Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Anrufung des Großen Senats. steuerliche Behandlung von Schenkungs- und Erbfällen
Leitsatz (redaktionell)
1. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist verletzt, wenn ein Senat eines obersten Bundesgerichts die vor einer Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen oder des Großen Senats gesetzlich geforderte Vorlage willkürlich unterlässt. Dagegen bietet die Vorlagemöglichkeit gem. § 11 Abs. 4 FGO einen weiten Spielraum.
2. Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die ungleiche steuerliche Behandlung von Schenkungs- und Erbfällen nicht verletzt(hier: gemischte Schenkung, Berechnung der Bereicherung bzw. der Steuer aufgrund von Verkehrswert bzw. Einheitswert eines Grundstücks)
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1; FGO § 11 Abs. 3-4; ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffene Entscheidung verletzt nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Aus § 11 Abs. 4 FGO ergibt sich eindeutig, daß der Gesetzgeber dem im Einzelfall zuständigen Senat des Bundesfinanzhofs die Entscheidung darüber überlassen hat, ob er die Anrufung des Großen Senats aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält. Allerdings ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch dann verletzt, wenn ein Senat eines obersten Bundesgerichts die vor einer Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats gesetzlich (vgl. § 11 Abs. 3 FGO) geforderte Vorlage an den Großen Senat dieses Gerichts willkürlich unterläßt (BVerfGE 31, 145 ≪171 f.≫). Dagegen ist im Bereich der Vorlagemöglichkeit, die § 11 Abs. 4 FGO eröffnet, dem zur Entscheidung berufenen Senat ein weiter Handlungsspielraum eingeräumt. Im Fall des Beschwerdeführers hat der Bundesfinanzhof im Wege der ihm zustehenden Auslegung und Anwendung einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫) – hier des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 – seine Entscheidung getroffen. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände lassen jedenfalls nicht erkennen, daß der zuständige Senat des Bundesfinanzhofs von Verfassungs wegen verpflichtet war, den Großen Senat anzurufen. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgerichtt die Befugnis der Gerichte zur richterlichen Rechtsfortbildung stets bejaht (vgl. BVerfGE 69, 188 ≪203≫).
Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Mit der Verfassungsbeschwerde wird die ungleiche steuerliche Behandlung von Schenkungs-, und Erbfällen gerügt. Dabei steht außer Zweifel, daß keine verschiedene Behandlung von Personengruppen erfolgt, die bei vergleichbaren Sachverhalten zur Schenkungsteuer herangezogen werden. Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen läßt der Gleichheitssatz aber nicht nur dem Gesetzgeber, sondern auch der Rechtsprechung weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪89≫). Dafür, daß die Entscheidung willkürlich ist, fehlt jeder Anhaltspunkt. Wie der Beschwerdeführer mit dem von ihm angeführten Beispiel selbst belegt, wird nur der Anteil der Bereicherung bei gemischten Schenkungen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unter Zugrundelegung des Verkehrswerts des Grundstücks bestimmt; für die Bemessung der Steuer wird dann aber der Einheitswert des Grundstücks herangezogen.
Bei der Entscheidung über die Gebühr und über ihre Höhe wurden alle Umstände, insbesondere das Gewicht der geltend gemachten Gründe, berücksichtigt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen