Beteiligte
Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin |
Beklagte, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung von Vorruhestandsgeld (Vog) in Höhe des ihre Altersrente übersteigenden Differenzbetrages (sog Spitzbetrag) für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis 22. September 1993.
Die am 4. April 1932 geborene Klägerin bezog von der L. AG, bei der sie von 1947 bis 28. September 1990 beschäftigt gewesen war, vom 29. September bis 31. Dezember 1990 Vog in Höhe von monatlich 892, 00 DM. Die Beklagte bewilligte ihr (durch bindend gewordenen Bescheid vom 25. Januar 1991) ab 1. Januar 1991 Vog befristet bis zum 31. März 1992. Tatsächlich gezahlt wurde die Leistung, die sich aufgrund Dynamisierung zuletzt auf monatlich 1.224, 00 DM belief, bis zum 30. April 1992.
Auf Antrag vom 10. Dezember 1991 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin, die ab Mai 1992 einen Rentenvorschuß in Höhe von monatlich 756, 00 DM erhalten hatte (Bescheid vom 15. Januar 1992), durch Bescheid vom 11. März 1993 rückwirkend ab 1. Mai 1992 Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 1.090, 84 DM. Auf den Widerspruch der Klägerin wurde die Rente mit Bescheid vom 26. August 1993, zugegangen am 22. September 1993, auf monatlich 1.100, 70 DM neu festgestellt.
Im Oktober 1992 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung des Vog über den 30. April 1992 hinaus für die Dauer von insgesamt fünf Jahren. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 6. Oktober 1992, das eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthielt, unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Gewährung von Vog (VogVO-DDR) ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit der Begründung als unzulässig, bei dem Schreiben handele es sich nicht um einen in einem Widerspruchsverfahren nachprüfbaren Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Mitteilung ohne Regelungscharakter (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1992).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des (von ihm als solchen angesehenen) Bescheides vom 6. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1992 verurteilt, der Klägerin Vog bis zur Erteilung des Altersrentenbescheides (11. März 1993) zu gewähren, und im übrigen die Klage (sinngemäß) abgewiesen (Urteil vom 31. August 1993). Hiergegen haben beide Beteiligten Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1991 verurteilt, der Klägerin bis 31. März 1993 Vog in Höhe der Differenz zwischen dessen Zahlbetrag nach allgemeinen Regeln und der Bruttorente der Klägerin zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen sowie die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin, die ihr Begehren auf die Zahlung von Vog erst während des Berufungsverfahrens auf die Zeit bis zum 22. September 1993 beschränkt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 16. Februar 1994).
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, bei dem Schreiben der Beklagten vom 6. Oktober 1992 handele es sich um einen Verwaltungsakt i.S. des § 31 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Dieser sei rechtswidrig; denn die Klägerin habe gemäß § 44 Abs. 2 SGB X Anspruch auf Aufhebung der im Bescheid vom 25. Januar 1991 vorgenommenen Befristung des Vog-Anspruchs. Zwar bestehe kein Wahlrecht zwischen Vog und Rente. Vielmehr folge aus dem Zweck des Vog die Obliegenheit des Vog-Empfängers, bal DMöglichst Rente zu beziehen. Der Anspruch auf Vog ende jedoch gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR nicht durch Zeitablauf, sondern durch die auflösende Bedingung der Rentengewährung. Letztere erfolge durch Erteilung des Bewilligungsbescheides. Dieser müsse nicht bestandskräftig sein. Das ergebe sich weder aus Wortlaut noch Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR. Der Wortlaut der Vorschrift knüpfe den Wegfall des Vog zeitlich an die Rentengewährung, nicht an den Fortbestand des ursprünglich wirksam entstandenen Rentenanspruchs an. Ein die Altersrente rechtswidrig zu niedrig festsetzender Bescheid habe eine wirksame Feststellung des vollständigen Altersrentenanspruchs zum Inhalt und stelle die Nahtlosigkeit der Leistungen sicher. Der fehlerhaften Festsetzung der Rentenhöhe könne hinreichend mit den gegen Rentenbescheide gegebenen Rechtsbehelfen begegnet werden. Demgegenüber seien etwaige Vorschußzahlungen zwar Leistungen auf den Rentenanspruch; sie stellten jedoch keine vollständige Gewährung i.S. der Feststellung des Rentenanspruchs dar. Diese vom Wortlaut her gebotene Auslegung stehe im Einklang mit dem Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR. Ein nahtloser Übergang vom Vog-Bezug zur Altersrentenzahlung könne durch Vorschußleistungen nicht sichergestellt werden, weil deren Höhe im Ermessen des Rentenversicherungsträgers stehe und praktisch die Vog- und Rentenhöhe nicht annähernd erreiche. Allerdings könne die Klägerin lediglich die Differenz zwischen Vog und Altersrente beanspruchen, denn der Vog-Anspruch sei ab Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente nachrangig i.S. des § 104 SGB X und erlösche in dem Maße, in dem der vorrangig verpflichtete Rentenversicherungsträger den Anspruch vor der Beklagten erfülle. Erhalten bleibe lediglich der vor Erteilung des Rentenbescheides bereits fällig gewordene Anspruchsrest.
