Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachprüfbarkeit von Billigkeitsentscheidungen: kein Erlass der Vermögensteuer auf forstwirtschaftliches Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, in welchem Umfang die Versagung eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen im Verfassungsbeschwerdeverfahren nachgeprüft werden kann.
Normenkette
AO § 131 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Tatbestand
A.
Der Beschwerdeführer, Eigentümer eines forstwirtschaftlichen Betriebs in der Bundesrepublik mit rund 10 000 ha Forstbetriebsfläche, begehrte aus Billigkeitsgründen nach § 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung – RAO – ohne Erfolg einen Erlaß der auf den forstwirtschaftlichen Betrieb entfallenden Vermögensteuer für 1967 und 1968. § 131 der Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 1931 (RGBl I S. 161) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I S. 981) lautete:
§ 131
(1) Im Einzelfall können Steuern und sonstige Geldleistungen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter der gleichen Voraussetzung können bereits entrichtete Steuern und sonstige Geldleistungen erstattet oder angerechnet werden. Die Befugnis zum Erlaß der Steuer umfaßt bei Besitz- und Verkehrsteuern auch das Recht, zuzulassen, daß die Steuer niedriger festgesetzt wird oder daß einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer nicht berücksichtigt werden …
(2) Für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen können für die entsprechende Anwendung des Absatzes 1 Richtlinien aufgestellt werden.
(3)–(5) …
Gegen das die Ablehnung eines Billigkeitserlasses bestätigende Urteil des Bundesfinanzhofs richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
I.
1. Bei der für den Hauptveranlagungszeitraum 1966 bis 1968 geltenden Hauptveranlagung zur Vermögensteuer war das land- und forstwirtschaftliche Vermögen mit dem Einheitswert anzusetzen (§ 73 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 [RGBl I S. 1035] – BewG 1934 –). Als Einheitswert für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen war der Ertragswert zu ermitteln (§ 31 Abs. 1, § 45 Abs. 2 BewG 1934). Dieser betrug das Achtzehnfache des im Durchschnitt der Jahre von einem Betrieb nachhaltig zu erbringenden Reinertrags (§ 31 Abs. 2, § 45 Abs. 2 BewG 1934 in Verbindung mit § 3 a Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 [RGBl I S. 81] – BewDV – in der Fassung der Verordnung vom 22. November 1939 [RGBl I S. 2271]).
Die Einheitswerte für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen (wie auch für sonstige Grundbesitzarten) wurden nach § 79 Abs. 1 BewG 1934 allgemein auf den 1. Januar 1935 festgestellt (Hauptfeststellung). Durch Art. I Nr. 2 der Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsvermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) wurde in § 1 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz ein Absatz 2 eingefügt und damit bestimmt, daß die ursprünglich in Zeitabständen von je sechs Jahren vorgesehenen neuen Hauptfeststellungen für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG 1934) zunächst unterblieben. Erst aufgrund Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl I S. 851) – BewÄndG 1965 – wurde auf den 1. Januar 1964 eine neue Hauptfeststellung durchgeführt. Die dabei ermittelten Einheitswerte für Grundbesitz wurden aber erst ab dem 1. Januar 1974 der Besteuerung bei den einheitswertabhängigen Steuern zugrunde gelegt (Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung bewertungsrechtlicher und anderer steuerrechtlicher Vorschriften vom 27. Juli 1971 [BGBl I S. 1157] – BewÄndG 1971 –). Bis dahin blieben die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerte in Geltung (Art. 3 Abs. 1 BewÄndG 1965).
Bei zwischenzeitlichen Fortschreibungen oder Nachfeststellungen nach dem 1. Januar 1936 wurden ebenfalls die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde gelegt (§ 3 a Abs. 1 BewDV, eingefügt durch die obengenannte Verordnung vom 22. November 1939).
