Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosigkeit. Beschäftigungssuche. Verletzung der Pflicht zum Nachweis von Eigenbemühungen. keine Entziehung wegen fehlender Mitwirkung. Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung. keine Umdeutung
Leitsatz (amtlich)
Kommt der Arbeitslose der Aufforderung der Arbeitsverwaltung, Eigenbemühungen zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit nachzuweisen, nicht nach, kann die Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB 1 versagt oder entzogen werden.
Normenkette
SGB III § 118 Abs. 1 Nr. 2, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1997-12-16, Abs. 5 S. 1 Fassung: 1997-12-16, S. 2 Fassung: 1997-12-16; SGB X § 43 Abs. 1, 2 S. 1, § 48; SGB I § 60 Abs. 1, § 66 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 17. Dezember 2000.
Die Beklagte bewilligte dem 1963 geborenen Kläger nach vorherigem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung ab 25. September 2000 Alhi. Bei einer persönlichen Vorsprache am 8. November 2000 wurde dem Kläger im Arbeitsamt (AA) P… ein Schreiben mit einer Aufforderung zu Eigenbemühungen nach § 119 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) übergeben, in dem ua ausgeführt wurde:
“Sie haben erklärt, alle Möglichkeiten zur Beendigung Ihrer Beschäftigungslosigkeit zu nutzen und nutzen zu wollen. Wie Sie wissen, sind solche Bemühungen, die über die bloße Inanspruchnahme der Beratungs- und Vermittlungsdienste der Arbeitsämter hinausgehen müssen, zwingende Voraussetzung für den Leistungsanspruch. Die nachfolgenden Eigenbemühungen sind daher von Ihnen zu unternehmen:
Eigenbemühungen bei mindestens 5 Arbeitgebern
Um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistung weiterhin vorliegen, fordere ich Sie gemäß § 119 Abs 5 SGB III auf, mir am 05.12.00 um 8.00 Uhr im Arbeitsamt Passau, Zimmer 339 entsprechende Nachweise vorzulegen bzw überprüfbare Angaben zu machen.”
Die dem Schreiben beigefügte “Rechtsfolgenbelehrung” wies ua darauf hin, dass für den Fall nicht ausreichender Eigenbemühungen die Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab Zugang des Aufforderungsschreibens bis zu dem genannten Nachweistermin zurückzunehmen oder aufzuheben sei (§§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫ iVm § 330 SGB III). Ferner sei beabsichtigt, die Leistung wegen fehlender Mitwirkung bis zu deren Nachholung gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ganz zu entziehen bzw zu versagen, sofern dem AA die geforderten Nachweise über die Eigenbemühungen nicht bis zu dem angegebenen Termin vorgelegt würden. Nach der anschließenden “Rechtsbehelfsbelehrung” war der Widerspruch gegen “diesen Bescheid” innerhalb eines Monats zulässig; die Pflicht zu Eigenbemühungen bzw Vorlage von Nachweisen bestehe jedoch auch für den Fall der Erhebung eines Widerspruchs, dieser habe “keine aufschiebende Wirkung”.
Nach einem Vermerk der Beklagten sprach die Ehefrau des Klägers am 5. Dezember 2000 beim AA vor und übergab eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Allgemeinarztes Dr. G… für die Zeit ab 5. bis voraussichtlich 8. Dezember 2000. Nachweise über Eigenbemühungen legte der Kläger nicht vor.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 entzog die Beklagte dem Kläger gemäß § 66 SGB I “Alg” zunächst mit Wirkung ab 6. Dezember 2000, ua mit der Begründung, es könne infolge fehlender Mitwirkung nicht beurteilt werden, ob der Kläger weiterhin arbeitslos iS der §§ 118, 119 SGB III sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte ua geltend, er habe sich telefonisch bei verschiedenen Arbeitgebern um Arbeit bemüht, jedoch nur Absagen erhalten. Die Beklagte änderte sodann im Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2001 den Bescheid vom 14. Dezember 2000 dahin, dass die Alhi – nicht Alg – erst mit Wirkung ab 17. Dezember 2000 entzogen wurde, wies jedoch im Übrigen den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe mit der Nichterbringung von Nachweisen zu Eigenbemühungen seine sich allgemein aus § 60 Abs 1 SGB I und konkret aus § 119 Abs 5 SGB III ergebenden Mitwirkungspflichten verletzt. Damit sei nicht mehr feststellbar, ob überhaupt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi vorlägen. Es sei daher sachgerecht, die Leistung gemäß § 66 Abs 1 SGB I zu entziehen. Dabei sei auch bedacht worden, dass die Alhi existenzsichernde Funktion habe. Gleichwohl könne die Leistung nicht weitergezahlt werden, wenn die gesetzlich geforderten Anspruchsvoraussetzungen nicht nur fraglich seien, sondern deren Nachweis gänzlich fehle und die Verantwortung hierfür der Kläger selbst trage. Lediglich der Zeitpunkt der Entziehung sei auf den 17. Dezember abzuändern, weil nach § 66 Abs 1 SGB I eine Leistung nur mit Wirkung für die Zukunft entzogen werden könne.
Mit weiteren Bescheiden vom 21. März und 28. März 2001 hob die Beklagte außerdem die Bewilligung von Alhi rückwirkend für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 auf und forderte Erstattung von Leistungen bzw Beiträgen; diese Bescheide sind Gegenstand des vom Senat mit Urteil vom 31. Januar 2006 entschiedenen Parallelverfahrens mit dem Aktenzeichen B 11a AL 13/05 R.
Die gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2001 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 12. Juni 2003). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 15. Oktober 2004, L 8 AL 274/03). Das LSG hat ua ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Beklagten handle es sich bei der Verpflichtung nach § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III nicht um eine Mitwirkungspflicht iS der §§ 60 bis 62, 65 SGB I; vielmehr stelle § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III die Konkretisierung der Beschäftigungssuche iS des § 119 Abs 1 SGB III dar und sei damit ein Teilelement des Begriffs der Arbeitslosigkeit. Könne von Beschäftigungssuche und damit von Arbeitslosigkeit nicht ausgegangen werden, bestehe kein Anspruch auf Alg bzw Alhi; dann komme eine Entziehung nach § 66 Abs 1 SGB I nicht in Betracht, da diese Vorschrift voraussetze, dass ein Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert werde. Im vorliegenden Fall stehe aber – den Wegfall der Arbeitslosigkeit wegen fehlenden Nachweises von Eigenbemühungen unterstellt – bereits fest, dass die Voraussetzung für den Anspruch nicht (mehr) vorliege. Der Entziehungsbescheid könne auch nicht in einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X umgedeutet werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I iVm § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III. Durch Nichtvorlage der geforderten Nachweise habe der Kläger seine Mitwirkungspflichten verletzt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Beklagte bei fehlenden Eigenbemühungen zur Prüfung berechtigt, ob die Voraussetzungen der Beschäftigungssuche und damit der Arbeitslosigkeit weiterhin vorlägen; die Prüfung erfolge dadurch, dass die Beklagte sich Nachweise über Eigenbemühungen vorlegen lasse. Nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht komme mangels einer eigenständigen Regelung durch eine spezielle Vorschrift auch die Entziehung gemäß § 66 SGB I in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Oktober 2004 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12. Juni 2003 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Voraussetzungen für eine Entziehung der Alhi gemäß § 66 SGB I verneint und hat zutreffend eine Umdeutung des angefochtenen Entziehungsbescheides in einen auf § 48 SGB X beruhenden Aufhebungsbescheid abgelehnt.
1. Nach § 66 Abs 1 SGB I kann der Leistungsträger eine Leistung ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen oder entziehen, wenn der Antragsteller oder Leistungsbezieher seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne der genannten Vorschriften des SGB I liegt jedoch nicht vor, wenn – wovon das LSG im Anschluss an die Ermittlungsergebnisse des Verwaltungsverfahrens ausgegangen ist – der Arbeitslose der Aufforderung des AA nicht nachkommt, Eigenbemühungen nach § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III zu unternehmen und sie gemäß § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III nachzuweisen.
Nach dem Inhalt des dem Kläger am 8. November 2000 übergebenen Aufforderungsschreibens ist allenfalls eine Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I (Angabe aller für die Leistung erheblicher Tatsachen) und nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB I (Bezeichnung von Beweismitteln, Vorlage von Beweisurkunden) denkbar. Hierbei handelt es sich um typische Verfahrenspflichten (vgl BVerwGE 98, 203, 209 f mwN), bei deren Verletzung eine Versagung bzw Entziehung der Leistung nach § 66 SGB I lediglich mit Wirkung für die Zukunft in Betracht kommt (vgl Mrozynski, Kommentar zum SGB I, 3. Auflage, § 66 RdNr 14; Seewald in Kasseler Kommentar, vor § 60 SGB I RdNr 17, 22). Von den Pflichten des Leistungsberechtigten im Verwaltungsverfahren ist jedoch die in § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III geregelte materiell-rechtliche Pflicht zur Beschäftigungssuche zu unterscheiden. Gemäß § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung (vgl Art 124 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2848) sucht nur der eine Beschäftigung und ist deshalb auch nur der arbeitslos iS des § 118 Abs 1 SGB III, der “alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden.” Auf diese Pflicht zur Beschäftigungssuche bezieht sich maßgeblich die an den Kläger ergangene Aufforderung, er habe bestimmte Eigenbemühungen (“bei mindestens fünf Arbeitgebern”) zu unternehmen und hierüber entsprechende Nachweise vorzulegen bzw überprüfbare Angaben zu machen.
Nach der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2005 (B 7a AL 18/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) handelt es sich bei den im Gesetz geforderten Eigenbemühungen (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III) um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit, die ua durch entsprechende Hinweise des AA (§ 119 Abs 5 Satz 1 SGB III) zu konkretisieren ist. Die in § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III geregelte Verpflichtung des Arbeitslosen, “auf Verlangen des Arbeitsamtes … seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist,” ist zwar selbst keine Anspruchsvoraussetzung. Sie steht aber – so der 7. Senat des BSG aaO RdNr 27 – in einem “unlösbaren Zusammenhang mit Abs 5 Satz 1” und stellt bei rechtzeitiger Konkretisierung eine Beweislastregelung dar. Dieser Rechtsprechung des 7. Senats schießt sich der erkennende Senat an (vgl auch Urteil vom 31. Januar 2006 – B 11a AL 13/05 R – im Parallelverfahren).
Die Obliegenheit des Klägers zu Eigenbemühungen (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III) stellt demnach eine spezielle Verhaltenspflicht dar, die sich grundlegend von den Verfahrenspflichten gemäß §§ 60 ff SGB I unterscheidet. Zu den in §§ 60 ff SGB I geregelten Pflichten gehört es nicht, sich in bestimmter Weise zu verhalten und erst durch dieses Verhalten Tatsachen zu schaffen, deren Angabe der Leistungsträger nach § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I verlangen darf oder worüber nach § 60 Abs 1 Nr 3 SGB I Beweismittel zu bezeichnen oder auf Verlangen vorzulegen sind. Die Pflicht zu Eigenbemühungen stellt deshalb im Verhältnis zu den verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten ein rechtliches aliud dar (vgl BSG SozR 4100 § 132 Nr 1 S 3 f sowie BSG SozR 3-4100 § 120 Nr 1 S 8 zur Abgrenzung der Meldeaufforderung nach § 132 Arbeitsförderungsgesetz von den §§ 60 ff SGB I; vgl auch BSG SozR 1300 § 48 Nr 1 S 2 zur subjektiven Bereitschaft der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme). Wenn der Arbeitslose der Obliegenheit zu Eigenbemühungen nicht nachkommt, ist somit dem Leistungsträger eine Versagung oder Entziehung gemäß § 66 Abs 1 SGB I verwehrt; die Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr aus § 48 Abs 1 SGB X bzw § 45 Abs 1 SGB X iVm § 330 Abs 2 und 3 SGB III (Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung).
Nichts anderes kann jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falles der Formulierung in der Aufforderung des AA vom 8. November 2000, vom Kläger seien “entsprechende Nachweise vorzulegen bzw überprüfbare Angaben zu machen”, entnommen werden. Dies legt bereits der “unlösbare” Zusammenhang der dem Kläger aufgegebenen Pflicht zur Vorlage von Nachweisen bzw Angaben mit der vorrangig geforderten Obliegenheit der Vornahme von Eigenbemühungen (7. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2005 aaO RdNr 27) nahe. Zwar ermöglicht § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III unter bestimmten Umständen eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen (vgl 7. Senat aaO RdNr 31 f) und dient ebenso wie die §§ 60 ff SGB I einer angemessenen Sachaufklärung durch die Beklagte (vgl zu § 66 SGB I: BSG SozR 4-1200 § 66 Nr 1 RdNr 13); die Vorschrift geht jedoch für ihren Anwendungsbereich als besondere Regelung den Vorschriften der §§ 60 ff SGB I vor. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitsloser, der seine Eigenbemühungen nicht nachweist, nicht anders behandelt wird als derjenige, der sich tatsächlich nicht um einen Arbeitsplatz bemüht.
Diese Auslegung der Regelungen in § 119 Abs 1 Nr 1 und Abs 5 SGB III und ihr Verständnis im Vergleich zu den §§ 60 ff SGB I steht in Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 25 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (vgl nunmehr §§ 14, 15 und 31 Sozialgesetzbuch Zweites Buch ≪SGB II≫). § 25 Abs 1 BSHG sah einen Ausschluss des Leistungsanspruchs bzw eine Einschränkung der Leistung vor für den Fall der Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass die Möglichkeit zur Kürzung der Sozialhilfe sich bei der Verweigerung der Vorlage von Nachweisen um Arbeitsbemühungen nach § 25 Abs 1 BSHG und nicht nach § 66 Abs 1 SGB I richtete (BVerwGE 98, 203, 210; vgl auch OVG Lüneburg info also 1990, 96, 97; VG Sigmaringen 8. August 2003 – 4 K 1432/03 – veröffentlicht in juris). Auch wenn die Regelung in § 25 BSHG – anders als § 119 SGB III – die Rechtsfolge unmittelbar anordnete und in ihren Rechtswirkungen entsprechend Sinn und Zweck der Sozialhilfe weniger weitgehend war als § 66 SGB I (vgl hierzu Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Auflage, § 25 RdNr 35), ist aufschlussreich, dass auch insoweit eine Sonderregelung im Verhältnis zu den Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff SGB I angenommen wurde (vgl auch Berlit, ZFSH/SGB 2005, 707, 708 zu § 31 SGB II als Nachfolgevorschrift zu § 25 BSHG).
Für getrennte Anwendungsbereiche und gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 66 SGB I gestützten Entziehungsentscheidung spricht im Übrigen die bereits in der Entscheidung des 7. Senats vom 20. Oktober 2005 (aaO RdNr 39) angesprochene Überlegung, dass sich die geforderte (konkrete) Nachweispflicht nach § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III gerade nur auf die dem Leistungsberechtigten gesetzte Frist – hier bis 5. Dezember 2000 –, nicht jedoch auf die danach liegende Zeit bezieht, für die aber die Beklagte die Leistung nach § 66 Abs 1 SGB I entziehen will. Eine solche Entziehung mit Wirkung für die Zukunft lässt sich erst recht nicht rechtfertigen, wenn – wie im Fall des Klägers geschehen (siehe Parallelverfahren B 11a AL 13/05 R) – zeitlich nach der Entziehung auch die Leistung auf der Grundlage des § 48 Abs 1 SGB X rückwirkend ab Zugang des Aufforderungsschreibens (8. November 2000) bis zum Ablauf der gesetzten Frist (5. Dezember 2000) aufgehoben wird, die Bewilligung für die Folgezeit bis zum Zugang des Entziehungsbescheides (hier 6. Dezember bis 16. Dezember 2000) jedoch aufrecht erhalten bleibt.
2. Eine Umdeutung des streitgegenständlichen, auf § 66 Abs 1 SGB I gestützten Entziehungsbescheides in einen Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides nicht möglich (vgl allerdings BSG SozR 3-2600 § 20 Nr 1 zum Sonderfall einer vom Leistungsträger irrtümlich auf § 66 Abs 2 SGB I gestützten rückwirkenden Entziehung). Eine Umdeutung scheitert jedenfalls an § 43 Abs 1 SGB X, aber auch an § 43 Abs 2 Satz 1 SGB X, da die Rechtsfolgen der Entziehung gemäß § 66 SGB I im Hinblick auf § 67 SGB I für den Betroffenen günstiger sind als die der endgültigen Aufhebung nach § 48 SGB X (vgl BSG SozR 1200 § 66 Nr 13).
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1520124 |
BSGE 2007, 40 |
NWB 2007, 3079 |
NZS 2006, 603 |