Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung nach Zustellung eines Versäumnisurteils an eine im Ausland lebende Partei durch Aufgabe zur Post
Leitsatz (redaktionell)
Wenn eine Prozeßpartei es trotz richterlichen Hinweises unterlassen hatte, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, liegen die Voraussetzungen für eine Zustellung nach § 175 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO vor. Bei der Zustellung ins Ausland (hier: nach Italien) handelt es sich nicht um eine Zustellung im Ausland, sondern eine Inlandszustellung, so daß eine Fristbestimmung nach § 339 Abs. 2 ZPO nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht in Betracht kommt. Eine Beförderung per Luftpost oder eine Vorabinformation der Zustellungsempfänger per Fax, die – wie dem Gericht bekannt war – über einen entsprechenden Anschluß verfügen, hätte zwar bei rücksichtsvoller Verfahrensgestaltung nahegelegen, war aber rechtlich nicht zwingend geboten.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 175 Abs. 1 Sätze 2-3, § 339 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 11.04.1995; Aktenzeichen 1 Ta 118/95) |
LAG Hamm (Urteil vom 11.04.1995; Aktenzeichen 1 Ta 119/95) |
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 30.01.1995; Aktenzeichen 3 Ca 3025/93) |
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 30.01.1995; Aktenzeichen 3 Ca 3033/93) |
Tatbestand
I.
Den Beschwerdeführern, die in Italien leben, ist ein Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post zugestellt worden. Sie haben es erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erhalten. Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht anzunehmen ist (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch erwächst den Beschwerdeführern aus der Nichtannahme ein schwerer Nachteil.
Die Annahme ist auch nicht aus anderen Gründen zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine Zustellung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO lagen vor, da die Beschwerdeführer es trotz richterlichen Hinweises unterlassen hatten, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht (vgl. zur Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post: BVerfGE 25, 158 ≪164 f.≫). Eine Fristbestimmung nach § 339 Abs. 2 ZPO kam nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Zustellung im Ausland, sondern eine Inlandszustellung handelte (vgl. BGHZ 98, 263 ≪266 f.≫; OLG München, RPfleger, 1983, S. 75). Eine Beförderung per Luftpost (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 20. Aufl., 1997, § 175, Rn. 4 a.E.) oder eine Vorabinformation der Beschwerdeführer per Fax, die – wie dem Gericht bekannt war – über einen entsprechenden Anschluß verfügen, hätte zwar bei rücksichtsvoller Verfahrensgestaltung nahegelegen, war aber rechtlich nicht zwingend geboten. Der Frage, ob es der im Rechtsstaatsgebot wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens geboten hätte, den Beschwerdeführern Wiedereinsetzung zu gewähren, braucht nicht im einzelnen nachgegangen zu werden. Selbst wenn sie zu bejahen wäre – wofür einiges spricht (vgl. BGH, NJW 1992, S. 1701 ≪1702≫) – läge ein so gewichtiger Verfassungsverstoß, daß allein deshalb eine Annahme der Verfassungsbeschwerde angezeigt wäre, nicht vor. Die vom Landesarbeitsgericht für die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs angeführten Gründe sind nicht schlechthin unvertretbar (vgl. Beschluß der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Februar 1996 – 1 BvR 2160/95 –).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
NJW 1997, 1772 |
IPRspr. 1997, 171 |