Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswärtige Unterbringung eines Kindes geschiedener oder getrennt lebender Eltern
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus Art. 103 Abs. 1 GG läßt sich ein Begründungszwang für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen nicht entnehmen. Die Übersendung des entgegen der Auffassung des Rechtsmittelführers einen gleichartigen Sachverhalt betreffenden Urteils des Bundesfinanzhofs kann somit nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen.
2. Das Auslegungsergebnis des BFH, daß für ein Kind geschiedener oder getrennt lebender Eltern ein Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung nur zu gewähren ist, wenn das Kind aus dem Haushalt beider Elternteile räumlich und hauswirtschaftlich ausgegliedert ist, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; EStG § 33a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 22.07.1988; Aktenzeichen III R 187/86) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 93 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG).
Dem Beschwerdeführer wird eine Unterliegensgebühr in Höhe von 300,– DM (in Worten: dreihundert Deutsche Mark) auferlegt.
Gründe
1. Die Bestimmung in Art. 1 Nr. 7 BFH-EntlG vom 8. Juli 1975 (BGBl. I S. 1861) ist jeweils durch Änderungsgesetze verlängert worden. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage eines Vertrauensschutzes gegen eine rückwirkend erlassene einschränkende Gesetzesregelung stellt sich hier nicht.
2. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht hinreichend substantiiert (vgl. BVerfGE 28, 17 ≪19 f.≫).
a) Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer brauchte nicht persönlich rechtliches Gehör gewährt zu werden (BVerfGE 7, 327 ≪329≫).
b) Art. 103 Abs. 1 GG schreibt keine bestimmte Äußerungsform vor. Vielmehr kann der Gesetzgeber bestimmen, inwieweit er bei den jeweiligen Verfahren einen Anspruch auf mündliche Verhandlung geben will (BVerfGE 5, 9 ≪11≫).
c) Als Revisionsgericht ist der Bundesfinanzhof an die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen finanzgerichtlichen Urteil gebunden, sofern nicht im Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
d) Das nicht näher gekennzeichnete Beweisangebot war nach dem vertretbaren materiellrechtlichen Rechtsverständnis des § 33 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG 1981 unerheblich (BVerfGE 69, 141 ≪144≫).
e) Art. 103 Abs. 1 GG läßt sich ein Begründungszwang für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen nicht entnehmen (BVerfGE 65, 293 ≪295≫). Die Übersendung des entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers einen gleichartigen Sachverhalt betreffenden Urteils des Bundesfinanzhofs vom 5. Februar 1988 (BStBl. II 1988, S. 579 f.) kann somit nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen.
3. Weder die Auslegungsmethode noch das Auslegungsergebnis lassen verfassungsrechtliche Bedenken im Rahmen der auf Verfassungsverstöße begrenzten Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts erkennen (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Die Möglichkeit einer anderen Interpretation im Sinne des Steuerpflichtigen macht die vom Fachgericht gewählte Auslegung noch nicht willkürlich oder in sonstiger Weise verfassungswidrig. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, BStBl. II 1988, S. 579 ff., ist das Auslegungsergebnis, daß für ein Kind geschiedener oder getrennt lebender Eltern ein Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung nur zu gewähren ist, wenn das Kind aus dem Haushalt beider Elternteile räumlich und hauswirtschaftlich ausgegliedert ist, anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte im einzelnen dargelegt. Dieses Ergebnis vermeidet eine intakte Familien benachteiligende steuerliche Begünstigung von Aufwendungen, die nicht im Zusammenhang mit der Berufsausbildung und einer auswärtigen Unterbringung stehen, sondern durch die bereits infolge der Trennung oder Scheidung der Eltern erforderlich gewordene Führung zweier Haushalte begründet sind.
4. Die vom Beschwerdeführer ohne weitere Darlegung behauptete unterschiedliche Rechtsauslegung und -anwendung zu § 33 a Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG durch verschiedene Finanzämter – entgegen Abschnitt 191 Abs. 5 Satz 5 EStR 1981 – verletzt den Beschwerdeführer jedenfalls nicht in seinem Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG). Allenfalls kann es sich in einem solchen Fall um eine unzutreffende Gesetzesauslegung und damit um eine unrichtige Entscheidung handeln (BVerfGE 1, 82 ≪85≫; 21, 87 ≪91≫). Von Verfassungs wegen besteht kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht bzw. Fehlerwiederholung (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 437).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen