Parkhaus erbschaftsteuerrechtlich nicht begünstigt
Vorbemerkung
Mit den §§ 13a f. ErbStG wird Betriebsvermögen für den Fall eines erbschaft- bzw. schenkungsteuerpflichtigen Vorgangs begünstigt. Der Gesetzgeber begründet diese Begünstigung damit, dass in Betrieben oft in erheblichem Maße Kapital für Produktionszwecke gebunden ist, das vor einer anfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, die regelmäßig nicht aus liquidem Vermögen oder laufenden Erträgen beglichen werden kann, geschützt werden soll, um nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Liquiditätsreserven und Investitionsfähigkeit der betroffenen Unternehmen zu gefährden (vgl. BT-Drs. 16/7918 v. 28.1.2008, 33).
Mit der Unterscheidung zwischen begünstigtem Vermögen und i.d.R. nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 ErbStG) legt der Gesetzgeber fest, welche Vermögensbestandteile eines Betriebs er trotz Betriebszugehörigkeit für nicht förderungswürdig – weil nicht produktiv – und damit für nicht arbeitsplatzerhaltend hält.
Für Verwaltungsvermögen ist regelmäßig ein Begünstigungsausschluss normiert. Durch die Anwendung eines 90%-Tests kann ein hohes Verwaltungsvermögen auch zu einer Versagung der Steuerbegünstigung für das ansonsten begünstigte Vermögen führen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG).
Offene Frage
In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt stellte sich die Frage, ob ein an den Erben verpachtetes Parkhaus nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen auslöst.
Sachverhalt
Der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt verhielt sich wie folgt:
- Der Kläger ist Alleinerbe seines in 2018 verstorbenen Vaters (Erblasser).
- Die Erbeinsetzung erfolgte durch notariell beurkundetes Testament.
- Zum Nachlassvermögen gehört das Einzelunternehmen des Erblassers. Dieses umfasste ein mit einem Parkhaus und einer Tankstelle bebautes Grundstück.
- Das Parkhaus, das täglich 24 Stunden geöffnet war, hatte der Erblasser ursprünglich selbst betrieben und damit Parkplätze an Dritte vermietet. Ab Anfang 2000 verpachtete er das Parkhaus unbefristet an den Kläger. Die Einnahmen aus dem Pachtverhältnis führten beim Erblasser ertragsteuerlich zu gewerblichen Einkünften.
- Die Tankstelle, die 7,12% der gesamten Bruttofläche des bebauten Grundstücks ausmachte, war bis Ende 2018 an eine GmbH verpachtet.
In der Erklärung zur Feststellung des Werts des Betriebsvermögens ging der Kläger davon aus, dass kein Verwaltungsvermögen vorhanden war.
Nach Auffassung des Finanzamts stellte das Parkhaus-Grundstück in vollem Umfang begünstigungsschädliches Verwaltungsvermögen dar. Der an den Kläger verpachtete Betrieb (Parkhaus) stellte vor der Verpachtung bei dem Erblasser Verwaltungsvermögen dar (siehe § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Satz 2 ErbStG; R E 13b.13 Satz 3 ErbStR).
FG Köln: Parkhaus stellt Verwaltungsvermögen dar
Das FG Köln (Urteil v. 10.6.2021, 7 K 2718/20) schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und qualifizierte das Parkhaus ebenfalls als Verwaltungsvermögen.
Entscheidung des BFH: Revision ist unbegründet
Die gegen die Entscheidung des FG Köln eingelegte Revision hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen – und zwar aus folgenden wesentlichen Gründen:
Zum von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG). Hierzu rechnen sowohl das zum Todeszeitpunkt des Erblassers an den Kläger verpachtete Parkhaus als auch die an eine GmbH verpachtete Tankstelle.
Zur Zuordnung zum begünstigten Vermögen kann es bei Anwendung einer sog. Rückausnahme kommen. Die Voraussetzung für die Anwendung dieser sog. Rückausnahme nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG ist nur in Bezug auf die Parkhausverpachtung erfüllt. Denn der Parkhausbetrieb wird unbefristet an den Kläger verpachtet. Die Verpachtung führte beim Erblasser zu gewerblichen Einkünften. Der Erblasser hatte den Kläger als Pächter des Parkhauses durch Testament als Erben eingesetzt.
Diese Rückausnahme erfährt aber durch § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Satz 2 ErbStG eine erneute Einschränkung.
Die Rückausnahme von der Rückausnahme gilt danach nicht für verpachtete Betriebe, soweit sie vor ihrer Verpachtung die Voraussetzung für die Begründung von begünstigtem Vermögen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die Wohnungsunternehmen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG) sind. Aus folgenden Gründen kommt diese Vorschrift in Bezug auf den Parkhausbetrieb zur Anwendung:
- Das an den Sohn verpachtete Parkhaus war bereits vor dieser Verpachtung steuerschädliches Verwaltungsvermögen des Erblassers, da die verfügbaren Parkplätze durch diesen als früheren Betreiber an die Parkenden (= Dritte) zur Nutzung überlassen wurden (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG). Betrachtet werden muss damit nicht nur das Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben.
- Als Nutzungsüberlassung an Dritte sieht der BFH sowohl die kurzfristige als auch die längerfristige Parkplatzvermietung an. Forderungen, kurzfristige Überlassungen nicht als eine solche Nutzungsüberlassung anzusehen, hat der BFH bei seiner wortlautgetreuen Auslegung nicht übernommen. Unerheblich sei auch, dass durch die entgeltliche Parkplatzvermietung für Kurzparker ertragsteuerlich originäre gewerbliche Einkünfte erzielt werden (BFH, Urteil v. 9.4.2003, X R 21/00, BStBl II 2003, 520). Selbst wenn ertragsteuerlich gewerbliche Einkünfte vorliegen, liegt eine Überlassung von Grundstücksteilen zur Nutzung an Dritte vor.
- Die Sonderregelung für Wohnungsunternehmen kommt im Entscheidungsfall nicht zur Anwendung.
- Unbeachtlich ist, ob zu der Überlassung der Parkplätze weitere gewerbliche Leistungen, z. B. eine Ein- und Ausfahrtkontrolle und eine Entgeltzahlungsdienstleistung, hinzukommen. Darauf stellt das Erbschaftsteuergesetz nicht ab.
- Der BFH sieht in der einschränkenden Regelung keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Grundstücksüberlassungen.
Praxisanmerkungen
Die aktuelle BFH-Entscheidung verdeutlicht die Komplexität der Prüfung des Betriebsvermögensprivilegs. Die Zuordnung zum Verwaltungsvermögen ist auch bei Anwendung des 90 %-Tests (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) bedeutsam.
Eine zu schädlichem Verwaltungsvermögen führende Überlassung von Grundstücken zur Nutzung durch Dritte (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht vor, wenn die Tätigkeit nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten insgesamt als originär gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist (z. B. bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels, Pensionen oder Campingplätzen). Ob vor dem Hintergrund der Rezensionsentscheidung an dieser Auffassung in R E 13b.13 Satz 3 ErbStR festgehalten werden kann, bleibt abzuwarten.
Beachtenswert ist überdies Folgendes: Die unterschiedliche ErbSt-Begünstigung des Privatvermögens und des Betriebsvermögens steht gegenwärtig ohnehin auf dem Prüfstand des BVerfG (Az. 1 BvR 804/22). Es stellt sich die Frage, ob die Begünstigungen zugunsten des Betriebsvermögens mit dem GG vereinbar sind oder ob Erwerber von Privatvermögen in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden. Das BVerfG hat für 2024 eine Entscheidung angekündigt; es ist davon auszugehen, dass das BVerfG über den Einzelfall hinaus auch Aussagen zu den Verschonungsregelungen bei betrieblichem Vermögen tätigen wird.
BFH, Urteil v. 28.2.2024, II R 27/21; veröffentlicht am 27.6.2024
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