2. Der Gesetzgeber verzeichnete, gestützt auf ein Gutachten der Forstwirtschaftlichen Abteilung des Bewertungsbeirats beim Bundesministerium der Finanzen (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 15), in der Forstwirtschaft (und außerdem bei bestimmten landwirtschaftlichen Sonderkulturen) eine in den sechziger Jahren einsetzende und sich danach fortsetzende Minderung der Reinerträge. Während die Hauptfeststellung der Einheitswerte für Grundbesitz auf den 1. Januar 1964 im allgemeinen wesentlich höhere Werte als die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 ermittelten Einheitswerte ergab, lagen die nach den Wertverhältnissen von 1964 ermittelten Einheitswerte in der Forstwirtschaft und bei bestimmten landwirtschaftlichen Sonderkulturen in der Regel nicht unwesentlich unter den alten Einheitswerten. Dennoch sollte die allgemein hinausgeschobene Geltung der neuen Einheitswerte (vgl. BVerfGE 41, 269 [285 ff.] ) auch bei der Besteuerung der Forstwirtschaft (und bestimmter landwirtschaftlicher Sonderkulturen) nicht durchbrochen werden. Als übergangsmaßnahme bis zum Wirksamwerden der neuen Einheitswerte bestimmte jedoch das als Art. 3 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I S. 1118) – BewÄndG 1970 – verkündete – erst am 1. Januar 1971 wirksam gewordene – Gesetz zur Anpassung der Einheitswerte an die Reinertragsentwicklung in der Forstwirtschaft, im Obstbau und im Hopfenbau (Einheitswertanpassungsgesetz) – EinhAnpG –, daß zur Anpassung an die rückläufige Reinertragsentwicklung ab 1. Januar 1971 im allgemeinen die alten Einheitswerte um 60 v. H. zu ermäßigen seien.
Für die ab dem 1. Januar 1974 zu entrichtenden Steuern trug Art. 1 Nr. 3 BewÄndG 1970 der rückläufigen Reinertragsentwicklung in der Forstwirtschaft durch Ergänzung des § 55 BewG 1965 um einen Absatz 9 Rechnung, der anordnete, daß die neu ermittelten Einheitswerte um 40 v. H. zu vermindern seien.
II.
1. Der Einheitswert für das forstwirtschaftliche Vermögen des Beschwerdeführers wurde nach altem Bewertungsrecht mehrfach, zuletzt mit Wirkung ab 1. Januar 1964 auf 9 857 100 DM fortgeschrieben. Dieser Einheitswert wurde der Vermögensteuer-Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1966 und der Neuveranlagung auf den 1. Januar 1967, die auch für 1968 wirksam blieb, zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 25. Juni 1973 hat das Finanzamt den erst ab 1. Januar 1974 wirksam werdenden Einheitswert des forstwirtschaftlichen Vermögens des Beschwerdeführers nach neuem Bewertungsrecht unter Berücksichtigung des Bewertungsabschlags nach § 55 Abs. 9 BewG 1965 auf den 1. Januar 1964 auf 2 311 700 DM festgestellt. Schon vorher war der alte Einheitswert aufgrund des Einheitswertanpassungsgesetzes zum 1. Januar 1971 auf 4 272 600 DM herabgesetzt worden.
2. Der Beschwerdeführer beantragte im Jahre 1967 nach § 131 RAO einen Erlaß der auf den Forstbetrieb für die Jahre 1967 und 1968 entfallenden Vermögensteuer, da sie aufgrund eines, wie die wirtschaftliche Entwicklung der Forstbetriebe beweise, weit überhöhten Einheitswertes festgesetzt worden sei. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Beschwerde, Klage und Revision blieben erfolglos.
Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt:
Eine einen Erlaß nach § 131 Abs. 1 RAO rechtfertigende sachliche Unbilligkeit liege nur dann vor, wenn der Gesetzgeber nach seinem erklärten oder mutmaßlichen Willen selbst die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne des beantragten Erlasses entschieden haben würde. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Die Fortgeltung der Einheitswerte von 1935 beruhe auf Art. 3 Abs. 1 BewÄndG 1965. Dabei sei sich der Gesetzgeber über die Auswirkung der neuen Bewertungsvorschriften auf die Forstwirtschaft möglicherweise nicht im klaren gewesen. Er habe aber später die erforderliche Kenntnis erlangt. Dennoch habe er mit dem 1970 ergangenen Einheitswertanpassungsgesetz erst ab 1. Januar 1971 die Folgerungen aus der rückläufigen Ertragslage der Forstwirtschaft gezogen. Daraus ergebe sich der eindeutige – von den Gerichten zu beachtende – Wille des Gesetzgebers, es bis 1970 unverändert bei der Besteuerung nach den alten Einheitswerten zu belassen. Die an sich beachtlichen, durchaus zutreffenden Ausführungen des Beschwerdeführers über das Absinken der Ertragslage in der Forstwirtschaft seit 1960 und die deshalb gebotene Dringlichkeit einer neuen Hauptfeststellung für diesen Bereich hätten im Erlaßverfahren nur dann berücksichtigt werden können, wenn das Verhalten des Gesetzgebers, der mit der Festsetzung der neuen Einheitswerte zugewartet habe, verfassungswidrig wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden habe (BVerfGE 23, 242 ), habe der Gesetzgeber für die Neuregelung einen längeren Zeitraum beanspruchen dürfen.
Die weiteren Einwendungen, die der Beschwerdeführer in dem Revisionsverfahren gegen die Art der Ermittlung der forstwirtschaftlichen Einheitswerte erhoben hatte (Aufstellung der Hektarsätze), hat der Bundesfinanzhof als unbegründet betrachtet.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, die Ablehnung eines Billigkeitserlasses verstoße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und das dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmende übermaßverbot.
Der Beschwerdeführer wiederholt seine Einwendungen gegen das Verfahren der Einheitsbewertung in der Forstwirtschaft, die dahin gehen, daß die einzelnen Bewertungsfaktoren ihm nicht bekanntgegeben worden seien. In der Vermögensbesteuerung nur des privaten Forstbesitzes bei Steuerfreiheit des Staats- und Körperschaftswaldes sieht er einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Selbst wenn, wie der Bundesfinanzhof angenommen habe, die mit einer Besteuerung verbundenen Härten in Kauf zu nehmen seien, sofern sie dem erklärten Willen des Gesetzgebers entsprächen, seien Billigkeitsmaßnahmen jedoch dann geboten, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Festhalten an einer überhöhten Besteuerung zu einer, gemessen am Zweck der Steuer, unverhältnismäßigen Inanspruchnahme des von der Steuer erfaßten Vermögens führe. Dies sei bei seiner Heranziehung zur Vermögensteuer hinsichtlich seines forstwirtschaftlichen Vermögens der Fall. Die Holzpreise seien ständig gefallen, während die Kosten laufend gestiegen seien. Dies komme deutlich darin zum Ausdruck, daß – auch ohne Berücksichtigung des nach § 55 Abs. 9 BewG 1965 vorzunehmenden Pauschalabschlags – der auf den 1. Januar 1964 neu festgestellte Einheitswert weit unter dem Wert liege, der nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 aufgestellt worden sei. Seit Jahren hätten die Kosten des forstwirtschaftlichen Betriebs nur durch Eingriffe in die Substanz gedeckt werden können. Dasselbe gelte für die Vermögensteuer. Das Festhalten an den längst überholten Einheitswerten von 1935 habe die kleine Gruppe der Privatwaldbesitzer mit Forstbetrieben über 1 000 ha Forstbetriebsfläche