Entscheidungsstichwort (Thema)
Flexibles Altersruhegeld. Einkommensanrechnung. Ehrenamtlicher Stadtrat in Bayern
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Anspruch auf das vorzeitige "flexible" Altersruhegeld (RVO § 1248 Abs 1) iS von RVO § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b sind nur Arbeitseinkommen aus einer sozialrechtlich relevanten, dh in einer gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit schädlich.
2. Dem Anspruch auf das flexible Altersruhegeld unschädlich ist daher die Aufwandsentschädigung eines von den Gemeindebürgern gewählten ehrenamtlichen Mitglieds eines Gemeinderats in Bayern.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Einkommensanrechnung iS des § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b RVO unterliegt nicht das Gesamteinkommen, sondern nur das Einkommen aus der Beschäftigung in nicht selbständiger Arbeit und aus sozialversicherungspflichtigen, selbständigen Tätigkeiten. Hinzuverdienstmöglichkeit bei Gewährung von flexiblem Altersruhegeld:
2. Soweit die Vorschrift des § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b RVO (§ 25 Abs 4 S 1 Buchst b AVG) die Begriffe "Entgelt" und "Arbeitseinkommen" verwendet, sind damit das Arbeitsentgelt aus einer versicherungsrechtlich relevanten Beschäftigung (§ 14 SGB 4) sowie das Arbeitseinkommen aus einer versicherungsrechtlich relevanten selbständigen Tätigkeit (§ 15 SGB 4) gemeint; das Gesamteinkommen (§ 16 SGB 4) des Rentners ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
3. Zum Arbeitseinkommen iS des § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b RVO (§ 25 Abs 4 Buchst b AVG) gehören die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs 1 Nr 1 EStG), die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 1 Nr 2 EStG) und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs 1 Nr 3 EStG). Die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs 1 Nr 5 EStG) und die sonstigen Einkünfte iS des § 22 EStG (§ 2 Abs 1 Nr 7 EStG) beeinträchtigen den Anspruch auf flexibles Altersruhegeld nicht.
Orientierungssatz
Ein persönlich weisungsfreies ehrenamtliches Mitglied eines Stadtrats in Bayern übt keine nicht selbständige Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB 4 aus; die Aufwandsentschädigung aus dem Kommunalen Ehrenamt ist kein Arbeitsentgelt iS der §§ 7 Abs 1, 14 Abs 1 SGB 4.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 1 Fassung: 1978-11-06, Abs. 4 S. 1 Buchst. b Fassung: 1977-06-27; SGB 4 § 14 Fassung: 1976-12-23; SGB 4 § 15 Fassung: 1976-12-23; SGB 4 § 16 Fassung: 1976-12-23; GemO BY Art. 31 Abs. 2 S. 1; SGB 4 § 7 Abs. 1 Fassung: 1976-12-23; SGB 4 § 14 Abs. 1 Fassung: 1976-12-23; EStG § 2 Abs. 1 Nrn. 1-3, 5, 7, § 22
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 13.11.1980; Aktenzeichen S 13/Ar 515/80) |
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung eines vorzeitigen Altersruhegeldes (ARG).
Der im Oktober 1917 geborene, schwerbehinderte Kläger, von Beruf Dreher und zuletzt freigestellter Vorsitzender des Betriebsrates einer M Firma, hatte seine berufliche Tätigkeit zum 31. Oktober 1979 aufgegeben. Auf seinen bereits im Juli 1979 gestellten Antrag bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) mit Bescheid (1) vom 12. September 1979 ab 1. November 1979 nach § 1248 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) das vorzeitige "flexible" ARG im Betrag von damals 1.693,30 DM. Hiergegen hat der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt.
Nachdem der Beklagten in der Folge bekannt geworden war, daß der Kläger dem Stadtrat der Landeshauptstadt M als ehrenamtliches Mitglied und als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion einer der dort vertretenen Parteien sowie mehreren Aufsichtsräten angehörte, stellte sie Ermittlungen an, hob mit dem streitigen Bescheid (2) vom 19. November 1979 den ARG bewilligenden Bescheid 1 auf und lehnte den Leistungsantrag des Klägers ab: Er überschreite mit seinen Bezügen als ehrenamtlicher Stadtrat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender von monatlich 2.700,-- DM die Verdienstgrenze - 1.000,-- DM monatlich - nach § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO.
In der weiteren Folge wertete die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom Juli 1979 auch als Antrag auf Gewährung von Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, lehnte aber mit dem weiteren Bescheid (3) vom 5. Februar 1980 auch diesen Antrag ab, weil der Kläger die Tätigkeit eines Stadtrats und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden weiterhin ohne Gefahr für die Gesundheit ausüben könne. Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide 2 und 3 wies die Beklagte zurück (Widerspruchsentscheidung vom 27. Februar 1980, ausgefertigt unter dem 3. März 1980).
Mit der hiergegen erhobenen Klage hatte der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) keinen Erfolg. In der abweisenden angefochtenen Entscheidung vom 13. November 1980 führt das Gericht aus, die Entschädigung, die der Kläger als ehrenamtlicher Stadtrat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender erhalte, sei mindestens in Höhe von 1.800,-- DM monatlich Arbeitseinkommen im Sinne des § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO. Im Sinne dieser Vorschrift rentenschädlich könne jegliche Tätigkeit sein, also auch eine solche, die nicht irgendwie sozialversicherungsrechtlich relevant werden könne. Ebensowenig sei von Bedeutung, wie die Tätigkeit begründet worden sei und auf welche Art und Weise sie aufgegeben werden könne. Hätte der Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten privilegieren wollen, so hätte er dies ausdrücklich gesetzlich normieren müssen. Der Kläger erziele als ehrenamtlicher Stadtrat von M ein Arbeitseinkommen im Sinne des § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b aaO iVm § 15 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I, 3845). Bei der Entschädigung des Klägers sei zu unterscheiden, ob und in welchem Umfange durch sie nur Aufwendungen ersetzt werden sollten oder ob sie auch eine Arbeitsleistung abgelte. Hierbei sei auf die steuerrechtliche Behandlung derartiger Entschädigungen zurückzugreifen. Nach § 18 Abs 1 Nr 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) würden die Entschädigungen ehrenamtlicher Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane als Einkommen aus sonstiger selbständiger Arbeit besteuert. Nach den Grundsätzen eines koordinierten bundeseinheitlichen Ländererlasses seien pauschal 450,-- DM pro Monat als steuerfreie Aufwandsentschädigung anzusetzen; für einen Fraktionsvorsitzenden könne dieser Betrag verdoppelt werden, so daß für den Kläger ein Arbeitseinkommen von monatlich 1.800,-- DM anzusetzen sei. Damit überschreite er weit die Grenze des § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO. Es komme daher nicht darauf an, daß der Kläger aus Tätigkeiten als Aufsichtsratsmitglied bei mehreren M Gesellschaften noch Einkünfte habe. Im übrigen sei der Kläger auch nicht berufsunfähig.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Mit ihr bringt er vor, nach § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO komme es bei der Bewertung der zu beurteilenden Einkünfte auf Art und Grund der Tätigkeit an. Es müsse sich in jedem Fall um eine Erwerbstätigkeit handeln. Seine ehrenamtliche Tätigkeit als Stadtrat der Landeshauptstadt M unterscheide sich fundamental von einer Erwerbsarbeit. Sie sei nicht auf Erzielung von Entgelt oder Arbeitseinkommen gerichtet; zu ihrem Wesen gehöre, daß sie unentgeltlich ausgeübt werde. Seine Entschädigung sei kein Entgelt und auch kein Arbeitseinkommen. Unbeachtlich sei, daß die Entschädigung teilweise steuerpflichtiges Einkommen darstelle. Keinesfalls habe der Gesetzgeber mit Einführung der flexiblen Altersgrenze darauf abgezielt, Versicherte, die neben ihrer Erwerbstätigkeit auch noch im Interesse des Gemeinwohls tätig seien, in der Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zu beeinträchtigen. Träfe das angefochtene Urteil zu, müsse er nicht nur seine Erwerbsarbeit, sondern darüber hinaus auch seine Ehrenämter niederlegen, sofern dies nach dem jeweiligen Gesetz überhaupt zulässig sei. Die Ausübung des Ehrenamts könne sich also als ein unüberwindliches Hemmnis erweise, von der flexiblen Altersgrenze Gebrauch zu machen. Das sei nicht hinnehmbar. Ein solches Ergebnis verstoße nicht nur gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), sondern lasse Tatkraft, Wissen und Erfahrung von Arbeitnehmern für das Gemeinwohl verlorengehen. Die Auffassung des SG eröffne ihm nur die Alternative, bis zum 65. Lebensjahr voll zu arbeiten oder aber Berufstätigkeit und Ehrenamt aufzugeben. Das könne sich die Gemeinschaft der Bürger nicht leisten. Dem angefochtenen Urteil sei auch nicht zu folgen, soweit es Berufsunfähigkeit verneine. Als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter brauche er, Kläger, sich nicht auf ungelernte Tätigkeiten verweisen zu lassen, die qualitativ allein den sonstigen Ausbildungsberufen gleichstünden.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom
19. November 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
3. März 1980 (richtig: 27. Februar 1980) aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, ihm das mit Bescheid vom
12. September 1979 bewilligte Altersruhegeld ab 1. November 1979
zu zahlen,
hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 1980
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1980 die
Beklagte zu verurteilen, ihm antragsgemäß Versichertenrente wegen
Berufsunfähigkeit zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom
13. November 1980 zurückzuweisen.
Sie führt dazu nichts aus.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig und bereits mit ihrem Hauptantrag begründet.
Mit dem streitigen Bescheid 2 vom 19. November 1979 hat die Beklagte ihren dem Kläger ARG bewilligenden, nicht angefochtenen und daher im Sinne von § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch in der Sache bindend gewordenen Bescheid 1 vom 12. September 1979 rückwirkend ersatzlos aufgehoben und den Antrag des Klägers auf vorzeitiges ARG abgelehnt. Der Bescheid 2 enthält also die Rücknahme eines - angeblich - rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl § 45 des am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen 10. Buches des SGB/Verwaltungsverfahren - SGB 10 - vom 18. August 1980 - BGBl I, 1469, ber. 2218). Dagegen liegt kein Rentenwegfall kraft § 1248 Abs 4 Satz 4 RVO vor: Diese Vorschrift setzt voraus, daß das ARG nach Absatz 1 aaO zu Recht bewilligt worden ist; für den Fall allein, daß nachfolgend ua die Grenzen des neben dem ARG zulässigen Entgelts oder Arbeitseinkommens von im Monat durchschnittlich 1.000,-- DM rentenschädlich überschritten worden sind (Abs 4 Satz 1 Buchst b aaO), läßt sie den Rentenanspruch für die Zukunft entfallen.
Indessen kann dahinstehen, ob der Rücknahmebescheid 2 der Beklagten verwaltungsverfahrensrechtlich auf Art II § 40 Abs 2 Satz 2 iVm Art I § 45 SGB 10 gestützt werden könnte oder ob dem Art II § 40 Abs 2 Satz 3 aaO iVm § 1744 RVO entgegenstünde. Die Beklagte konnte den Bescheid 1 jedenfalls allein schon deshalb nicht zurücknehmen, weil die Entschädigung, die der Kläger als ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats der Landeshauptstadt M erhält, weder Entgelt noch Arbeitseinkommen im Sinne von § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO in der Fassung des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 ist (BGBl I, 1040).
Es besteht kein Anhalt für die Annahme, daß unter dem dem Anspruch auf das flexible Altersruhegeld schädlichen "Entgelt oder ... Arbeitseinkommen" aus einer "Beschäftigung gegen Entgelt oder ... einer Erwerbstätigkeit" etwas anderes verstanden werden könnte als diejenigen Bezüge, die im Sinne des § 14 Abs 1 SGB 4 "Arbeitsentgelt ... aus einer Beschäftigung" oder im Sinne von § 15 aaO "Arbeitseinkommen ... aus selbständiger Tätigkeit" sind. Wenn auch eine Begrenzung des neben dem Anspruch auf § 1248 Abs 1 aaO zulässigen Arbeitsertrages erstmals schon durch das Vierte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (4. RVÄndG) vom 30. März 1973 (BGBl I, 257) eingeführt worden ist (vgl Art 1 § 1 Nr 1), die §§ 14 und 15 SGB 4 dagegen erst am 1. Juli 1977 in Kraft getreten sind (Art II § 21 Abs 1 Satz 1) und bis dahin keine Vorläufer hatten, bringen sie im Ergebnis im Vergleich zu dem vor dem 1. Juli 1977 geltenden, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Rechtszustand materiell-rechtlich nichts Neues (allgemeine Meinung, vgl etwa Merten in Krause/von Maydell/Merten/Meydam, Gemeinschaftskomm., § 7 SGB 4, RdNr 7 und 9 mit weiteren Nachweisen; Hauck/Haines, SGB 4, RdNr 2; Jahn, SGB 4, § 7 RdNr 1 und 8).
Bereits hiernach läßt sich nicht verkennen, daß § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO nicht etwa das Gesamteinkommen (vgl § 16 SGB 4), sondern nur zwei ganz bestimmte, zwei aus dem Gesamteinkommen ausgewählte Arten von Einkommen des Versicherten für rentenschädlich erklärt, wobei diese beiden Einkommensarten und ihre Rentenschädlichkeit durch die Quelle bestimmt werden, aus der sie stammen: Einmal handelt es sich um die Quelle der unselbständigen Beschäftigung, zum anderen nach § 15 aaO um den "Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit ... nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts". Letzteres bedeutet im Hinblick auf § 2 Abs 2 Nr 1 iVm Abs 1 Nr 3 EStG idF der Bekanntmachung vom 6. Dezember 1981 (BGBl I, 1249), daß nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit im engeren steuerrechtlichen Sinn Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB 4 sein können. Alle aus anderen Quellen stammende Einkommen, mögen sie noch so hoch und noch so nachhaltig sein, beeinträchtigen dagegen den Anspruch des Versicherten auf das flexible ARG nicht: Einkünfte aus Kapitalvermögen (vgl § 2 Abs 1 Nr 5 EStG); Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl §§ 2 Abs 1 Nr 6, 21 EStG); sonstige Einkünfte (vgl §§ 2 Abs 1 Nr 7, 22 EStG, zB Spekulationsgewinne; vgl zu alledem auch Merten, aaO, § 15 RdNr 15, 20 und 23 und Hauck/Haines, SGB 4, § 15 RdNr 4). Die Auffassung des SG, § 15 aaO beziehe sich auf "jegliches" Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, trifft nach allem nicht zu. Hieraus erhellt eindrucksvoll, daß das ARG nach § 1248 Abs 1 RVO - wie grundsätzlich alle Leistungen der Sozialversicherung - kein vom Einkommen oder gar der Bedürftigkeit des Versicherten abhängige Leistung ist. Grund für die in § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO getroffene Regelung ist demnach nicht allgemein der Umstand, daß der Empfänger des vorzeitigen ARG daneben weiteres Einkommen hat, sondern daß er es - in bestimmter, erheblicher Höhe - aus abhängiger Beschäftigung - oder in dem speziellen Sinn des § 15 SGB 4 - aus