Beide Beteiligten haben Revision eingelegt. Sie rügen eine Verletzung des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR.
Die Beklagte trägt zur Begründung vor, der Klägerin stehe Vog lediglich bis zum Beginn des Zeitraums, für den ihr Altersrente zuerkannt worden sei, d.h. bis zum 30. April 1992, zu. Ausgangspunkt sei, daß die Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Hinblick auf die Änderung des § 152 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) als gebundene Entscheidung zu ergehen habe. Zwar entfalle der Anspruch auf Vog nach dem Urteil des Senats vom 1. Juni 1994 (7 RAr 118/93) nicht bereits mit dem Erreichen des Rentenalters, sondern erst mit der Gewährung (Zuerkennung), d.h. mit der Zahlung oder wenigstens der Bewilligung der Altersrente. Bei nachträglicher Rentenbewilligung falle der Vog-Anspruch aber, ebenso wie bei der vergleichbaren Regelung des § 118 AFG, rückwirkend weg, und zwar in vollem Umfang. Ein Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen Vog und Rente bestehe entgegen der Auffassung des LSG nicht, wenn die Entscheidung über die Gewährung des Vog-Anspruchs - wie hier - erst nach der Rentenzuerkennung erfolge. Maßgebend für die Entscheidung über die von der Klägerin insoweit erhobene Leistungsklage sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vor dem Revisionsgericht). Eine Bewilligung von Vog für einen Zeitraum, für den Altersrente bereits zuerkannt und im konkreten Fall ausgezahlt worden sei, wäre wegen Wegfalls des Anspruchs rechtswidrig. Auch der Zweck des Vog gebiete eine solche Entscheidung nicht. Zur Sicherstellung der Nahtlosigkeit der Sozialleistungen für die Zeit des Übergangs vom Vorruhestand in den endgültigen Ruhestand bedürfe es einer weiteren Vog-Zahlung nicht mehr, wenn bereits Altersrente zuerkannt und ausgezahlt worden sei.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
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1. die Urteile des LSG und des SG abzuändern und die Klage in vol |
lem Umfang abzuweisen, |
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2. die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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1. die Revision der Beklagten zurückzuweisen, |
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2. das Urteil des LSG abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1991 Vog bis einschließlich 22. September 1993 unter Anrechnung der von der BfA gewährten Bruttorente zu bewilligen. |
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Sie ist der Ansicht, ihr stehe über den 31. März 1993 (gemeint 30. April 1993) hinaus Vog jedenfalls bis zum 22. September 1993 unter Anrechnung der von der BfA gewährten Leistungen zu. Sie sei, wie der erkennende Senat im Urteil vom 1. Juni 1994 entschieden habe, nicht verpflichtet gewesen, frühestmöglich Rente in Anspruch zu nehmen. Sie habe vielmehr bis zur Rentengewährung zwischen der Rente und dem regelmäßig höheren Vog wählen können, nachdem durch das Rentenreformgesetz 1992 die Altersgrenze für Männer wie für Frauen auf das 65. Lebensjahr festgelegt worden und Frauen für einen früheren Renteneintritt ein Wahlrecht eingeräumt worden sei. Die Zahlung des Vorschusses stehe der Gewährung der Rente nicht gleich. Erst mit dem Zugang des Abhilfebescheides vom 26. August 1993, durch den der Rentenbescheid vom 11. März 1993 gegenstandslos geworden sei, sei die Rentenbewilligung bindend geworden und damit von diesem Zeitpunkt an eine Rentengewährung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR erfolgt. Denn bis zum Eintritt der Bindungswirkung habe sie über ihren Rentenantrag disponieren, d.h. diesen noch zurücknehmen können. Jedenfalls sei es der zunächst leistungspflichtigen Beklagten nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine wegen der rückwirkenden Rentenbewilligung entfallene Leistungspflicht zu berufen, nachdem sie die Klägerin ohne entsprechende Rechtsgrundlage zur Stellung eines Rentenantrags aufgefordert habe. Der Klägerin stehe die geltend gemachte Fortzahlung des Vog auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, es bis zur Klärung ihrer Leistungspflicht bei den Rentenvorschußleistungen zu belassen. Es sei unbeachtlich, daß die Beklagte ihrer Auffassung nach nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Maßgeblich sei die objektive Rechtslage. Die mit Wirkung vom 29. Juni 1994 geänderte VogVO-DDR könne vorliegend keine Anwendung finden. Ihr sei keine Rückwirkung zu entnehmen, die im übrigen auf verfassungsrechtliche Bedenken stoße. Darüber hinaus ergäben sich im Hinblick auf Art 3 des Grundgesetzes (GG) Bedenken, weil § 249e AFG, die Nachfolgevorschrift zur VogVO-DDR für Anspruchsberechtigte nach dem 3. Oktober 1990, i.d.F. des 1. SKWPG einen Ausgleichsbetrag zu Lasten der Beklagten vorsehe.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet, die der Klägerin unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist das als Bescheid zu wertende Schreiben der Beklagten vom 6. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1992 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), worin die Beklagte es abgelehnt hat, den bindend gewordenen Bescheid (vgl. § 77 SGG) vom 25. Januar 1991 in dem Sinne zu ändern, daß der Klägerin Vog über März 1992 hinaus gewährt wird. Wegen der Begrenzung der Berufung der Klägerin auf den Zeitraum vom 1. Mai 1992 bis zum 22. September 1993 und der Beschränkung der Revision auf den Differenzbetrag zwischen Vog und Bruttorente ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1991 den erstrebten Differenzbetrag für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis 22. September 1993 zu bewilligen.
Verfahrensmängel, die bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu beachten sind (vgl. hierzu etwa BSG SozR 3-4100 § 58 Nr. 6), sind nicht gegeben. Die Berufungen waren grundsätzlich statthaft (§ 143 SGG). Es bedurfte nicht ihrer Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 i.d.F. des Art 8 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 - BGBl. I 50, 53). Die Berufung der Klägerin bezog sich auf wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nF); denn ihr auf insgesamt fünf Jahre Vog-Bezug gerichtetes Begehren wurde erst in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG eingeschränkt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes betreffend die Berufung der Beklagten überstieg bei weitem 1.000, 00 DM (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nF); denn die Beklagte hat sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung gewandt, der Klägerin vom 1. Mai 1992 bis zur Erteilung des Altersrentenbescheides (11. März 1993) Vog (in voller Höhe) zu zahlen (rund 10, 5 Monate x 892, 00 DM + Dynamisierungsbeträge).
Richtige Klageart ist nicht die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG), sondern die verbundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. hierzu etwa BSGE 74, 225, 227 = BSG SozR 3-8825 § 2 Nr. 2). Denn die Klägerin erstrebt die Verpflichtung der Beklagten zur Abänderung eines Verwaltungsaktes (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), nämlich des Bescheides vom 25. Januar 1991, soweit darin die Bewilligung des Vog (bis zum 31. März 1992) begrenzt worden ist.
Als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren kommt allein § 44 SGB X in Betracht, der durch mehrfache Novellierung des § 152 AFG unterschiedliche Modifizierungen erfahren hat (vgl. Art 1 Nr. 45 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 - BGBl. I 2044, 2051; Art 1 Nr. 50 des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 - BGBl. I 2353, 2359). Ob das Neufeststellungsbegehren der Klägerin allein auf § 44 Abs. 1 SGB X (Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit) oder auch auf § 44 Abs. 2 SGB X (Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft) zu stützen ist, kann offenbleiben (vgl. hierzu BSGE 74, 225, 227 = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2). Denn Voraussetzung aller in Erwägung zu ziehender Möglichkeiten ist das Vorliegen eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts. Daran fehlt es hier. Der Bewilligungsbescheid vom 25. Januar 1991 ist, soweit durch ihn die Gewährung von Vog für die Zeit ab 1. Mai 1992 versagt wurde, nicht rechtswidrig.
Der Klägerin steht für die Zeit ab 1. Mai 1992 ein Anspruch auf Vog weder nach § 2 der VogVO-DDR vom 8. Februar 1990 (GVBl. I Nr. 7 S. 42) i.V.m. Anl II Kap VIII Sachgebiet E Abschn III Nr. 5 des Einigungsvertrages (EinigVtr) i.d.F. des Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. II 885) noch i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der VogVO-DDR vom 26. Juli 1994 (BGBl. I 1796) zu. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob sich diese Rechtsfolge bereits daraus ergibt, daß der Gesetzgeber ab 29. Juni 1994 mit dem bezeichneten Änderungsgesetz klarstellend zu § 2 Abs. 2 der VogVO-DDR (vgl. BT-Drucks 12/8039 S. 4) ein Erlöschen des Vog-Anspruchs schon mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente geregelt hat, während die VogVO-DDR zuvor ein Entfallen des Rentenanspruchs erst mit Gewährung der Rente (vgl. hierzu BSGE 74, 225ff. = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2) vorsah. Träfe entgegen der bezeichneten Entscheidung des Senats § 2 Abs. 2 VogVO-DDR n.F. für alle laufenden Fälle ab 29. Juni 1994 eine (rückwirkende) Regelung (anders die Beklagte in ihrer Dokumentation über die Vorruhestandsregelung-Ost, S. 45ff.), käme es auf eine Rentengewährung nicht mehr an. Ob die damit verbundene Schlechterstellung der Vog-Empfänger gegenüber der zitierten Entscheidung des Senats mit Wirkung für die Vergangenheit vom Gesetzgeber gewollt war und zulässig wäre, kann dahinstehen, weil der Klägerin auch nach § 2 Abs. 2 VogVO-DDR a.F. kein Anspruch auf Vog zusteht.
Spätestens durch die Bewilligung der Altersrente rückwirkend ab 1. Mai 1992 ist nämlich der Anspruch auf Vog nachträglich ab 1. Mai 1992 entfallen. Die Auswirkungen von Rentenvorschüssen auf den Vog-Anspruch sind damit ohne Bedeutung.
Einzuräumen ist, daß sich die bezeichnete Rechtsfolge nicht allein dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR a.F. ("Gewährung" der Altersrente) entnehmen läßt. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 74, 225, 229 = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2), ist unter Gewährung nach allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch zwar auch die "Bewilligung" oder die "Zuerkennung", nicht nur die tatsächliche Erbringung, zu verstehen. Hingegen beantwortet der Wortlaut der Vorschrift nicht, ab wann bei Bewilligung einer Altersrente der Vog-Anspruch entfällt, ob die Rentenbewilligung also insbesondere den Verlust eines zunächst bestehenden Vog-Anspruchs mit Rückwirkung für den gesamten Rentenbewilligungszeitraum zur Folge hat. Letzteres ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Vorschrift sowie aus rechtssystematischen Erwägungen.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR alter wie neuer Fassung soll eine Doppelleistung von Altersrente und Vog verhindern. Anders ausgedrückt: Der Bezug von Altersrente und der von Vog schließen sich nach den gesetzgeberischen Zielen aus, auch wenn § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR a.F. den Anspruch auf Vog nicht bereits mit der Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente entfallen ließ (vgl. BSGE 74, 225ff. = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2). Vog kann schon begrifflich nur die Zeit bis zum Ruhestand, dokumentiert durch die Gewährung einer Altersrente, überbrücken. Dies gilt unter Berücksichtigung der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz vom 26. Juli 1994 (BGBl. I 1796) um so mehr, als diese Änderung die Vorstellung des Gesetzgebers deutlich zum Ausdruck bringt: Der Anspruch sollte bereits mit dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente entfallen, also unabhängig von einer Antragstellung und einer Zubilligung der Rente. Weil dies im Wortlaut der Vorschrift indes keinen Niederschlag gefunden hat, hat der Senat in seinem früheren Urteil anders entschieden (BSGE 74, 225ff. = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2), ohne die Frage beantworten zu müssen, ob nicht für die Beklagte wenigstens die Möglichkeit bestand, zur Stellung eines Rentenantrags aufzufordern. Jedenfalls läßt sich ein Anspruch auf beide Leistungen nebeneinander keinesfalls begründen.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR a.F. muß dann allerdings auch zwischen Vog-Zahlung und Rentenzahlung nach Stellung des Rentenantrags eine Nahtlosigkeit gewährleisten. Bis die Zahlung von Altersrente zumindest durch Bewilligungsbescheid gesichert ist, besteht weiterhin ein Anspruch auf Vog. Die Vorschrift stellt in dieser Ausprägung einen Kompromiß zwischen zwei "Radikallösungen" dar. Der Anspruch auf Vog besteht auflösend bedingt bis zur positiven Klärung des Anspruchs auf Altersrente. Denknotwendig ist dieser Zeitpunkt der Tag der Zubilligung der Altersrente, also der Tag, an dem der Rentenbescheid wirksam wird (§§ 39 Abs. 1, 37 SGB X). Ergeht der Rentenbescheid, entfällt gleichzeitig rückwirkend der Anspruch auf Vog mit Beginn des Rentenbewilligungszeitraums (vgl. in anderem Zusammenhang: BSGE 71, 294, 296 = SozR 3-2500 § 48 Nr. 4; BSG SozR 1300 § 48 Nrn 22 und 26; SozR 2200 § 183 Nr. 43).
Dies würde im übrigen selbst dann gelten, wenn die Klägerin von der Beklagten (rechtmäßig) das Vog bis zur Rentenbewilligung fortgezahlt erhalten hätte. Der Beklagten würde dann nach § 103 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger zustehen, in dessen Höhe nach § 107 Abs. 1 SGB X der Anspruch auf Altersrente als erfüllt gelten würde. Ob in Höhe des Erstattungsanspruchs eine Aufhebung der Vog-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X möglich oder notwendig wäre, ist zweifelhaft; die Bewilligung der Altersrente stellt jedenfalls wegen des damit verbundenen Entfallens des gesamten Vog-Anspruchs für die Vergangenheit eine Änderung der Rechtsverhältnisse dar. Wegen der Regelung der §§ 103, 107 SGB X ist sie, soweit es die Vergangenheit betrifft, gleichwohl nicht wesentlich i.S. des § 48 SGB X (vgl. aber zur Notwendigkeit der Aufhebung im Hinblick auf § 157 Abs. 4 AFG: BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 46/90 -, unveröffentlicht). Unabhängig von der Fortzahlung des Vog bis zur Rentenbewilligung entfällt also der Vog-Anspruch der Klägerin mit der Bewilligung der Rente rückwirkend für den gesamten Rentenbewilligungszeitraum in vollem Umfang. Ob der gezahlte Spitzbetrag zurückzuzahlen ist, ist eine andere Frage.
Ein Vergleich mit sonstigen Vorschriften über das Zusammentreffen von Sozialleistungen erhärtet dieses Ergebnis. So begegnet etwa das Arbeitsförderungsrecht unerwünschter Doppelversorgung mit der Ruhensvorschrift des § 118 AFG. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) während der Zeit, für die dem Arbeitslosen u.a. ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr 4) zuerkannt (worden) ist. Gleiches galt nach der mit bestimmten Maßgaben (vgl. Anl II Kap VIII Sachgebiet E Abschn III Nr. 1 Buchst a dd EinigVtr) über den 2. Oktober 1990 hinaus weiterhin anzuwendenden Vorschrift des § 118 Satz 1 Nr. 5 AFG-DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I Nr. 36 S. 403) im Fall der Zuerkennung einer Altersrente. Das Ruhen des Alg-Anspruchs tritt in diesen Fällen unabhängig von der Höhe der Rente grundsätzlich in vollem Umfang ein, und zwar ab dem Zeitpunkt, von dem an die Rente zuerkannt ist. Das schließt das rückwirkende vollständige Ruhen eines Alg-Anspruchs für deckungsgleiche Zeiträume ein (BSGE 60, 180, 182ff. = SozR 1300 § 48 Nr. 26; BSGE 73, 10, 13ff. = SozR 3-4100 § 118 Nr. 4; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Bei rückwirkender Gewährung von Altersrente für einen Zeitraum, für den bereits Alg gezahlt wurde, kann die Aufhebung der Alg-Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X allein aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht über die Rentenhöhe (für deckungsgleiche Zeiträume) hinaus erfolgen; gleichzeitig ist so die Höhe des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X) beschränkt (BSGE 60, 180, 184f. = SozR 1300 § 48 Nr. 26; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22).
Ähnliche Regelungen existieren im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) haben Versicherte vom Beginn der Vollrente wegen Alters an keinen Anspruch auf Krankengeld (Krg). Auch hierbei ist unter "Beginn" des Rentenanspruchs wiederum der Zeitpunkt zu verstehen, ab dem (rückwirkend) Rente bewilligt wurde (vgl. nur BSGE 71, 294, 296 m.w.N. = SozR 3-2500 § 48 Nr. 4). Rückwirkend entfällt dann der Anspruch auf Krg in vollem Umfang. Grund dafür ist, daß neben der Vollrente und dem mit ihr typischerweise verbundenen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben grundsätzlich kein Anspruch auf Krg gegeben sein soll. Die Wegfallwirkung erfaßt einen Krg-Anspruch selbst dann, wenn das Krg über den Beginn der Rentenzahlung hinaus gezahlt worden ist, weil die Rente nachträglich bewilligt worden ist. Wiederum nur aus Gründen des Vertrauensschutzes darf die Krankenkasse einen eventuellen Unterschiedsbetrag zwischen (höherem) Krg und Rente nicht zurückfordern (§ 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V), weil der Versicherte nach dem gesetzgeberischen Willen das behalten soll, was er zunächst rechtmäßig bezogen hat und worauf er seine Lebenshaltung einrichten durfte (BSGE 71, 294, 296f. m.w.N. = SozR 3-2500 § 48 Nr. 4). Auch die Krankenkasse darf ihre Krg-Leistung allerdings erst einstellen, wenn feststeht, daß der Versicherte den Anspruch auf Altersrente hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag des Erlasses des Rentenbescheides (BSG SozR Nr. 39 zu § 183 RVO; SozR 2200 § 183 Nr. 43).
Trägt aber das Behaltendürfen des Spitzbetrags bei Zusammentreffen zweier sich ausschließender Leistungen und nachträglicher Zuerkennung einer dieser Leistungen nur Vertrauensschutzgesichtspunkten Rechnung, so liegt es auf der Hand, daß der Spitzbetrag im Falle der Nichtzahlung der zunächst weiterhin zu erbringenden Leistung, vorliegend des Vog, nicht nachträglich zuerkannt werden kann, wenn bereits durch Bescheid feststeht, daß ein Anspruch auf die andere Leistung, hier die Altersrente, für einen zurückliegenden Zeitpunkt besteht. Die entscheidende Zielsetzung, Doppelleistungen zu verhindern, wäre dann verfehlt. Im Verhältnis von Krg und Rente ist bereits mehrfach entschieden worden, daß ein Versicherter keinen Anspruch auf Krg hat, wenn ihm dieses vor der Rentenbewilligung (rechtsirrtümlich) verweigert worden ist, auch nicht auf Nachzahlung eines etwaigen Differenzbetrages zwischen Krg und Rente (vgl. BSG SozR Nrn 24 und 29 zu § 183 RVO; SozR 2200 § 183 Nr. 43; BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 - 12 RK 51/93 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ob gleiches gilt, wenn der Erlaß des Bescheides über die Zubilligung der anderen Leistung durch den Leistungsempfänger verzögert wird, kann an dieser Stelle offenbleiben. Unerheblich ist jedenfalls, ob der Rentenbescheid bestandskräftig und rechtmäßig ist. Er entfaltet als solcher Tatbestandswirkung und ist ohne weitere Prüfung - außer bei Nichtigkeit - zu beachten (BSGE 70, 51, 53f. = SozR 3-4100 § 118 Nr. 3; vgl. auch Eicher, DOK 1986, 497, 499). Nicht zuletzt erscheint das Vertrauen der Klägerin vorliegend schon in tatsächlicher Hinsicht nicht schützenswert. Denn abgesehen davon, daß die Beklagte die Weitergewährung von Vog über April 1992 hinaus abgelehnt hat, fehlte für ein Vertrauen der Klägerin auf Gewährung von Vog über das Erreichen des Rentenalters hinaus vor dem Senatsurteil vom 1. Juni 1994 (a.a.O.) eine sichere Rechtsbasis.
Eine Sonderregelung, die die Gewährung von Vog neben der Altersrente bis zum Beginn der laufenden Rentenzahlung vorsieht, ist nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 118 Abs. 2 Nr. 1 AFG bezieht sich ausschließlich auf Renten wegen Erwerbsunfähigkeit; sie trägt insbesondere der Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) i.V.m. § 105a AFG Rechnung (vgl. Gagel, AFG, Stand Mai 1993, § 118 RdNrn 33ff.) und ist einer erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung auf das Vog damit nicht zugänglich. Dies gilt auch für die Bestimmung des § 249e Abs. 4a AFG, eingefügt mit Wirkung ab 1. Januar 1995. Danach ist Rentenberechtigten, deren Rente niedriger als das Altersübergangsgeld (Alüg) ist, anstelle des Alüg ein pauschalierter Ausgleichsbetrag in Höhe des festgestellten Unterschiedsbetrages zu gewähren; der Ausgleichsbetrag wird während der Zeit, für die eine Rente zuerkannt ist, und für die ansonsten verbleibende Dauer des Anspruchs auf Alüg, längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 100 Abs. 2 AFG), in unveränderter Höhe im selben Verfahren gezahlt wie zuvor das Alüg (vgl. BT-Drucks 12/5502 § 41f. zu Nr. 63; Barkmin, DAngVers 1994, 273, 276). Insoweit kann von einer für einen Analogieschluß notwendigen planwidrigen Gesetzeslücke nicht gesprochen werden, weil das Problem der unterschiedlichen Regelungen für das Alüg einerseits und für das Vog andererseits bei der Erfüllung der Voraussetzungen eines Rentenanspruchs während des Gesetzgebungsverfahrens betreffend das Gesetz zur Änderung der VogVO-DDR vom 26. Juli 1994 (a.a.O.) gesehen und erörtert worden ist. Ein Antrag des Landes Brandenburg, den Vermittlungsausschuß zwecks Gleichstellung der Empfänger von Vog mit den Empfängern von Alüg einzuberufen (BR-Drucks 665/1/94), ist seitens des Bundesrates abgelehnt worden (BR-Drucks 665/94). Die Empfänger von Vog und von Alüg sind durch den Gesetzgeber mithin bewußt unterschiedlich behandelt worden.
Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird eine großzügige und eine strenge Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes unterschieden (vgl. : BVerfGE 55, 72, 88 f; 88, 87, 96 ff; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl. 1995, Art 3 RdNrn 15ff. m.w.N.). Die strengere Prüfung ist in der Regel vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen und nicht nur verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (BVerfGE 55, 72, 88 f; 88, 5, 12; BSGE 58, 134, 142 = SozR 2200 § 385 Nr. 14). Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten nur mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (BVerfGE 88, 87, 96). Nach diesem Maßstab ist die unterschiedliche Behandlung nur gerechtfertigt, wenn hierfür nach Art und Gewicht entsprechende Unterschiede aufzuzeigen sind (BVerfGE 63, 255, 262; 88, 5, 12); die unterschiedliche Behandlung und der sie rechtfertigende Grund müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 82, 126, 146ff.).
Die unterschiedlichen Regelungen zum Vog und zum Alüg halten gleichwohl einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Zwar ist das Alüg, worauf die Klägerin mit Recht hinweist, ab 3. Oktober 1990 an die Stelle des Vog getreten (Denkschrift zum EinigVtr [BT-Drucks 11/7760 S. 370 zu Abs. 2]; BT-Drucks 12/7565 S. 19 zu Nr. 36). Indes war der Gesetzgeber nicht gehalten, Vog und Alüg identisch auszugestalten. Ihm stand zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung sowohl hinsichtlich der Frage, ob und wie Vog weitergewährt werden sollte, als auch hinsichtlich des Ob und Wie einer Nachfolgeregelung wegen der besonderen historischen Situation abweichend von oben bezeichneten strengen Kriterien die gesamte Breite des gesetzgeberischen Gestaltungspielraums zu, der bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation besonders weit sein muß (BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 5; SozR 3-8570 § 11 Nr. 1). Er war daher nicht gehindert, einerseits die Regelung über das Vog, das von den Betrieben zu zahlen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VogVO-DDR) und wirtschaftlich hälftig von diesen und aus Mitteln des Staatshaushaltes der früheren DDR zu tragen war (§ 6 VogVO-DDR), einzuschränken und auslaufen zu lassen und andererseits für die Zeit ab 3. Oktober 1990 das Alüg als "modifiziertes Alg" mit u.a. verlängerter Bezugsdauer (vgl. BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 4) einzuführen. War aber der Gesetzgeber frei, unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen vorzusehen, blieb ihm ebenfalls unbenommen, hinsichtlich deren Ausgestaltung (zB Höhe, Dauer, Beendigung und Ausgleichsbeträge) unterschiedliche Regelungen zu treffen.
Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich nicht aus dem sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Er hat zur Voraussetzung, daß der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15, 14 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - [SGB I]) verletzt hat (BSGE 71, 17, 22 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 8; BSG SozR 3-4100 § 105 Nr. 1; SozR 3-4100 § 37 Nr. 1); ferner muß zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (BSGE 59, 60, 67 = SozR 5070 § 10 Nr. 31; BSG SozR 3-4100 § 55a Nr. 4 und § 249e Nr. 4; SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; vgl. auch etwa Funk, DAngVers 1981, 26 ff; Geschwinder, ZfS 1985, 70 ff; Hofe, SGb 1986, 11, 15 f; Brügger, AöR 1987 - Bd 112 -, 389 ff; Ebsen, DVBl 1987, 389 ff; ders, VSSR 1992, 149 ff; Erlenkämper, Sozialrecht, 2. Aufl. 1987, S. 143 ff; Bieback, SGb 1990, 517 ff; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht und sozialrechtlicher Herstellungsanspruch 1990; Ladage, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1990; Schmidt-De Caluwe, SozVers 1991, 314 ff; ders, DRV 1992, 106 ff; Schulin, Sozialrecht, 4. Aufl. 1991, S. 358 ff; Axler, AuB 1992, 193 ff; Wagner, Urteilsanmerkung in SGb 1993, 45 ff; Ossenbühl/Kreßel/Funk u.a. in Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes [Hrsg], Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 6. Sozialrechtslehrertagung vom 23. bis 25. März 1994 in Bayreuth, 1994, passim).
Dahinstehen kann, ob die Gewährung der Altersrente und damit der Wegfall des Vog-Anspruchs vorliegend ggf durch eine Aufforderung der Beklagten an die Klägerin zur Rentenantragstellung oder durch die Unterlassung eines entsprechenden Hinweises auf die der Klägerin vorteilhafteste Rechtssituation verursacht worden ist. Denn das Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs kommt nur in den Fällen zum Tragen, in denen der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Dagegen bleibt für seine Anwendung in solchen Fällen kein Raum, in denen ein Nachteilsausgleich auf gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs. 3 GG). Dieses läßt sich es nicht zu, daß die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat (vgl. hierzu etwa BSGE 44, 114, 121 = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG SozR 4100 § 102 Nr. 6; BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 - 7/11b RAr 16/87 -, unveröffentlicht; BSG SozR 4100 § 66 Nr. 2; BSGE 66, 258, 265 = SozR 3-4100 § 125 Nr. 1; BSG, Urteile vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91 -, 29. Juli 1992 - 11 RAr 15/92 - und 8. Juli 1993 - 7 RAr 80/92 -, sämtlich unveröffentlicht; BSG SozR 3-4100 § 55a Nr. 4 und § 249e Nr. 4; BSG, Urteil vom 26. Oktober 1994 - 11 RAr 5/94 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Demgemäß läßt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Das kann u.a. bei verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht (BSGE 59, 60, 64 = SozR 5070 § 10 Nr. 31; BSG SozR 1200 § 14 Nr. 25; BSGE 62, 179, 182 = SozR 4100 § 125 Nr. 3).
Dagegen können im Wege des Herstellungsanspruchs weder eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse durch eine günstigere Steuerklasse (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78 -, DBIR Nr. 2689a zu § 113 AFG) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges Arbeitsentgelt durch ein höheres ersetzt werden (BSG, Urteil vom 12. Mai 1982 - 7 RAr 7/91 -, DBIR Nr. 2781a zu § 137 AFG). Ebensowenig lassen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (BSG, Urteil vom 11. November 1982 - 7 RAr 16/92 -, DBIR Nr. 2782a zu § 78 AFG). Das gleiche gilt für eine fehlende Arbeitslosmeldung (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG, Urteile vom 11. Januar 1989 - 7/11b RAr 16/87 - und 8. Juli 1993 - 7 RAr 80/92 -, beide unveröffentlicht), fehlende Anwartschaftszeit (BSG SozR 4100 § 102 Nr. 6; BSG, Urteile vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 - und 5. Dezember 1989 - 11 RAr 61/88 -, beide unveröffentlicht; BSGE 66, 11, 13 = SozR 4100 § 112 Nr. 52), fehlende Verfügbarkeit (BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSG, Urteil vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91 -, unveröffentlicht), fehlende Eingliederungschancen (BSG SozR 4100 § 56 Nr. 18), fehlende rechtzeitige Anzeige des Arbeitsausfalls i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 4 AFG (BSG SozR 4100 § 66 Nr. 2) sowie ein (dem Anspruch auf Alüg entgegenstehendes) Ausscheiden aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Vollendung des 55. Lebensjahres (BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 4).
Die Zuerkennung der Altersrente, die hier zum rückwirkenden Wegfall des Vog-Anspruchs geführt hat, ist ein Umstand, der nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich ist. Sie entfaltet, wie aufgezeigt, Tatbestandswirkung und kann nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht werden. Würde die Beklagte der Klägerin für Zeiten, für die bereits Rente bestandskräftig zuerkannt worden ist, gleichwohl Vog - und sei es nur in Höhe des die Altersrente übersteigenden Differenzbetrages - gewähren, stünde dies in Widerspruch zur Zielsetzung des § 2 Abs. 2 Satz 2 VogVO-DDR, eine Doppelversorgung durch gleichzeitigen Bezug von Vog und Rente zu vermeiden.
Ob die Rechtslage dann anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte der Klägerin die Gewährung des Vog von Anfang an nicht irrtümlich, sondern vorsätzlich oder gar arglistig vorenthalten hätte, bevor die Altersrente bewilligt wurde, oder ob dies nicht eher einen Schadensersatzanspruch begründen würde, bedarf keiner Entscheidung. Dafür sind nämlich keine Anhaltspunkte erkennbar. Daß ein nach DDR-Recht vor dem 3. Oktober 1990 entstandener und danach gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Vog nicht schon mit Erreichen des Rentenalters, sondern erst mit der Zahlung oder Bewilligung der Rente, entfällt, war bis zum Urteil des Senats vom 1. Juni 1994 (a.a.O.) zweifelhaft. Selbst nach dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber die Rechtssituation einer kurzfristigen Novellierung unterzogen (Gesetz zur Änderung der VogVO-DDR vom 26. Juli 1994 [a.a.O.]). Bei dieser Sachlage kann von vorsätzlichem oder gar arglistigem Verhalten der Beklagten nicht die Rede sein.
Falls die Bediensteten der Beklagten die Klägerin falsch beraten haben sollten und die Pflichtverletzung ursächlich dafür geworden sein sollte, daß der Klägerin über den 30. April 1994 hinaus Vog nicht gewährt worden ist, könnte allenfalls ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommen (Art 34 GG i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch), für den jedoch ebenfalls keine Anhaltspunkte erkennbar sind. Darüber wäre im übrigen nicht im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden. Für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist vielmehr, da ein Fall des § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz nicht vorliegt, der Zivilrechtsweg eröffnet (Art 34 Satz 3 GG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.7 RAr 22/94
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen