Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungsanspruch. Aufhebung der Leistungsbewilligung bei nachträglicher Rentenbewilligung. erzielt iS von § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10
Orientierungssatz
1. Die Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 gilt für die Ruhensfälle des § 118 Abs 1 S 1 Nr 4 AFG entsprechend.
Als "erzielt" iS des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 sind auch jene Rentenanteile anzusehen, die der Bundesanstalt für Arbeit unmittelbar aus der Rentennachzahlung zustehen können und ihr verrechnungsweise direkt überwiesen wurden (Festhaltung an BSG vom 13.8.1986 - 7 RAr 33/85 = SozR 1300 § 48 Nr 26).
2. Die von der Aufhebung der Leistungsbewilligung abhängige Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen macht ein Aufhebungsrecht der Bundesanstalt für Arbeit gem § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 unentbehrlich.
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; AFG § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 157 Abs. 4; SGB X § 107 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.01.1987; Aktenzeichen S 19 Ar 3324/86) |
Hessisches LSG (Entscheidung vom 17.04.1989; Aktenzeichen L 10 Ar 389/87) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich (noch) gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
Er ist am 30. Dezember 1925 geboren und bezog von der Beklagten seit 1984 Alg, das bis zum 26. April 1986 zur Auszahlung gelangte (zuletzt wöchentlich 285,-- DM). Die Beigeladene bewilligte ihm rückwirkend ab 1. Januar 1986 Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Höhe von 1.613,50 DM (Bescheid vom 28. April 1986); der Zahlbetrag belief sich auf 1.540,90 DM (1.613,50 DM plus 117,79 DM Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag abzüglich 190,39 DM Krankenversicherungsbeitrag). Nachdem die Beklagte davon am 7. Mai 1986 Kenntnis erhalten hatte, hob sie die Entscheidung über die Bewilligung des Alg mit Wirkung vom 1. Januar 1986 auf (Bescheid vom 9. Mai 1986). Mit weiterem Bescheid stellte sie für die Zeit vom 1. Januar bis 26. April 1986 eine Überzahlung von Alg in Höhe von 4.750,-- DM fest, die vom Kläger zu erstatten sei; gleichzeitig teilte sie dem Kläger mit, daß er den Betrag nur dann zurückzuzahlen brauche, wenn der Rentenversicherungsträger den Anspruch nicht oder nicht voll erfülle; dann werde die Beklagte sich erneut mit ihm in Verbindung setzen (Bescheid vom 13. Mai 1986). Dies geschah nicht, da die Beigeladene der Beklagten mitteilte, daß zur Befriedigung des Erstattungsanspruchs aus der Rentennachzahlung ein Betrag von 5.486,17 DM (4.750,-- DM Rente plus 736,17 DM Beiträge zur Krankenversicherung) einbehalten und überwiesen werde (Schreiben vom 24. Mai 1986). Der Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 9. Mai 1986 und 13. Mai 1986 wurde mit Hinweis auf § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 103 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 11. September 1986).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide vom 9. Mai 1986 und 13. Mai 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 1986 aufgehoben (Urteil vom 27. Januar 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 17. April 1989).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die angefochtenen Bescheide wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung rechtswidrig seien. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X, auf den allein sie sich stützen ließen, nicht vor. Der Kläger habe kein Einkommen iS dieser Vorschrift "erzielt".
Der Beklagten sei einzuräumen, daß das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84- (SozR 1300 § 48 Nr 22) den § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X auch in Fällen des Ruhens gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG für anwendbar erachtet habe. Doch sei es in jenem Fall zu einer Auszahlung des Rentennachzahlungsbetrages an den Versicherten gekommen. Insoweit habe das BSG herausgestellt, daß die Leistungsbewilligung nur in Höhe der Rente bzw der dem Rentner verbliebenen Nachzahlung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden könne. Der vorliegende Fall sei anders gelagert. Hier sei keine Doppelleistung erfolgt. Beklagte und Beigeladene hätten die Rentennachzahlung in Übereinstimmung mit dem Gesetz untereinander abgewickelt. Der Kläger habe keine Leistungen erhalten. Im Verhältnis zwischen Beigeladener und Beklagter sei die Erstattung zu Recht vorgenommen worden (§ 103 Abs 1 SGB X), weil der Anspruch des Klägers auf Alg gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG geruht habe.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision zugelassen, soweit die Aufhebung von Alg streitig ist (Beschluß vom 21. März 1990). Mit der hierauf beschränkten Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X. Zur Begründung macht sie geltend, die Alg-$Bewilligung sei gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG nachträglich unrichtig
Die Auffassung des LSG, der Kläger habe kein Einkommen iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X erzielt, widerspreche dem Urteil des BSG vom 13. August 1986 - 7 RAr 33/85 - (SozR 1300 § 48 Nr 26). Danach seien - auch in Ruhensfällen des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG - jene Rentenanteile als erzielt anzusehen, die der Beklagten aus der Rentennachzahlung zustehen könnten und ihr verrechnungsweise überwiesen würden.
Eine sog atypische Fallgestaltung, die zur Ausübung von Ermessen zwinge, habe nicht vorgelegen. Ebensowenig sei gegen die Anhörungspflicht nach § 24 Abs 1 SGB X verstoßen worden, da ein Fall des § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X gegeben sei. Selbst wenn letzteres nicht zutreffe, sei der Mangel über § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt worden.
Schließlich leide das Urteil des LSG an einem absoluten Verfahrensmangel (§ 202 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 551 Nr 7 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Es enthalte nämlich, obwohl die Entscheidung über die Bewilligung des Alg ab 1. Januar 1986 aufgehoben worden sei, nur in bezug auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 26. April 1986, nicht aber hinsichtlich der Zeit ab 27. April 1986 Entscheidungsgründe iS von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben, soweit die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Januar 1986 streitig ist, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger stellt weder einen Antrag noch äußert er sich.
Die Beigeladene stellt ebenfalls keinen Antrag. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe ihren Bewilligungsbescheid grundsätzlich (rückwirkend) ab 1. Januar 1986 aufheben dürfen. Gleichwohl sei die Revision der Beklagten unbegründet. Die Beklagte habe nämlich den Kläger vor Erlaß des Aufhebungsbescheides nicht ordnungsgemäß angehört. Die fehlende Anhörung sei nicht im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt worden; dem Kläger sei keine Gelegenheit gegeben worden, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Die angefochtenen Bescheide verwiesen zwar auf § 48 SGB X iVm § 118 AFG, nicht jedoch auf die konkret in Betracht kommenden Alternativen dieser Vorschriften. Der Kläger habe deshalb nicht gewußt, welche Tatsachen und Gründe für die Entscheidung der Beklagten erheblich gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das ursprüngliche Klagebegehren nur noch insoweit, als der Kläger den Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 1986 angefochten hat. Im übrigen, nämlich hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides vom 13. Mai 1986, der sich nicht als Aufhebungs-, sondern allenfalls als Erstattungsbescheid darstellt, ist über das Klagebegehren rechtskräftig entschieden. Das SG hat diesen Bescheid aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten (auch) insoweit zurückgewiesen. Die Beklagte hat hiergegen Revision nicht eingelegt.
Die Berufung der Beklagten war zulässig (§ 143 SGG). Berufungsausschließungsgründe sind nicht gegeben. Der Ausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG greift nicht ein, weil die Aufhebung der Alg-Bewilligung einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen (3 Monaten) betrifft. Auch ein Höhenstreit iS des § 147 SGG lag nicht vor. Die Beklagte hatte die Alg-Bewilligung ab 1. Januar 1986 mit Hinweis auf das vollständige Ruhen des Anspruchs gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG aufgehoben, dem Kläger mithin jeglichen Anspruch auf Alg abgesprochen. In einem solchen Fall ist nicht die Höhe der Leistung iS von § 147 SGG berührt (BSG SozR 1300 § 48 Nr 26).
Das Urteil des LSG leidet entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an einem absoluten Verfahrensmangel iS von § 202 SGG iVm § 551 Nr 7 ZPO. Richtig ist, daß sich die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts lediglich mit der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alg-Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 26. April 1986, nicht mit der für die Zeit ab 27. April 1986 auseinandersetzen. Insoweit ist das angefochtene Urteil unvollständig und, wie noch auszuführen, unrichtig. Doch fehlt es nicht, wie für die Rüge nach § 551 Nr 7 ZPO erforderlich (BGH, NJW 1981, 1045, 1046; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 49. Aufl 1991, § 551 Anm 8 A), an einer Begründung schlechthin.
In der Sache selbst ist der Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 1986, anders als die Beigeladene vorbringt, nicht deshalb rechtswidrig, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Allerdings ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X). Indes kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn von den tatsächlichen Angaben des Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB X). So verhält es sich hier. Der Kläger hatte der Beklagten am 7. Mai 1986 im Wege einer Veränderungsmitteilung den Bescheid der Beigeladenen vom 28. April 1986 übersandt. Die Beklagte hat ihrer Aufhebungsentscheidung ausschließlich die in diesem Bescheid enthaltenen Angaben zugrunde gelegt. Damit ist dem hinter § 24 SGB X stehenden Zweck des rechtlichen Gehörs genügt (Hauck/Haines, SGB X/1, 2, Stand Mai 1991, § 24 Rz 14).
Der Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 1986 ist, anders als die Beigeladene anzunehmen scheint, auch nicht wegen Verletzung der Begründungspflicht (§ 35 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB X) rechtswidrig. Zutreffend ist, daß der Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 1986 allgemein auf § 48 SGB X iVm § 118 AFG, nicht auf bestimmte Alternativen dieser Vorschriften Bezug nimmt. Ob darin ein Formfehler zu erblicken ist, kann dahinstehen. Denn im Widerspruchsbescheid vom 11. September 1986, der für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung maßgebend ist (§ 95 SGG), wird die Aufhebungsentscheidung ua auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X und § 118 Abs 1 Nr 4 AFG gestützt. Ein etwaiger anfänglicher Begründungsfehler ist folglich geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 2 SGB X).
Ob die Beklagte die Alg-Bewilligung in Höhe des ab 1. Januar 1986 gewährten Altersruhegeldes aufheben durfte, richtet sich nach § 48 Abs 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, um den es hier geht, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1). Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ua aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr 3). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Satz 3).
Die Bewilligung des Altersruhegeldes nach § 1248 Abs 2 RVO an den Kläger ab 1. Januar 1986 ist eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Sie führte zum Ruhen des Anspruchs auf Alg für deckungsgleiche Zeiten (§ 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG). Das bedeutet, daß die Alg-Bewilligung nachträglich mit Wirkung ab 1. Januar 1986 unrichtig wurde (BSG SozR 1300 § 48 Nr 26). Die Unrichtigkeit erfaßte die Alg-Bewilligung in voller Höhe. Gegenteiliges läßt sich nicht aus § 118 Abs 1 Satz 3 AFG herleiten, wonach im Falle des Satzes 1 Nr 4 der Anspruch auf Alg nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung ruht, wenn die Leistung auch während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wird. Das dem Kläger zuerkannte Altersruhegeld war nämlich allemal höher als das ihm bewilligte Alg (wöchentlich 285,-- DM X 13 : 3 = monatlich 1.235,-- DM). Die Beklagte war mithin ohne weiteres zur Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zukunft berechtigt.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen durfte die Beklagte die Alg-Bewilligung auch für die Vergangenheit, nämlich mit Wirkung ab 1. Januar 1986, aufheben. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X sind verwirklicht. Die Anwendung dieser Norm scheitert nicht daran, daß das dem Kläger zuerkannte Altersruhegeld nicht zum Wegfall oder zur Minderung, sondern zum Ruhen des Anspruchs auf Alg geführt haben würde (§ 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG). Denn die Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gilt, wie der Senat mehrfach entschieden hat, für die Ruhensfälle des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG entsprechend (BSG SozR 1300 § 48 Nrn 22 und 26; BSG vom 4. Juli 1991 - 7 RAr 8/90 -). Anders als die Vorinstanzen meinen, hat der Kläger das ihm von der Beigeladenen ab 1. Januar 1986 zuerkannte Altersruhegeld auch iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X "erzielt".
Was unter "erzielen" iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu verstehen ist, läßt sich der Vorschrift des § 48 SGB X selbst nicht entnehmen. Der erkennende Senat hat jedoch bereits in einem vergleichbaren Fall entschieden, daß als "erzielt" iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X auch jene Rentenanteile anzusehen sind, die der Bundesanstalt für Arbeit (BA) unmittelbar aus der Rentennachzahlung zustehen können und ihr - wie hier- verrechnungsweise direkt überwiesen wurden (BSG SozR 1300 § 48 Nr 26). An dieser Auffassung ist festzuhalten.
Der Begriff "erzielt" iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist weit auszulegen. Er erfaßt jede Form des Einkommens- und Vermögenszuwachses, auch eine mittelbare. Dafür lassen sich neben der amtlichen Begründung (BT-Drucks 8/2034 S 35 zu § 46) und der Idee der Vermeidung von Doppelleistungen vor allem die §§ 102 ff SGB X anführen. Nach diesen gilt ua: Hat ein Leistungsträger (hier die Beklagte) Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese (hier der Anspruch des Klägers auf Alg) ganz entfallen, so ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger (hier die Beigeladene) - von Ausnahmen abgesehen - erstattungspflichtig (§ 103 Abs 1 SGB X); der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 103 Abs 2 SGB X). Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten (hier der Anspruch des Klägers) gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt (§ 107 Abs 1 SGB X). Schon das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nach § 103 Abs 1 SGB X, nicht erst dessen Realisierung, führt also zur fiktiven Erfüllung des Anspruchs des Berechtigten gegenüber dem verpflichteten Leistungsträger. Der Kläger wird demnach so behandelt, als hätte er die Rentenleistung bereits erhalten (erzielt). Das hat zur Folge, daß vorliegend die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X bereits mit der Bekanntgabe des Bescheides der Beigeladenen vom 28. April 1986 (§ 39 Abs 1 SGB X) eingetreten sind.
Andererseits bedeutet die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X, daß ein Grund für die Aufhebung der Bewilligung von Alg in aller Regel nicht gegeben ist; denn die Alg-Bewilligung stellt sich aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X nachträglich als Bewilligung von Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 RVO dar, die rechtmäßig erfolgt ist (vgl hierzu etwa Grüner/Dalichau/Podlech/Prochnow, SGB X/3, Stand: 1. Mai 1991, § 107 Anm I). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Aufhebung der Alg-Bewilligung - losgelöst von der Frage einer Erstattung im Verhältnis von Leistungsempfänger und BA - für einen Ausgleich anderer Art von Bedeutung ist. So liegt es hier, und zwar in bezug auf die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers (§ 157 Abs 4 AFG).
Wird einem nach § 155 Abs 1 AFG Versicherten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt, hat die BA gegen den Rentenversicherungsträger wegen der von ihr geleisteten Krankenversicherungsbeiträge einen Erstattungsanspruch, wenn und soweit die Entscheidung, durch die das Alg bewilligt worden ist, wegen der Gewährung der Rente rückwirkend aufgehoben wird (§ 157 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG). Die Höhe der Erstattung richtet sich nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen der BA zur Krankenversicherung. Der Rentenversicherungsträger hat der BA vielmehr den Betrag zu zahlen, den der Versicherte aus seiner Rente für den Erstattungszeitraum aufzubringen gehabt hätte. Dazu gehört sowohl der Betrag, den der Versicherte als Beitrag zur Krankenversicherung aus der Rente zu entrichten gehabt hätte, als auch der Zuschuß zu den Beiträgen zur Krankenversicherung, den der Rentenversicherungsträger zur Minderung der Beitragsbelastung an den Rentenempfänger hätte erbringen müssen (§ 157 Abs 4 Satz 2 Nr 1 AFG). Diese von der Aufhebung der Leistungsbewilligung abhängige Rechtsposition macht ein Aufhebungsrecht der Beklagten gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X unentbehrlich.
Diese der Beklagten eingeräumte Aufhebungsbefugnis belastet den Betroffenen nicht unzumutbar. Sie führt, wie angesprochen, nicht zu einer Erstattung gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X. Der Erstattungsanspruch gemäß § 103 Abs 1 SGB X und die mit ihm einhergehende Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X stehen einem Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger schlechthin entgegen. Die Beklagte hat kein Wahlrecht in dem Sinne, daß sie ihre Erstattungsforderung sowohl gegenüber der Beigeladenen als auch gegenüber dem Kläger geltend machen kann. Sie hat sich insoweit ausschließlich an die Beigeladene zu halten.
Das LSG hat - aus seiner Sicht zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein atypischer Fall vorliegt. Gleichwohl brauchte die Sache nicht an das LSG zurückverwiesen zu werden. Es sind keine Umstände erkennbar oder gar vorgetragen, die der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung entgegenstehen, zu einer atypischen Fallgestaltung führen und die Ausübung von Ermessen erforderlich machen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, daß der Kläger wirtschaftlich insgesamt etwa zur Hälfte durchgedrungen ist.
Fundstellen