ungerecht, ohne sachlichen Grund, unzumutbar hart und für eine viel zu lange Zeit belastet, weil, der Gesetzgeber sich gescheut habe, gegenüber der großen Zahl der Grundbesitzer die Besteuerung auf der Basis zeitnaher, gegenüber 1935 wesentlich höherer Einheitswerte durchzuführen; dagegen sei der Staats- und Körperschaftswald von der Vermögensteuer überhaupt nicht erfaßt worden. Die verzögerte Berücksichtigung der neuen Einheitswerte habe für die meisten Vermögensgruppen steuerliche Vorteile mit sich gebracht, während sie die Forstwirtschaft benachteiligt habe. Deshalb könne die Belastung mit einheitswertabhängigen Steuern auf der Grundlage der überhöhten Einheitswerte für sieben Jahre (1964 bis 1970) nicht mehr als unwesentlich, vorübergehend und rechtsstaatlich hinnehmbar angesehen werden. Der Ansicht des Bundesfinanzhofs, gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers könnten Billigkeitsmaßnahmen auch dann nicht getroffen werden, wenn der Wille des Gesetzgebers zu Härten für den Betroffenen führe, könnte man nur dann beitreten, wenn die Nachteile sich über einen kurzen Zeitraum auswirkten und in ihrer Bedeutung unter Berücksichtigung übergeordneter Interessen keine übermäßige Belastung darstellten. Hier aber seien die neuen Einheitswerte erst nach einem unverhältnismäßig langen Zeitraum zur Geltung gekommen. Ein Abwägen dieser Gesichtspunkte lasse der Bundesfinanzhof gänzlich vermissen.
Zudem lasse sich ein erklärter Wille des Gesetzgebers, eine rechtsstaatswidrig gewordene Besteuerung nachträglich als rechtsstaatsgemäß zu billigen, nicht feststellen. Ein solcher Wille wäre in einem Rechtsstaat auch unbeachtlich.
IV.
Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen geäußert.
Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet:
Das Festhalten an den alten Einheitswerten sei auch bei der Vermögensbesteuerung der Forstwirtschaft nicht verfassungswidrig gewesen, weil der Gesetzgeber die auf den 1. Januar 1964 ermittelten Einheitswerte nicht früher als vom 1. Januar 1974 an der Besteuerung habe zugrunde legen können. Die Durchführung des Bewertungsgesetzes 1965 habe große Schwierigkeiten bereitet; insbesondere hätten, auch für die Forstwirtschaft, eingehende, umfangreiche Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen werden müssen (vgl. BVerfGE 41, 269 [286 f.] ). Erst gegen Ende der sechziger Jahre seien die tatsächlichen Verhältnisse einigermaßen geklärt gewesen. Nachdem aufgrund der Bewertung der vorhandene Vermögensbestand zu überblicken gewesen sei, hätten die steuerlichen Folgerungen gezogen werden können.
Es sei zwar bekannt gewesen, daß sich die Ertragslage in der Forstwirtschaft ungünstig entwickelt habe. Deshalb sei, schon bevor die Erklärungen der Steuerpflichtigen zu einer Einheitswertfeststellung ausgewertet worden seien, der Bewertungsbeirat beim Bundesministerium der Finanzen im Jahre 1968 mit einer grundlegenden Untersuchung der Ertragslage, der Forstwirtschaft beauftragt worden, die er am 26. Mai 1970 abgeschlossen habe. Aufgrund der – schon vor Fertigstellung dieses Gutachtens – vorliegenden Untersuchungsergebnisse sei dann das ab 1. Januar 1971 maßgebliche Einheitswertanpassungsgesetz ergangen mit der Anordnung einer Herabsetzung der forstwirtschaftlichen Einheitswerte um 60 v. H. Zu einer rückwirkenden Anwendung dieses Gesetzes für die Jahre ab 1967 sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen, da dadurch eine Rechtsunsicherheit eingetreten wäre.
In dem für die Besteuerung maßgeblichen Zeitraum habe eine verfassungsrechtlich gangbare Alternative zu der angegriffenen Regelung nicht bestanden. Deshalb habe die vorhandene Regelung so lange hingenommen werden müssen, bis sie der Gesetzgeber durch eine bessere habe ersetzen können.
Entscheidungsgründe
B.
Die mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen sind nur zum Teil zulässig.
Für die Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten sind im Steuerverwaltungsrecht verschiedene prozessuale Möglichkeiten eröffnet: Bei Besitz- und Verkehrsteuern, zu denen auch die Vermögensteuer gehört, kann die Steuer von vornherein aus Billigkeitsgründen niedriger festgesetzt oder eine Steuerfestsetzung vorgenommen werden, bei der aus Billigkeitsgründen erhöhende Besteuerungsgrundlagen nicht berücksichtigt werden („eingleisiges Verfahren”, § 131 Abs. 1 Satz 2 RAO). Es ergeht dann nur ein Steuerverwaltungsakt, der auch nur ein finanzgerichtliches Verfahren nach sich ziehen kann, in welchem die strengrechtlichen und die billigkeitsrechtlichen Elemente zur gleichen Zeit, wenn auch nach den ihnen eigentümlichen Maßstäben auf Rechtmäßigkeit gerichtlich kontrolliert werden (BFHE 102, 493 = BStBl 1971 II S. 664 = StRK, AO § 131 n. F. R. 199 mit Nachw.). In diesem Fall müssen sämtliche Einwendungen, gleichgültig, ob sie die eigentliche Steuerermittlung oder den Billigkeitsnachlaß betreffen, in dem einheitlichen Verfahren, gegebenenfalls anschließend im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgebracht werden. Die Steuer kann aber auch im Steuerfestsetzungsverfahren nach strengem Recht festgesetzt werden, wobei die Prüfung der Frage, ob ein Erlaß wegen unbilliger Härte der Steuereinziehung im einzelnen Fall auszusprechen ist, in ein besonderes Erlaßverfahren verwiesen wird („zweigleisiges Verfahren”, § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO). Es ergehen dann zwei Steuerverwaltungsakte: die Steuerfestsetzungsverfügung und die das Erlaßverfahren abschließende, einen Billigkeitserlaß gewährende oder versagende Verfügung.
An die eine wie die andere Verfügung können sich (nach gesondertem Vorverfahren) verschiedene finanzgerichtliche Verfahren anschließen. Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt die vom Beschwerdeführer für einen Erlaß geltend gemachten Gründe in einem besonderen Erlaßverfahren geprüft, an das sich Beschwerde, Klage und Revision angeschlossen haben. In diesem Verfahren war nicht zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die Steuerfestsetzung selbst in seinen Rechten verletzt worden ist, sondern nur, ob die Nichtgewährung des beantragten Steuererlasses ermessensfehlerhaft war. Deshalb ist auch Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, die sich nach Erschöpfung des Rechtswegs an das Erlaßverfahren anschließt, lediglich die Frage, ob die Nichtgewährung des beantragten Steuererlasses den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt. Mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde kann dagegen wegen der Selbständigkeit des Erlaßverfahrens gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren gemäß der im Ausgangsverfahren vorgenommenen Verfahrensgestaltung nicht mehr geltend gemacht werden, daß bereits die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen – die Einheitswertermittlung – und die Steuerfestsetzung Grundrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt hätten, weil die Feststellung der Einheitswerte gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen habe und weil der Staats- und Körperschaftswald im Gegensatz zum Privatwald von der Vermögensteuer nicht erfaßt werde. Dagegen ist die Rüge des Beschwerdeführers zulässig, bei der Entscheidung über seinen Erlaßantrag sei die rückläufige Entwicklung der Reinerträge in der Forstwirtschaft nicht berücksichtigt worden und deshalb seien unter Verfassungsverstoß die Voraussetzungen für einen Erlaß wegen unbilliger Härte verneint worden.
C.
I.
Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof haben in Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO die Frage verneint, ob die Einziehung der auf den forstwirtschaftlichen Betrieb entfallenden Vermögensteuer 1967 und 1968 für den Beschwerdeführer eine unbillige Härte darstellt. Dabei sind die Gerichte von dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 (BFHE 105, 102 = BStBl 1972 II S. 603) ausgegangen, nach der die Entscheidung einer Behörde gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO darüber, ob die Einziehung einer Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig sei, von den Gerichten am Maßstab der Billigkeit nach den für die Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätzen zu prüfen ist; der Maßstab der Billigkeit bestimmt Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens (BFHE 106, 489 = BStBl 1972 II S. 919; BFHE 108, 571 [572] = BStBl 1973 II S. 466).
Werden derartige verwaltungsbehördliche Ermessensentscheidungen und sie bestätigende Gerichtsentscheidungen mit der Verfassungsbeschwerde angefochten, kann das Bundesverfassungsgericht nicht nachprüfen, ob die Entscheidungen in jeder Hinsicht richtig sind, sondern nur, ob sie Grundrechte des Beschwerdeführers verletzen. Grundsätzlich ist die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes und die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, hier des § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO, Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Nur bei Verletzung von Verfassungsrecht kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (BVerfGE 18, 85 [92]).
II.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG kann nicht festgestellt werden, daß die Versagung eines Billigkeitserlasses gegen Grundrechte des Beschwerdeführers verstößt.
1. Wenn der Bundesfinanzhof entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung zu § 131 RAO im Ausgangsverfahren allgemein zwischen persönlichen (wirtschaftlichen) und sachlichen Gründen, die einen Steuererlaß rechtfertigen könnten, unterscheidet und das Vorliegen persönlicher Gründe verneint, so liegt darin kein Verfassungsverstoß.
Es erscheint dagegen zweifelhaft, ob der Bundesfinanzhof das Vorliegen einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise verneint hat. Sachliche Gründe für eine Billigkeitsentscheidung, die unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen zu beurteilen sind (BFHE 77, 522 [523] = BStBl 1963 III S. 511), sollen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. z.B. BFHE 108, 146 [148] = BStBl 1973 II S. 271; BFHE 108, 571 [572] = BStBl 1973 II S. 466; BFHE 116, 87 [88] = BStBl 1975 II S. 727) gegeben sein, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers auf dem in Frage kommenden Steuerrechtsgebiet angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Härten, die der Gesetzgeber bei der Regelung des gesetzlichen Tatbestandes bedacht und in Kauf genommen hat, sollen daher einen Billigkeitserlaß nicht rechtfertigen (BFHE 105, 458 [460] = BStBl 1972 II S. 649; BFHE 108, 571 [572] = BStBl 1973 II S. 466).
Der Bundesfinanzhof hat in verfassungsrechtlicher Sicht zwar dargelegt, daß unabhängig von einem zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, der einem Billigkeitserlaß widerspräche, ein solcher in Frage käme, wenn das Verhalten des Gesetzgebers selbst aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der Gesetzgeber, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe (BVerfGE 23, 242 [257] ), zunächst habe davon absehen können, aus der neuen Bewertung steuerliche Folgen zu ziehen (vgl. auch BVerfGE 41, 269 [285] ).
Dabei bleibt jedoch die Frage offen, ob es ungeachtet der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung beim Gesetzesvollzug in besonderen Fällen, sei es in Einzelfällen oder auch bei Einzelfallgruppen (vgl. § 131 Abs. 2 RAO) zu einem mit der Verfassung nicht vereinbarten Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Güter kommen kann. Wie das Bundesverfassungsgericht schon wiederholt hervorgehoben hat, fällt bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts die Möglichkeit des Steuererlasses zur Milderung unbilliger Härten in solchen Fällen ins Gewicht (BVerfGE 14, 76 [104]; 16, 147 [177]; 18, 186 [191]; 21, 54 [71] ; 24, 112 [119]; 27, 375 [385]; 32, 78 [86] ; 38, 61 [92]; zur Härtemilderung im Lastenausgleichsrecht vgl. BVerfGE 41, 126 [188] und 41, 193 [203 f.]). Die Frage, ob im Einzelfall von dieser Möglichkeit in einem der Wirkkraft der Grundrechte ausreichend Rechnung tragenden Maße Gebrauch gemacht worden ist, ist der verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht schlechthin entzogen (vgl. BVerfGE 43, 291 [376]).
2. Wie auch der Bundesfinanzhof und der Bundesminister der Finanzen – gestützt auf das Gutachten der Forstwirtschaftlichen Abteilung des Bewertungsbeirats beim Bundesministerium der Finanzen (Ertragslage und Steuerbelastung der Forstbetriebe, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 15) – nicht in Zweifel gezogen haben, ist der Reinertrag als Differenz zwischen dem Rohertrag und den Kosten im Privatwald von 126 DM/ha im Jahre 1956 auf 14 DM/ha im Jahre 1968 zurückgegangen, wobei sogar im Jahre 1967 ein Verlust von 27 DM/ha eingetreten war (vgl. Gutachten, a.a.O., S. 85, 30). Die in den Jahren 1967 und 1968 der Besteuerung zugrunde gelegten Einheitswerte in der Forstwirtschaft waren demnach extrem überhöht, wie auch die Festlegung des neuen Einheitswerts für den forstwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers zeigt. Insgesamt betrugen die Einheitswerte in der Forstwirtschaft nach altem Bewertungsrecht ohne Berücksichtigung des 60 %igen Abschlags nach dem Einheitswertanpassungsgesetz rund 3 452 000 000 DM, während sich die neuen Einheitswerte unter Berücksichtigung der Wertermäßigung nach § 55 Abs. 9 BewG 1965 auf nur 1 168 200 000 DM (Rückgang auf rund ein Drittel) beliefen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes vom 4. Mai 1972, BTDrucks. VI/3418 S. 83). Die Vermögensteuer von 1 v. H. war nach der gesetzgeberischen Zielsetzung so ausgestaltet, daß sie – sofern überhaupt die Vermögensteuerfreibeträge überschritten wurden – den in der Forstwirtschaft durchschnittlich erzielbaren Reinertrag als „fundiertes” Einkommen mit einer Steuer von 18 v. H. vorbelastete und damit in der Regel die Entrichtung der Steuer aus dem Ertrag ohne Rückgriff auf die Substanz ermöglichte. Diese Relation hat sich durch die Entwicklung der forstwirtschaftlichen Ertragsverhältnisse verschoben. Während im allgemeinen der sonstige Grundbesitz durch das Festhalten an den alten Einheitswerten begünstigt wurde, da die neuen Einheitswerte durchweg höher ausfielen (vgl. BVerfGE 41, 269 [282] ), bewirkte die Entwicklung in der Forstwirtschaft auf Jahre hinaus eine erhebliche vermögensteuerliche Mehrbelastung.
3. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Steuerleistung herangezogen zu werden (vgl. BVerfGE 19, 206 [215] ; 47, 1 [37]), enthält das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende übermaßverbot, das dahin geht, daß der Steuerpflichtige nicht zu einer unverhältnismäßigen Vermögensteuer herangezogen wird. Dieses zwingt dazu, Befreiung von einer schematisierenden Belastung zu erteilen, wenn die Folgen extrem über das normale Maß hinausschießen, das der Schematisierung zugrunde liegt (Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, S. 130 f.), oder anders ausgedrückt: wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlaß nicht mehr gerechtfertigt sind (Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 290 f.).
Billigkeitsmaßnahmen dürfen jedoch nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (Selmer, a.a.O.). Daraus folgt, daß mit verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden kann. Wenn solche Maßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen müßten, daß sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig.
a) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist auf der einen Seite zu beachten, daß im Zuge der neuen Hauptfeststellung insgesamt rund 12 Millionen Einheitswerte für den Grundbesitz ermittelt werden mußten (BVerfGE 41, 269 [287] ). Nach der Forstbetriebsgrößenstatistik (vgl. Wobst, Forstarchiv 1965, S. 193) kommt jedoch wegen der Vermögensteuerfreibeträge – der Freibetrag betrug je Person (Ehegatte und Kinder) 20 000 DM (§ 5 VStG 1954 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961 [BGBl I S. 981]) – ein Billigkeitserlaß ohnehin nur für die verhältnismäßig kleine Gruppe der größeren Forstbetriebe in Frage, während das Festhalten an den alten Einheitswerten für die große Zahl der kleineren Forstbetriebe offensichtlich nicht zu einer übermäßigen Vermögensteuerbelastung geführt hat. Die Gruppe der betroffenen Forstvermögen ist anders als die große Zahl der an deren Grundbesitzarten, für die sich das Hinausschieben der Steuerwirksamkeit der neuen Einheitswerte nur vor teilhaft ausgewirkt hat, in den Jahren 1964 bis 1970 ausnahmsweise und unbeabsichtigt besonders benachteiligt. So gesehen könnte unter dem Gesichtspunkt des über maßverbots ein Billigkeitserlaß beim Beschwerdeführer verfassungsrechtlich geboten sein.
b) Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß nach den Feststellungen der Forstwirtschaftlichen Abteilung des Bewertungsbeirats beim Bundesministerium der Finanzen (Gutachten, a.a.O.) die Ertragsminderung sämtlicher Forstbetriebe erfaßte und daher für die in Frage kommenden Jahre die beibehaltenen Forstwerte allgemein überhöht waren, gleichgültig, ob im einzelner Fall Vermögensteuer anfiel oder nicht. Es würde sich demnach um einen generellen Mangel handeln, der den Bewertungsänderungsgesetz anhaftete, als es, ohne für die Forstwirtschaft eine Ausnahme zu machen, in Art. 3 Abs. 1 BewÄndG 1965 anordnete, daß bis auf weiteres nicht die auf den 1. Januar 1964 zu ermittelnden, sondern vorerst noch die alten Einheitswerte der Besteuerung zugrunde zu legen waren. Unter diesen Voraussetzungen Wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig; es würde nicht genügen, in Einzelfällen aus der unerläßlicher Typisierung resultierende Härten gemäß § 131 RAO zu mildern, um die Regelung insgesamt als verfassungsmäßig erscheinen zu lassen. Dies gilt auch für den Fall daß ein Gesetz mehrere voneinander trennbare Sachbereiche regelt, wie das Bewertungsgesetz, das unter verschiedenen Vermögensarten für die Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens Sondervorschriften aufgestellt hat (§§ 45, 46 BewG 1934).
Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes und mithin der auf seiner Grundlage ergangenen Steuerbescheide ist jedoch keine Frage der Billigkeit. Im Ausgangsverfahren konnte und durfte nur geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 131 RAO vorliegen; Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist demgemäß nur die Frage, ob die Entscheidung hierüber den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt. Wollte demgegenüber der von einer Steuerfestsetzung betroffene die Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen geltend machen, so müßte er gegen den Festsetzungsbescheid vorgehen. Im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde gegen diesen und die ihn bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen könnte dann das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für mit dem Grundgesetz unvereinbar oder für nichtig erklären (oben B.). Im Billigkeitsverfahren ist es dazu ebensowenig in der Lage wie zur Aufhebung des Festsetzungsbescheides; demgemäß ist eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung auch nicht erfolgt.
Fundstellen
BStBl II 1978, 441 |
BVerfGE 48, 102 |
BVerfGE, 102 |
BB 1978, 947 |
DB 1978, 1527 |
NJW 1978, 2089 |