selbständiger Tätigkeit bezieht. Die Frage, warum der Gesetzgeber gerade nur die Einkünfte aus diesen beiden Einkommensquellen für rentenschädlich erklärt hat, ist unschwer zu beantworten. Die "Beschäftigung" ist - neben der Gewährung von Arbeitsentgelt - als markanter Grundbegriff des Sozialversicherungsrechts charakteristisches Anknüpfungsmerkmal für Rechte und Pflichten sozialrechtlicher Art, vor allem für die Versicherungspflicht und für die Berechnung der Beiträge und Leistungen (vgl die Amtliche Begründung zu § 7 SGB 4, BT-Drucks 7/4122; Merten, aaO, § 7 RdNr 4 und 5; für die gesetzliche Rentenversicherung vgl insbesondere § 1227 Abs 1 Nr 1 RVO, § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-, § 1 Abs 1 Nr 1 des Reichsknappschaftsgesetzes -RKG-). Ihre Entsprechung für die unabhängige Arbeit findet die Beschäftigung im Begriff der selbständigen Tätigkeit, soweit auch auf diese Weise tätige Personen in das sozialrechtliche Sicherungssystem einbezogen sind (vgl etwa § 1227 Abs 1 Nr 3 und 4 RVO; § 2 Abs 1 Nr 3 bis 6a AVG; § 1 des Handwerkerversicherungsgesetzes -HwVG-; vgl auch § 14 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte -GAL-). Demgemäß zielt die in § 15 SGB 4 getroffene Begriffsbestimmung nur auf "das sozialrechtlich relevante Einkommen aus selbständiger Tätigkeit" (Amtliche Begründung zu § 15, BT-Drucks 7/4122). Diese sozialrechtliche Relevanz kann, was selbständige Arbeit angeht, aber grundsätzlich nur bei den sozialversicherungs- und demzufolge beitragspflichtigen Selbständigen gegeben sein (ebenso Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im SGB, § 15 SGB 4 Anm 1; Hauck/Haines, aaO, § 15 RdNr 4). Mit § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO zielt der Gesetzgeber also darauf ab zu vermeiden, daß abhängige Beschäftigung und Entgelte hieraus sowie bestimmte selbständige Tätigkeiten und Gewinne hieraus schon vor Erreichen der normalen, der Regelaltersgrenze von 65 Jahren (§ 1248 Abs 5 RVO) einerseits Versicherungspflicht in einer gesetzlichen Rentenversicherung und demgemäß Rentenanwartschaften auch für das vorzeitige flexible Altersruhegeld begründen, andererseits aber auch noch nach Eintritt dieses Versicherungsfalles und nach Bewilligung dieses Ruhegeldes unbeschränkt leistungsunschädlich weitergeführt werden können. Eigentlicher Grund für die Rentenschädlichkeit der Einkünfte aus Beschäftigung und bestimmter selbständiger Tätigkeiten ist also deren sozialrechtliche Relevanz; zugleich erklärt sich hieraus die Unschädlichkeit der Einkünfte aus sozialrechtlich nicht relevanten wirtschaftlichen Betätigungen (zB Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, "sonstige Einkünfte" im Sinne des EStG).
Eine ausdrücklich ehrenamtliche Tätigkeit in kommunalpolitischen Vertretungskörperschaften (vgl Art 31 Abs 3 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern idF der Bek. vom 31. Mai 1978 - BayGO-) - die Einzelheiten des bayerischen Gemeinderechts sind unten näher ausgeführt - ist, wie nicht weiter belegt zu werden braucht, im Sozialrecht nirgendwo als selbständige versicherungspflichtige Tätigkeit erfaßt und daher als solche sozialrechtlich irrelevant. Im übrigen ist eine ehrenamtliche Tätigkeit in der kommunalen Selbstverwaltung auch keine auf Erzielung von Gewinn im Sinne des EStG gerichtete selbständige, unternehmerische Tätigkeit.
Zu prüfen bleibt, ob die Aufwandsentschädigung des Klägers aus dem kommunalen Ehrenamt Arbeitsentgelt aus einer - nach § 1227 Abs 1 Nr 1 RVO oder § 2 Abs 1 Nr 1 AVG denkbar versicherungspflichtigen - nicht selbständigen Beschäftigung im Sinne der §§ 7 Abs 1, 14 Abs 1 SGB 4 ist. Das ist zu verneinen. Die unselbständige Arbeit wird dadurch charakterisiert, daß sie "mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt wird" (Amtliche Begründung zu § 7 SGB 4 aaO), daß der Beschäftigte vom Arbeitgeber also persönlich abhängig ist. Regelmäßig äußert sich dies "in der Eingliederung in einen Betrieb", womit die die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Art der Beschäftigung verbunden ist (vgl BSGE 13, 201, 202; BSGE 20, 6, 8 = SozR Nr 41 zu § 165 RVO; BSGE 36, 262, 263 = SozR Nr 8 zu § 441 RVO; BSG 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; BSG in SozR 2200 § 1227 Nr 4 und 8; aus der Literatur ausführlich mit zahlreichen nachweisen zB Kaltenbach/Maier, aaO, § 7 SGB 4 RdNrn 4 ff). Weisungsgebundenheit ist freilich auch dort noch vorhanden, wo sie sich - bei hoch qualifizierten Mitarbeitern - "zur funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß verfeinert" (vgl zB BSGE 16, 289, 293 = SozR Nr 33 zu § 165 RVO; BSGE 20, 6, 8; 38, 53, 57).
Nach den Bestimmungen der BayGO übt der Kläger als ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats der Landeshauptstadt M keine unselbständige Beschäftigung aus. Zwar enthält die BayGO kein nach § 162 SGG vor dem Bundessozialgericht (BSG) revisibles Recht. Indessen kann das BSG nach inzwischen gesicherter Rechtsprechung des erkennenden Senats den Inhalt nicht revisibler Vorschriften dann - erstmalig - feststellen, wenn es sich um Vorfragen revisibler Vorschriften - hier des § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO - handelt und entsprechende Feststellungen der Vorinstanzen fehlen (Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RA 7/80 - und Beschluß vom 9. Dezember 1981 - 1 RA 51/80). Nach der BayGO hat der Kläger als ein - von insgesamt 80 - von den Stadtbürgern M gewähltes ehrenamtliches (Art 31 Abs 2 Satz 1) Mitglied des S Stadtrats (Art 17, 19) in dessen - zumeist öffentlichen (Art 52 Abs 2 Satz 1) - Sitzungen, gegebenenfalls auch seiner Ausschüsse (Art 32), teils offen, teils geheim in den dem Stadtrat durch Art 29, 30 Abs 2 und 3 aaO zugewiesenen Verwaltungsaufgaben abzustimmen und so an dessen Beschlüssen mitzuwirken. Dabei unterliegt der Kläger keiner Weisung: Nach Art 51 Abs 2 aaO kann kein Mitglied des Stadtrats zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Stadtrats zur Verantwortung gezogen werden; die Rechts- und die Fachaufsichtsbehörde kann zwar rechtswidrige Beschlüsse beanstanden oder gar ihre Aufhebung verlangen, aber immer nur gegenüber dem Gesamtstadtrat als solchen, niemals gegenüber einzelnen Stadtratsmitgliedern (Art 112 Satz 1, 116 Abs 1 Satz 2 und 3 aaO).
Ist also der Kläger als ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats von M persönlich weisungsfrei, so kann die Ausübung dieses kommunalen Wahlamtes keine nicht selbständige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 SGB 4 sein; die hierfür von der Stadt M nach Art 20a Abs 1 BayGO iVm § 4 Abs 1 Satz 3 der Hauptsatzung der Landeshauptstadt M idF vom 28. Juli 1978 gezahlte Entschädigung von 2.700,-- DM monatlich (ehrenamtliches Mitglied des Stadtrats als stellvertretender Fraktionsvorsitzender) kann demnach auch nicht Entgelt im Sinne von § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO sein (vgl auch den Bundesfinanzhof in Bundessteuerblatt -BStBl- III 1966, 130). Hierin liegt auch der Grund, daß das kommunale Ehrenamt des Klägers sozialrechtlich irrelevant ist; es begründet weder Versicherungs- noch Beitragspflicht in der Sozialversicherung und damit keine Rentenanwartschaften.
Etwas anderes könnte sich ausnahmsweise dann ergeben, wenn die dem ehrenamtlichen Mitglied eines Gemeinderats gewährten Entschädigungen nicht nur den mit dem Ehrenamt verbundenen Zeitaufwand abgelten sollten, sondern dazu bestimmt wären, einen konkreten Verdienstausfall zu ersetzen (vgl Art 20a Abs 2 Nr 1 BayGO und § 4 Abs 2 der Hauptsatzung der Landeshauptstadt M; insoweit könnten die Entschädigungen Entgelt aus einer sozialrechtlich relevanten Beschäftigung vertreten und daher auch bei Anwendung des § 1248 Abs 4 Satz 1 RVO wie ein solches zu behandeln sein (vgl dazu auch BSG in SozR 2200 § 165 Nr 44). Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat seine lohnabhängige Beschäftigung bereits zum 31. Oktober 1979 aufgegeben. Die ihm von der Stadt M für seine ehrenamtliche Tätigkeit gewährte Entschädigung kann daher keinen Ausgleich für Verdienstausfall enthalten, sie ist vielmehr pauschale Abgeltung des durch das kommunale Ehrenamt verursachten Zeitverlustes (Art 31 Abs 2 Satz 1, 20a Abs 1 Satz 1 BayGO; vgl zum Begriff des öffentlichen Ehrenamts und seiner Unentgeltlichkeit Creifelds, Rechtswörterbuch, 6. Aufl, 320). Im übrigen besteht bei Ausübung öffentlicher Ehrenämter ohnedies eine Verpflichtung der Fortzahlung von Lohn oder Gehalt, so daß bei Arbeitnehmern in der Regel Verdienstausfallentschädigungen nicht zu zahlen sind (vgl dazu Ä 616 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- und Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 4. Aufl, 509, 682, 699, 769 mit zahlreichen nachweisen; vgl ferner § 4 Abs 2 und 3 der Hauptsatzung der Landeshauptstadt M).
Das Ergebnis dieser rechtlichen Überlegungen befriedigt; der Gesetzgeber hat mit der Regelung über das flexible Altersruhegeld in § 1428 Abs 1 und 4 RVO keinen wirtschaftlichen Zwang auf Versicherte ausüben wollen, kommunale Ehrenämter nicht zu übernehmen oder niederzulegen.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des SG erhält der Kläger aus seinen weiteren Tätigkeiten in zwei Aufsichtsräten insgesamt pro Jahr nicht mehr als 1.200,-- DM. Damit sind schon die Grenzen des erlaubten Hinzuverdienstes nach § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO unterschritten.
Nach alldem konnte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid 2 den Bewilligungsbescheid 1 schon deshalb nicht zurücknehmen, weil der Kläger aus seiner ehrenamtlichen, sozialrechtlich irrelevanten Tätigkeit kein Entgelt und kein Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 14 Abs 1, 15 SGB 4 bezogen hat. Demgemäß war auf die begründete Revision des Klägers das angefochtene Urteil und der Bescheid 2 der Beklagten samt dem bestätigenden Widerspruchsbescheid aufzuheben. Damit ist der Bescheid 1 wieder rechtswirksam. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers auf Zuerkennung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bedurfte es nach alldem nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1660095 |
BSGE, 242 |