Leitsatz (amtlich)
1. § 132 Abs 1 AFG iVm § 2 MeldeAnO räumt dem Arbeitsamt nicht die Befugnis ein, den Arbeitslosen aufzufordern, sich zum Zwecke einer ärztlichen Untersuchung zu melden.
2. Die Pflicht des Leistungsberechtigten, sich ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, regelt für Leistungen der Arbeitsförderung nach Inkrafttreten des SGB 1 dessen § 62 abschließend.
Normenkette
AFG § 14 Abs 2, § 120 Abs 1 Fassung: 1981-12-22, § 132 Abs 1 S 1, § 132 Abs 2; MeldeAnO § 2; SGB 1 § 62
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 29. Juli bis 11. August 1983 wegen des Eintritts einer Säumniszeit und gegen die Rückforderung von 94,00 DM.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 21. Juli 1983 Alhi ab 27. Mai 1983. Mit einem Formularschreiben vom 12. Juli 1983 hatte sie den Kläger unter Bezug auf die Meldepflicht nach § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und unter Hinweis auf die Folgen eines Meldeversäumnisses nach § 120 AFG aufgefordert, im Arbeitsamt am 28. Juli 1983 vorzusprechen. Als Grund war angegeben, es sei eine arbeitsamtsärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit vorgesehen. Zu dieser Untersuchung ist der Kläger nicht erschienen. Mit Bescheid vom 10. Oktober 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1983 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 29. Juli 1983 bis 11. August 1983 auf, stellte eine Erstattungspflicht für die in diesem Zeitraum geleistete Alhi in Höhe von 94,00 DM fest und kündigte eine Aufrechnung ihres Erstattungsanspruchs gegen den zukünftigen Alhi-Anspruch an. Zur Begründung führte sie aus, der Anspruch des Klägers ruhe wegen des Eintritts einer Säumniszeit von zwei Wochen. Der Kläger sei ohne wichtigen Grund der Aufforderung zur Meldung am 28. Juli 1983 nicht nachgekommen.
Das Sozialgericht (SG) hat antragsgemäß die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Berufung zugelassen (Urteil vom 14. Mai 1985).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14. Februar 1986). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da ein Ruhen des Alhi-Anspruchs nach § 120 AFG nicht eingetreten sei. Deshalb fehle es an einer der Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10). Die Aufforderung, zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung im Arbeitsamt zu erscheinen, sei von dem Meldezweck des § 132 AFG nicht gedeckt. Nach dieser Vorschrift iVm § 2 der Meldeanordnung (MeldeAnO) könne der Meldepflichtige nur zum Zwecke der Vermittlung in berufliche Ausbildungsstellen oder Arbeit, der Vorbereitung von Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung oder von Entscheidungen im Leistungsverfahren aufgefordert werden, sich zu melden. Daraus sei abzuleiten, daß die Meldung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem solchen konkreten Anlaß zu stehen habe. Dies sei aber bei einer ärztlichen Untersuchung nicht der Fall. Zur Duldung einer ärztlichen Untersuchung sei der Kläger nur im Rahmen der §§ 60 ff Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) verpflichtet. Nach diesen speziellen Bestimmungen für Behandlungen und Untersuchungen, die beim Kläger als Leistungsempfänger gemäß § 37 SGB 1 iVm §§ 14 Abs 2, 27 Abs 2 AFG anzuwenden seien, bestehe auch keine Notwendigkeit, für die Ladung und das Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung auf die §§ 132, 120 AFG zurückzugreifen, zumal da das auch zu doppelten Sanktionen führen könne. Eine Umdeutung des auf §§ 132, 120 AFG gestützten Bescheides in einen Entziehungsbescheid gemäß § 66 SGB 1 komme schon wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht in Betracht.