Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungen, Übergangsgelder und Versorgungsabfindungen von Abgeordneten
Leitsatz (redaktionell)
1. Daß der Gesetzgeber Entschädigungen, Übergangsgelder und Versorgungsabfindungen von Abgeordneten gem. § 22 Nr. 4 Satz 1 EStG als „sonstige Einkünfte” der Besteuerung unterwirft, ist verfassungskonform.
2. Soweit der Gesetzgeber in § 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. c EStG i. d. F. des Art. II Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1977 (BGBl I, 927) eine steuerliche Begünstigung für das in einem Betrag gezahlte Übergangsgeld und für die Versorgungsabfindung nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 3 EStG vorgesehen hat, sind auch hierfür hinreichende sachliche Gründe ersichtlich.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 22 Nr. 4 Sätze 1, 4 Buchst. c, § 34 Abs. 3
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 30.12.1988; Aktenzeichen IX B 101/88) |
FG Nürnberg (Urteil vom 26.02.1988; Aktenzeichen VII 108/86) |
Gründe
Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zugrundeliegende Regelung des § 22 Nr. 4 Satz 1 und Satz 4 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) lassen, soweit ihre Prüfung zum Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens gemacht worden ist, einen Grundrechtsverstoß nicht erkennen. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß das Übergangsgeld und die Versorgungsabfindung, die ein Abgeordneter anläßlich seines Ausscheidens aus dem Parlament erhalten hat, einkommensteuerlich nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 3 EStG begünstigt wird.
1. Zunächst einmal stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn das Einkommensteuergesetz mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Regelungen knüpft. Dies muß allerdings eine Rechtfertigung – wenn auch in typisierender und generalisierender Weise – in ausreichenden Sachgründen haben. Die systematische Unterscheidung durch den Gesetzgeber kann für sich allein die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 28, 227 ≪238≫; 46, 224 ≪240≫; 84, 348 ≪363 f≫). Solche sachlichen Gründe sind aber vorliegend gegeben.
a) Soweit der Gesetzgeber in § 22 Nr. 4 Satz 1 EStG insbesondere Entschädigungen, Übergangsgelder und Versorgungsabfindungen von Abgeordneten als „sonstige Einkünfte” der Besteuerung unterwirft, bewegt er sich im Bereich verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen. Das „Berufsbild” eines Abgeordneten unterscheidet sich so sehr von dem Berufsbild eines Arbeitnehmers oder eines freiberuflich Tätigen, daß es hinreichend gerechtfertigt ist, wenn Einkünfte aus einer solchen Parlamentszugehörigkeit weder den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG noch den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG zugerechnet werden (vgl. BTDrucks. 7/5531 S. 8 f.; vgl. auch BVerfGE 76, 256 ≪342≫). Ob der Gesetzgeber die Bezüge eines Abgeordneten auch als Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG hätte erfassen können, wie die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Einordnung der Ratstätigkeit eines Oberbürgermeisters durch den Bundesfinanzhof (BStBl. 1988 II S. 266, 267 f.) meinen, bedarf keiner Prüfung. Denn selbst wenn diese Annahme richtig wäre, ergäbe sich daraus nicht die Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Regelung.
b) Soweit der Gesetzgeber in § 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. c EStG eine steuerliche Begünstigung für das in einem Betrag gezahlte Übergangsgeld und für die Versorgungsabfindung nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 3 EStG vorgesehen hat, sind auch hierfür hinreichende sachliche Gründe ersichtlich.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Diäten-Urteil hervorgehoben, daß die Bemessung des parlamentarischen Einkommens die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten und die praktische Möglichkeit, sich seiner eigentlichen parlamentarischen Tätigkeit zu widmen, nicht gefährden dürfe. Die Alimentation sei also so zu bemessen, daß sie auch für den, der infolge des Mandats Berufseinkommen ganz oder teilweise verliere, eine Lebensführung gestatte, die der Bedeutung des Amtes angemessen sei (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪315 f.≫). Das Recht und die Pflicht des Gesetzgebers, die Entschädigung der Abgeordneten entsprechend festzulegen, schließen grundsätzlich die Befugnis mit ein, sowohl den Bereich steuerfreier Aufwandsentschädigungen und steuerpflichtiger sonstiger Entschädigungen festzulegen (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪328≫) als auch Übergangsgeld und Versorgungsabfindung nicht wie eine Entschädigung für den Verlust des Abgeordnetenmandats zu behandeln, sondern als Bezüge für bereits Geleistetes zu bewerten. Weder ist diese Bewertung willkürlich vorgenommen noch läßt sie eine verfassungsrechtlich unverträgliche Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern oder selbständig Tätigen erkennen.
Zum einen steht von vornherein fest, in welchem Umfang ein Abgeordneter ein Übergangsgeld und eine Versorgungsabfindung in Anspruch nehmen kann; beide Leistungen hängen wesentlich von der Dauer der Zugehörigkeit zum Parlament ab. Es kann daher nicht als unsachlich gelten, wenn diese Leistungen wie eine Vergütung für eine Tätigkeit angesehen werden, die sich über mehrere Jahre erstreckt, aber erst am Ende der Tätigkeit zur Auszahlung gelangt, und folglich der Regelung des § 34 Abs. 3 EStG unterstellt werden.
Zum anderen würde auch einem Arbeitnehmer oder einem selbständig Tätigen, der eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit erhielte, grundsätzlich nur die Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG eröffnet (vgl. Seeger, in: Schmidt, EStG-Komm., 11. Aufl., 1992, § 34 Rdnr. 17 a.E.; Borggreve, in: Littmann/ Blitz/Meincke, EStG-Komm., Stand: 11. Lfg., 1992, § 34 Rdnr. 54, 61 a). Nichts anderes gilt insoweit für einen Abgeordneten. Eine Ungleichbehandlung mit den von den Beschwerdeführern aufgeführten Fällen liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich dabei um andere Sachverhalte handelt: z. B. um die Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebes im ganzen oder um den Verlust eines Arbeitsplatzes gegen Zahlung einer Abfindung (vgl. §§ 3 Nr. 9, 3 Nr. 10, 16, 18 Abs. 3, 34 Abs. 2, 34 Abs. 1 EStG).
2. Ob schließlich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 22 Nr. 4 Satz 1 und Satz 4 Buchst. c EStG die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, ist von Verfassungs wegen nicht zu entscheiden (vgl. BVerfGE 81, 108 ≪117 f.≫ m.w.N.).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen