Leitsatz (amtlich)
1. Die aufgrund der AFG §§ 39, 191 Abs 3 ergangenen Anordnungen des Verwaltungsrates der BA enthalten als autonomes Satzungsrecht Rechtsnorm.
2. Das Maß der nach AFG § 40 Abs 1 einem Elternteil üblicherweise zumutbaren Unterhaltsleistung an den Auszubildenden bestimmt sich nach AA AFR § 16.
3. Die Unterhaltsleistung ist dem Auszubildenden nur dann als Einkommen anzurechnen, wenn der Unterhaltsverpflichtete nach der Regelung des AA AFR § 16 überhaupt zu einem Unterhaltsbeitrag herangezogen werden kann.
4. Ist ein Elternteil zugleich Ausbildender, so ist die von ihm an den Auszubildenden gewährte freie Kost und Unterkunft immer dann auf das Einkommen des Auszubildenden (AA AFR § 18) anzurechnen, wenn sie aufgrund des Ausbildungsvertrages geleistet wird.
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Berechnung der Berufsausbildungsbeihilfe in Fällen, in denen der Ausbildende ein Elternteil ist, kann die Gewährung von Kost und Unterkunft neben der Ausbildungsvergütung (BBiG § 10 Abs 2) nur dann als Einkommen (Sachbezug - AAusb § 18 Abs 2) angerechnet werden, wenn diese Sachleistungen nicht als elterliche Unterhaltsleistung erbracht, sondern aufgrund des arbeitsrechtlichen Ausbildungsverhältnisses als Teil der zustehenden Ausbildungsvergütung gewährt worden sind. Nicht aufgrund des Ausbildungsverhältnisses, sondern als elterliche Unterhaltsleistung werden diese Sachleistungen gewährt, wenn sie weder durch den Ausbildenden als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht noch bei der Bemessung der Beiträge zur Sozialversicherung als Einkünfte des Auszubildenden berücksichtigt worden sind.
Normenkette
AFG § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, § 39 S. 1 Fassung: 1969-06-25, § 191 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25; AusbFöAnO § 18 Abs. 2 Fassung: 1969-10-31, § 15 S. 1 Fassung: 1969-10-31, § 16 Fassung: 1969-10-31, § 18 Abs. 1 Fassung: 1969-10-31; BBiG § 10 Abs. 2
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der am 22. Oktober 1952 geborene Kläger wurde in der Zeit vom 1. August 1968 bis zum 31. Juli 1970 im Betrieb seines Vaters als Fotolaborant ausgebildet. Das Ausbildungsverhältnis ist der Industrie- und Handelskammer am 21. August 1968 angezeigt worden. Als Ausbildungsvergütung erhielt der Kläger monatlich 110 DM im ersten und monatlich 130 DM im zweiten Ausbildungsjahr. Er wohnte bei seinen Eltern und wurde auch dort verköstigt. Bei der Beitragsberechnung zur Sozialversicherung sind Kost und Wohnung für den Kläger außer Ansatz geblieben. Der Vater des Klägers behandelte diese Ausgaben auch steuerlich nicht als Betriebsausgaben. Die Eltern des Klägers sind für das Jahr 1968 gemeinsam mit einem Betrag von 4570 DM zur Einkommensteuer veranlagt worden. Für die Familienwohnung war eine laufende monatliche Belastung von 86,65 DM zu tragen. Der Kläger legte am 7. Juli 1970 die Abschlußprüfung ab.
Am 20. Januar 1970 beantragte der Kläger durch seinen Vater beim Arbeitsamt (ArbA) N, ihm Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zu bewilligen. Mit Bescheid vom 14. August 1970 lehnte das ArbA den Antrag auf BAB ab. Zur Begründung gab es an, die Voraussetzungen für die Bewilligung seien hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erfüllt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 8. Oktober 1970 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das ArbA aus: Als Einkommen des Klägers gelte nach § 18 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung - AA - vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213) die Nettoausbildungsvergütung in Höhe von 130 DM. Da die Ausbildung im elterlichen Betrieb erfolge, sei außerdem als Ausbildungsvergütung nach § 18 Abs. 2 AA der Wert der vom Ausbildungsbetrieb - hier vom Vater - bereitgestellten Kost und Unterkunft anzurechnen, und zwar mit den nach § 160 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) festgesetzten Beträgen. Nach dieser Vorschrift sei der Wert für Kost und Wohnung mit 159 DM festzusetzen. Mithin übersteige das Einkommen des Klägers den Bedarf für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung. Nach § 9 AA bestehe deshalb kein Anspruch auf BAB.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz durch Urteil vom 21. September 1971 den ablehnenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger BAB ohne Anrechnung eines Betrages für freie Kost und Wohnung zu zahlen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 17. April 1972 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es dazu ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Wert von freier Kost und Wohnung, die der Kläger in der maßgeblichen Zeit von seinem Vater erhalten habe, kein Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 AA. Die Durchführungsanweisung (DA) der Beklagten Nr. 18. 13 stehe dem zwar entgegen; das habe aber nur innerdienstliche Bedeutung. Die DA sei weder ein Gesetz noch eine aufgrund der Ermächtigung des § 39 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ergangene Anordnung. Die DA widerspreche insoweit dem Recht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch gehörten Unterhaltsleistungen in Natur, die ein Unterhaltsberechtigter von Unterhaltspflichtigen aufgrund der Unterhaltspflicht erhalte, nicht zu den Einkünften des Unterhaltsberechtigten. Dem folge auch § 18 Abs. 1 AA. Die Bestimmung gehe davon aus, daß die Einkünfte ihrer Art nach grundsätzlich besteuert würden und bei der Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen heranzuziehen seien. Das aber treffe auf Unterhaltsleistungen nicht zu. Beträge, die von Eltern für den Unterhalt des Auszubildenden aufgewandt würden, seien als Teil des Einkommens der Eltern anzusetzen. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 AA besage nichts anderes. Danach seien Beträge, die der Ausbildende für Kost und Wohnung von der Ausbildungsvergütung einbehalte, als Einkommen des Auszubildenden zu bewerten. Diese Vorschrift setze den rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsverhältnis und der Gewährung von Kost und Wohnung voraus. Daran fehle es, wenn Kost und Wohnung nicht aufgrund des Ausbildungsverhältnisses, sondern der elterlichen Unterhaltspflicht gewährt würden. Etwas anderes könne grundsätzlich auch nicht gelten, wenn die Ausbildung im Betrieb eines Elternteils erfolge, der dem Auszubildenden Kost und Wohnung frei gewähre. Im Verhältnis zwischen Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem werde die Gewährung von Kost und Wohnung regelmäßig dann arbeitsrechtliche Grundlage haben, wenn der Empfänger dem Leistenden normalerweise wirtschaftlich nicht mehr zur Last fallen würde. Im vorliegenden Fall spreche aber nichts dafür, daß von dem Vater des Klägers Kost und Unterkunft aufgrund des Ausbildungsverhältnisses und nicht der elterlichen Unterhaltspflicht geleistet worden sei. Der Geldeswert dieser Sachleistungen sei nach dem Aufbau der Berechnungsvorschriften der AA als Einkommen der Eltern nach § 16 AA anzusetzen und nicht nach § 15 AA als Einkommen des Auszubildenden. Da im vorliegenden Fall das Einkommen der Eltern die monatlichen Freibeträge des § 16 AA nicht erreiche, sei dieses auch nicht auf den Bedarf des Klägers anzurechnen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des LSG - die zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 40 AFG und der Vorschriften der AA. Sie führt aus: Ziel der individuellen Förderung der beruflichen Ausbildung sei es, wirtschaftliche Schwierigkeiten, die einer angemessenen beruflichen Qualifikation entgegenstünden, zu überwinden. § 40 AFG enthalte dementsprechend den Vorbehalt, daß BAB nur subsidiär bei Bedürftigkeit des Auszubildenden gewährt werde. § 18 Abs. 1 AA erfasse ausdrücklich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Er könne nur so verstanden werden, daß die dort genannten Abzüge (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) vorzunehmen seien, soweit Steuer- und Beitragspflicht bestehe. Der Einkommensbegriff des AFG und der AA decke sich wegen der andersartigen Zielsetzung nicht mit dem des Einkommensteuer- und des Sozialversicherungsrechts. Daher sei es ohne Bedeutung, daß der Vater des Klägers von den dem Kläger in Natur gewährten Unterhaltsleistungen keine Steuern und Beiträge abgeführt habe. Die Leistungen hätten Geldeswert und gehörten deshalb zu den Einkünften im Sinne des § 18 Abs. 1 AA. Dafür spreche auch § 18 Abs. 5 Satz 1 AA, wonach zum anrechenbaren Einkommen nur solche Leistungen nicht rechneten, die nicht oder nicht hauptsächlich für den Lebensunterhalt gewährt würden. Unterhaltsleistungen in Natur seien aber Lebensunterhalt schlechthin. Sie deckten den Lebensbedarf (§§ 11, 12 AA) ebenso wie Geldleistungen. Es spreche auch nicht dagegen, daß im Normalfall - Ausbildung im fremden Betrieb - die dem Auszubildenden von seinen Eltern gewährte Kost und Wohnung nicht als Einkommen des Auszubildenden angesetzt würden. Es könne nämlich unterstellt werden, daß Eltern, deren Einkommen nach den Maßstäben der AA zur vollen Finanzierung der Ausbildung ihres Kindes nicht ausreiche, dem Kind Kost und Wohnung nicht unentgeltlich gewährten, sondern die ihrem Kind gezahlte Ausbildungsvergütung zur Deckung ihrer Unterhaltsaufwendungen heranzögen. Für den Sonderfall, daß das Kind im Betrieb eines Elternteils ausgebildet werde, könne nichts anderes gelten. Die Eltern seien dann allerdings nach § 10 des Berufsausbildungsgesetzes (BBiG) verpflichtet, dem Kind die übliche Ausbildungsvergütung zu gewähren. Sie seien aber nicht gezwungen, ihm den vollen Betrag in Geld auszuzahlen, sondern könnten nach § 10 Abs. 2 BBiG Kost und Wohnung, die sie dem Kind gewährten, nach den Bewertungsregeln der RVO auf die Ausbildungsvergütung bis zu 75 v. H. des Bruttobetrages anrechnen. Würden sie aber neben freier Kost und Wohnung außerdem die volle Ausbildungsvergütung auszahlen, so könne dies nicht ohne Auswirkung auf die Höhe der BAB bleiben. Es sei dann angemessen, den Wert von Kost und Wohnung nach § 18 Abs. 2 AA als Sachleistung des Ausbildenden bei der Feststellung des Einkommens des Auszubildenden zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die dem Kläger von seinen Eltern gewährte freie Kost und Unterkunft nicht als Einkommen anzurechnen ist und ihm daher ein Anspruch auf BAB zusteht.
Nach § 40 Abs. 1 AFG gewährt die Beklagte Jugendlichen und Erwachsenen Zuschüsse und Darlehen für eine geeignete berufliche Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen sowie für die Teilnahme an Grundausbildungs- und Förderungslehrgängen und anderen berufsvorbereitenden Maßnahmen, soweit sie die hierfür erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen können und ihren Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet wird. Dieser vom AFG weit gesteckte Rahmen wird von den Regelungen in der AA ausgefüllt. Darin hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der individuellen Förderung der beruflichen Bildung unter Berücksichtigung der in § 39 AFG niedergelegten Grundsätze bestimmt. Ihrer Rechtsnatur nach sind die Anordnungen der BA, die aufgrund eines gesetzlichen Auftrags oder einer gesetzlichen Ermächtigung - hier § 39 AFG - erlassen werden, autonomes Satzungsrecht, also Gesetz im materiellen Sinne. Im Gegensatz zu Durchführungsanweisungen und sonstigen Runderlassen der BA erzeugen diese Anordnungen hinsichtlich der Rechte Dritter normative Wirkungen. Als Rechtsnormen binden sie auch die Gerichte, soweit der Inhalt der Anordnungen nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des AFG, BT-Drucks. V/2291 S. 94 - zu § 187 Abs. 3 -; Hennig/Kühl/Heuer, AFG § 39 Anm. 1; Hoppe, SozSich 1971, 40; Schieckel, AFG § 39 Anm. 1 a; Schmitz/Specke/Picard, AFG, 1. Aufl., Vorbem. zu § 39; Weber/Paul, AFG § 39 Anm. 1; Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, AFG § 39 Anm. 2 b; BSG SozR Nr. 1 und 2 zu § 143 b AVAVG). Gegen die umfassende Ermächtigung der BA durch den Gesetzgeber in § 39 AFG zum Erlaß von satzungsrechtlichen Anordnungen zur Ausführung des Gesetzes bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche gesetzlichen Ermächtigungen unterliegen nämlich nicht den engen Begrenzungen der Art. 80 ff. des Grundgesetzes (GG) für Rechtsverordnungen (vgl. BVerfG 12, 325; 19, 266 f.).
Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß im vorliegenden Fall nicht nur die - zwischen den Beteiligten unstreitigen - allgemeinen, sondern auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf BAB nach den §§ 9 bis 19 AA gegeben sind.
Nach § 9 AA bemißt sich die BAB nach dem Bedarf für den Lebensunterhalt (§§ 11 und 12 AA) und nach dem Bedarf für die Ausbildung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme (§ 13 AA). Das LSG ist unter Berücksichtigung der nach der AA für die Bedarfsberechnung bestehenden Regelung zu dem - von der Revision nicht angegriffenen - Ergebnis gelangt, daß der Gesamtbedarf des Klägers monatlich 237,28 DM beträgt. Auf diesen Bedarf nach § 9 AA sind in dem nach den §§ 15 bis 17 AA bestimmten Umfang das Einkommen (§ 18 AA) des Klägers (§ 10 Nr. 1 AA) und gegebenenfalls noch dasjenige seiner Eltern (§ 10 Nr. 2 AA) anzurechnen. Das Einkommen des Klägers ist in voller Höhe zu berücksichtigen (§ 15 Satz 1 AA). Als Einkommen gelten dabei alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur BA oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange (§ 18 Abs. 1 AA). Der Revision ist zuzugeben, daß nach dem Wortlaut dieser Vorschrift grundsätzlich alle Einkünfte als Einkommen zu behandeln sind, ohne Rücksicht auf die Art (Barleistung oder Sachbezug), die Quelle (selbständige oder unselbständige Tätigkeit, Kapital- oder Grundvermögen) und den Rechtsgrund (z. B. Arbeitsvertrag oder Unterhaltsrecht). Abgesehen von der Möglichkeit, auch in angemessenem Umfang noch Werbungskosten absetzen zu können (§ 18 Abs. 4 AA), stimmt der Wortlaut dieser Legaldefinition mit der des § 138 Abs. 2 AFG und des früheren § 150 Abs. 3 AVAVG überein. Richtig ist ferner, daß nach diesen zuletzt genannten Vorschriften im Rahmen der Arbeitslosenhilfe, die ebenfalls wie die BAB nicht familienunabhängig, sondern aufgrund einer Bedürftigkeitsprüfung gewährt wird, auch Unterhaltsleistungen der Eltern, die als Sachbezüge (Kost und Unterkunft) gegeben werden, als Einkommen mit ihrem Geldeswert anzurechnen sind (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, AFG § 138 Anm. 14; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG § 150 Anm. 5). Die Revision übersieht aber, daß auch bei gleichlautenden Vorschriften im Rahmen der individuellen Förderung der beruflichen Bildung und der Arbeitslosenhilfe sich dennoch aus dem Zusammenhang und aus dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen eine unterschiedliche Anwendung ergeben kann. Das ist hier - entgegen der Auffassung der Revision - der Fall.
Wie sich aus der Revisionsbegründung ergibt, geht die Beklagte selbst davon aus, daß im Normalfall - Ausbildung im fremden Betrieb - die dem Auszubildenden von seinen Eltern gewährte Kost und Unterkunft nicht als Einkommen des Auszubildenden angesetzt werden kann. Allerdings ist hierfür nicht - wie die Revision meint - ausschlaggebend, daß denjenigen Eltern, deren Einkommen nach den Maßstäben der AA zur vollen Finanzierung der Ausbildung ihres Kindes nicht ausreicht, unterstellt werden könne, sie gewährten dem Kind Kost und Wohnung nicht unentgeltlich, sondern würden die ihrem Kind gezahlte Ausbildungsvergütung zur Deckung ihrer Unterhaltsaufwendungen heranziehen. Dem Zusammenhang der Vorschriften des zweiten Abschnittes über Art und Umfang der Förderung in der AA (§§ 9 bis 19) mit § 40 AFG ist vielmehr zu entnehmen, daß nach Sinn und Zweck der BAB die Gewährung von Kost und Unterkunft durch einen Elternteil nur dann Einkommen des Auszubildenden ist, wenn den unterhaltsverpflichteten Eltern diese Leistung üblicherweise überhaupt zugemutet werden kann (§ 40 Abs. 1 AFG). Wenn aber von vornherein den Eltern ein Unterhaltsbeitrag an den Auszubildenden nicht zugemutet werden kann, so wäre es mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar, eine über das zumutbare Maß von den Eltern gewährte freie Kost und Unterkunft als Einkommen des Auszubildenden anzurechnen und dadurch den mit der BAB zu erreichenden Zweck, den Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildung zu sichern (§ 9 AA), zu vereiteln. Ob eine Unterhaltsleistung den Eltern nach § 40 AFG zugemutet werden kann, ergibt sich aus der Regelung des § 16 AA. Diese Vorschrift füllt insoweit den von § 40 AFG gesteckten Rahmen aus. Ihr ist zu entnehmen, was einem Elternteil als Unterhaltsverpflichtetem üblicherweise im Rahmen der individuellen Förderung der beruflichen Ausbildung als Beitrag zur Aufbringung der Kosten zuzumuten ist. Kost und Unterkunft, die dem Auszubildenden von seinen Eltern in Natur gewährt werden, können diesem daher nur als eigenes Einkommen angerechnet werden, wenn das Einkommen der Eltern die in § 16 AA vorgesehenen Freibeträge überschreitet. Nur in diesem Umfang soll den unterhaltspflichtigen Eltern ein Beitrag zur Aufbringung von Ausbildungskosten überhaupt zugemutet werden. Eine Anrechnung weitergehender Leistungen der Eltern würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, daß durch die tatsächliche - aber üblicherweise als Unterhaltsleistung im Sinne des § 40 Abs. 1 AFG nicht zumutbare - Bereitstellung von Kost und Unterkunft seitens der Eltern zusammen mit der Ausbildungsvergütung in einer erheblichen Zahl von Fällen die Zahlung der BAB ausgeschlossen wäre.
Der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung steht die in § 40 Abs. 3 AFG getroffene Regelung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte einen Antragsteller fördern, solange und soweit er Unterhaltsleistungen, auf die er einen Anspruch hat, nicht erhält. In einem solchen Fall geht der Anspruch auf die Unterhaltsleistung nach Anzeige auf die Beklagte über (§ 40 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AFG). Wenn in § 40 Abs. 3 AFG nur von "Unterhaltsleistungen", auf die der Antragsteller "einen Anspruch hat", gesprochen wird, so können damit nicht alle Unterhaltsleistungen, die ein Auszubildender beanspruchen kann, sondern nur diejenigen gemeint sein, die dem Unterhaltsverpflichteten üblicherweise zugemutet werden. Das ergibt schon der Zusammenhang, in dem der Abs. 3 des § 40 AFG mit dessen Abs. 1 steht. Wird nämlich die Ausbildungsförderung u. a. nur dann ausgeschlossen oder beschränkt, wenn dem Unterhaltsverpflichteten des Auszubildenden die Aufbringung der Ausbildungskosten "üblicherweise zugemutet" werden kann, so kann es sich bei den in § 40 Abs. 3 AFG bezeichneten Unterhaltsleistungen auch nur um diejenigen handeln, die dem Unterhaltsverpflichteten zugemutet werden können. Andernfalls würde durch den Anspruchsübergang auf die Beklagte (§ 40 Abs. 3 Satz 2 AFG) dieser mehr zustehen, als dem Unterhaltsverpflichteten nach § 40 Abs. 1 AFG als eigener Beitrag zur Aufbringung der Mittel für den Auszubildenden auferlegt werden soll. Die als freie Kost und Unterkunft von den Eltern an den Auszubildenden erbrachte Unterhaltsleistung ist somit nur dann diesem als Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 AA auf den Bedarfssatz anzurechnen, wenn diese Leistung den Eltern nach § 16 AA zugemutet werden kann.
Nichts anderes gilt grundsätzlich, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Ausbildende ein Elternteil ist. In diesem Fall kann die Gewährung von Kost und Unterkunft neben der Ausbildungsvergütung (§ 10 Abs. 2 BBiG) nur dann als Sachbezug mit der Bewertung nach § 160 Abs. 2 RVO in Verbindung mit § 18 Abs. 2 AA angerechnet werden, wenn diese Leistung nicht als elterliche Unterhaltsleistung erbracht, sondern aufgrund des arbeitsrechtlichen Ausbildungsverhältnisses als Teil der Vergütung nach dem BBiG gewährt worden ist. Würde anders verfahren, wäre dies im Gegensatz zur Auffassung der Revision - die im Schrifttum mit der von Hoppe/Berlinger (AFG § 40 Anm. 13 a) und der DA Nr. 18. 13 zur AA übereinstimmt - eine ungleiche Behandlung gleichen Sachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GG). Im vorliegenden Fall hat das LSG unangefochten und damit für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß der Wert von Kost und Wohnung in Höhe von monatlich 159 DM, der dem Kläger zugeflossen ist, steuerlich nicht als Ausgabe des Gewerbebetriebs durch den Vater als Ausbildenden geltend gemacht worden ist. Mit Recht hat das Berufungsgericht aus dieser Tatsache in Verbindung mit dem Umstand, daß für die Bemessung der Beiträge zur Sozialversicherung der Vater des Klägers und die Ortskrankenkasse als Einzugsstelle den Wert von Kost und Wohnung für den Kläger nicht als Einkünfte behandelt haben, geschlossen, daß dem Kläger Kost und Unterkunft im elterlichen Haushalt nicht aufgrund des Ausbildungsverhältnisses, sondern als elterliche Unterhaltsleistung gewährt worden ist. Zutreffend hat deshalb das LSG als Einkommen des Klägers nur seine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 130 DM angesehen und für die Deckung des Bedarfs nach § 99 AA eine Lücke festgestellt. Zur Abdeckung dieser Lücke kommt aber das Einkommen der Eltern nach § 16 AA im vorliegenden Fall nicht Betracht, weil das vom Berufungsgericht unangefochten festgestellte zu versteuernde Bruttoeinkommen der Eltern des Klägers bereits den nach § 16 AA ermittelten Gesamtfreibetrag von monatlich 786,65 DM nicht erreicht. Bei der Leistung von Kost und Unterkunft an den Kläger handelt es sich somit um eine Unterhaltsleistung der Eltern, die ihnen als Unterhaltsverpflichtete im Sinne des § 40 Abs. 1 AFG in Verbindung mit § 16 AA üblicherweise nicht zugemutet werden kann.
Nach allem wird der Bedarf des Klägers nach § 9 AA nicht in vollem Umfang durch sein Einkommen und durch zumutbare Unterhaltsleistungen seiner Eltern gedeckt, so daß ihm Anspruch auf BAB gegen die Beklagte nach § 40 AFG in Verbindung mit den Vorschriften der AA zusteht. Die Revision der Beklagten muß deshalb zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen