Leitsatz (amtlich)
Die mit der Vereinheitlichung des Krankenversicherungsrechts in ganz Berlin zum 1.1.1995 verbundene Einführung der Beitragsbemessungsgrenze West in „Berlin-Ost” ist mit dem GG vereinbar.
Stand: 05. Juni 2000
Beteiligte
Bahn-Betriebskrankenkasse |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der Kläger wohnt in dem in Art 3 des Einigungsvertrags (EinigVtr) genannten Teil Berlins (Berlin-Ost) und ist dort bei der S- GmbH (Beigeladene) beschäftigt. Sein Monatsgehalt lag im Jahre 1995 über 6.000 DM. In der gesetzlichen Krankenversicherung war er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) versicherungsfrei. Er war bis 1995 bei der Reichsbahn-Betriebskrankenkasse (BKK), der Rechtsvorgängerin der beklagten Bahn-Betriebskrankenkasse, und ist seit 1996 bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied versichert. Den Beitrag zieht die Beigeladene vom Monatsgehalt des Klägers ab und leitet ihn an die Krankenkasse weiter. Die Beigeladene weist auf der Gehaltsabrechnung den gesamten Beitrag unter „gesetzliche Abzüge” und daneben als gesonderten Betrag ihren Beitragszuschuß als Arbeitgeberin aus.
Die Beigeladene berechnete bis Juni 1995 den Beitrag jeweils nach der im Beitrittsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenze (BBG-Ost). Mit der Gehaltsabrechnung für Juli 1995 legte sie für die Zeit von Januar bis Juni 1995 nachträglich und ab Juli 1995 laufend die in den alten Bundesländern geltende BBG (BBG-West) zugrunde. Der Monatsbeitrag erhöhte sich deshalb von 523,20 DM auf 637,66 DM. Der Kläger hatte daher nach Abzug des Arbeitgeberzuschusses monatlich 57,23 DM mehr zu tragen. Er wandte sich mit Schreiben vom 17. Juli 1995 an die BKK und legte Widerspruch gegen die Erhöhung der BBG ein. Sie verletze den Gleichheitssatz, weil er nur 84 vH des tariflichen Gehalts eines vergleichbaren in Berlin-West Beschäftigten erhalte. Die BKK teilte dem Kläger mit, daß sie dem Widerspruch nicht abhelfe und ihn satzungsgemäß der Widerspruchsstelle zur Entscheidung vorlege (Schreiben vom 27. Juli 1995). Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1995 wies diese den Widerspruch „gegen die Anwendung der BBG” zurück. Mit der Gehaltsabrechnung für Juli 1995 sei rückwirkend zum 1. Januar 1995 die BBG-West zugrunde gelegt worden. Die Überleitungsregelung aus Anlaß der Herstellung der Einheit Deutschlands (12. Kapitel des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung ≪SGB V≫) gelte seit dem 1. Januar 1995 im Land Berlin mit wenigen Ausnahmen nicht mehr. Die monatliche BBG betrage somit ab 1. Januar 1995 einheitlich im Land Berlin 5.850 DM. Seit Oktober 1996 ist das Tarifgehalt des Klägers dem der in Berlin-West Beschäftigten angeglichen.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, den „Bescheid” vom 27. Juli 1995 über die Beitragseinstufung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Beitrag für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. September 1996 unter Beachtung der BBG-Ost zu berechnen. Das SG hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 14. August 1997). Der Kläger hat Berufung eingelegt und vor dem Landessozialgericht (LSG) beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10. Februar 1999).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Es sei zu beanstanden, daß der Gesetzgeber innerhalb Berlins wegen der dort vermeintlich vorhandenen örtlichen Verbundenheit zwischen Ost und West ein einheitliches Krankenversicherungsrecht auch hinsichtlich der BBG herbeigeführt habe. Bis September 1996 habe eine Lohnanpassung zwischen Berlin-Ost und Berlin-West nicht stattgefunden. Er habe lediglich 84 vH eines im Westteil der Stadt arbeitenden Kollegen erhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. Februar 1999 sowie das Urteil des SG vom 14. August 1997 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1995 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, seine Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. September 1996 weiterhin unter Beachtung der BBG-Ost zu berechnen, hilfsweise festzustellen, daß seine Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. September 1996 unter Beachtung der BBG-Ost zu berechnen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.
1. Die Aufhebungsklage war schon deshalb abzuweisen, weil ein Verwaltungsakt von der BKK nicht erlassen worden ist. Ihr Schreiben vom 27. Juli 1995 ist entgegen der Ansicht des LSG kein Verwaltungsakt. In ihm wird lediglich bestätigt, daß ein Widerspruch eingegangen sei, dem nicht abgeholfen werden könne. Es hat damit keine eigenständige Regelung der Beiträge des Klägers zum Inhalt. Das Schreiben ist auch durch den Widerspruchsbescheid nicht zu einem Verwaltungsakt geworden. Die Widerspruchsstelle kann einer Willenserklärung, die zunächst kein Verwaltungsakt war, allerdings durch den Widerspruchsbescheid die Gestalt eines anfechtbaren Verwaltungsakts geben. Dies setzt jedoch voraus, daß mit dem Widerspruchsbescheid die Willenserklärung einer Behörde als Verwaltungsakt bestätigt wird, die zudem ihrem Inhalt nach hinreichend bestimmt sein muß, um als Regelung gelten zu können. Nur solche Fallgestaltungen betrifft die bisherige Rechtsprechung (BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 13 und BVerwGE 78, 3 mwN). Hier bezieht sich der Widerspruchsbescheid vom 3. November 1995 jedoch nicht auf das Schreiben vom 27. Juli 1995, das zudem hinsichtlich der Beitragsberechnung keine Aussage trifft, sondern auf eine Gehaltsabrechnung der Beigeladenen, die keine Erklärung einer Behörde war. Die Beigeladene hat mit der Beitragsabführung an die BKK eine Pflicht des Klägers erfüllt, der als freiwillig Versicherter seine Beiträge selbst zahlen muß (§ 252 Satz 1 iVm § 250 Abs 2 SGB V). Der Widerspruchsbescheid trifft auch über die Zurückweisung des Widerspruchs hinaus keine Regelung, die den Kläger zusätzlich beschwert. Die in der Begründung getroffene Aussage, die monatliche BBG betrage ab 1. Januar 1995 im Land Berlin 5.850 DM und die Anwendung der BBG-West sei nicht zu beanstanden, ist keine Entscheidung der BKK über die Beiträge des Klägers. Die Widerspruchsstelle hat den Widerspruch des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Sie hätte ihn allerdings als unzulässig ansehen müssen, weil kein Verwaltungsakt ergangen war. Aus diesem Grunde kann der Kläger auch eine Verurteilung der Beklagten nicht verlangen.
Auch die hilfsweise erhobene Feststellungsklage hat keinen Erfolg. Allerdings ist sie zulässig. Der Senat hat bei Streit über die richtige Berechnung der Beiträge die Feststellungsklage nach § 55 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für zulässig gehalten, wenn ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, die Anfechtungsklage aber nicht zur Sachentscheidung geführt hat (BSGE 58, 134, 136 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 56/57). Ein solcher Fall ist auch hier gegeben. Der Kläger hat mit seinem Widerspruch ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. An der baldigen Feststellung der maßgebenden BBG hat er ein berechtigtes Interesse, obwohl es nur um die Feststellung der Beitragsberechnung für die Vergangenheit geht. Der Kläger kann bei Erfolg der Feststellungsklage einen Erstattungsanspruch geltend machen. Er hat die Beiträge nach der BBG-West für die Zeit ab Januar 1995 entrichtet.
2. Die Feststellungsklage ist aber unbegründet. Die Beiträge des Klägers zur Krankenversicherung sind seit dem 1. Januar 1995 nicht mehr nach der BBG-Ost, sondern nach der BBG-West zu berechnen. Nur bis zum 31. Dezember 1994 galten für Berlin-Ost und Berlin-West unterschiedliche BBGen und nur bis Ende 1994 war für den Kläger die BBG-Ost maßgebend. Die Geltung unterschiedlicher BBGen in Berlin beruhte auf dem mit dem EinigVtr geschaffenen Übergangsrecht zur Einführung des SGB V in dem in Art 3 des EinigVtr genannten Gebiet (Beitrittsgebiet). Das SGB V ist im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 nach Maßgabe der Vorschriften des 12. Kapitels des SGB V – Überleitungsregelungen aus Anlaß der Herstellung der Einheit Deutschlands (§§ 308 bis 314) – in Kraft getreten. Diese Vorschriften sehen hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen eine Trennung der Rechtskreise des Beitrittsgebiets und der alten Bundesländer vor. Dementsprechend ist in § 313 Abs 1 Satz 3 SGB V geregelt, daß die Krankenkassen, die ihren Zuständigkeitsbereich auf das Beitrittsgebiet erstrecken, Ausgaben für Versicherte im Beitrittsgebiet nur aus Einnahmen der Versicherten dieses Gebietes finanzieren dürfen. Die Übergangsvorschrift zur Vergütung der Leistungserbringer enthielt § 311 Abs 1 SGB V (aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 2000 durch Art 1 Nr 84 iVm Art 22 Abs 5 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Danach war bei der Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Rahmen von Verträgen mit den Leistungserbringern zu berücksichtigen, daß für die Finanzierung der Ausgaben, die auf das Beitrittsgebiet entfallen, nur die Einnahmen aus der Durchführung der Versicherung im Beitrittsgebiet verwendet werden durften (§ 311 Abs 1 Buchst a SGB V). Die Leistungserbringer aus den alten Bundesländern durften bis zur Angleichung der Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern nur die Vergütung fordern, die für vergleichbare im Beitrittsgebiet erbrachte Leistungen galten. Sie brauchten andererseits Versicherte aus dem Beitrittsgebiet – von Ausnahmen abgesehen – nicht zu behandeln (§ 311 Abs 1 Buchst c SGB V).
Dem unterschiedlichen Lohnniveau in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet entsprechend gilt im Beitrittsgebiet auch eine besondere JAEG und damit auch eine besondere BBG. Die BBG in der Krankenversicherung, bis zu der das Arbeitsentgelt beitragspflichtig ist, richtet sich bei freiwillig Versicherten wie dem Kläger nach § 240 Abs 2 Satz 2, § 223 Abs 3 SGB V und § 13 Abs 2 der Satzung der Beklagten (bis zum 31. Dezember 1995: § 10 Abs 2 der Satzung der Reichsbahn-BKK). Sie entspricht also der JAEG des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V und beträgt 75 vH der BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Diese BBG bestimmt sich für die alten Bundesländer nach § 159 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Sie betrug 78.000 DM im Jahre 1991, 93.600 DM im Jahre 1995 und 96.000 DM im Jahre 1996. Die JAEG und BBG in der Krankenversicherung betrug danach 1991 jährlich 58.500 DM = monatlich 4.875 DM und erhöhte sich bis 1995 auf jährlich 70.200 DM = monatlich 5.850 DM und 1996 auf jährlich 72.000 DM = monatlich 6.000 DM. Für das Beitrittsgebiet bestimmt § 309 Abs 1 SGB V, daß die JAEG nach § 6 Abs 1 Nr 1 aus der im Beitrittsgebiet maßgebenden BBG (der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten) zu errechnen ist. Diese BBG ist in § 275a SGB VI geregelt. Sie betrug am 1. Januar 1991 jährlich 36.000 DM, 1995 jährlich 76.800 DM und 1996 jährlich 81.600 DM. Die daraus abgeleitete JAEG und BBG in der Krankenversicherung betrug 1991 jährlich 27.000 DM = monatlich 2.250 DM und erhöhte sich bis 1995 auf jährlich 57.600 DM = monatlich 4.800 DM und 1996 auf jährlich 61.200 DM = monatlich 5.100 DM. Bei Anwendung des § 223 Abs 3 SGB V gilt nach § 313 Abs 2 Satz 1 SGB V die im Beitrittsgebiet festgesetzte BBG. Damit galten vom 1. Januar 1991 an in Berlin für die Krankenversicherung zwei verschiedene JAEGen und BBGen.
Nach § 308 Abs 3 Satz 3 SGB V (angefügt durch Art 1 Nr 165 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫, geändert durch Art 1 Nr 13 des 3. SGB V-Änderungsgesetzes vom 10. Mai 1995 ≪BGBl I 678≫) gelten jedoch seit dem 1. Januar 1995 die Vorschriften des 12. Kapitels des SGB V im Land Berlin nicht mehr. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Ausnahmen vom Ausschluß der Geltung des 12. Kapitels des SGB V nennen § 309 Abs 1 SGB V nicht. Damit gilt seit dem 1. Januar 1995 für ganz Berlin nur noch die nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V iVm § 159 SGB VI bestimmte JAEG und BBG-West.
3. Die Geltung der BBG-West verletzt den Kläger nicht in einem Grundrecht. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dieser ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 29 und BVerfGE 55, 72, 88). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muß dabei allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11).
Die Revision macht geltend, der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, weil der Kläger im Verhältnis zu den Versicherten aus dem übrigen Beitrittsgebiet, etwa aus dem benachbarten Brandenburg, höhere Beiträge entrichten müsse. Diese Ungleichbehandlung der Versicherten, die in Berlin-Ost beschäftigt sind, im Verhältnis zu den Versicherten, die in einem anderen Teil des Beitrittsgebiets beschäftigt sind, ist jedoch hinreichend sachlich gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hat in der gesetzlichen Krankenversicherung als Anknüpfungspunkt für die Gleichbehandlung aller in Berlin Beschäftigten für die Zeit ab 1. Januar 1995 das Land Berlin gewählt und für dieses Land ein einheitliches Krankenversicherungsrecht geschaffen. Er hat nicht nur die JAEG und BBG auf die höheren Grenzen der alten Bundesländer angehoben, sondern insofern gleichzeitig auch das Leistungsrecht und das Leistungserbringungsrecht vereinheitlicht. Die für Berlin-Ost im 12. Kapitel des SGB V aufrechterhaltenen Sonderregelungen sind fast ausschließlich übergangsrechtliche Regelungen, die die Gleichstellung abgeschlossener Sachverhalte im Beitrittsgebiet für die Anwendung des SGB V vorsehen. Nur mit der Weitergeltung des § 313 Abs 6 SGB V (§ 308 Abs 3 Satz 3 SGB V idF des Art 1 Nr 13 des 3. SGB V-Änderungsgesetzes; § 313 Abs 6 SGB V aufgehoben durch Art 3 Nr 7 des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 ≪BGBl I 388≫) gab es bis 1999 noch bei der Beitragstragung für die geringfügig Beschäftigten eine Gleichstellung von Berlin-Ost und dem übrigen Beitrittsgebiet.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die gesetzliche Krankenversicherung für Berlin zu vereinheitlichen, also das Land Berlin als Anknüpfungspunkt für die Gleichbehandlung zu wählen, ist nicht sachwidrig. Die Überleitungsregelungen des 12. Kapitels des SGB V, soweit sie die Leistungen und deren Vergütung sowie die Finanzierung der Krankenversicherung betreffen, sollen bis zur Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet an die in den alten Bundesländern gelten (vgl zu diesem Kriterium ausdrücklich § 311 Abs 1 Buchst c SGB V und § 313 Abs 1 SGB V). Schon bei Einführung dieser Vorschriften war deshalb beabsichtigt, sie aufzuheben und damit für ganz Deutschland ein einheitliches Krankenversicherungsrecht zu schaffen, sobald nach Einschätzung des Gesetzgebers eine hinreichende Angleichung erfolgt ist. Die Rechtsvereinheitlichung kann dabei nicht nur als Reaktion auf die Angleichung der tatsächlichen Verhältnisse zulässig sein, sondern auch selbst deren Angleichung fördern. Der Gesetzgeber war auch berechtigt, für Berlin-Ost abweichend vom restlichen Beitrittsgebiet die Überleitungsregelungen früher aufzuheben. Diese Sonderregelung für Berlin ist wegen der besonderen Schwierigkeiten gerechtfertigt, die sich aus der Geltung der Überleitungsvorschriften in Berlin-Ost ergaben. Die Trennung der Rechtskreise in Beitrittsgebiet und alte Bundesländer mit getrennter Finanzierung und unterschiedlichen Vergütungsregelungen wirft besondere Probleme auf, wenn deshalb innerhalb desselben Bundeslandes (Berlin) unterschiedliche Regelungen gelten. In der Krankenversicherung sind das Leistungsrecht vereinzelt, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern (Viertes Kapitel SGB V) weitgehend davon geprägt, daß die Landesverbände der Krankenkassen Regelungen treffen oder Vereinbarungen abschließen, die dann auch auf Landesebene gelten (vgl zB § 21 Abs 2 Satz 1, § 36 Abs 2, § 39 Abs 3, §§ 72a, 83 bis 85, 90, 108 Nr 3, §§ 109, 111 Abs 2, § 124 Abs 5, § 125 Abs 2, § 127 SGB V). Für Berlin als einzigem Bundesland bedeutete die Trennung in die beiden Rechtskreise, daß auf Landesverbandsebene jeweils zwei Regelungen und Vergütungsvereinbarungen zu treffen waren. Die in Berlin-Ost Versicherten der Krankenkassen konnten darüber hinaus die Leistungserbringer in Berlin-West nur unter Einschränkungen in Anspruch nehmen. Wenn der Gesetzgeber diesen Zustand dadurch beseitigte, daß er ein einheitliches Krankenversicherungsrecht für ganz Berlin schuf, beruht das auf sachlichen Gründen. Für Berlin-Ost wurde dadurch allerdings eine neue Grenzziehung eingeführt, weil nunmehr für ganz Berlin im Verhältnis zum übrigen Beitrittsgebiet, also auch zum umliegenden Brandenburg, das SGB V ohne die Sonderregelungen des 12. Kapitels des SGB V gilt. Dies ist jedoch auch für die Versicherten zulässig, die wie der Kläger in der Nähe zur Grenze nach Brandenburg leben und Leistungen nur in Berlin-Ost oder Brandenburg in Anspruch nehmen. Die Grenzziehung ist zwangsläufige Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, einem einheitlichen Krankenversicherungsrecht für ganz Berlin einstweilen den Vorzug vor einer Vereinheitlichung für das gesamte Beitrittsgebiet (einschließlich Berlin-Ost) zu geben.
Die Erhöhung der JAEG und BBG für Berlin-Ost und die damit verbundene Erhöhung der Beiträge der freiwillig Versicherten, die der Kläger beanstandet, ist notwendige Folge der Vereinheitlichung des Krankenversicherungsrechts. Sie ist auch beitragsrechtlich angemessen. Nunmehr tragen die in Berlin-Ost und die in Berlin-West beschäftigten Versicherten mit einem gleich hohen Prozentsatz der beitragspflichtigen Einnahmen zur Finanzierung der Krankenversicherung bei. Die Auswirkungen der Erhöhung für die in Berlin-Ost Versicherten waren dabei nicht mehr besonders hoch, weil sich die Werte der JAEG in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet von 1991 bis 1995 schon erheblich angeglichen hatten. Die monatliche BBG-Ost lag 1991 bei weniger als 50 vH und 1995 bei mehr als 80 vH der jeweils geltenden BBG-West (BBG-West am 1. Januar 1991 monatlich 4.875 DM und am 1. Januar 1995 5.850 DM; BBG-Ost am 1. Januar 1991 2.250 DM und am 1. Januar 1995 4.800 DM). Die Mehrbelastung des Klägers betrug im Jahr 1995 nach Abzug des Arbeitgeberzuschusses monatlich 57,23 DM.
Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der Kläger habe bis September 1996 lediglich 84 vH des Tarifgehalts erhalten, das ein vergleichbarer in Berlin-West lebender Beschäftigter erhalten habe. Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben zur Finanzierung entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bis zur jeweiligen BBG beizutragen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird nach dem Bruttoarbeitsentgelt bestimmt. Die Art der Beschäftigung, für die das Arbeitsentgelt gezahlt wird, ist rechtlich unerheblich. Das gilt etwa ebenso für den Umstand, daß für gleichartige Tätigkeiten aufgrund von Tarifverträgen unterschiedlich hohe Arbeitsentgelte gezahlt werden. Der Kläger wird dementsprechend seit Januar 1995 lediglich ebenso belastet, wie ein in Berlin-West Beschäftigter bei gleich hohem Arbeitsentgelt. Darauf hat schon das LSG zutreffend hingewiesen.
Die Revision macht ohne Erfolg weiter geltend, die Erhöhung der BBG in der Krankenversicherung ändere das gesetzlich festgelegte Verhältnis dieser BBG zur BBG in der Rentenversicherung von dem bisherigen Verhältnis von 75 zu 100 grundlegend; dies sei ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundsätze des Sozialversicherungsrechts. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen oder gewohnheitsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, daß für den einzelnen Versicherten das Verhältnis von BBG der Rentenversicherung zur BBG der Krankenversicherung jeweils unverändert 100 zu 75 betragen muß. Bis 1970 war die JAEG in § 165 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch einen festen DM-Betrag bestimmt, der im Abstand von einigen Jahren angehoben wurde und zeitweise unter, zeitweise aber auch über 75 vH der BBG in der Rentenversicherung lag (vgl zur Höhe der JAEG § 165 Abs 1 Nr 2 idF des § 1 Nr 1 des 2. Einkommensgrenzengesetzes vom 27. Juli 1957 ≪BGBl I 1070≫, geändert durch Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der RVO vom 24. August 1965 ≪BGBl I 912≫ und Art 2 Nr 2 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juli 1969, ≪BGBl I 946≫). Sie begrenzte über § 180 RVO den Grundlohn und zugleich die beitragspflichtigen Einnahmen. Erst 1971 wurde die JAEG und damit auch die BBG in der Krankenversicherung auf 75 vH der BBG in der Rentenversicherung festgelegt (§ 165 Abs 1 Nr 2 RVO idF des Art 1 Nr 1 des Zweiten Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1970 ≪BGBl I 1770≫). Der grundsätzlichen Eigenständigkeit der BBG in der Krankenversicherung entspricht es, daß der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2657) mit Wirkung zum 1. Januar 2001 auch für das übrige Beitrittsgebiet die Rechtsvereinheitlichung in der Krankenversicherung herbeigeführt hat und von diesem Zeitpunkt an für die Versicherten im gesamten Bundesgebiet in der Krankenversicherung die BBG-West gelten wird, ohne daß bisher in der Rentenversicherung die BBG-West auf das Beitrittsgebiet übertragen worden ist.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
DStR 2000, 2102 |
NZA 2000, 876 |
NJ 2000, 559 |
NZS 2001, 87 |
SozSi 2002, 35 |
SozSi 2003, 72 |