Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) an den Kläger mangels Bedürftigkeit abgelehnt hat.
Der 1933 geborene Kläger beantragte nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) die Gewährung von Anschluß-Alhi ab 6. September 1984. Im Laufe der Ermittlungen über anrechenbares Einkommen legte der Kläger Journal-Auszüge und eine vom Steuerberater angefertigte Gewinnermittlung des Gaststättenbetriebs, der von seiner Ehefrau geführt wurde, für die Zeit von Januar bis Juli 1984 vor. Darin waren die Einnahmen mit 49.817,35 DM und die Ausgaben mit 47.431,95 DM einschließlich Abschreibungen in Höhe von 5.462,00 DM und somit ein vorläufiger Gewinn von 2.385,40 DM ausgewiesen. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alhi ab, da die im Journal ausgewiesenen Privatentnahmen mit 6.682,02 DM sowie die Entnahmen für das Sparkonto mit 400,00 DM als Einnahmen dem Gewinn zuzuschlagen seien und sich damit ein anrechnungspflichtiges Einkommen der Ehefrau ergebe, das höher sei als der wöchentliche Leistungssatz von 142,20 DM (Bescheid vom 20. November 1984, Widerspruchsbescheid vom 2. April 1985).
Im Klageverfahren errechnete die Beklagte unter Berücksichtigung der Abschreibungen in Höhe von 5.462,00 DM und des nicht bestrittenen Gewinns ein wöchentliches Einkommen der Ehefrau von 258,71 DM, das - auch unter Berücksichtigung des am 1. Januar 1986 erhöhten Freibetrags von 115,00 DM - den Leistungsanspruch des Klägers übersteige.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. September 1986). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 6. September 1984 Alhi bis zum 5. September 1985 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, Abschreibungen (§§ 6, 7 Einkommensteuergesetz -EStG-) stellten notwendige Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen gemäß § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) dar und seien infolgedessen vom Einkommen der Ehefrau des Klägers abzusetzen mit dem Ergebnis, daß anrechenbares Einkommen nicht vorhanden sei. Mit dem im Regierungsentwurf allein ausgeschlossenen Verlustausgleich hätten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nichts gemein.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG und des Untersuchungsgrundsatzes in § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie macht geltend, der Begriff der notwendigen Aufwendungen decke sich nicht mit dem Begriff der AfA. AfA seien als rein rechnerischer Vorgang einer Berücksichtigung bei dem vom Prinzip des tatsächlichen Zu- und Abflusses beherrschten Alhi-Einkommens-Begriff entzogen. Einkommen gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Sinn des Begriffes "zufließen", sondern auch aus dem Zusammenhang der Vorschriften der §§ 137 und 138 AFG sowie aus § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO). Im übrigen habe es das LSG versäumt, für den streitigen Zeitraum vom 6. September 1984 bis 23. Februar 1986 die Bedürftigkeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt:das Urteil des LSG vom 26. Juni 1987 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 16. September 1986 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt:die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen ist. Es fehlt an den für die Anwendung des § 137 AFG notwendigen Tatsachenfeststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Ehefrau des Klägers. Die vom Kläger vorgelegten Journal-Auszüge und die vorläufige Gewinnermittlung für die Zeit von Januar bis Juli 1984 sind insoweit nicht ausreichend. Inhalt der speziellen Bedürfnisprüfung nach § 138 AFG ist es, die Höhe des danach zu berücksichtigenden Einkommens zu ermitteln und dem nach § 136 AFG errechneten Satz der Alhi gegenüberzustellen.
Wie das LSG zu Recht entschieden hat, können Absetzungen für Abnutzung (§ 7 EStG) notwendige Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen gemäß § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG darstellen und infolgedessen bei der Ermittlung des Einkommens der Ehefrau des Klägers aus ihrem Gewerbebetrieb gewinnmindernd zu berücksichtigen sein.
Dem steht die neue Fassung (nF) des § 138 Abs. 2 AFG durch das 5. AFG-Änderungsgesetz vom 23. Juli 1979 (BGBl. I 1189) nicht entgegen. § 138 Abs. 2 AFG in der bis zum 31. Juli 1979 gültigen Fassung (aF) ordnete ausdrücklich an, vom Einkommen die "Werbungskosten" abzuziehen. Demgegenüber vermeidet § 138 AFG n.F. den Begriff der Werbungskosten und spricht nur von "notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen". Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 138 Abs. 2 AFG a.F. (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 2) war der Begriff der Werbungskosten anhand der Definition des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auszulegen. Danach sind Werbungskosten i.S. des § 138 Abs. 2 AFG a.F. Aufwendungen zur Erwerbung, Erhaltung und Sicherung von Einnahmen. Wie das BSG weiter ausgeführt hat, muß dieser umfassende Begriff allerdings aus Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi eine Einschränkung finden, so daß beispielsweise Werbungskosten nicht entsprechend § 9a EStG mit einem Pauschbetrag berücksichtigt oder erhöhte Abschreibungen für Wohngebäude nach § 7b EStG a.F. anerkannt werden können. Dagegen hat das BSG als Werbungskosten auch die "normalen" Absetzungen für Abschreibung anerkannt, da sie nur der Verteilung von Aufwendungen zur Erwerbung, Erhaltung und Sicherung von Einnahmen auf mehrere Jahre entsprechend der Abnutzung des Wirtschaftsgutes dienen.
An dieser Rechtsprechung des BSG ist auch nach § 138 Abs. 2 AFG n.F. festzuhalten. Wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs hierzu ergibt, sollte die Gesetzesänderung den Einkommensbegriff für die Alhi eigenständig gestalten und insbesondere von der Beachtung steuerrechtlicher Gesichtspunkte lösen; der im Steuerrecht zwischen den Einkunftsarten mögliche Verlustausgleich sollte bei der Alhi zwischen den einzelnen Arten von Einnahmen nicht stattfinden (vgl. BT-Drucks 8/2624 S. 30 Nr. 46 zu Abs. 2). Die frühere Rechtsprechung des BSG ist demnach nur insoweit überholt, als nunmehr ein Verlustausgleich bei Anwendung des § 138 AFG generell nicht mehr gestattet ist (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 15; BSG-Urteil vom 23. Februar 1989 - 11 RAr 46/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, sollte ausgehend vom Sinn und Zweck der Alhi eine Einschränkung steuerrechtlich möglicher Kürzungen des zu versteuernden Einkommens herbeigeführt werden, weil die Alhi in erster Linie eine subsidiäre Schutzeinrichtung zur Vermeidung von Bedürftigkeit, jedoch nicht zur Förderung von Vermögensbildung und grundsätzlich auch nicht zur einschränkungslosen Vermögenserhaltung sein soll. Dem entspricht die begrenzte Aufzählung absetzbarer Aufwendungen in § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AFG. Auch wenn nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG nur die "notwendigen" Aufwendungen absetzbar sein sollen, zeigt doch die Tatsache, daß der Gesetzgeber in dieser Regelung wortgleich die Definition der Werbungskosten aus § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG übernommen hat, daß insoweit die Begriffe des Steuerrechts weiterhin maßgebend sein sollen, sofern sich nicht aus dem Sinn und Zweck der Alhi etwas anderes ergibt. Da das Einkommen zur Feststellung der Bedürftigkeit eines Arbeitslosen ermittelt werden soll, d.h. jene Einkünfte zu ermitteln sind, die es dem Arbeitslosen ermöglichen, seinen (und seiner Familie) Lebensunterhalt zu bestreiten, können nur solche Werbungskosten im Rahmen des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG Berücksichtigung finden, die die Einkünfte des Arbeitslosen effektiv - unter Berücksichtigung einer vernünftigen Wirtschaftsführung - schmälern (so ausdrücklich BSG SozR 4100 § 138 Nr. 2). Hierzu gehören die "notwendigen" Absetzungen für Abnutzung. Der im Regierungsentwurf ausgeschlossene Verlustausgleich hindert somit die Berücksichtigung von Abschreibungen nicht. Der Verlustausgleich (§ 2 Abs. 2 EStG) besteht - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - darin, daß die positiven Einkünfte aller Einkunftsarten des Jahres mit den negativen Einkünften desselben Jahres verrechnet werden (vgl. Blümich/EStG, 13. A, Bd 1, § 2 Anm. 15; Kirchhof/Söhn, EStG, Bd 1, § 2 Anm. A 59 ff.). Abschreibungen sind dagegen der Ausdruck von Wertminderungen bei allen Gütern des Betriebsvermögens einschließlich von Grund und Boden. Bei den abnutzbaren Anlagegütern (hier nennt man sie "Absetzungen") dienen sie der Verteilung des Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands auf die Dauer der Nutzung entsprechend der eingetretenen Abnutzung oder Substanzverringerung (vgl. auch BSG SozR 2200 § 180 Nr. 20).
Soweit demgegenüber die Beklagte Abschreibungen als rein rechnerischen Vorgang der Berücksichtigung bei dem vom Prinzip des tatsächlichen Zu- und Abflusses beherrschten Alhi-Einkommens-Begriff entziehen will, ist dies unzutreffend. Zwar entspricht der Begriff des Einkommens in § 138 Abs. 2 AFG nicht dem des Einkommensteuergesetzes. Denn er umfaßt vor allem Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die dem Empfänger von Alhi bzw. dessen Angehörigen "zufließen" (vgl. BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr. 1; BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr. 3). Letzteres schließt jedoch nicht aus, daß diese Begriffsbestimmung durch die Einbeziehung der von den Einkünften abzuziehenden notwendigen Aufwendungen eine auf das Steuerrecht Bezug nehmende Komponente enthält (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 2).
Gegenteiliges ergibt sich nicht - wie die Beklagte meint - aus § 9 der Alhi-VO vom 7. August 1974 (BGBl. I 1929) i.d.F. vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I 1497). Danach besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich der Hauptbetrag der Alhi richtet. Soweit die Beklagte hieraus folgert, zu verwertendes Vermögen werde damit bei seiner Veräußerung gerade nicht als Einkommen behandelt, sondern als Minderung des Vermögens in seinem Bestand, kann ihr nicht gefolgt werden. Die §§ 6 ff. der Alhi-VO stellen vielmehr - entsprechend dem Zuflußprinzip - lediglich klar, daß der Erlös aus der Verwertung von Vermögen als Einkommen nach § 138 Abs. 2 AFG anzusehen ist.
Nicht gefolgt werden kann schließlich auch der Annahme der Beklagten, das Vermögen werde als fester Bestandteil an Rechten und Sachen von Absetzungen für Abschreibung nicht berührt. Vielmehr schmälern diese effektiv die Einkünfte des Arbeitslosen bzw. seines Ehegatten und zwar - entsprechend der Abnutzung des Wirtschaftsgutes - verteilt auf mehrere Jahre (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 2).
Werbungskosten sind somit von denjenigen Einnahmen abzuziehen, mit denen sie in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Bei Einnahmen aus verschiedenen Quellen kann ein bei einer Einnahmequelle durch den Abzug von Werbungskosten entstehender Verlust auf die andere Einnahmequelle im Rahmen des § 138 Abs. 2 AFG nicht übertragen werden. Denn ein solcher Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den Einkunftsarten möglich ist, soll - wie dies mit der Neufassung des § 138 Abs. 2 AFG klargestellt worden ist - bei der Alhi zwischen den einzelnen Arten von Einnahmen nicht stattfinden. Da der Einkommensbegriff des § 138 Abs. 2 AFG ein einheitlicher ist, findet sowohl beim Einkommen des Arbeitslosen (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG) als auch beim Einkommen seines Ehegatten (§ 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG) ein Verlustausgleich nicht mehr statt (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 15).
Nachdem das LSG im Ergebnis zutreffend Abschreibungen als absetzbare Aufwendungen i.S. des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG angesehen hat, wird es nunmehr bei der Ehefrau des Klägers ermitteln müssen, welche tatsächlichen Einkommensverhältnisse während des streitigen Zeitraums vom 6. September 1984 bis 23. Februar 1986 bestanden haben; es kann sich nicht auf die Zeit bis zum 6. September 1985 beschränken. Zwar soll nach § 139a AFG die Alhi jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden. Daraus folgt jedoch nicht, daß sich der den Alhi-Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten - wie das LSG meint - nur auf den Zeitraum eines Jahres bezieht. Vielmehr ist damit die Leistungsgewährung als solche abgelehnt worden und das Gericht ist - nachdem es sich um einen in der Vergangenheit liegenden streitigen Zeitraum handelt - gehalten, über diesen Zeitraum insgesamt eine Entscheidung zu treffen. § 139a Abs. 1 AFG erstreckt sich lediglich auf die Feststellung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen in der Zukunft und zwingt bei Ablauf einer befristeten Bewilligung den Leistungsempfänger, zur Erlangung einer erneuten Bewilligung die Leistungsvoraussetzungen darzulegen. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Das LSG wird feststellen müssen, welcher Gewinn aus dem Gaststättenbetrieb der Ehefrau in dem streitigen Zeitraum angefallen ist und welche Werbungskosten i.S. des § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG ihm gegenüberstehen. Dabei hat das Gericht in Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (vgl. BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2) die im jeweiligen Kalenderjahr angefallenen Werbungskosten auf das Jahr zu verteilen. Der Alhi-Anspruch des Klägers wäre insoweit nicht begründet, als mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seiner Ehefrau die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs. 2 AFG). Das LSG wird deshalb gegebenenfalls ferner feststellen müssen, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 6 der Alhi-VO vorliegen.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen