Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Forderung nach Erschöpfung des Rechtswegs vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde würde weitgehend entwertet, wenn die eigentliche verfassungsrechtliche Kernfrage nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren den zur Prüfung verpflichteten Fachgerichten unterbreitet werden würde.
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung und der privaten Vorsorgeaufwendungen wurden vom Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3; EStG § 22 Nr. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. a) Der im Verfahren der Verfassungsbeschwerde geltende Grundsatz der Subsidiarität gebietet es, daß eine behauptete Grundrechtsverletzung im Interesse einer ordnungsgemäßen Vorprüfung der Beschwerdepunkte zunächst im sachnächsten Verfahren geltend gemacht wird. Auf diese Weise soll dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vermittelt werden (BVerfGE 9, 3 ≪7≫; 69, 122 ≪125≫). Zudem entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und der Aufgabenzuweisung, daß vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren (BVerfGE 47, 144 ≪145≫; 71, 25 ≪35≫). Diese Grundsätze werden im Hinblick auf die besondere Funktion des Bundesverfassungsgerichts und angesichts der anhaltenden Belastung des Gerichts streng beachtet (vgl. BVerfGE 68, 143 ≪151≫).
Die Verfassungsbeschwerde bemerkt lediglich allgemein, dem Bundesfinanzhof sei die verfassungsrechtliche Problematik offenbar trotz der Hinweise im Vortrag der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich gewesen. Sie führt allerdings innerhalb der Beschwerdefrist (§ 93 Abs. 1 BVerfGG) nicht aus, welcher Art diese Hinweise konkret gewesen seien. Den angegriffenen Entscheidungen läßt sich ihr Inhalt nicht entnehmen. Beide Entscheidungen enthalten kein Vorbringen der steuerlich vertretenen Beschwerdeführer zu eventuellen verfassungsrechtlichen Bedenken. Derartige Ausführungen im Instanzenzug waren aber um so mehr geboten, als die Beschwerdeführer geltend machen, ihrem Begehren könne bereits durch eine verfassungskonforme Auslegung der den Werbungskostenabzug regelnden Vorschrift in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Rechnung getragen werden. Eine verfassungskonforme Auslegung obliegt jedem Richter (vgl. BVerfGE 48, 40 ≪45≫).
Das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichts hatte sich ausführlich mit der einfachrechtlichen Rechtslage und der zu ihrer Beurteilung heranzuziehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Spätestens im Rahmen des Revisionsverfahrens bestand deshalb Veranlassung, den Bundesfinanzhof mit den verfassungsrechtlichen Bedenken zu konfrontieren. Die Forderung nach Erschöpfung des Rechtswegs (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) würde weitgehend entwertet, wenn die eigentliche verfassungsrechtliche Kernfrage nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren den zur Prüfung verpflichteten Fachgerichten unterbreitet werden würde.
b) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde läßt eine Grundrechtsverletzung auch nicht als hinreichend möglich erscheinen(vgl. § 92 BVerfGG; BVerfGE 68, 176 ≪184≫).
Im Ausgangsverfahren überschritt der Beschwerdeführer mit seinen gesamten Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung (in Höhe von 8 780,– DM) den für das Streitjahr 1982 maßgebenden Höchstbetrag, den das Finanzgericht mit 9 489,– DM berechnet hat, nicht. Zu dem als verfassungswidrig beanstandeten teilweisen Ausfall der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gelangen die Beschwerdeführer überhaupt nur dadurch, daß sie weitere – im einzelnen allerdings nicht vorgetragene – private Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 2 616,– DM im Rahmen des Höchstbetrages vorrangig abziehen wollen. Die Verfassungsbeschwerde führt nicht aus, daß von Verfassungs wegen ein derartiges Rangverhältnis gelte oder diese privaten Vorsorgeaufwendungen gleichermaßen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unabweisbar seien.
Waren die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung bei anderer Abzugsfolge jedenfalls in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig, so mußten die Beschwerdeführer substantiiert darlegen, aus welchen – zusätzlichen – Erwägungen die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte dennoch in Betracht komme.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen