Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage. echte Rüwirkung. Schutzwürdiges Vertrauen in bestehende Rechtslage. Verschonungssubvention
Beteiligte
Rechtsanwälte Bernd Schult und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
I.
Im Ausgangsverfahren war im Streit, ob der Beschwerdeführer für Investitionen, die er im 1. Halbjahr 1992 im Fördergebiet Berlin-West getätigt hat, eine Investitionszulage in Höhe von 12 % und nicht wie bewilligt nur in Höhe von 8 % erhält. Der Bundesfinanzhof hat unter Bestätigung des Urteils der Vorinstanz dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage in Höhe von 12 % versagt. Dagegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
Nach §§ 3 Satz 1 Nr. 1, 5 Nr. 1, 11 Abs. 2 Investitionszulagengesetz 1991 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I S. 1322, 1333) – InvZulG 1991 a.F. – wurde für in Berlin-West im 1. Halbjahr 1992 angeschaffte Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage in Höhe von 12 % gewährt. Diesen nur für das 1. Halbjahr 1992 geltenden Zulagensatz hat § 11 Abs. 2 InvZulG in der Fassung des Art. 13 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes (VerbrBinmG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2150) – InvZulG 1991 n.F. – dahin geändert, dass für in diesem Zeitraum getätigte Investitionen die Investitionszulage nur noch 8 % beträgt. Die Vorschrift misst sich mithin Geltung für in dem vom Investitionszulagengesetz 1991 a.F. geregelten Zeitraum zu. Diese Änderung des Investitionszulagengesetzes ist durch eine Entscheidung der Europäischen Kommission veranlasst gewesen, mit der diese die Unvereinbarkeit der von der Bundesrepublik Deutschland gewährten Beihilfe in Höhe von 12 % mit Gemeinschaftsrecht festgestellt hatte.
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 93 a BVerfGG) liegen nicht vor.
Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die entscheidungserheblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten. Insbesondere ist Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht verletzt. Zutreffend ist der Bundesfinanzhof davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer gegenüber dem sich Rückwirkung beilegenden Investitionszulagengesetz 1991 n.F. nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
Grundsätzlich entfällt das schutzwürdige Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Bestand der bisherigen Rechtslage im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem In-Kraft-Treten der Neuregelung rechnen. Es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage hin einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf einen Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfGE 97, 67 ≪79≫; stRspr).
Ungeachtet dessen gilt aber, dass die Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die „echte” Rückwirkung, im Übrigen nur unter engen Voraussetzungen, etwa aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls oder wegen eines nicht – oder nicht mehr – vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen zulässig ist (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪258≫; 97, 67 ≪80≫). Knüpft indessen eine Regelung mit Wirkung für die Zukunft die Rechtsfolgen an einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt an, so handelt es sich bei dieser sachlichen Erstreckung um eine tatbestandliche Rückanknüpfung, eine so genannte „unechte” Rückwirkung, die weniger strengen Beschränkungen unterliegt (vgl. BVerfGE 92, 277 ≪344≫). Von diesen Grundsätzen ausgehend begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der Beschwerdeführer sich gegenüber dem Investitionszulagengesetz 1991 n.F. selbst dann nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, wenn die engeren Voraussetzungen der „echten” Rückwirkung der Prüfung zu Grunde gelegt werden.
Bietet ein Steuergesetz dem Steuerpflichtigen eine Verschonungssubvention an, die er nurwährend des Veranlagungszeitraums annehmen kann, so schafft dieses Angebot für diese Disposition in ihrer zeitlichen Bindung eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung über das subventionsbegünstigte Verhalten stützt. Er entscheidet sich um des steuerlichen Vorteils Willen für ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten. Ohne diesen steuerlichen Anreiz hätte er so nicht gehandelt. Mit seiner Entscheidung ist demgemäß die Lenkungs- und Gestaltungswirkung des Subventionsangebots abschließend erreicht. Diese Dispositionsbedingungen werden damit vom Tag der Entscheidung an zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage (vgl. BVerfGE 97, 67 ≪80≫).
Nichts anderes gilt hier. Die vom Beschwerdeführer ins Werk gesetzte Investitionen wurden in dem vom Investitionszulagengesetz 1991 a.F. begünstigten Zeitraum der 1. Jahreshälfte 1992 im Fördergebiet getätigt. Zutreffend weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass der Beschwerdeführer seine Dispositionen hinsichtlich von Investitionen getroffen hat, die nur während eines vom Gesetz knapp bemessenen Zeitraums in besonderer Weise steuerlich begünstigt waren und, dass er damit – ungeachtet des formellen Entstehens des Anspruchs – sein Vertrauen in den Bestand der Rechtslage betätigt hat.
Es begegnet im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Bundesfinanzhof darauf hinweist, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen dann nicht schutzwürdig ist, wenn die Rechtslage ungeklärt ist und der Steuerpflichtige davon auch Kenntnis hat. Unter Würdigung der festgestellten Tatsachen – die Tatsachenfeststellung wird von der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen – geht der Bundesfinanzhof unter Berücksichtigung der Gesamtumstände hier davon aus, dass der Beschwerdeführer noch vor Vornahme eines wesentlichen Teils seiner Investitionen Kenntnis davon hatte, dass die nationalen Beihilfevorschriften im Widerspruch zu unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geltenden Bestimmungen des EWG-Vertrages standen, was zur Folge hatte, dass die 12%ige Investitionszulage im 1. Halbjahr 1992 trotz der Regelung im Investitionszulagengesetz 1991 a.F. nicht gewährt wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Vertrauensschutz gegenüber der Rückforderung einer bereits gewährten nationalen Beihilfe versagt, wenn es dem Beihilfebegünstigten möglich war, die formelle Gemeinschaftswidrigkeit der Beihilfe wegen deren fehlender Notifizierung zu erkennen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2000 – 2 BvR 1210/98 –). Nach den mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen gerichtlichen Feststellungen hatte der Beschwerdeführer von dem Erfordernis der Durchführung eines Notifizierungsverfahrens der Investitionszulage nach Art. 93 Abs. 3 EWGV Kenntnis. Zutreffend kommt der Bundesfinanzhof deshalb zu dem Ergebnis, dass ein schutzwürdiges Vertrauen des Beschwerdeführers nicht entstehen konnte, die Investitionszulage in Höhe von 12 % zu erhalten.
Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 635211 |
DB 2001, 1650 |