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 132, 120 AFG iVm § 2 der MeldeAnO. Sie führt dazu aus: Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich, daß die Meldung nur im Zusammenhang mit einem den Leistungsanspruch berührenden Verwaltungsverfahren gefordert werden dürfe. Die arbeitsamtsärztliche Untersuchung eines Leistungsempfängers diene als Grundlage zur Klärung vermittlungs- und leistungsrechtlicher Fragen. Sie sei notwendiger Bestandteil der Arbeitsvermittlung, da sie die Feststellung der allgemeinen Eignung des Arbeitsuchenden für bestimmte Tätigkeiten bezwecke. Die Verpflichtung der Beklagten, nach Lage des Einzelfalles eine ärztliche Untersuchung anzuordnen, folge aus § 14 Abs 1 AFG. Auch aus leistungsrechtlicher Sicht sei bei gesundheitlichen Einschränkungen des Leistungsempfängers zur Prüfung der Verfügbarkeit gemäß §§ 134 Abs 1 Nr 1, Abs 4, 103 AFG und somit zur Feststellung des Anspruchs dem Grunde und der Höhe nach eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Die Beklagte habe bei einer erforderlichen ärztlichen Untersuchung grundsätzlich die Wahl zwischen einem Vorgehen nach § 132 AFG bzw §§ 60 ff SGB 1. Da es sich bei diesen Vorschriften um verschiedene Rechtsinstitute handele, habe sich die Beklagte nur von vornherein zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen wolle. Die Regelung des § 132 AFG stelle die spezialrechtliche Norm für eine ärztliche Untersuchung im Arbeitsamt oder einer sonstigen Dienststelle der Beklagten dar. Zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung außerhalb der in § 132 Abs 1 Satz 1 AFG genannten Stellen, wie etwa in einer Spezialklinik, könne der Arbeitslose nur über § 62 SGB 1 aufgefordert werden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG und das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß § 62 SGB 1 nicht durch § 132 AFG modifiziert werde. Beide Vorschriften seien weder neben noch nacheinander oder wahlweise anwendbar. Bereits begrifflich stelle eine Aufforderung zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung kein Melden iS des § 132 AFG dar. Während die Meldung des Arbeitslosen im Rahmen des § 132 AFG auch die Willenserklärung gegenüber dem Arbeitsamt enthalte, daß er zu zumutbarer Arbeit bereit sei, diene die Vorladung zur ärztlichen Untersuchung ausschließlich der Sachverhaltsermittlung. Eine Mitwirkungspflicht des arbeitslosen Leistungsempfängers zur Duldung einer ärztlichen Untersuchung bestehe nur unter den Voraussetzungen der §§ 60 ff SGB 1.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger verfolgt sein Begehren zu Recht im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG. Die begehrte Aufhebung des angefochtenen Bescheides hätte ohne weiteres zur Folge, daß der Bescheid vom 21. Juli 1983, mit dem dem Kläger zuvor die Alhi bewilligt worden war, in seiner ursprünglichen Fassung vollinhaltlich wiederhergestellt würde und die Beklagte hieraus zur Leistung der Alhi auch in der Zeit vom 29. Juli bis 11. August 1983 verpflichtet wäre (vgl BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19). Das Aufhebungsbegehren des Klägers ist auch begründet. Die Beklagte war zur Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides nicht berechtigt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung kann nur § 48 Abs 1 SGB 10 sein. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wußte oder wegen grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ruht nach § 120 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) während einer Säumniszeit von zwei Wochen, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung des Arbeitsamtes, sich zu melden (§ 132), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht nachkommt. Diese Regelung, die nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. Februar 1987 - 1 BvL 15/83 - (BGBl I 1338) mit Art 14 Abs 1 GG insoweit unvereinbar ist, als danach der Anspruch auf Alg ausnahmslos für die Dauer von zwei Wochen ruht (BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2), gilt über die Verweisung in § 134 Abs 4 Satz 1 AFG auch für den hier vom Kläger erhobenen Anspruch auf Alhi. Es kann hier dahingestellt bleiben, welche Folgen aus der Entscheidung des BVerfG für den Bereich der Alhi zu ziehen sind; denn eine Säumniszeit ist schon mangels rechtmäßiger Meldeaufforderung nicht eingetreten. Dies hat zur Folge, daß insoweit in den Verhältnissen, wie sie bei Erlaß des Bewilligungsbescheides im Juli 1983 vorlagen, keine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Der § 120 Abs 1 AFG verweist wegen der Meldepflicht auf § 132 AFG. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift - idF des AFKG - iVm § 134 Abs 4 Satz 1 AFG hat der Arbeitslose sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Alhi erhebt, beim Arbeitsamt, einer sonstigen Dienststelle der Bundesanstalt oder einer mit der Arbeitsvermittlung beauftragten Stelle zu melden, wenn das Arbeitsamt ihn dazu auffordert. Um eine Meldepflicht auszulösen, verlangt § 132 Abs 1 AFG die Erhebung von Leistungsansprüchen durch den Arbeitslosen, was hier zweifellos gegeben ist, und eine Meldeaufforderung. Mit Schreiben vom 12. Juli 1983 ist der Kläger zu einer Vorsprache im Arbeitsamt am 28. Juli 1983 aufgefordert worden. Dieses Schreiben läßt mit hinreichender Klarheit erkennen, daß von ihm eine Mitwirkung gerade iS von § 132 Abs 1 AFG erwartet und gefordert wurde (vgl SozR 4100 § 132 Nr 1). Die Aufforderung zur Vorsprache erfolgte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Meldepflicht nach § 132 AFG und unter Hinweis auf die Folgen eines Meldeversäumnisses nach § 120 AFG. Sie kann im vorliegenden Fall bei Säumnis jedoch keine Säumniszeit auslösen; denn diese Meldeaufforderung war rechtswidrig.
Dem Kläger ist es nicht verwehrt, im Rahmen der Überprüfung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides die Unzulässigkeit der Meldeaufforderung geltend zu machen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Meldeaufforderung als selbständiger Verwaltungsakt anzusehen und dieser Verwaltungsakt bindend geworden wäre (§ 77 SGG). Eine solche Bindung kann hier jedoch nicht eingetreten sein. Mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Oktober 1983 hat der Kläger auch die Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung geltend gemacht. Da die Meldeaufforderung keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, hätte sie, wenn sie ein Verwaltungsakt wäre, gemäß § 60 Abs 2 SGG innerhalb eines Jahres seit Zustellung oder Eröffnung angefochten werden können. Diese Frist wäre auf jeden Fall eingehalten worden, da sie schon die Zeit zwischen dem Erlaß der Meldeaufforderung vom 12. Juli 1983 und dem Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1983 nicht überschreitet. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine Meldeaufforderung, wie sie hier ergangen ist, überhaupt als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, wie dies in anderem Zusammenhang im Schrifttum geschieht (Eckert in Ambs ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand Oktober 1987, § 132 Rz 9; Gagel, Kommentar zum AFG, Stand Juli 1987, § 132 Rz 16; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Kommentar zum AFG, § 132 Rz 9; Schieckel/Grüner/Dalichau, Kommentar zum AFG, Stand Juli 1987, § 132 Anm II 2; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 132 - aF - Rz 3; vgl Krebs, Kommentar zum AFG, Stand Juni 1986, § 132 Rz 9; aA Geffers/Schwarz, Kommentar zum AFG, § 132 Rz 3) und die Meldepflicht des Arbeitslosen infolgedessen bindend feststünde, wenn der Arbeitslose keinen Widerspruch gegen die Meldeaufforderung erhoben hat (vgl zur Verwaltungsaktqualität der Ladung eines Wehrpflichtigen zur Musterung BVerwG Buchholz 448.0 § 17 Nr 6 und zur Verwaltungsaktqualität der Anordnung an den Inhaber einer Fahrerlaubnis, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen, BVerwGE 34, 248 = Buchholz 310 Vorbemerkung III zu § 42 VwGO Ziffer 1 Nr 106).
Rechtswidrig war die Meldeaufforderung im Schreiben vom 2. Juli 1983, weil sich aus § 132 AFG ein Recht der Beklagten, Alg- bzw Alhi-Anspruchsteller zu einer ärztlichen Untersuchung vorzuladen, nicht herleiten läßt (Eckert aaO Rz 11; Gagel aaO Rz 7; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO Rz 11; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO Rz 3). Weder der Wortlaut der Vorschrift noch der Regelungszusammenhang oder die Entstehungsgeschichte geben einen Anhalt für eine derartige Berechtigung. Aus welchen Gründen das Arbeitsamt einen Arbeitslosen zur Meldung auffordern darf, ist - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Regelung des § 132 Abs 1 Satz 2 AFG - im Gesetz nicht bestimmt. In der nach § 132 Abs 2 AFG ergangenen MeldeAnO vom 14. Dezember 1972 (ANBA 1973, 245) hat die Beklagte in § 2 geregelt, daß der Meldepflichtige nur zum Zwecke der Vermittlung in berufliche Ausbildungsstellen oder Arbeit, der Vorbereitung von Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung oder von Entscheidungen im Leistungsverfahren aufgefordert werden kann, sich zu melden. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, daß arbeitsamtsärztliche Untersuchungen regelmäßig Fragen klären, die für die Vermittlung und ggf auch für leistungsrechtliche Entscheidungen von Bedeutung sind. So erleichtert ein ärztliches Gutachten dem Arbeitsvermittler zweifellos die Auswahl eines geeigneten Arbeitsplatzes. Außerdem kann ein Gutachten klären, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen vorliegen. Der Wortlaut des § 2 der MeldeAnO legt daher eine Berechtigung der Beklagten, einen Leistungsempfänger zu einer ärztlichen Untersuchung aufzufordern, nahe. Eine derartige Auslegung der nachrangigen Anordnungsnorm wäre aber nicht gesetzeskonform.
Daß der Arbeitslose zum Zwecke der Vermittlung in Arbeit zur Meldung aufgefordert werden kann, berechtigt die Beklagte nicht, den Arbeitslosen gegen seinen Willen zu einer ärztlichen Untersuchung zu laden. Eine solche Befugnis widerspräche § 14 Abs 2 AFG. Nach dieser Vorschrift kann die Bundesanstalt zwar Arbeitsuchende ärztlich untersuchen und begutachten lassen, soweit dies für die Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes bei der Arbeitsvermittlung erforderlich ist, jedoch nur mit deren Einverständnis. Ist der Arbeitslose hiernach zur Duldung einer ärztlichen Untersuchung zum Zwecke der Arbeitsvermittlung nicht verpflichtet, so kann das Arbeitsamt nicht gemäß § 132 AFG berechtigt sein, ihn unter Androhung der Säumnisfolgen des § 120 AFG zu einer ärztlichen Untersuchung aufzufordern.
Mit dem Willen des Gesetzes und der Gesetzesgeschichte stünde es aber auch nicht im Einklang, wenn die Beklagte zur Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren den Arbeitslosen gemäß § 132 AFG auffordern könnte, sich zu einer ärztlichen Untersuchung zu melden, wie dies § 2 MeldeAnO nahelegt.
Während der Geltung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) hatte sich zur Erlangung von Arbeit und zum Nachweis der Arbeitslosigkeit regelmäßig und auf Vorladung beim Arbeitsamt zu melden, wer Alg oder Alhi bezog (§ 179 Abs 1 Satz 1, § 144 Abs 1 Satz 2 AVAVG). Aufgrund der Befugnis, Ermittlungen anzustellen, die zur Feststellung erforderlich waren, ob die Voraussetzungen zum Bezuge von Alg oder Alhi vorlagen (§ 176 Abs 1 Satz 1; § 144 Abs 1 Satz 2 AVAVG) konnte der Leistungsträger den Arbeitslosen ärztlich untersuchen lassen (§ 176 Abs 1 Satz 2 AVAVG). Das Arbeitsamt hatte mithin neben und unabhängig von der Befugnis, den Arbeitslosen zur Meldung vorzuladen, das Recht, den Arbeitslosen ärztlich untersuchen zu lassen.
An die Nichtbefolgung der diesbezüglichen Pflichten des Arbeitslosen waren schon seinerzeit unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft. Versäumte der Arbeitslose eine regelmäßige Meldung, so war das Alg bzw die Alhi für den Meldezeitraum zu versagen, also für die Tage, für die die Meldung galt (§ 98; § 144 Abs 1 Satz 2 AVAVG). Wurde eine Meldung aufgrund besonderer Vorladung versäumt, war die Leistung für den Tag zu versagen, an dem die Meldung erfolgen sollte (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, § 98 Rz 3 und 6; Krebs, Kommentar zum AVAVG, § 98 Rz 12). Für den Fall dagegen, daß der Arbeitslose eine ärztliche Untersuchung verweigerte, konnte das Arbeitsamt ihm die Leistung ganz oder teilweise versagen (§ 99 AVAVG). Während die Versagung der Leistung bei einem Meldeversäumnis als zwingende Rechtsfolge ausgestaltet war, trat der Verlust des Leistungsanspruchs bei Vereitelung von Ermittlungen, einschließlich der Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung, nicht selbsttätig ein, sondern war von dem pflichtgemäßen Ermessen der entscheidenden Stelle abhängig (vgl Begründung zum späteren § 99 AVAVG, BT-Drucks II/1274 S 135 rechte Spalte). Dabei konnte die entscheidende Stelle je nach dem Grad der pflichtwidrigen Handlung die Versagung der Leistung der Höhe wie der Zeitdauer nach abstufen (BSG SozR Nr 1 zu § 176 AVAVG). Auch die Regelungszwecke unterschieden sich. Die Meldungen sollten nicht Anlaß geben, jeweils die Leistungsvoraussetzungen vollständig zu prüfen. Sie sollten vielmehr neben dem Hauptzweck, den Arbeitslosen in Arbeit zu vermitteln, lediglich den Nachweis erleichtern, daß er weiterhin nicht in Arbeit stand und verfügbar war (vgl Begründung zum späteren § 179 AVAVG, BT-Drucks II/1274 S 162 rechte Spalte). Dagegen schuf § 176 AVAVG die Grundlage für die Beklagte, im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung zur Feststellung des Leistungsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach tätig zu werden. In Erfüllung dieser Pflicht war sie berechtigt, sich gemäß § 176 Abs 1 Satz 3 AVAVG der Mitwirkung des Leistungsempfängers zu bedienen, indem sie ihn ärztlich untersuchen ließ.
Das AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) verzichtete zwar auf die regelmäßige Meldung des Arbeitslosen, hielt aber daran fest, daß sich der Arbeitslose aufgrund Aufforderung melden (§ 132 Abs 1 Satz 1 AFG) und im Rahmen erforderlicher Ermittlungen der Bundesanstalt ggf auch ärztlich untersuchen lassen mußte (§ 144 Abs 1 Satz 3 AFG aF). Das Gesetz ließ es auch bei den unterschiedlichen Rechtsfolgen des Versäumnisses einer Meldung bzw des Versäumnisses einer ärztlichen Untersuchung. Kam ein Arbeitsloser der Aufforderung zur Meldung nach § 132 AFG trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht nach, war ihm das Alg bzw die Alhi für sechs Wochentage zu versagen (§ 120, § 134 Abs 2 AFG aF). Einem Arbeitslosen, der durch sein Verhalten erforderliche Ermittlungen der Bundesanstalt vereitelte, zu denen ausdrücklich auch ärztliche Untersuchungen gehörten, konnte gemäß § 121, § 134 Abs 2 AFG aF das Alg bzw die Alhi ganz oder teilweise versagt werden. Ebenso wie die Vorläufervorschriften des AVAVG unterschieden sich diese Regelungen auch in ihrem Regelungszweck. Aus diesen Gründen war bei einer Weigerung des Arbeitslosen, sich ärztlich untersuchen zu lassen, ein Rückgriff auf die Meldevorschrift und ihre Sanktionen schon nach der Gesetzeslage bei Inkrafttreten des AFG ausgeschlossen.
Mit dem Inkrafttreten des SGB 1 am 1. Januar 1976 entfiel die Möglichkeit, ärztliche Untersuchungen auf § 144 Abs 1 Satz 3 AFG zu stützen und die Rechtsfolgen des § 121 AFG anzuordnen, da diese Vorschriften gestrichen worden sind (Art II § 3 Nr 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl I 3015), und zwar wegen der Regelungen der §§ 62, 66 SGB 1 (vgl Begründung zu Art II § 3 des SGB 1, BT-Drucks 7/868 S 35). Schon dies macht deutlich, daß sich künftig nur nach den §§ 60 ff SGB 1 richten sollte, wann der Arbeitslose sich einer ärztlichen Untersuchung zur Vorbereitung einer Entscheidung über Alg oder Alhi zu unterziehen hat und welche Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkam.
Das entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers; denn mit den Regelungen über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten in den §§ 60 ff SGB 1 wollte der Gesetzgeber das bis dahin geltende Sozialrecht insgesamt vereinheitlichen und übersichtlicher gestalten (vgl Begründung zum SGB 1, BT-Drucks 7/868, S 22 linke Spalte). Dem widerspräche es, wenn die Beklagte zur Vorbereitung von Entscheidungen über den Leistungsanspruch im Rahmen einer Meldeaufforderung nach § 132 AFG den Arbeitslosen zu einer ärztlichen Untersuchung in das Arbeitsamt vorladen dürfte. Die Pflicht des Alg- bzw Alhi-Antragstellers zur Duldung von ärztlichen Untersuchungen im Leistungsverfahren regelt nach Inkrafttreten des SGB 1 dessen § 62 mithin abschließend. Deshalb richtet sich allein nach dieser Vorschrift, nicht aber nach § 132 AFG, wann sich der Arbeitslose, der Alg oder Alhi beantragt hat oder erhält, zur Vorbereitung von Entscheidungen über den Leistungsanspruch auf Verlangen der Beklagten ärztlichen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen soll.
Schließlich war der Kläger aufgrund der Meldeaufforderung vom 3. April 1984 auch nicht zur bloßen Meldung auf dem Arbeitsamt verpflichtet; denn es liegt auf der Hand, daß eine rechtswidrige Aufforderung zur Untersuchung den Arbeitslosen nicht zur bloßen Meldung verpflichten kann. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn der Kläger nicht nur zur Untersuchung, sondern auch aus einem anderen Grund zur Meldung aufgefordert worden wäre. Hierfür bietet der Sachverhalt jedoch keinen Anhaltspunkt.
Ist hiernach in Ermangelung einer rechtmäßigen Meldeaufforderung eine Säumniszeit nicht eingetreten, läßt sich der angefochtene Bescheid nicht auf § 120 AFG stützen. Auch andere Gründe stehen zur Rechtfertigung des Bescheides nicht zur Verfügung. Daß dem Kläger in Ermangelung eines schriftlichen Hinweises auf die Folgen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Abs 3 SGB 1 die Alhi nicht nach § 66 SGB 1 entzogen werden kann, ist nicht zweifelhaft. Der Bescheid vom 10. Oktober 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1983 ist daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, rechtswidrig. Die Revision der Beklagten kann somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen