Noch kein Steuerabzug für Hausgeldzahlungen in die Erhaltungsrücklage

Grundsätzliches
Durch die Novellierung des WEG durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 (BGBl I 2020, 2187) hat der Gesetzgeber der WEG die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt (vgl. § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG). Die Neuregelung gilt ab dem 1.12.2020.
Die zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Benutzung insbesondere des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümer anzusammelnde Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) ist dem Gemeinschaftsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzuordnen. Zivilrechtlich steht das der Rücklage zugeführte Vermögen nur der Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Der einzelne Wohnungseigentümer hat hieran keinen rechtlich anzuerkennenden, frei veräußerbaren Anteil.
Der einzelne Wohnungseigentümer ist damit nicht mehr in Höhe seiner Zahlung „Eigentümer“ am Verwaltungsvermögen – wozu auch die Erhaltungsrücklage gehört.
Vom BFH zu klärende Frage
Vor dem Hintergrund der Änderung des WEG musste der BFH die Frage beurteilen, ob seit Einführung einer vollen Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits im Zuführungszeitpunkt in eine Erhaltungsrücklage ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zulässig ist.
Sachverhalt: Hausgeldzahlungen einschließlich Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Die Kläger sind Ehegatten und werden im Streitjahr 2021 zusammenveranlagt.
- Die Kläger erzielen u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zweier Eigentumswohnungen.
- Bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden nur die vom Verwalter getätigten Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage als Werbungskosten angesetzt.
- Im Einspruchsverfahren begehrten die Kläger die vollständige Zuführung in die Erhaltungsrücklage als Werbungskosten, weil durch das am 1.12.2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG v. 16.10.2020 – BGBl I 2020, 2187) die WEG rechtsfähig sei.
- Das Finanzamt ließ den von den Klägern begehrten Werbungskostenabzug für die Zuführung in die Erhaltungsrücklage von 1.326 EUR nicht zu.
FG Nürnberg: Werbungkostenabzug erst bei Verwendung der Erhaltungsrücklage zulässig
Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG Nürnberg (Urteil v. 12.3.2024, 1 K 866/23, EFG 2025, 237) ist ein Werbungskostenabzug nicht bei Zuführung in die Erhaltungsrücklage, sondern erst bei tatsächlicher Verwendung aus der Erhaltungsrücklage zulässig.
Entscheidung: Rücklagenzuführung löst noch keinen Werbungskostenabzug aus
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die Leistungen des Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft seien steuerlich noch nicht bei Einzahlung abziehbar.
- Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG).
- Ein solcher Veranlassungszusammenhang der Erhaltungsrücklage mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegt erst bei Verausgabung vor, weil erst dann eine Zuordnung zu den sofort abziehbaren Erhaltungsaufwendungen oder zu den (anschaffungsnahen) Herstellungskosten vorgenommen werden kann (BFH, Urteil v. 21.10.2005, IX B 144/05, BFH/NV 2006, 291).
- An dieser Rechtsauslegung hält der BFH trotz gesetzlicher Neuregelung im Wohnungseigentumsrecht fest. Denn trotz der Rechtsfähigkeit der WEG liegt im Zeitpunkt der Zahlung des der Rücklage zugeführten Betrags noch kein für den Werbungskostenabzug ausreichender Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vor. Bei Zahlung ist noch nicht absehbar, ob, wann und in welcher Höhe eine Verwendung erfolgt. Unverändert ist erst im Zeitpunkt der Verausgabung der Mittel der Rücklage sicher, ob die jeweilige Erhaltungsmaßnahme auch steuerlich als eine solche zu beurteilen ist (Rz. 24).
Praxisfolgen
Die BFH-Entscheidung bestätigt die Verwaltungsauffassung (siehe OFD Frankfurt a.M. v. 9.11.2022, S 2211 A-12-St 214, DStR 2023, 281). Die BFH-Entscheidung dürfte sowohl für laufende Rücklageneinzahlungen als auch für Sonderumlagen gelten.
Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung das Urteil zügig umsetzt, so dass Einspruchsverfahren, die im Hinblick auf die Revisionsentscheidung des BFH nach § 363 AO bislang ruhten, nunmehr kurzfristig (negativ) entschieden werden.
Diese Entscheidung bestätigt auch die Auffassung der Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Beanspruchung einer Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG. Aufwendungen in eine Erhaltungsrücklage können noch nicht bei Einzahlung geltend gemacht werden. Erst wenn Aufwendungen i.S.d. § 35a Abs. 3 EStG durch eine Entnahme aus der Erhaltungsrücklage finanziert werden, können diese
- im Jahr der Verwendung der Rücklagen oder
- im Jahr der Genehmigung der Jahresabrechnung, die den Abfluss aus der Instandhaltungsrücklage beinhaltet,
berücksichtigt werden (BMF, Schreiben v. 9.11.2016, BStBl I 2016, 1213 unter Berücksichtigung der Änderungen durch das BMF, Schreiben v. 1.9.2021, BStBl I 2021, 1494). Die gilt sowohl für die regelmäßigen Zahlungen in eine Erhaltungsrücklage als auch für Sonderumlagen. Auch Sonderumlagen lösen erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Verbrauchs eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG aus.
In einem anhängigen Verfahren wird der BFH noch zu entscheiden haben, ob die Beiträge zur Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümerschaft bei bilanzierenden Eigentümern als Wirtschaftsgut zu aktivieren sind. Das FG Köln hat sich mit Urteil v. 21.6.2023 (2 K 158/20, EFG 2023, 1770, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 19/23) für eine Aktivierung ausgesprochen; vor dem Hintergrund der aktuellen BFH-Entscheidung zu den Überschusseinkünften ist jedoch damit zu rechnen, dass auch bei den Gewinneinkünften erst im Zeitpunkt des Verbrauchs der Erhaltungsrücklage ein Betriebsausgabenabzug zugelassen wird.
BFH, Urteil v. 14.1.2025, IX R 19/24; veröffentlicht am 25.2.2025
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