Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Berechnung des Durchschnittsumsatzes unterdurchschnittlich abrechnender Praxen nach dem Median
Leitsatz (amtlich)
Das Gebot, unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zu ermöglichen, ihren Umsatz bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern, kann im HVM so ausgestaltet werden, dass der Durchschnittsumsatz nicht nach dem arithmetischen Mittel, sondern nach dem Median bestimmt wird.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; SGB 5 § 85 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um höheres Honorar für das Jahr 1999.
Die Klägerin, eine Zahnärztin, ist seit dem 1. September 1995 im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Im Jahr 1997 betrug die Zahl ihrer Patienten 521, im Jahr 1999 1.013. Ihre Honorarabrechnungswerte lagen im Jahr 1997 unterhalb, im Jahr 1999 oberhalb des KZÄV-Durchschnitts.
Die von der Vertreterversammlung der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 1999 beschlossenen Honorarverteilungsregelungen (Honorarverteilungsmaßstab ≪HVM≫ mit Anlage) sahen für drei Leistungsbereiche sog sektorale Praxisbudgets (Individualbudgets) vor. Sie waren jeweils aus den Abrechnungsbeträgen des Vertragszahnarztes im Jahr 1997 (mit bestimmten Abschlägen) zu berechnen. Bis zu den so festgelegten Bemessungsgrenzen erhielt der einzelne Zahnarzt Honorar für seine vertragszahnärztlichen Leistungen mit Punktwerten entsprechend den gesamtvertraglichen Vereinbarungen mit den Krankenkassen (KKn). Weiteres Honorar über die Budgetgrenzen hinaus wurde nicht gewährt (abgesehen von Möglichkeiten der Übertragung von Unterschreitungen der Bemessungsgrenzen aus dem Vorquartal und der Übertragung von Überschreitungen als Abrechnungsforderung in das Folgequartal, allerdings nicht über das vierte Quartal eines Jahres hinaus).
Soweit sich für einen Vertragszahnarzt auf der Grundlage seiner Abrechnungswerte des Jahres 1997 ein Individualbudget ergab, das unterhalb der im KZÄV-Durchschnitt gewährten Bemessungsgrenzen - also unterhalb des durchschnittlichen Budgetvolumens - lag, wurde sein Budget in dem Umfang erhöht, in dem die Zahl seiner Patienten im Jahr 1999 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 1997 zugenommen hatte, höchstens jedoch bis zur Höhe des durchschnittlichen Budgetvolumens. Dieses wurde nicht anhand des arithmetischen Mittels, sondern anhand des Medians errechnet. Die so ermittelten Bemessungsgrenzen lagen von 1999 bis 2002 unter denen bei Berechnung nach dem arithmetischen Mittel.
In Anwendung dieser Regelungen setzte die Beklagte die für die Klägerin im Jahr 1999 maßgeblichen Bemessungsgrenzen für konservierend-chirurgische Leistungen sowie für die Behandlung am Gesichtsschädel und von Parodontopathien auf den nach dem Median ermittelten KZÄV-Durchschnitt der Bemessungsgrenzen, auf 212.800 DM, und für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen auf 90.000 DM fest. Die Ermittlung der Bemessungsgrenzen für die Klägerin nach ihren Abrechnungswerten des Jahres 1997 hätte zu niedrigeren Werten geführt (173.382 DM bzw 58.864 DM); andererseits hätten sich für die Klägerin bei Berechnung anhand des arithmetischen Mittels höhere Werte ergeben. Das Gesamthonorar der Klägerin in den budgetierten Leistungsbereichen belief sich im Jahr 1999 auf ca 303.000 DM. Die Klägerin machte gegenüber den angefochtenen Honorarbescheiden geltend, ihre Budgets dürften nicht aufgrund von Bemessungsgrenzen in Anwendung des Medians, sondern nur nach solchen anhand des arithmetischen Mittels festgelegt werden. In diesem Fall hätte sie ein um ca 30.000 DM höheres Honorar erhalten.
Das Sozialgericht hat ihre Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat - nachdem die Beklagte noch einen Widerspruchsbescheid erlassen hatte, mit dem sie wiederum eine höhere Honorarforderung auf der Grundlage des arithmetischen Mittels und auch die Anerkennung eines Härtefalls ablehnte - die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ( Urteil vom 2. November 2005 ). In dem Urteil ist ausgeführt, die Festlegung von Individualbudgets und auch deren Bemessung seien rechtmäßig. Solche Budgets dürften grundsätzlich nach dem individuellen Honorarvolumen eines Vertrags(zahn)arzts in einem zurückliegenden Zeitraum bemessen werden. Auch die Kürzungen nach Maßgabe des Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) sowie um weitere Sicherheitseinbehalte von 5 % seien unbedenklich. Nicht zu beanstanden sei ferner, die Erhöhung der Budgets für unterdurchschnittlich abrechnende Vertragszahnärzte daran zu binden, dass sie über einen entsprechenden Patientenzuwachs verfügten, und diese Erhöhung auf das nach dem sog Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen zu begrenzen. Dies sei mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie mit der dies konkretisierenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vereinbar, auch wenn in dessen Urteilen jeweils nur allgemein vom "Durchschnitt" die Rede sei. In den Jahren, über die vom BSG entschieden worden sei, sei der Durchschnittsberechnung üblicherweise das arithmetische Mittel zugrundegelegt worden. Eine Rechtswidrigkeit ergebe sich nicht daraus, dass die Berechnung nach dem Median in den Jahren 1999 bis 2002 zu Werten geführt habe, die um 9 % bzw 11 % niedriger gelegen hätten als bei Anwendung des arithmetischen Mittels. Die Beklagte habe zu Recht bei der Klägerin auch keine Grundlage für die Anerkennung eines Härtefalls gesehen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das LSG habe Inhalt und Umfang des Gebots leistungsproportionaler Honorarverteilung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit verkannt. Die insoweit von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze seien verletzt. Zwar habe die Beklagte durch die Änderung ihres HVM vom 31. August 1999 diesen Entscheidungen insofern Rechnung getragen, als nunmehr sog Neugründer-Praxen ihren Umsatz durch Erhöhung ihrer Patientenzahlen bis zum durchschnittlichen Budgetvolumen hätten steigern können. Zu beanstanden sei aber, dass die Beklagte der Berechnung des durchschnittlichen Budgetvolumens nicht wie bisher das arithmetische Mittel, sondern jetzt den sog Median zugrundegelegt habe. Während die Bemessungsgrenze im Jahr 1999 für sog Sachleistungen bei Anwendung des arithmetischen Mittels 237.300 DM betragen haben würde, habe die Festlegung anhand des Medians diesen Wert um ca 24.500 DM auf 212.800 DM reduziert. Die Rechtsprechung des BSG habe jedoch ausdrücklich vorgegeben, dass unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssten, durch Steigerungen ihrer Fall- bzw Patientenzahl zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu erreichen. Damit sei die Berechnung anhand des arithmetischen Mittels gemeint gewesen. Deshalb dürfe nicht stattdessen auf den Median abgestellt werden. Die Beklagte habe bei der Berechnung des Durchschnitts keinen Gestaltungsspielraum. Der Median sei keine mögliche Variante bei der Ermittlung des Durchschnitts, vielmehr nur eine statistische Methode, um die Signifikanz wissenschaftlich statistischer Untersuchungen abzusichern. Bei einer Grenzziehung anhand des Medians würden kleinere Praxen "künstlich klein gehalten", und zwar unterhalb des arithmetischen Mittels. Gehe man - grob vereinfacht - von einer Gruppe von zehn Personen aus, in der eine Person nichts verdiene, fünf Personen 100.000 € und drei Personen 200.000 € verdienten sowie eine Person 1.000.000 €, so ergebe sich ein arithmetisches Mittel von 210.000 €, während der Median, der an den Personen mit den in der Mitte liegenden Verdiensten festgemacht werde, nur 100.000 € betrage. Der Median kennzeichne damit den "typischen", nicht aber den Durchschnittsumsatz einer Vertragszahnarztpraxis. Für das dem Median innewohnende Ziel der Eliminierung von sog Ausreißer-Werten sei insoweit - auch gemäß den Urteilen des BSG - kein Raum.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2005 und des Sozialgerichts Bremen vom 19. Dezember 2001 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. September 1999, vom 16. November 1999 und vom 9. Mai 2000 - in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2005 - zu ändern sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr - der Klägerin - einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Ein HVM dürfe die Ausweitung des Honorars für unterdurchschnittliche Praxen auf das anhand des Medians berechnete durchschnittliche Budgetvolumen begrenzen. Dies sei mit der Rechtsprechung des BSG vereinbar, entspreche nämlich ihrem Sinngehalt, und halte sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die bei der Ausformung der Honorarverteilung bestehe. Wäre dagegen das durchschnittliche Budgetvolumen nach dem arithmetischem Mittel berechnet worden, hätte dies zwar zu höheren Budgets für die Aufbaupraxen und damit für diese zu höheren Steigerungsmöglichkeiten geführt, aber zugleich mit der Folge, dass die hierfür erforderlichen höheren Finanzmittel durch eine Erhöhung des Einbehalts von allen - also auch den unterdurchschnittlich abrechnenden - Praxen hätten aufgebracht werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der angefochtene Honorarbescheid für das Jahr 1999 und die ihm zugrundeliegenden Bestimmungen des HVM, soweit ihre Überprüfung in diesem Revisionsverfahren veranlasst ist, rechtmäßig sind.
Der von der Beklagten für das Jahr 1999 beschlossene HVM - in der Fassung vom 31. August 1999 - sah sog Individualbudgets vor. Nach dessen Regelungen ( Anlage zum HVM, Abschnitt II Nr 2.1 bis 2.3 iVm Nr 1.1 bis 1.3 ) galten für die Vertragszahnärzte grundsätzlich Bemessungsgrenzen für drei Bereiche, und zwar für konservierend-chirurgische Leistungen sowie für die Behandlungen von Verletzungen und Erkrankungen des Gesichtsschädels und der systematischen Behandlungen von Parodontopathien (KCH/KBR/PAR), für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (ZE) sowie für die kieferorthopädischen Leistungen (KFO). Diese Budgets waren jeweils aus den Abrechnungsbeträgen des Vertragszahnarztes im Jahr 1997 zu berechnen, wobei Honorarkürzungen gemäß Art 15 GKV-SolG ( vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853 ) sowie in allen drei Bereichen auch Sicherheitseinbehalte von 5 % erfolgten. Bis zu den so festgelegten Bemessungsgrenzen erhielt der einzelne Zahnarzt Honorar für seine vertragszahnärztlichen Leistungen. Diese wurden bis zu diesen Grenzen nach den mit den KKn gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerten vergütet. Weiteres Honorar über die Budgetgrenzen hinaus wurde nicht gewährt.
Soweit sich für einen Vertragszahnarzt eine Bemessungsgrenze ergab, die unterhalb des anhand des Medians ermittelten durchschnittlichen Budgetvolumens lag (im HVM mit "KZÄV-Landesdurchschnitt der Bemessungsgrenzen" bezeichnet), galt für ihn eine höhere Bemessungsgrenze; sein Budget wurde in dem Umfang heraufgesetzt, in dem seine Patientenzahl im Jahr 1999 gegenüber dem früheren Bemessungszeitraum (1997) zugenommen hatte, aber nicht über das durchschnittliche Budgetvolumen hinaus.
Diese Regelungen sind rechtmäßig. Nach ihnen konnten unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ihren Umsatz durch Erhöhungen der Zahl ihrer Patienten bis zum durchschnittlichen Budgetvolumen steigern, wobei dieses anhand des Medians und nicht nach dem arithmetischen Mittel errechnet wurde. Während bei Anwendung des arithmetischen Mittels die Individualbudgets aller Vertragszahnärzte summiert und dann durch deren Anzahl dividiert werden, werden bei der Berechnung anhand des Medians innerhalb der nach Betragsgrößen geordneten Individualbudgets zwei der Zahl nach gleich große Gruppen gebildet. Der in der Mitte liegende Betrag (oder wenn zwei in der Mitte liegen: der in der Mitte zwischen diesen liegende Betrag) stellt den Median dar, der auch als "Zentralwert" bezeichnet wird ( vgl Brockhaus, 2002, Stichwort "Median" ). Auf diese Weise wirken sich Ausreißerwerte, die ein arithmetisches Mittel atypisch nach oben oder nach unten ziehen können, nicht aus. Durch die Berechnung des durchschnittlichen Budgetvolumens anhand des Medians statt anhand des arithmetischen Mittels hat die Klägerin nach ihrer Vergleichsberechnung ein um ca 24.500 DM (ca 12.500 €) geringeres Honorar erhalten.
Die von der Klägerin angegriffenen Bestimmungen des HVM über die Berechnung der Individualbudgets sind mit der Regelung des § 85 Abs 4 SGB V und dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie mit der diese Vorgaben konkretisierenden Rechtsprechung des BSG vereinbar. Dieses hat die Weite der Gestaltungsfreiheit des Normgebers bei der Ausformung von Honorarverteilungsregelungen betont, aber auch deren Grenzen beschrieben. Danach sind - die Vorgabe leistungsproportionaler Vergütung in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V modifizierend - Honorarbegrenzungen zulässig, um einerseits den Vertrags(zahn)ärzten für einen Großteil ihrer Leistungen stabile Punktwerte zu gewährleisten und ihnen so zu ermöglichen, ihr zu erwartendes vertrags(zahn)ärztliches Honorar genauer abzuschätzen (sog Kalkulationssicherheit), und um andererseits zu erreichen, dass auch bei steigenden Leistungsmengen die Honorierung im Rahmen des begrenzten Gesamtvergütungsvolumens bleibt ( vgl zB BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23, 24 und 27; BSG, Urteile vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr 12, 14 und 16, sowie vom 29. November 2006 - B 6 KA 42/05 R - RdNr 15, jeweils zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen ). Die Art und Weise der Ausformung der dafür erforderlichen Begrenzungen liegt in der Gestaltungsfreiheit der K(Z)ÄV, die dafür vielfältige Möglichkeiten hat ( s die Aufzählungen in BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23, und in BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen ).
Diese Grundsätze konkretisierend, können bei der Honorarverteilung Individualbudgets vorgesehen werden. Dabei werden für jeden Vertrags(zahn)arzt individuelle Honorarbegrenzungen in Anknüpfung an sein Honorarvolumen in einem bestimmten früheren Zeitraum festgesetzt ( stRspr, zB BSG, Urteile vom 19. Juli 2006 aaO RdNr 14 am Ende mwN und vom 29. November 2006 aaO - RdNr 13) . In diesem Zusammenhang hat das BSG aber - abgeleitet aus Art 12 Abs 1 GG und aus dem dieses Grundrecht konkretisierenden Prinzip der Honorarverteilungsgerechtigkeit - gefordert, dass Vertragszahnärzten mit unterdurchschnittlichem Umsatz - zB solche, deren Praxis sich noch im Aufbau befindet - ermöglicht werden muss, ihren Umsatz durch Erhöhung ihrer Fall- bzw Patientenzahl zumindest bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern ( grundlegend BSG, Urteile vom 21. Oktober 1998, zB BSGE 83, 52, 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; aus neuerer Zeit zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 18 ff ). Diese Steigerung muss für Praxen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden kann, sofort möglich sein, für andere, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnende Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ( s dazu zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20-22; besonders deutlich- betr Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen - BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18 ).
Die in den bisherigen Urteilen anzutreffende Formulierung, unterdurchschnittlich abrechnende Vertrags(zahn)ärzte müssten ihren Umsatz "zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz" steigern können ( so wörtlich BSGE 83, 52, 55 und 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 203 und 206 f; in der Sache ebenso zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19, und BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18 ), beruht darauf, dass diesen Urteilen jeweils ein HVM zugrunde lag, der auch in anderen Regelungszusammenhängen auf einen Durchschnittsumsatz abstellte. Es ist deshalb nicht zwingend, die Vorgabe einer möglichen Steigerung bis zum durchschnittlichen Umsatz ausschließlich in dem Sinne zu verstehen, dass dieser im Wege des arithmetischen Mittels zu berechnen sei. Die Formulierung ist vielmehr nach dem Sinngehalt der zugrundeliegenden Rechtsprechung auszulegen. Dieser geht - wie sich aus obiger Darstellung der Rechtsprechung ergibt - dahin, dass unterdurchschnittlich abrechnende Vertrags(zahn)ärzte - wegen ihres Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog Honorarverteilungsgerechtigkeit - die Möglichkeit haben müssen, ihre Praxis zu einer mit typischem Umsatz auszubauen. Dabei kann der "typische" Umsatz anhand des arithmetischen Mittels ermittelt werden. Es kann aber auch festgelegt werden, dass er, um atypische "Ausreißer" aus der Betrachtung herauszulassen, nach anderen Methoden bestimmt wird, soweit damit dem Sinngehalt der Rechtsprechung des BSG Rechnung getragen wird. Insofern ist die Rechtslage ähnlich derjenigen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, bei der im Rahmen der Methode des sog statistischen Vergleichs entweder das arithmetische Mittel der Fachgruppe angewendet oder die Gaußsche Normalverteilung mit Kennzeichnung der sog Standardabweichung - und Herauslassung von Ausreißerwerten - zugrundegelegt werden kann ( zur Freiheit der Methodenwahl s stRspr des BSG, zB BSGE 71, 90, 93 = SozR 3-2500 § 106 Nr 13 S 75 ). In entsprechender Weise kann für die Ermittlung des Bereichs, bis zu dem geringer abrechnenden Vertrags(zahn)ärzten ein Wachstum möglich sein muss, auf das anhand des Medians ermittelte durchschnittliche Budgetvolumen abgestellt werden, statt auf eine Berechnung anhand des arithmetischen Mittels. Auch dies wird der Vorgabe des BSG gerecht, dass unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zu einer Praxis typischer Gestalt und mit typischem Umfang ihres Umsatzes aufzuschließen.
Das Abstellen auf das nach dem Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen für die Begrenzung des Wachstumsanspruchs kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht deshalb beanstandet werden, weil dadurch die Gruppe der Zahnärzte mit unterdurchschnittlichem Umsatz systematisch benachteiligt werde. Dies trifft nicht zu. Der Median liegt nicht notwendigerweise stets niedriger als das arithmetische Mittel. Zwar mag dies bei den Vertragszahnärzten im Bezirk der Beklagten häufig der Fall sein, weil es hier möglicherweise statistisch mehr sog Ausreißer im oberen als im unteren Umsatzbereich gibt. Dafür spricht, dass das nach dem Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen in den Jahren 1999 bis 2002 jeweils um ca 10 % unterhalb desjenigen lag, das sich anhand des arithmetischen Mittels ergeben hätte. Aber ein zwingender Zusammenhang derart, dass ein Zuwachsanspruch bis zu einer nach dem Median ermittelten Grenze stets schlechter ist als im Falle ihrer Berechnung anhand des arithmetischen Mittels, ist nicht feststellbar. Zutreffend hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass zur Finanzierung eines Umsatzzuwachses unterdurchschnittlich abrechnender Vertragszahnärzte bis zur Erreichung eines durchschnittlichen Budgetvolumens, das nach dem arithmetischen Mittel errechnet würde, höhere Honorarabschläge für alle Zahnärzte als die bislang hierfür in ihrem HVM vorgesehenen in Höhe von 5 % erforderlich gewesen wären. Dies hätte gerade für kleine Praxen, insbesondere dann, wenn sie keinen zu berücksichtigenden Umsatzzuwachs erzielt hatten, erhebliche negative Auswirkungen gehabt, weil die ihnen zur Verfügung stehende Liquidität durch höhere Honorareinbehalte beschnitten worden wäre.
Auch sonst besteht kein rechtliches Verbot, für die Begrenzung des Wachstumsanspruchs unterdurchschnittlich abrechnender Vertrags(zahn)ärzte das nach dem Median berechnete durchschnittliche Budgetvolumen heranzuziehen. So ergibt sich daraus, dass der Median in der Mathematik bzw in der Lehre der Statistik dazu diene, die Signifikanz wissenschaftlich statistischer Untersuchungen abzusichern, entgegen der Ansicht der Klägerin kein rechtsrelevanter Einwand gegen seine Heranziehung im vorliegenden Zusammenhang. Solche Modifizierungen der Honorarverteilung halten sich, wie oben ausgeführt, im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers. Auch der von der Klägerin angeführte Berechnungsvergleich vermag Bedenken nicht zu begründen. Er ist nicht typisch. Die dabei zugrundegelegte geringe Zahl von nur zehn Personen bei gleichzeitiger Annahme extremer Ausreißerfälle begünstigt die Möglichkeit großer Unterschiede zwischen dem Median und dem arithmetischen Mittel. Im Falle einer Gruppe mit vielen Personen - wie hier im Bezirk der Beklagten - ist der Abstand zwischen Median und arithmetischem Mittel regelmäßig kleiner ( vgl Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ≪Hrsg≫, KZBV Jahrbuch 2006; Tabelle 5.1, Spalten 7 bzw 9 ).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff) .
Fundstellen
Haufe-Index 1761186 |
ArztR 2008, 24 |
SGb 2007, 350 |
AZR 2007, 157 |
NJOZ 2007, 4111 |