Entscheidungsstichwort (Thema)
Landesrechtliche Neuordnung der Gemeindeeinfuhrsteuer für Helgoland. Zollhoheit des Bundes. Helgolandgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß Art. 73 Ziff. 5 GG gehört das gesamte Zollwesen zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes.
2. Die Länder sind nicht nur durch Art. 105 Abs. 1 GG gehindert, „Zölle” einzuführen, sondern sie können auch nicht andere Abgaben vom Warenverkehr über eine Grenze regeln, sofern sie dadurch in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes über das Zollwesen eingreifen.
Leitsatz (redaktionell)
Die deutsche Zollhoheit ist in Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet angeschlossen sind, nicht wirksam. Daraus folgt, daß in Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind, also z. B. in Helgoland, die Zollhoheit des Bundes bestehen bleibt, obwohl sie nicht zum Zollgebiet gehören.
Normenkette
GG Art. 31, 71, 73 Nr. 5, Art. 105 Abs. 1, 2 Nr. 1; HgAufbGErgG SH
Verfahrensgang
FG Hamburg (Vorlegungsbeschluss vom 28.10.1954; Aktenzeichen IV 172/54 H) |
Gründe
I.
1. In Art. XII des deutsch-englischen Abkommens vom 1. Juli 1890 wurde die Insel Helgoland, die im Britischen Reich den Status einer auswärtigen Besitzung hatte und von einem Gouverneur verwaltet wurde, an das Deutsche Reich abgetreten. In Ziff. 4 dieses Artikels wurde festgelegt, daß „die zur Zeit bestehenden heimischen Gesetze und Gewohnheiten” soweit wie möglich unverändert fortbestehen bleiben sollten; in Ziff. 5 verpflichtete sich die deutsche Regierung, bis zum 1. Januar 1910 den zur Zeit auf der Insel geltenden Zolltarif nicht zu erhöhen.
Um diesen Vereinbarungen zu genügen, bestimmte § 2 des Reichsgesetzes betreffend die Vereinigung von Helgoland mit dem Deutschen Reich vom 15. Dezember 1890 (RGBl. S. 207), daß die Verfassung des Deutschen Reichs „mit Ausnahme des Abschnitts VI über das Zoll- und Handelswesen” auf der Insel in Geltung trat. Danach galten für das Gebiet der Insel Helgoland insbesondere die Artikel der Reichsverfassung nicht, die bestimmten, daß Deutschland ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von einer einheitlichen Zollgrenze, bildete (Art. 33), daß das Reich die ausschließliche Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen hatte (Art. 35), und daß der Ertrag der Zölle in die Reichskasse floß (Art. 38). Die Zollhoheit des Reichs erstreckte sich also nicht auf Helgoland, obwohl die Insel zum Hoheitsgebiet des Reichs gehörte. Infolgedessen konnte Preußen, mit dessen Staatsgebiet die Insel vereinigt wurde, in § 9 Abs. 1 und 2 des Vereinigungsgesetzes vom 18. Februar 1891 (GS S. 11) bestimmen:
„Die für Rechnung des Gemeinwesens in Helgoland zur Hebung kommenden Zölle, Steuern, Pachtgefälle, Abgaben, Taxen usw. sind bis auf weiteres fernerhin zu den Zwecken, welchen sie bisher gedient haben, zu verwenden.
Die Verwaltung der bezeichneten Einnahmen und die Verwendung derselben erfolgt unter staatlicher Leitung und Aufsicht.”
Auf dieser Rechtsgrundlage wurden nach der Vereinigung Helgolands mit dem Deutschen Reich und mit Preußen von den staatlichen Zollbehörden weiterhin „Einfuhrzölle” nach den alten Ordinances des englischen Gouverneurs erhoben. Sie waren auf Wein, Bier, Spiritus, Petroleum und andere aus Mineralien gewonnene Brennöle gelegt.
Die im Reichsgesetz von 1890 festgelegte verfassungsrechtliche Sonderstellung Helgolands wurde durch Art. 178 Abs. 2 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung beseitigt. Da weder die Vorschriften über das Zollwesen noch die Übergangsbestimmungen der Verfassung eine Ausnahme enthielten, erstreckte sich nunmehr die in Art. 6 Ziff. 6 dem Reich zugewiesene ausschließliche Gesetzgebung über „das Zollwesen sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets und die Freizügigkeit des Warenverkehrs” auch auf Helgoland. Ebenso galt für Helgoland auch Art. 82 über die Einheit des von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze umgebenen Zoll- und Handelsgebiets. Zwar blieb die Insel gemäß Art. 82 Abs. 4 i. V. m. Art. 178 Abs. 2 Satz 1 WRV Zollausschlußgebiet, aber nunmehr erstreckte sich die Zollhoheit des Reichs auch auf sie.
Trotzdem wurden unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die „Einfuhrzölle” nach Maßgabe der englischen Ordinances durch die Zollbehörden, die nunmehr Behörden des Reichs waren, weiter erhoben. Zweifel über ihre Zulässigkeit tauchten erst auf, als die Gemeindevertretung von Helgoland die „Zölle” durch Beschluß vom 31. März 1924 erhöhte. Der Reichsminister der Finanzen ersuchte nunmehr den Reichsfinanzhof um ein Gutachten. Der Reichsfinanzhof charakterisierte in dem Gutachten vom 23. Mai 1927 (RFH 21, 234) die Helgoländer Einfuhrabgaben als Zölle; er führte aus, es sei mit Art. 6 Ziff. 6 WRV unvereinbar, „daß in einem Teile des Reichs die Gesetzgebung über Zölle dem Lande oder einer Gemeinde überlassen bleibt”, und stellte fest: „Die Gemeinde Helgoland ist nach geltendem Reichsrecht nicht befugt, Einfuhrzölle auf Bier, Wein, weinähnliche Getränke, Schaumwein und schaumweinähnliche Getränke sowie Trinkbranntwein und Sprit abweichend von den reichsrechtlichen Vorschriften zu erheben.” Demgemäß wurde die Erhebung der „Einfuhrzölle” in Helgoland am 14. Januar 1928 eingestellt.
Da der Fortfall dieser Einnahmen die Gemeinde schwer traf, und da der große Preisunterschied zwischen der Insel und dem Festland starken Anreiz zum Schmuggel bot, schuf ein Reichsgesetz über die Einfuhrsteuer der Gemeinde Helgoland vom 20. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1257) eine neue Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abgaben auf die Einfuhr bestimmter Waren nach Helgoland. In § 1 wurde die Gemeinde Helgoland ermächtigt, auf die Einfuhr von Bier, Wein, Schaumwein, unbearbeitetem Branntwein, Trinkbranntweinerzeugnissen und Tabakerzeugnissen mit Ausnahme von Kau- und Schnupftabak eine „Steuer” zu erheben, die als „Gemeindeeinfuhrsteuer” bezeichnet wurde. Nach § 3 bedurfte die Ordnung über die Erhebung der Einfuhrsteuer der Genehmigung des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern und des Reichsministers der Finanzen. Auf Grund dieses Gesetzes erließ der Gemeindeschulze der Gemeinde Helgoland unter dem 22. Februar 1935 die „Ordnung über die Erhebung einer Einfuhrsteuer (Gemeindeeinfuhrsteuer) auf der Insel Helgoland”, die von den zuständigen Stellen genehmigt wurde. In dieser Gemeindesatzung waren die Steuersätze im Rahmen der reichsgesetzlichen Ermächtigung festgelegt und die erforderlichen Bestimmungen über die Entstehung der Steuerschuld, über den Steuerschuldner, über die Verwaltung der Steuer durch die Reichszollverwaltung usw. getroffen.
Das Zollgesetz (ZG) vom 20. März 1939 (RGBl. I S. 529) bestätigte in § 5 Abs. 1 Ziff. 5 die Eigenschaft Helgolands als Zollausschlußgebiet.
Nach der Freigabe der Insel Helgoland durch die britische Besatzungsmacht erließ das Land Schleswig-Holstein das „Gesetz über den Wiederaufbau und die Verwaltung der Gemeinde Helgoland (Helgoland-Gesetz)” vom 15. März 1952 (GVBl. S. 62). Bei den Vorarbeiten für dieses Gesetz waren sich die Landesregierung und der Landtag darüber klar, daß auch das Gemeindeeinfuhrsteuergesetz von 1934 den neuen Verhältnissen angepaßt werden müsse, und zwar sowohl wegen des veränderten Aufbaus der Bundesfinanzverwaltung wie vor allem wegen der Steuersätze, die durch § 2 des Gesetzes von 1934 in Höhe einer etwa 50 %igen Festlandbesteuerung begrenzt waren. Es schien notwendig, im Hinblick auf die erheblich angestiegenen festländischen Steuersätze die Steuersätze der helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer entsprechend zu erhöhen, und mit Rücksicht auf die neuen Verbrauchsteuern für Kaffee und Tee die Gemeindeeinfuhrsteuer auf diese Waren auszudehnen. Eine Anregung des Landes Schleswig-Holstein an den Bundesminister der Finanzen, das Gemeindeeinfuhrsteuergesetz von 1934 durch Bundesgesetz zu ändern, wurde mit Schreiben vom 29. März 1952 abschlägig beschieden. Der Bundesfinanzminister teilte mit, daß die Bundesressorts nach umfassender Prüfung der Angelegenheit der Auffassung seien, die Gemeindeeinfuhrsteuer sei eine Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis; Schleswig-Holstein könne daher das Reichsgesetz über die Einfuhrsteuer der Gemeinde Helgoland vom 20. Dezember 1934 in eigener Zuständigkeit ändern. Daraufhin erließ Schleswig-Holstein das „Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über den Wiederaufbau und die Verwaltung der Gemeinde Helgoland (Helgoland-Gesetz)” vom 8. Juli 1953 (GVBl. S. 75), dessen Art. I Ziff. 3 folgenden § 8 a in das Helgoland-Gesetz vom 15. März 1952 einfügte:
„Gemeindeeinfuhrsteuer.
(1) Die Gemeinde Helgoland erhebt auf die Einfuhr von Bier, Wein, Schaumwein, unbearbeitetem Branntwein, Trinkbranntweinerzeugnissen, Tabakerzeugnissen mit Ausnahme von Kau- und Schnupftabak, Tee, Kaffee eine Steuer (Gemeindeeinfuhrsteuer).
(2) Der Innenminister erläßt im Einvernehmen mit dem Finanzminister nach Anhörung der Gemeinde Helgoland die Steuerordnung für die Erhebung der Gemeindeeinfuhrsteuer.
(3) Die Steuerordnung kann vorsehen
- daß die Verwaltung von dem für die Insel Helgoland zuständigen Hauptzollamt durchgeführt wird und daß in diesem Falle die Entscheidung über den Erlaß der Steuer aus Billigkeitsgründen dem zuständigen Hauptzollamt zusteht. Soweit die Verwaltung durch das für die Insel Helgoland zuständige Hauptzollamt wahrgenommen wird, ist dafür eine angemessene Entschädigung an den Bund zu zahlen,
- daß gegen die Steuerbescheide das für Zölle und Verbrauchssteuern geltende Rechtsmittelverfahren sowie auf das Verfahren bei Zuwiderhandlungen die Vorschriften der Reichsabgabenordnung entsprechende Anwendung finden,
- daß solche steuerpflichtigen Waren nachversteuert werden, die sich am Tage des Inkrafttretens der Steuerordnung auf der Insel Helgoland im Besitz. von Händlern, Wirten, Fremdenheimen, Konsumvereinen und Kasinos und ähnlichen Vereinigungen befinden. „
Art. II Satz 2 bestimmt:
„Gleichzeitig tritt das Gesetz über die Einfuhrsteuer der Gemeinde Helgoland vom 20. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1257) außer Kraft; die auf Grund des § 3 dieses Gesetzes erlassene Ordnung für die Erhebung einer Einfuhrsteuer (Gemeindeeinfuhrsteuer) auf der Insel Helgoland bleibt jedoch bis zum Inkrafttreten der auf Grund des Artikel I Ziff. 3 zu erlassenden Steuerordnung der Gemeinde Helgoland in Kraft.”
Diese neue „Ordnung über die Erhebung einer Einfuhrsteuer (Gemeindeeinfuhrsteuer) auf der Insel Helgoland (EStOHg.)” und eine „Nachsteuerordnung zur Ordnung über die Erhebung einer Einfuhrsteuer (Gemeindeeinfuhrsteuer) auf der Insel Helgoland (NStEStOHg.)” ergingen als Verordnungen des Innenministers im Einvernehmen mit dem Finanzminister unter dem 18. September 1953 (GVBl. S. 127, 129). Beide Verordnungen traten am 1. Oktober 1953 in Kraft. Erst die EStOHg legt die Steuersätze fest, über die das Gesetz nichts sagt, und bestimmt, wann die Steuerschuld entsteht und wer Steuerschuldner ist.
2. Bei dem Finanzgericht Hamburg ist ein Berufungsverfahren in der Gemeindeeinfuhrsteuersache des Kaufmanns S. in Helgoland anhängig. Der Berufungsführer ist auf Grund der Nachsteuerordnung zur Gemeindeeinfuhrsteuer in Höhe von 235,10 DM für die in der Zeit vom 1. bis 10. Oktober 1953 an die Inselbewohner verkauften nachsteuerbaren Waren herangezogen worden. Das Finanzgericht Hamburg hat sich mit der materiellen Berechtigung der Steuerforderung nicht auseinandergesetzt, sondern durch Beschluß vom 28. Oktober 1954 das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage einzuholen, ob Art. I Ziff. 3 und Art. II Satz 2 des Änderungs- und Ergänzungsgesetzes zum Helgoland-Gesetz vom 8. Juli 1953 und die daraufhin ergangenen Steuerordnungen mit Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 GG sowie Art. 31 GG i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 2 des Zollgesetzes vom 20. März 1939 vereinbar sind. Das Finanzgericht hält diese Bestimmungen für verfassungswidrig, da es sich bei der helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer um einen Zoll handele, für den dem Bund gemäß Art. 105 Abs. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zustehe.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsorganen des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein sowie dem Bundesfinanzhof, den obersten Gerichten des Landes Schleswig- Holstein und den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit gegeben, sich zu äußern.
Der Bundesminister der Finanzen bejaht die Vereinbarkeit der helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer mit dem Grundgesetz. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sie weder Zoll noch Verbrauchsteuer, sondern eine Verkehrsteuer sei, und zwar eine solche mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. Die Landesregierung hat sich im wesentlichen der Stellungnahme des Bundesfinanzministers angeschlossen. Der Landtag hat sich die Stellungnahme der Landesregierung zu eigen gemacht.
Der V. Senat des Bundesfinanzhofs hingegen vertritt in seiner Stellungnahme im Ergebnis die Auffassung des vorlegenden Gerichts. Er hält die Gemeindeeinfuhrsteuer ihrem Wesen nach für einen Zoll. Mit der Zollhoheit des Bundes, die auch in den Zollausschlüssen bestehe, insbesondere mit der ausschließlichen Gesetzgebungshoheit des Bundes über Zölle, sei es aber unvereinbar, daß durch ein Landesgesetz in einem Zollausschlußgebiet ohne ausdrückliche Ermächtigung des Bundes Abgaben eingeführt würden, die ihrem Wesen nach Zölle seien.
Die Entscheidung konnte gemäß § 25 Abs. 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, da kein Verfassungsorgan dem Verfahren beigetreten ist.
II.
1. Helgoland ist ein Teil des Hoheitsgebietes des Bundes. Grundsätzlich erstreckt sich die Zollhoheit des Bundes auf das Hoheitsgebiet des Bundes. Dieser Grundsatz wird aber durch die Einrichtung der Zollausschlüsse und der Zollanschlüsse durchbrochen. Als Zollausschlußgebiet gehört Helgoland nicht zum deutschen Zollgebiet (§ 2 Abs. 3 Satz 1 ZG).
Das Zollgesetz kennt Zollausschlüsse, die einem fremden Zollgebiet angeschlossen, und solche, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind. Helgoland ist einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen. Zollausschlüsse, die einem fremden Zollgebiet angeschlossen sind, sind Zollausland. Zollausschlüsse, bei denen das nicht der Fall ist, kann man nur als Nicht-Zollgebiet bezeichnen, da sie weder Zollinland (§ 2 Abs. 1 ZG) noch Zollausland (§ 2 Abs. 4 ZG) sind.
Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 ZG ist die deutsche Zollhoheit in Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet angeschlossen sind, nicht wirksam. Daraus folgt, daß in Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind, also z. B. in Helgoland, die Zollhoheit des Bundes bestehen bleibt, obwohl sie nicht zum Zollgebiet gehören. Der Inhalt der Zollhoheit wird in der Klammerdefinition des § 1 Abs. 1 ZG mit den Worten umschrieben: „Zollgesetzgebung, Zollverwaltung und Zollrechtsprechung”. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 ZG wird aber in den Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind, der Teil des Einfuhrzollrechts nicht wirksam, der das Überschreiten der Zollgrenze voraussetzt.
2. Nach Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung „über die Zölle”. Diese Bestimmung zieht eine abgabenrechtliche Folgerung aus Art. 73 Ziff. 5 GG, der dem Bund als Gegenstand seiner ausschließlichen Gesetzgebung „die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes” zuweist. Wenn auch Art. 73 Ziff. 5 GG in der Wortfassung von Art. 6 Ziff. 6 WRV
Das Reich hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
„§ 6. das Zollwesen sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets und die Freizügigkeit des Warenverkehrs;”
und von Art. 35 Abs. 1 Satz 1 der Reichsverfassung von 1871
– „Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen,” -
abweicht, so kann doch auch diese Zuständigkeitsbestimmung keinen anderen Sinn haben als ihre Vorbilder in den beiden früheren Reichsverfassungen: das gesamte Zollwesen gehört auch nach dem Grundgesetz allein zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers. Die „Einheit des Zoll- und Handelsgebietes” als Gegenstand der Gesetzgebung umfaßt notwendig die Erhebung von Abgaben vom Warenverkehr innerhalb des Hoheitsgebietes und an seinen Grenzen. Der Bundesgesetzgeber könnte nicht ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet ordnen, wenn nicht auch er ausschließlich darüber zu bestimmen hätte, ob und welche Abgaben vom Warenverkehr über die Hoheitsgrenzen oder von der räumlichen Bewegung von Waren über bestimmte Grenzen innerhalb des Hoheitsgebietes erhoben werden dürfen.
Art. 105 Abs. 1 GG erwähnt zwar der Vollständigkeit halber bei der Aufteilung der Abgabengesetzgebung zwischen Bund und Ländern auch ausdrücklich die „Zölle” als Gegenstand der ausschließlichen Bundeskompetenz. Aber diese Zuständigkeit würde gemäß Art. 73 Ziff. 5 auch dann bestehen, wenn Art. 105 Abs. 1 die Zölle nicht aufführen würde. Da nach Art. 73 Ziff. 5 die Zollmaterie im weitesten Sinn zur ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehört, ergibt sich weiter, daß mit der Hervorhebung der „Zölle” in Art. 105 Abs. 1 GG die abgabenrechtliche Seite der ausschließlichen Bundeskompetenz aus Art. 73 Ziff. 5 GG nicht vollständig umschrieben ist. Die Länder sind nicht nur durch Art. 105 Abs. 1 GG gehindert, „Zölle” einzuführen, sondern sie können auch nicht andere Abgaben vom Warenverkehr über eine Grenze regeln, sofern sie dadurch in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes über das Zollwesen einbrechen würden.
3. Zölle unterscheiden sich wesensmäßig nicht von gewissen Steuern. Man kann sie daher nur formal bestimmen als die Abgaben, die nach Maßgabe des Zolltarifs von der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden. Helgoland liegt außerhalb des deutschen Zollgebietes; die Gemeindeeinfuhrsteuer wird erhoben, wenn bestimmte Waren über die helgoländer Gemeindegrenze, die mit Bezug auf das deutsche Abgabenrecht gerade keine Zollgrenze ist, in die Gemeinde eingeführt werden: also kann die durch das schleswig-holsteinische Landesgesetz eingeführte helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer nicht zu den „Zöllen” im Sinn des Art. 105 Abs. 1 GG gehören. Trotzdem konnte der Landesgesetzgeber diese Abgabe nicht regeln, da die Erhebung von Abgaben vom Warenverkehr über die Grenze eines Zollausschlußgebietes, das einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen ist, zum Zollwesen des Bundes gehört, das nach Art. 73 Ziff. 5 GG der ausschließlichen Kompetenz des Bundesgesetzgebers untersteht.
Der Bundesfinanzminister meint zwar, daß es im Belieben des Bundes- und des Landesgesetzgebers stehe, eine Abgabe mit einer bestimmten Bezeichnung zu belegen und damit in die Abgaben- Kategorien des Art. 105 Abs. 1 und 2 einzuordnen. Da die helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer als Steuer und nicht als Zoll bezeichnet sei und da sie sich als Verkehrsteuer nur örtlich auswirke, ergebe sich die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers aus Art. 105 Abs. 2 Ziff. 1 GG. Demgegenüber hält das Gericht daran fest, daß die in Art. 105 Abs. 1 und 2 GG zur Bezeichnung der verschiedenen Arten von Abgaben gebrauchten Begriffe einen objektiv bestimmbaren Inhalt haben müssen, da sie zur Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern dienen und es nicht in der Hand des jeweiligen Gesetzgebers liegen kann, seine Zuständigkeit selbst zu begründen, indem er eine Abgabe mit einer bestimmten Bezeichnung belegt (vgl. BVerfGE 7, 244 [251 f.]). Die Charakterisierung der helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer als einer Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis kann die Zuständigkeit des schleswig- holsteinischen Landesgesetzgebers deshalb nicht begründen, weil die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes für das Zollwesen vorgeht. Die ausschließliche Landeszuständigkeit für Gesetze über Verbrauch- und Verkehrsteuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis ergibt sich nur als Folge der negativen Umgrenzung der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes in Art. 105 Abs. 2 Ziff. 1 GG. Wenn aber ein solches Steuergesetz in die ausschließliche Kompetenz des Bundes über das Zollwesen eingreift, dann ergibt sich trotz Art. 105 Abs. 2 Ziff. 1 die Unzulässigkeit jeder Landesgesetzgebung ohne bundesgesetzliche Ermächtigung aus Art. 71 i. V. m. Art. 73 Ziff. 5 GG.
4. Zum Zollwesen gehört auch die Einrichtung und die rechtliche Gestaltung der Zollausschlüsse. Zollausschlüsse sind Institute des Bundesrechts. Mit der Einrichtung von Zollausschlüssen, die gemäß § 5 Abs. 2 ZG nur durch Bundesgesetz erfolgen kann, sind daher bestimmte bundesrechtliche Konsequenzen verbunden, die durch ein Landesgesetz nicht hinfällig gemacht werden können.
Wenn das Bundeszollrecht gewisse Hoheitsgebiete des Bundes vom Zollgebiet ausschließt, ohne daß sie durch Vertrag an ein fremdes Zollgebiet angeschlossen werden (Freihäfen, Insel Helgoland), dann hat das gerade den Sinn, daß von Bundesrechts wegen die Wareneinfuhr aus dem Zollausland in dieses Hoheitsgebiet, das nicht Zollgebiet ist, von einer Warenabgabe befreit sein soll. Bezogen auf den Warenverkehr aus dem Zollausland würde es offensichtlich gegen den Sinn der bundesrechtlichen Einrichtung des einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossenen Zollausschlusses verstoßen, wenn statt des nicht zur Erhebung kommenden Bundeszolls ohne bundesrechtliche Ermächtigung durch Landesgesetz gleichartige Abgaben auf die Einfuhr in den Zollausschluß gelegt würden.
Helgoland ist nicht nur ein zum deutschen Hoheitsgebiet gehörendes Zollausschlußgebiet, das einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen ist, sondern es ist zugleich auch eine kommunale Körperschaft und durch seine geographische Lage nicht nur vom Zollgebiet, sondern auch vom übrigen Hoheitsgebiet abgesondert. Nur wegen dieser besonderen Situation der Insel ist es überhaupt möglich, bei der Wareneinfuhr über die Gemeindegrenze eine Abgabe zu erheben, die bei der Einfuhr über eine Hoheitsgrenze die zugleich Zollgrenze ist, gesetzestechnisch als „Zoll” gestaltet werden würde. Während Helgoland vom deutschen Zollrecht aus gesehen als Nicht- Zollgebiet erscheint, erscheint es unter dem Aspekt der Gemeindeeinfuhrsteuer wie ein eigenes, besonderes „Zollgebiet”. Die der Gemeindeeinfuhrsteuer unterworfenen Waren werden aus einem gegenüber Helgoland fremdem Zollgebiet eingeführt, gleichgültig ob sie aus dem Zollausland oder aus dem deutschen Zollinland kommen. Die helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer ist zwar für das deutsche Abgabenrecht kein Zoll, da sie nicht beim Überschreiten der Zollgrenze erhoben wird, sie ist aber dem Zoll gleichartig, da sie eine Abgabe ist, die zugunsten einer öffentlichen Körperschaft von der Einfuhr bestimmter Waren über die Hoheitsgrenze dieser Körperschaft erhoben wird. Bezogen auf das vom Bundesgebiet abgesondert gelegene Hoheitsgebiet der Inselgemeinde Helgoland wirken diese Gemeindeeinfuhrsteuern nicht nur genauso wie die Zölle in dem Hoheitsgebiet, das zugleich Zollgebiet ist, sondern sie werden auch in der gleichen Art erhoben. Das gilt nicht nur für die Einfuhr aus dem Zollausland, sondern auch für die aus dem Zollinland. Gerade die Kontinuität in der Erhebung von Einfuhrabgaben auf Helgoland von den echten Zöllen der englischen Zeit über die Zölle zur Zeit des Kaiserreichs, zu deren Ermöglichung die Zollhoheit des Reichs auf Helgoland nicht ausgedehnt wurde, bis zu dem Reichsgesetz von 1934, das kraft der Zollhoheit des Reichs die Ermächtigung für die Gemeindeeinfuhrsteuer gab, und das von dem streitigen schleswig-holsteinischen Gesetz abgelöst wurde, zeigt den engen rechtlichen Zusammenhang dieser nach Inhalt und Erhebungsweise stets gleichgebliebene Abgabe mit dem Zollwesen des Staates.
Da nun aber die Zollhoheit beim Bund liegt und auch in den Zollausschlußgebieten, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind, wirksam bleibt, kann die Einrichtung eines derartigen Zollausschlusses nicht die Folge haben, daß damit der Landeshoheit überlassen wird, für dieses Gebiet Landes- oder Gemeindeabgaben auf die Warenbewegung über die Grenze des Zollausschlußgebietes zu legen, die nach Wirkung und Struktur den Zöllen gleichartig sind. Aus der Einrichtung solcher Zollausschlüsse folgt vielmehr, daß von Bundesrechts wegen die Tatsache der Einfuhr von Waren über die Grenze dieses Gebietes als solche nicht zum Gegenstand einer Besteuerung durch das betreffende Land gemacht werden kann.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die in dem schleswig- holsteinischen Landesgesetz vorgesehenen Einfuhrsteuern für die Gemeinde Helgoland die Zollhoheit des Bundes unmittelbar berühren, obwohl sie keine Zölle im technischen Sinn sind. Aus dem Wesen der Zollhoheit folgt, daß nur der Träger der Zollhoheit in dem Gebiet, in dem die Zollhoheit wirksam ist, Grenzverkehrsabgaben aller Art einführen oder zulassen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie rechtstechnisch als Zölle oder Steuern gestaltet oder bezeichnet sind, und ob sie als Einfuhrsteuern neben den Zöllen bei Überschreiten der Zollgrenze (vgl. Kaffee- und Teesteuer, Ausgleichsteuern) oder als Einfuhrsteuer nach Art eines Zolls bei Überschreiten der Hoheitsgrenze, die nicht Zollgrenze ist (helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer), erhoben werden. Aus der Zollhoheit des Bundes ergibt sich, bezogen auf die abgabenrechtliche Gesetzgebungskompetenz, nicht nur die ausschließliche Kompetenz des Bundes für die Zölle, die allein ausdrücklich in Art. 105 Abs. 1 GG aufgeführt sind, sondern auch die ausschließliche Kompetenz des Bundes für Einfuhrsteuern, die neben den Zöllen erhoben werden, und für Grenzverkehrsabgaben in Zollausschlüssen, die einem fremden Zollgebiet nicht angeschlossen sind. Wenn die Abgabengesetzgebung des Bundes neben den „Zöllen” auch Einfuhr-”Steuern” (Kaffee- und Teesteuer, Ausgleichsteuer) kennt, so handelt es sich dabei um eine rein gesetzestechnische Unterscheidung. Als Träger der Zollhoheit kann der Bund, und nur der Bund, solche Einfuhr- „Steuern” erheben. Wenn aber die Länder Steuern vom Warenverkehr über eine Hoheitsgrenze des Bundes oder über eine Grenze innerhalb des Hoheitsgebiets des Bundes einführen, die nur wegen der formalen Definition der Zölle nicht unter diese Abgabenkategorie fallen, und die nur wegen der durch das Bundesrecht geordneten rechtstechnischen Gestalt bestimmter Zollausschlüsse denkbar sind, dann verstoßen sie damit gegen die Zollhoheit des Bundes. Solche Gesetze sind mit der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes über das Zollwesen gemäß Art. 73 Ziff. 5 GG unvereinbar.
5. Nach Art. 71 GG haben die Länder im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden. Eine Ermächtigung zur Rechtsetzung über eine Gemeindeeinfuhrsteuer für das Zollausschlußgebiet Helgoland enthielt das Reichsgesetz von 1934. Dieses Gesetz ermächtigte zwar die Gemeinde Helgoland, eine solche Steuer durch Gemeinde-Steuerordnung (autonome Satzung) einzuführen, aber die Gemeindesatzung ist nur eine Form des Landesrechts im weiteren Sinn.
Da die Ermächtigung zum Erlaß einer Gemeindeeinfuhrsteuerordnung für Helgoland „die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes” im Sinn des Art. 73 Ziff. 5 GG betrifft, ist das Reichsgesetz von 1934 gemäß Art. 124 GG Bundesrecht geworden. Das Land Schleswig-Holstein war darum nicht befugt, dieses Gesetz außer Kraft zu setzen. Art. II Satz 2 des Landesgesetzes vom 8. Juli 1953 ist also nichtig.
Weiter ist darum Art. I Ziff. 3 des Landesgesetzes vom 8. Juli 1953 (= § 8 a des Helgoland-Gesetzes) nichtig, soweit seine Regelung sich nicht im Rahmen des Reichsgesetzes von 1934 hält, also die Steuersätze über die dort gezogene Grenze hinaus erhöht und den Kreis der steuerbaren Waren erweitert. Im übrigen könnte aber das Landesgesetz insoweit gültig sein, als es die Rechtssetzungsgewalt von der Gemeinde auf das Land verlagert hat. Das Landesgesetz will aber, wie die beabsichtigte Aufhebung des Reichsgesetzes durch Art. II Satz 2 ergibt, nicht von einer bundesrechtlichen Ermächtigung Gebrauch machen und im Rahmen des fortgeltenden Reichsgesetzes von 1934 die helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer nunmehr durch staatliches Recht (Landesgesetz und Rechtsverordnung) ordnen, sondern es will die ganze Materie als ausschließlich dem Landesrecht zugehörig regeln. Aus diesem Grunde ist Art. I Ziff. 3 des Landesgesetzes vom 8. Juli 1953 in vollem Umfang nichtig.
Da das Land Schleswig-Holstein nicht befugt war, das Reichsgesetz über die Einfuhrsteuer der Gemeinde Helgoland vom 20. Dezember 1934 außer Kraft zu setzen und die helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer landesrechtlich neu zu ordnen, war festzustellen, daß Art. I Ziff. 3 und Art. II Satz 2 des schleswig-holsteinischen Landesgesetzes vom 8. Juli 1953 wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz nichtig sind.
Fundstellen
BVerfGE, 260 |
NJW 1959, 331 |
DVBl. 1959, 373 |