis achtjährigen Kindes stehengeblieben. Nach dem Schwerbehindertengesetz ist ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Sie erhält vom zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger Pflegegeld. Anfang 1958 übergaben ihre Eltern das landwirtschaftliche Anwesen, auf dem sie seit ihrer Kindheit lebt, ihrer 1932 geborenen Schwester ..., die im Februar 1958 den 1933 geborenen Kläger heiratete. Im Übernahmevertrag hatte sie sich verpflichtet, für den Unterhalt und die Pflege ihrer Schwester einschließlich ihrer ambulanten Behandlung bei Krankheit aufzukommen. Seit Mai 1984 erhält sie Kindergeld für ihre Schwester, die ihr und dem Kläger gegenüber auch steuerlich als Kind behandelt wird.
Als der Sozialhilfeempfänger die bisher gewährte Krankenhilfe für ... Ende 1984 einstellte, beantragte der bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger Familienhilfe für sie. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 1985 ab. Insbesondere sah sie ... nicht als "Pflegekind" des Klägers i.S. des § 24 Abs. 3 ihrer Satzung an. Die familiäre Bindung zwischen dem Kläger und ... entspreche nicht einem familienähnlichen, auf längere Dauer berechneten Band zwischen Vater und leiblicher Tochter. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1985 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 31. Oktober 1986 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1985 Familienhilfe für ... zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. August 1988). Es ließ offen, ob ... vollen Unterhalt vom Kläger bezogen habe. Jedenfalls sei sie nicht sein Pflegekind gewesen, da es an einem Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis und einer Dauerbindung "wie sonst zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern" fehlte. Außerdem setze ein Pflegekindverhältnis einen ausreichenden Altersunterschied voraus, da es üblicherweise im frühen Kindesalter begründet werde. Diese hier fehlenden Voraussetzungen hätten auch für ein geistig behindertes Pflegekind zu gelten.
Der Kläger begründet seine vom LSG angelassene Revision mit einer Verletzung der §§ 205 Abs. 3 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), 56 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Auch bei Berücksichtigung des Krankheitsbildes der ... sei davon auszugehen, daß zwischen ihr und dem Kläger eine geistig - seelische Beziehung entstanden sei, die derjenigen leiblicher Kinder zu ihren Eltern ähnele. Aufgrund ihrer geistigen Entwicklung sei sie wie ein Kind zu beaufsichtigen und zu betreuen. Das sie älter sei als der Kläger, schließe ein Pflegekindschaftsverhältnis nicht aus, weil geistig Behinderte insoweit eine Sanderstellung einnähmen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. August 1988 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vorn 31. Oktober 1986 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das landessozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist, jedenfalls im Ergebnis, nicht begründet.
Zu Recht hat das LSG Die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungskage angesehen, denn dem Kläger ging es von Anfang an nicht um die Gewährung einzelner Leistungen der Familienhilfe, sondern um die Feststellung, ob das Krankenversicherungsverhältnis des Klägers die Familienhilfeberechtigung für seine Schwägerin ... einschloß. Nicht Gegenstand des Rechtsstreites ist dabei die Frage, ob ... seit Inkrafttreten des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) am 1. Januar 1989 gemäß § 10 SGB V familienversichert war. Das Revisionsgericht hat das am 25. August 1988 ergangene Urteil des LSG nur darauf zu prüfen, ob es das Recht auf den Sachverhalt, der bis zum Erlass des LSG-Urteils vorlag, richtig angewendet hat. Prüfungsmaßstab ist deshalb allein das Recht, das bis zum 31. Dezember 1988 galt.
Nach § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO erhielten Versicherte u.a. für die unterhaltsberechtigten Kinder bei Erfüllung bestimmter weiterer Erfordernisse Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Krankenhilfe - mit Ausnahme von Krankengeld - und sonstige Hilfen unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang wie Versicherte. Gemäß § 205 Abs. 3 Satz 1 RVO konnte die Satzung Leistungen nach Abs. 1 auf sonstige Angehörige erstrecken, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft lebten, von ihm ganz oder, überwiegend unterhalten wurden, sich gewöhnlich im Geltungsbereich des Gesetzes aufhielten und kein Gesamteinkommen hatten, das regelmäßig im Monat ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße überschritt. Aufgrund dieser Vorschrift hatte die Beklagte auch Pflegekinder in die Familienhilfe einbezogen, wenn der Versicherte für sie den vollen Unterhalt leistete (vgl. § 24 Abs. 3 der Satzung).
Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger ... voll unterhalten hat und, wenn dies nicht der Fall war, sein Anspruch auf Gewährung von Familienhilfe schon daran scheitert. Er hat ferner dahinstehen lassen, ob eine Kassensatzung noch mit § 205 RVO vereinbar war, die einen nur überwiegenden Unterhalt des Pflegekindes durch die Pflegeeltern für deren Anspruch auf Familienhilfe genügen ließ (vgl. dazu BSGE 61, 119 = SozR 2200 § 205 Nr. 62). Der Senat hat diese Fragen ebenfalls unentschieden gelassen, aber auch die weitere Frage, ob ... ein Pflegekind des Klägers war; das LSG hat sie verneint, weil es zwischen ihnen an der Ähnlichkeit mit einer Eltern-Kind-Beziehung fehle. Selbst wenn dem nicht zu folgen wäre und ..., als sie 1958 im Alter von etwa 34 Jahren vom damals wesentlich jüngeren Kläger in den Familienhaushalt aufgenommen wurde, wegen ihrer schweren Behinderung (nach Feststellung des LSG steht sie geistig auf der Stufe eines Schulkindes der unteren Grundschulklassen) als Pflegekind des Klägers anzusehen wäre, stand ihm für sie kein Anspruch auf Familienhilfe zu.
Nach § 205 Abs. 3 Satz 4 RVO war Familienhilfe für ein behindertes Kind zeitlich unbegrenzt nur zu gewähren, wenn die Behinderung vor Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. vor Ablauf der in § 205 Abs. 3 Sätze 2 und 3 RVO vorgesehenen Verlängerungszeiträume eingetreten war (BSGE 49, 159 = SozR 2200 § 205 Nr. 30). Was danach für, den Eintritt der Behinderung eines Kindes galt, galt bei behinderten Pflegekindern auch für die Begründung ihres Pflegekindverhältnisses. Auch dieses mußte spätestens bis zum Ende der genannten Zeitgrenzen begründet sein, um dem Versicherten einen Anspruch auf Familienhilfe für das behinderte Pflegekind zu geben. Das folgte zwar nicht unmittelbar aus den Sätzen 2 bis 4 des § 205 Abs. 3 RVO, jedoch aus ihrem Zweck. Offenbar sollten sie die Familienhilfe bei einem behinderten Kind auch über die in den Sätzen 2 und 3 a.a.O. genannten Zeitgrenzen hinaus sicherstellen, die Krankenkasse also, nunmehr allein wegen der Behinderung, zu ihrer Weitergewährung verpflichten (vgl., dazu BSGE 49, 163). Das bedeutete aber, daß nicht nur die Behinderung des Kindes bis zum Ende der genannten Zeitgrenzen eingetreten sein wußte, sondern bei einem behinderten Pflegekind außerdem, daß bis dahin auch sein Pflegekindverhältnis - als Grundvoraussetzung der ihm zu gewährenden Familienhilfe neben der Behinderung als bloßer Verlängerungsvoraussetzung - begründet sein mußte. Da dies bei ... nicht der Fall war - sie wurde, wie ausgeführt, erst im Alter von etwa 34 Jahren in den Haushalt des Klägers aufgenommen -, stand ihm für sie ein Anspruch auf Familienhilfe nach § 205 Abs. 3 Satz 4 RVO bzw. nach der Satzung der Beklagten nicht zu.
Daß der Kläger für sie auch als "Angehörige" i.S. des § 205 Abs. 3 Satz 1 RVO keinen Familienhilfeanspruch hatte, weil sie ihm nicht, wie in der Satzung der Beklagten gefordert, den Haushalt führte, hat das LSG zutreffend entschieden.
Der Senat hat deshalb die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG - als im Ergebnis unbegründet - zurückgewiesen und über die Kosten der Revision nach § 193 SGG entschieden.
Fundstellen