Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Steuerrechtsprechung zur Anwendung des § 12 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Daß Prämien zu einer allgemeinen Rechtsschutzversicherung, die sowohl berufliche wie private Risiken abdeckt, als sogenannte gemischte Ausgaben nach der Rechtsprechung des BFH insgesamt nicht abziehbar sind, ist verfassungskonform.
2. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit begründet keinen Anspruch auf Fortführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis.
3. Die Nichtberücksichtigung der Belohnung des minderjährigen Sohnes für Mithilfe beim Bau eines Schutzraumes bei den durch Absetzung für Abnutzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG geltend zu machenden Herstellungsaufwendungen ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
4. Die aus § 1619 BGB abzuleitende Pflicht eines im elterlichen Hausstand lebenden Kindes zur Mitarbeit kann überlagert bzw. ersetzt werden durch ein auch steuerlich beachtliches Schuldverhältnis. Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, wenn nach der Rechtsprechung des BFH Verträge unter nahen Angehörigen wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessen steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn zu Beginn der Vertragsbeziehung eine bürgerlich-rechtlich wirksame, klare und eindeutige Vereinbarung abgeschlossen wird, die inhaltlich wie unter Fremden ausgestaltet ist und auch tatsächlich so vollzogen wird. Das aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Diskriminierungsverbot wird durch die von der Verwaltung und Rechtsprechung vorgenommene typisierende und generalisierende Sachverhaltswürdigung nicht verletzt.
5. Soweit der BFH seinen Beschluß über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 115 Abs. 5 FGO nicht begründet hat, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Grundgesetz läßt sich nicht entnehmen, daß jede – auch eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche – gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung versehen werden müßte.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG §§ 9, 12; FGO § 115 Abs. 5; BFHEntlG Art. 1 Abs. 6
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 29.03.1985; Aktenzeichen IX B 23/82) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 14.09.1982; Aktenzeichen IV 171/82) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
1. a) Die Beschwerdeführer können nicht den Abzug ihrer Prämien zu einer allgemeinen Rechtsschutzversicherung, die sowohl berufliche, wie private Risiken abdeckt, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen 1976 und 1977 begehren. Es handelt sich hierbei um sogenannte gemischte Ausgaben, die nach § 12 Nr. 1 EStG und dem daraus nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abgeleiteten Abzugs- und Aufteilungsverbot insgesamt nicht abziehbar sind (vgl. BFH, BStBl. 1971 II S. 17; 1981 II S. 131). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 47, 1).
b) Den begrenzten Werbungskostenabzug können die Beschwerdeführer selbst dann nicht beanspruchen, wenn die vom Deutschen Beamtenbund entsprechend seiner Rechtsschutzordnung seinen Mitgliedern erstatteten Beiträge für eine zusätzlich bestehende und aus beruflichem Anlaß in Anspruch genommene allgemeine Rechtsschutzversicherung steuerlich im Einzelfall unzutreffend behandelt werden würden. Versicherungsleistungen zählen insoweit zu den steuerpflichtigen Einnahmen, als sie Werbungskosten ersetzen sollen (vgl. BFH, BStBl. 1965 III S. 67).
Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit begründet keinen Anspruch auf Fortführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis (vgl. BVerfGE 50, 142 ≪166≫).
2. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Nachprüfung der Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall entzogen. Dies ist Sache der dafür allgemein zuständigen Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht greift erst bei der Verletzung von Verfassungsrecht durch die Gerichte ein. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung am einfachen Recht gemessen objektiv fehlerhaft ist, sondern erst, wenn Bedeutung und Tragweite der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken verkannt worden sind (BVerfGE 18, 85 ≪92≫).
Abschlußgebühren können Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein, wenn der Abschluß der Bausparverträge in einem engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Verwirklichung des Bauvorhabens steht (BFH, BStBl. 1983 II S. 355, 356) und die Kreditbeschaffung alleiniger Zweck des Vertragsabschlusses ist. Die Abschlußgebühren sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
Das Finanzgericht Niedersachsen ist in Übereinstimmung mit der Einspruchsentscheidung des Finanzamts in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zur Überzeugung gelangt, daß der 1975 befragte Verwaltungsbeamte jedenfalls keine verbindliche Auskunft erteilt hat. Diese rechtlich mögliche und nachvollziehbare Bewertung läßt im Rahmen der Prüfungsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Verstöße erkennen, insbesondere ist sie nicht willkürlich.
3. Die Nichtberücksichtigung der Belohnung des minderjährigen Sohnes für Mithilfe beim Bau eines Schutzraumes bei den durch Absetzung für Abnutzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG geltend zu machenden Herstellungsaufwendungen ist gleichfalls verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die aus § 1619 BGB abzuleitende Pflicht eines im elterlichen Hausstand lebenden Kindes zur Mitarbeit kann überlagert bzw. ersetzt werden durch ein auch steuerlich beachtliches Schuldverhältnis (vgl. BGH, FRZ 1973, S. 298, 299; FG Köln, EFG 1982, S. 124). Verträge unter nahen Angehörigen sind allerdings wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, BStBl. 1979 II S. 434; 1983 II S. 173, 175) steuerlich nur anzuerkennen, wenn zu Beginn der Vertragsbeziehung eine bürgerlich-rechtlich wirksame, klare und eindeutige Vereinbarung abgeschlossen wird, die inhaltlich wie unter Fremden ausgestaltet ist und auch tatsächlich so vollzogen wird. Das aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Diskriminierungsverbot wird durch die von der Verwaltung und Rechtsprechung vorgenommene typisierende und generalisierende Sachverhaltswürdigung nicht verletzt.
4. Soweit der Bundesfinanzhof gemäß Art. 1 Nr. 6 BFH-EntlG seinen Beschluß über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 115 Abs. 5 FGO nicht begründet hat, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Grundgesetz läßt sich nicht entnehmen, daß jede – auch eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche – gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung versehen werden müßte (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪290≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Dr. Herzog, Dr. Hesse, Dr. Heußner
Fundstellen