Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Allgemeine Ortskrankenkasse Bremen/Bremerhaven, Bremen, Bürgermeister-Smidt-Straße 95, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger über den 31. August 1989 hinaus mit Anspruch auf Krankengeld vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu versichern.
Der Kläger ist selbständiger Taxiunternehmer im Ein-Mann-Betrieb und seit 16 Jahren bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit stand ihm Krankengeld vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu. Mit Schreiben vom 27. Juli 1989 teilte ihm die Beklagte mit, daß im Rahmen einer Satzungsänderung infolge des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) sein Versicherungsschutz mit sofortigem Anspruch auf Krankengeld entfalle. Er könne aber ab dem 1. September 1989 die freiwillige Versicherung mit einem Krankengeldanspruch ab Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit zu einem monatlichen Beitrag von 519,75 DM, ab Beginn der siebten Woche zu einem monatlichen Beitrag von 434,70 DM oder ohne Krankengeldanspruch zu einem monatlichen Beitrag von 368,55 DM fortsetzen.
Gegen dieses Schreiben erhob der Kläger am 30. August 1989 Widerspruch. Da er sich für keine der angebotenen Möglichkeiten entschied, führte die Beklagte - wie angekündigt - mit Bescheid vom 4. September 1989 die Versicherung des Klägers mit Anspruch auf Krankengeld ab Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit weiter. Den Widerspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 1990).
Die dagegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) ua ausgeführt, obwohl der Kläger gegen den Bescheid vom 4. September 1990 keinen wirksamen Widerspruch erhoben habe, sei die Klage zulässig. Durch die von der Beklagten vorgenommene Sachentscheidung sei der Mangel des Rechtsbehelfs geheilt worden. Ein Anspruch auf Fortführung der Versicherung mit sofortigem Anspruch auf Krankengeld bestehe aber nicht, weil die Satzungsbestimmung der Beklagten und die dieser zugrundeliegende Ermächtigungsnorm des § 44 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) rechtmäßig seien. Die Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Die unterschiedlichen Einschränkungen des Krankengeldanspruchs durch die gesetzlichen Krankenkassen hielten sich im Rahmen der ihnen eingeräumten Satzungsautonomie. Auch gegenüber pflichtversicherten Arbeitnehmern liege keine Ungleichbehandlung vor. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen seien typisierende Regelungen verfassungsrechtlich zulässig. Selbst wenn die Gruppe der Kleinstunternehmer - der der Kläger angehöre - in der Regel in einer ungünstigeren Einkommenssituation als Facharbeiter und Angestellte stünde, rechtfertigten die Dispositionsmöglichkeiten eines Selbständigen eine abweichende Behandlung. Innerhalb der Gruppe der Selbständigen sei der Gleichheitssatz ebenfalls gewahrt, weil die Satzung eine Wahlmöglichkeit nur für diejenigen selbständig Erwerbstätigen vorsehe, die im Falle der Arbeitsunfähigkeit ihr Einkommen ganz oder überwiegend verlören. Auch Art 14 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt. Da der Krankengeldanspruch nicht aufgrund längerer Anwartschaften, sondern nur aufgrund der laufenden Beitragszahlung zustehe, beruhe er nicht auf einer erheblichen Eigenleistung des Klägers.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend: Um sich nicht wirtschaftlich zu ruinieren, sei er durch die Karenzzeit gezwungen, trotz bestehender Krankheit seine Erwerbstätigkeit fortzusetzen. Die Änderung der Satzung verstoße gegen § 194 Abs 2 SGB V, weil sie den Aufgaben der Krankenversicherung widerspreche. Die Satzungsregelung verletze den allgemeinen Gleichheitssatz. Sie berücksichtige nicht genügend die Gruppenbetroffenheit der Kleinstunternehmer. Diese seien auf tägliche Einnahmen angewiesen und könnten für den Krankheitsfall keine ausreichenden Rücklagen bilden. Im Vergleich zur Regelung für pflichtversicherte Arbeitnehmer, die durch einen Lohnfortzahlungsanspruch geschützt seien, ergebe sich kein sachlicher Grund, den Krankengeldanspruch später entstehen zu lassen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
|
die Urteile des LSG Bremen vom 4. Juni 1992 und des Sozialgerichts Bremen vom 8. Oktober 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. September 1989 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 7. Juni 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn über den 31. August 1989 hinaus mit einem Anspruch auf Krankengeld vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an zu versichern, |
|
hilfsweise das Urteil des LSG Bremen vom 4. Juni 1992 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen. |
|
Die Beklagte beantragt,
|
die Revision zurückzuweisen. |
|
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie macht ergänzend geltend, es falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, unternehmerische Existenzrisiken, die nicht durch Krankheit, sondern durch andere Ereignisse - wie zB harten wirtschaftlichen Wettbewerb - verursacht würden, zu sichern. Die angegriffene Satzungsänderung erweise sich wegen der ermäßigten Tarife als verhältnismäßig. Eine weitere Verfeinerung der Vergleichsgruppen würde die ihr vom Gesetz eingeräumte Satzungsautonomie über Gebühr beschneiden.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II
Die Revision hat keinen Erfolg. Die beklagte Krankenkasse ist nicht verpflichtet, den Kläger über den 31. August 1989 hinaus mit einem Krankengeldanspruch vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an zu versichern.
1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Soweit das Schreiben der Beklagten vom 27. Juli 1989 die freiwillige Versicherung mit der bisherigen Krankengeldregelung zum 31. August 1989 für beendet erklärt, handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern um eine Entscheidung mit einem eigenständigen Regelungsgehalt, die anfechtbar war. Das Schreiben enthält eine auf den Kläger bezogene Konkretisierung des geänderten Satzungsrechts. Zwar gehört es zum Wesen einer Krankenkassensatzung, soweit sie nicht nur eine gesetzliche Bestimmung inhaltlich wiederholt, konstituierende Regelungen zu treffen (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 194 Rz 7). Insbesondere ist die Krankenkasse gemäß § 44 Abs 2 SGB V ermächtigt, den Umfang des Krankengeldanspruchs von freiwilligen Mitgliedern - auch für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt - durch die Satzung zu bestimmen. Eine unmittelbare Anfechtung der Satzungsänderung ist unzulässig, weil das sozialgerichtliche Verfahren eine abstrakte Normenkontrolle (vgl zB § 47 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]) nicht kennt. Vielmehr kann die Satzung lediglich inzident, dh anhand einer konkreten Verwaltungsentscheidung, überprüft werden (vgl hierzu: Peters, Kasseler Kommentar, § 195 SGB V Rz 10 und 11).
Die Wirkung eines konstituierenden Rechtsetzungsakts der Krankenkasse kann nicht weitergehen als diejenige von gesetzlichen Bestimmungen, die Leistungsansprüche normieren. Auch diese benötigen, um gegenüber einem Versicherten wirksam zu werden, im Einzelfall einer Umsetzung durch eine verwaltungsmäßige Entscheidung und deren Bekanntgabe. Dies gilt insbesondere bei Änderungen des Versicherungsverhältnisses. Soweit die Satzung - wie hier - keine Sondervorschriften hinsichtlich einer (Änderungs-)Kündigung enthält (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 8. Juli 1993 - 1 RK 29/92, zur Veröffentlichung vorgesehen), erfolgt die Änderung durch Verwaltungsakt. Dies ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 S 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB X]). Der Verwaltungsakt und die Vorschriften, die seine Wirksamkeit näher bestimmen, konkretisieren das materielle Sozialrecht im Einzelfall (vgl BSGE 57, 146, 149; VDRK § 31 SGB X Rz 4; vgl Meyer, SGb 1981, 501, 509; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S 96; Rüfner in Wannagat, Kommentar zum SGB, § 31 SGB X, Rz 44-46 mwN; offengelassen in BSGE 42, 244, 246). Einen solchen sog feststellenden Verwaltungsakt stellt auch das Schreiben der Beklagten vom 27. Juli 1989 dar. Hierin wurde dem Kläger die Entscheidung der Beklagten mitgeteilt, ihn künftig nicht mehr zu den gleichen Bedingungen zu versichern.
Feststellende Verwaltungsakte können mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angefochten werden, ohne daß es eines weiteren Klageantrags bedarf (vgl BSGE 64, 100, 102; BSG, Beschluß vom 21. Juni 1990 - 12 BK 10/90 = Die Beiträge 1990, 346). Durch die beabsichtigte Verschlechterung seines Krankenversicherungsschutzes war der Kläger auch beschwert (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Zwar wurde der Bescheid vom 4. September 1989, in dem die Beklagte die Fortführung der freiwilligen Versicherung mit veränderter Krankengeldregelung bestimmte, nicht gesondert angefochten. Er baut jedoch auf dem vorangehenden Schreiben vom 27. Juli 1989 auf und wurde gemäß § 86 Abs 1 SGG zum Gegenstand des gegen dieses gerichteten Verwaltungs- und später des Klageverfahrens.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung des Krankenversicherungsverhältnisses mit der Krankengeldregelung, die bis zum 31. August 1989 gegolten hat. Die Beklagte hat das Versicherungsverhältnis des Klägers mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht in ein solches umgewandelt, das einen Krankengeldanspruch erst ab Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit einräumt. Die Verwaltungsentscheidungen können sich insoweit auf § 15 Abs 2a der Kassensatzung stützen. Die Vorschrift lautet:
"(2a) Bestehende freiwillige Versicherungen mit sofortigem Anspruch auf Krankengeld werden umgewandelt. Die Versicherten können bis zum 31.08.1989 wählen, ob sie eine Versicherung mit Krankengeldanspruch ab Beginn der 3. Woche, ab Beginn der 7. Woche oder eine Versicherung ohne Krankengeldanspruch wünschen. Machen sie von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch, erfolgt eine Umwandlung in eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld ab Beginn der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Krankengeldansprüche, die bei Inkrafttreten der Satzungsänderung bereits eingetreten sind, werden nicht berührt."
Diese Satzungsregelung ist durch § 44 Abs 2 SGB V gedeckt. Danach kann die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Die Bestimmung eröffnet den Krankenkassen keinen Ermessensspielraum, sondern ermächtigt sie, leistungsbeschränkende Satzungsregelungen zu treffen, und umreißt die unteren Grenzen der möglichen Leistungseinschränkung.
Der vom Kläger angegriffenen Änderung seines Krankenversicherungsschutzes steht nicht, wie der Kläger meint, § 194 Abs 2 SGB V entgegen. Danach darf die Satzung keine Bestimmung enthalten, die den Aufgaben der Krankenversicherung widerspricht. Ein eigenständiger Regelungsgehalt kommt dieser Vorschrift nicht zu. Sie konkretisiert lediglich den allgemeingültigen Grundsatz, daß sich die Satzung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen halten muß und nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht, verstoßen darf (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 194 SGB V Rz 20).
Entgegen der Auffassung des Klägers steht auch weder die streitige Satzungsbestimmung noch die ihr zugrundeliegende Ermächtigungsnorm des § 44 Abs 2 SGB V in Widerspruch zu höherrangigem Recht. Insbesondere verletzen die Regelungen nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Diese Verfassungsnorm verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich und wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleichzubehandeln. Damit enthält Art 3 Abs 1 GG über das Willkürverbot hinaus die an Gesetzgebung und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders ("ungleich") zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88 f). Welche Elemente des zu regelnden Sachverhalts dabei so bedeutsam sind, daß ihrer Gleichheit oder Verschiedenheit bei der Ausgestaltung der Regelung Rechnung getragen werden muß, hat grundsätzlich der Gesetzgeber zu entscheiden, sofern nicht schon die Verfassung selbst Wertungen enthält, die den Gesetzgeber binden. Im übrigen kann nur die Einhaltung bestimmter äußerster Grenzen überprüft und ihre Überschreitung beanstandet werden. Der Gesetzgeber hat demnach weitestgehende Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 49, 260, 271; 61, 138, 147).
Die Satzungsregelung der Beklagten führt zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von pflichtversicherten Arbeitnehmern und freiwillig versicherten selbständig Erwerbstätigen. Zwar mag - insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten - die Einkommenssituation von abhängig Beschäftigten und Kleinstunternehmern vergleichbar sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kann der Gesetzgeber jedoch bei der (zulässigen) Einführung einer Pflichtversicherung den Mitgliederkreis so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (BVerfGE 44, 70, 90). Grundlegend für das System der sozialen Sicherheit ist dabei das Subsidiaritätsprinzip. Danach hat die Selbsthilfe des Einzelnen und die Hilfe der kleineren, nichtstaatlichen Gemeinschaften Vorrang vor der Hilfe der größeren Gemeinschaften, insbesondere durch den Staat. Der Subsidiaritätsgrundsatz regelt das Verhältnis von Individual- zur Kollektivverantwortlichkeit (Schulin, Gutachten E zum 59. Deutschen Juristentag, S 81 mwN). Der Gesetzgeber hat daher bei der Einbeziehung von erwerbstätigen Personen in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung in erster Linie auf die Art und Weise der Erwerbstätigkeit abgestellt und die Krankenversicherungspflicht an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB IV]) geknüpft. Dieser Personenkreis ist vor allem wegen der abhängigen Beschäftigung schutzbedürftig. Denn die auf Dauer angelegte Fremdnützigkeit der Beschäftigung nimmt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eigener unternehmerischer Tätigkeit, so daß er über seine Arbeitskraft nicht mehr selbständig disponieren kann. Aus der daraus resultierenden Unmöglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Eigenvorsorge zu nutzen, ist er auf Fremdvorsorge angewiesen, sei es durch Gewährung von Kündigungsschutz oder durch soziale Leistungen (vgl Lieb, Arbeitsrecht, 4. Aufl, S 5).
Bei selbständig Erwerbstätigen geht der Gesetzgeber demgegenüber grundsätzlich von einem geringeren Schutzbedürfnis aus (vgl BSGE 70, 13, 16), weil dieser Personenkreis durch seine Dispositionsmöglichkeiten auch bessere Möglichkeiten der Vorsorge, wie zB die Bildung von Rücklagen oder den Abschluß einer privaten Krankenversicherung, besitzt. Den selbständig Erwerbstätigen wurde daher nur das Recht zur freiwilligen Krankenversicherung zugestanden. Entsprechend knüpft auch das Recht zur freiwilligen (Weiter-)Versicherung mit seinen spezifischen Leistungseinschränkungen an eine geringere Schutzbedürftigkeit an (BSG SozR 5428 § 4 Nr 9). Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, daß der Gesetzgeber dabei grundsätzlich alle Selbständigen gegenüber den pflichtversicherten Beschäftigten als weniger schutzbedürftig angesehen hat. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen sind typisierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz stets als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden (BVerfGE 79, 87, 100 = SozR 2200 § 183 Nr 54 mwN). Es mag zutreffen, daß für bestimmte Unternehmer, zB für sog "freie Mitarbeiter", oder in bestimmten Branchen die Bildung von Rücklagen auf Schwierigkeiten stößt. Letztlich ist dies aber ein Ausdruck des allgemeinen Unternehmerrisikos, das seinen Grund in der von dem Betroffenen gewählten Art der Erwerbstätigkeit hat und ausschließlich dem Bereich der Eigenverantwortung zuzurechnen ist. Die Unfähigkeit zur Rücklagenbildung könnte bei schlechtgehenden Geschäften nämlich jeden selbständig Erwerbstätigen treffen. Das spätere Entstehen des Krankengeldanspruchs ist daher aufgrund der völlig unterschiedlichen Ausgangslage dieser Vergleichsgruppen gerechtfertigt. Da die Beklagte - entsprechend der Leistungseinschränkung - für die freiwilligen Mitglieder auch den Beitragssatz - wie dies in § 234 SGB V vorgesehen ist - ermäßigt hat, ist die Krankengeldregelung auch nicht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beanstanden.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz läßt sich aber auch nicht feststellen, soweit man die Unternehmer von Ein-Mann-Betrieben mit anderen Gruppen von Selbständigen vergleicht. Die Satzung der Beklagten sieht insoweit eine ausreichende und sachgerechte Differenzierung vor. Für Selbständige, die freiwillig versichert sind, ist die Gewährung von Krankengeld grundsätzlich ausgeschlossen (§ 15 Abs 2 Satz 1 der Satzung). Hiervon läßt die schon zitierte Regelung des § 15 Abs 2a der Satzung eine Ausnahme zu. Sie dient dem Schutze der Kleinstunternehmer, die im Fall der Arbeitsunfähigkeit ihr Einkommen ganz oder überwiegend verlieren.
Mögliche Unterschiede zu Satzungen anderer Krankenkassen vermögen ebenfalls keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu begründen, da die den Krankenkassen gesetzlich zustehende Satzungsautonomie zwangsläufig unterschiedliche Gestaltungen zur Folge hat. Ein verfassungsrechtliches Gebot, das Leistungs- und Beitragsrecht unter Aufgabe der gegliederten Krankenversicherung und der Freiräume der Selbstverwaltung einheitlich zu regeln, besteht nicht (BSGE 58, 134 ff).
Auch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Zwar kann das Kassenmitglied nach Ansicht des Senats aufgrund der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen auch bezüglich eines Krankengeldanspruchs oder einer Anwartschaft auf Krankengeld eine durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG geschützte sozialversicherungsrechtliche Position erwerben (vgl hierzu: Vorlagebeschluß vom 10. Dezember 1990 - 1/3 RK 9/90 = SGb 1992, 508). Die Beklagte hat mit ihrer Satzungsregelung für die freiwilligen Mitglieder aber nicht in verfassungswidriger Weise in die Rechtsposition des Klägers eingegriffen.
Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergibt sich aus der Bestimmung von dessen Inhalt und Schranken (BVerfGE 53, 257, 292; 58, 81, 109; 72, 203, 214; 75, 78, 97). Dies ist nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers. Dieser kann grundsätzlich auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beschränken und umgestalten (BVerfGE 74, 203, 214) oder die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug solcher Leistungen erschweren (BVerfGE 75, 78, 97), wobei ihm eine beträchtliche Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist. Denn in sozialversicherungsrechtlichen Positionen ist von vornherein in gewissen Grenzen die Möglichkeit von Änderungen angelegt. Eine Unabänderlichkeit widerspräche insbesondere dem Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht. Allerdings kommt es darauf an, daß gerade für diesen Eingriff legitimierende Gründe gegeben sind (vgl BVerfGE 31, 275, 290; BSG, Urt vom 4. November 1992 - 1 RK 5/92). Regelungen iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind daher nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (BVerfGE 31, 275, 290; 36, 281, 293; 58, 81, 121). Eigentumsbindungen müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, sie dürfen insbesondere den Betroffenen nicht übermäßig belasten und unzumutbar sein (BVerfGE 21, 150, 155; 58, 137, 148; 72, 9, 23).
Da die Satzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem GRG geändert wurde, sind die gesetzgeberischen Motive des GRG auch für die angegriffene Satzungsänderung von Bedeutung. Besondere Schwerpunkte der Reform waren die Bekämpfung der Kostenexplosion im Gesundheitswesen, insbesondere auch durch eine Neubestimmung und Stärkung der Grundsätze der Solidarität (der Pflichtversicherten), der Subsidiarität und der Eigenverantwortung (BR-Drucks 200/88 S 146, 148). Eine Begrenzung der Ausgaben war dabei auch durch eine Verschiebung von Risiken in den Bereich der zumutbaren Eigenvorsorge beabsichtigt. Die Stärkung des Subsidiartitätsgrundsatzes führte vor allem zu einer veränderten Beurteilung der Schutzbedürftigkeit von selbständig Erwerbstätigen. In diesem Zusammenhang sind zum einen der Ausschluß der hauptberuflich Selbständigen aus der Krankenversicherungspflicht (§ 5 Abs 5 SGB V) und zum anderen eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen für freiwillig Versicherte zu beachten. Die Möglichkeit der freiwilligen Krankenversicherung von selbständig Erwerbstätigen war - im Vergleich zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) - auch mit einer Erhöhung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 240 SGB V) verbunden. Diese Regelungen sind verfassungsgemäß (BSGE 70, 13, 16 - vgl nunmehr die noch ungünstigere Regelung des § 240 Abs 4 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes [GSG] -).
Auch der spätere Beginn des Krankengeldes bei freiwillig Versicherten ist geeignet, die Grundsätze der Solidarität und der Subsidiarität in systemgerechterweise zu stärken und gleichzeitig Einsparungen zu ermöglichen. Denn die Krankenversicherung der freiwillig Versicherten soll von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden (BSGE 70, 13, 19). Hinsichtlich des geplanten Einsparvolumens kann der Senat offenlassen, wie sich der spätere Beginn des Krankengeldbezuges hierauf konkret auswirkt. Denn es kommt dabei nicht auf die Auswirkungen der Gesetzes- bzw Satzungsänderung bei einer Einzelleistung an, sondern auf den Einspareffekt, der durch die Gesamtheit der vom Gesetzgeber beschlossenen Maßnahmen erzielt werden soll (BSGE 69, 76, 80; BSG, Beschluß vom 10. Dezember 1991 = SGb 1992, 508, 512).
Bei der Abwägung mit den genannten gesetzgeberischen Zielen ist der Eingriff verhältnismäßig. Durch die Änderung der Versicherung wurde dem Kläger die Anspruchsberechtigung nicht vollständig entzogen, sondern nur eingeschränkt. Durch die angebotenen Wahlmöglichkeiten bleiben die - gerade für Selbständige wichtigen - Dispositionsmöglichkeiten sowie die sozialen Belange der freiwillig Versicherten gewahrt. Da beim Kläger der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Änderung nicht eingetreten war, hatte und hat er die Möglichkeit, sich auf die neue Rechtslage umzustellen und ggf durch den Abschluß einer privaten Zusatzversicherung oder Bildung einer Rücklage die entstandene Sicherungslücke zu schließen.
Auch eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips des Art 20 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Aus Art 20 Abs 1 GG können unmittelbare Ansprüche nur hergeleitet werden, soweit das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist (BVerfGE 1, 97, 107; 8, 274, 329). Selbst wenn beim Kläger eine Bildung von Rücklagen nicht möglich sein sollte, wird das Existenzminimum - wenn andere Sicherungen nicht vorhanden oder nicht durchführbar sind - jedenfalls durch die Sozialhilfeverwaltung sichergestellt (§ 11 Bundessozialhilfegesetz; vgl zum Nachrangprinzip bei bestehenden Krankenversicherungen: BVerwGE 38, 175 ff; 38, 310 ff).
Die Satzungsänderung verstößt schließlich nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Die vom Kläger beanstandete Satzungsregelung enthält zwar eine unechte Rückwirkung (vgl dazu BVerfGE 36, 73, 82; BSGE 48, 33, 41), weil sie auf ein bestehendes Versicherungsverhältnis für die Zukunft einwirkt und den Krankengeldanspruch beschränkt. Eine unechte Rückwirkung ist jedoch nur verfassungswidrig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, und wenn sein Vertrauen billigerweise eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber beanspruchen kann (BSG SozR 3-5405 Art 79 Nr 1; vgl auch BSGE 59, 227, 233). Ein schützenswertes Vertrauen konnte beim Kläger nicht entstehen. Die bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Mitglieder mußten - jedenfalls solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war - bereits aufgrund des § 215 Abs 2 RVO aF (idF vom 19. Juli 1911, RGBl I S 509, 550) stets damit rechnen, daß der Träger der Krankenversicherung von der ihm gesetzlich eingeräumten Befugnis, autonomes Recht zu setzen, ggf auch zu deren Ungunsten Gebrauch macht. Ein Schutz des Vertrauens darauf, daß das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert so bestehen bleiben wird, wie es bei der Begründung der freiwilligen Mitgliedschaft bestand, kann nicht anerkannt werden (BSGE 42, 244, 246; BSG, Urteil vom 4. November 1992 - 1 RK 12/92).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen